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uit de modder der onwetendheid Schule und Unterricht in der niederländischen Kunst des 16. und 17. Jahrhunderts

Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn

vorgelegt von

Petra Aescht aus Klausenburg (Rumänien)

Bonn 2015

Institut für Kunstgeschichte und Archäologie Diese Dissertation ist auf dem Hochschulschriftenserver der ULB Bonn unter http://hss.ulb.uni-bonn.de/diss_online elektronisch publiziert.

Prüfungskommission: HD Dr. Katharina Corsepius (Vorsitzende) Prof. Dr. Hans-Joachim Raupp (Betreuer und Erstgutachter) Prof. Dr. Harald Wolter-von dem Knesebeck (Zweitgutachter) Prof. Dr. Georg Satzinger (weiteres prüfungsberechtigtes Mitglied)

Tag der mündlichen Prüfung: 24. April 2012

Dank Dass zum Zustandekommen dieser Arbeit zahlreiche Menschen auf vielfältige Weise beigetragen haben, ist hoffentlich die einzige Binsenweisheit in diesem Text. Wesentlicher Ansp*rn war für mich die Tatsache, dass Herr Prof. Dr. Hans-Joachim Raupp mir die angemessene Bearbeitung des Themas zutraute. Von seiner nicht nur wissenschaftlich fundierten, überaus korrekten und zugleich humorvollen Sichtweise auf die Kunst(geschichte), ohne dabei das Leben aus dem Blick zu verlieren, habe ich häufig profitiert und vielleicht sogar gelernt. Herrn Prof. Dr. Harald Woltervon dem Knesebeck bin ich für die unkomplizierte Übernahme des Ko-Referates sehr verbunden. Die an Museen und anderen Institutionen konsultierten Kollegen haben mir oft über das übliche Maß hinaus Zugang zu Informationen und Material gewährt und mich vielfach an ihrem wertvollen Wissen teilhaben lassen. Ein Reisestipendium der Stiftung Doktorhut ermöglichte mir einen längeren Aufenthalt am Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie in Den Haag, dessen wertvolles Archivmaterial die Basis für die Erschließung der bislang wenig erforschten Werkkomplexe bildete. Meinen Kommilitonen aus dem Oberseminar danke ich für immer offene Augen und Ohren. Als besonders unermüdlich und unentbehrlich erwies sich dabei Herr Dr. Gerald Volker Grimm. Nicht selbstverständlich und ausgesprochen hilfreich waren die Flexibilität und der stete Zuspruch, die ich von Seiten meiner Arbeitgeber und Kollegen im Zentrum für Kulturforschung (Bonn) und bei LETTER Stiftung (Köln) erfahren durfte. Trotz allem: Ohne meine Familie und meine Freunde hätte ich dieses Vorhaben nicht verwirklichen können: Vor allem meine Eltern haben mich in jeder Hinsicht vorbehaltlos und geduldig unterstützt. Ihnen widme ich diese Arbeit.

INHALTSVERZEICHNIS I. EINLEITUNG – ZIELSETZUNG DER ARBEIT UND ABRISS DES FORSCHUNGSSTANDES

9

II. HISTORISCHER HINTERGRUND II.1 Das Bildungsniveau der Niederländer im 16. und 17. Jahrhundert

13

II.2 Didaktische Ansätze des 16. Jahrhunderts

16

II.3 Das Schulwesen der Niederlande

20

II.4 Der Ausbau des Schulwesens nach der Reformation

21

II.5 Unterrichtsformen in den Niederlanden im 16. und 17. Jahrhundert

26

II.6 Kindererziehung in den Niederlanden im 16. und 17. Jahrhundert

32

III. IKONOGRAPHISCHE GRUNDLAGEN III.1 Grundsätzliches zur Ikonographie der Unterrichtsdarstellungen

43

III.1.1

Darstellungen der Grammatica

43

III.1.2

Tiersatiren

47

IV. SCHUL- UND UNTERRICHTSSZENEN DES 16. JAHRHUNDERTS IV.1 Der Esel in der Schule

51

IV.1.1

Offene Fragen

57

IV.1.2

Versuch einer zusammenfassenden Deutung

59

IV.2 Die Allemode School

61

IV.3 Fazit: Der künstlerische Blick auf die schulische Bildung im 16. Jahrhundert

63

V. BEGINNENDES 17. JAHRHUNDERT: GELEHRSAMKEIT IN BÜRGERLICHEN KREISEN V.1 Die Unterrichtsszenen Jacques de Gheyns II.

65

V.1.1

Ein Beispiel aus dem privaten Umfeld

65

V.1.2

Darstellungen aus dem universitären Umfeld?

70

V.1.2.1 Federzeichnungen

70

V.1.2.2 Tafelbilder

72

V.2 Die Porträts der Prinzen von der Pfalz mit ihren Erziehern

77

V.3 Die Unterrichtsszenen Gerrit Dous

79

V.3.1

Gerrit Dous erste Unterrichtsdarstellung

80

V.3.2

Die Abendschulen

82

V.3.2.1 Das Triptychon Natur, Unterweisung, Übung

82

V.3.2.2 Die Abendschulen in New York, Florenz und Amsterdam

87

V.4 Mit spitzer Feder und feinem Pinsel – Darstellungen von Federschneidern

91

V.5 Gerrit Dous Nachfolge: Pieter Verelst und Quiringh van Brekelenkam

95

V.5.1

Die Schulszenen Pieter Verelsts

95

V.5.2

Die Unterrichtsszenen Quiringh Gerritsz. van Brekelenkams

98

V.5.2.1 Brekelenkams Bilder in der Tradition Gerrit Dous

98

V.5.2.2 Der Wanderschulmeister – eine Bilderfindung Quiringh van Brekelenkams?

101

V.6 Die mütterliche Unterweisung

107

V.7 Schülerbildnisse

109

VI. DIE DORFSCHULEN ALS GEGENBILD BÜRGERLICHER ERZIEHUNGSIDEALE VI.1

Die Schulszenen Jan Miense Molenaers

VI.1.1 Frühe Schuldarstellungen Molenaers (um 1630 bis 1636)

113 114 114

VI.1.1.1 Schulszene in Manchester

114

VI.1.1.2 Schulszene im Kunsthandel (Heininger)

115

VI.1.1.3 Bürgerfamilie, eine Schule besuchend (1634)

118

VI.1.1.4 Schulszene (1636)

122

VI.1.1.5 Schulszene in Innsbruck

124

VI.1.2 Zur chronologischen Ordnung der Werke Molenaers

125

VI.1.3 Wohl nach 1636 entstandene Schulszenen Molenaers

127

VI.1.4 Molenaers Abkehr von den turbulenten Schulszenen

129

VI.2

130

Die Schulszenen der Gebrüder van Ostade

VI.2.1 Die Szenen der 1630er Jahre

133

VI.2.1.1 Adriaen van Ostades früheste datierte Schulszene

133

VI.2.1.2 Die spottenden Schüler

136

VI.2.1.3 Schulszene mit seine Feder spitzendem Schulmeister

137

VI.2.1.4 Schulszene in Weimar

138

VI.2.1.5 Schulszene in der Abrams Collection

139

VI.2.1.6 Schulszene in Warschau

141

VI.2.2 Nach 1640 entstandene Schulszenen

142

VI.2.2.1 Schulszene in Paris (1641 (?))

142

VI.2.2.2 Schulszene (1656)

144

VI.2.2.3 Schulszene in Paris (1662)

144

VI.2.2.4 Der Schüler mit Bücherkasten und Hut – Detailstudie zu einem Gemälde

146

VI.2.2.5 Der Schulmeister mit drei Schülern

147

VI.3 Vom Schuppen zur Schulstube Weshalb verändert sich der Blick der Haarlemer Künstler auf die Schule?

149

VI.4 Schulszenen von Zeitgenossen oder Nachahmern der Gebrüder Ostade

158

VI.4.1

Die Federzeichnung einer Schulszene in Leipzig

159

VI.4.2

Ein Tondo in Philadelphia und verwandte Darstellungen

160

VI.4.3

Eine mögliche Kopie nach Isack van Ostade

162

VI.4.4

Ein Nachfolger Jan Molenaers mit Anleihen bei Ostade

164

VI.4.5

Eine Schulszene des Ostade-Schülers Cornelis Bega

165

VI.4.6

An Harmen Hals zugeschriebene Schulszenen

167

VI.4.7

An Egbert van Heemskerck d. Ä. zugeschriebene Schulszenen

170

VII. BRUTALITÄT STATT BILDUNG

175

VII.1 Eine Tobende Schulklasse aus dem Umkreis Adriaen Brouwers

176

VII.2 Pieter de Bloots Tobende Schulklasse

179

VII.3 Eine Brüsseler Bestrafungsszene

182

VII.4 Eine Affenschule David Teniers' d. J. (1610–1690)

184

VII.5 Eine Schulszene mit Affen, Esel und Katze

185

VIII. DIE UNTERRICHTSSZENEN JAN STEENS (UM 1626 – 1679) VIII.1 Schulszenen in der Tradition Adriaen van Ostades?

189

VIII.2 Frühe Unterrichtsszenen mit eigenständiger Motivik

190

VIII.3 Der gestrenge Schulmeister

192

VIII.4 Steens Bestrafungsszenen – Kommentare zu Härte in der Erziehung

196

VIII.5 Jan Steens Schulszene in Edinburgh

199

VIII.5.1 Beschreibung und grundlegende Deutung

199

VIII.5.2 Steens Schule als Zerrbild eines antiken Ideals

203

VIII.5.3 Steens Komposition im zeitgenössischen Kontext

206

VIII.6 Zusammenfassende Deutung der Unterrichtsszenen Jan Steens

208

VIII.7 Wiederholungen und Varianten der Unterrichtsszenen Jan Steens

213

VIII.8 Die Schulszenen Richard Brakenburghs

218

IX. AUSBLICK: DAS 18. JAHRHUNDERT

221

X. RESÜMEE

229

XI. ABBILDUNGSVERZEICHNIS

235

XII. LITERATURVERZEICHNIS

255

XIII. ABBILDUNGSTEIL

293

I.

EINLEITUNG – ZIELSETZUNG DER ARBEIT UND ABRISS DES FORSCHUNGSSTANDES

Darstellungen von Schulklassen und Unterrichtsszenen sind in der niederländischen Kunst des 16. und besonders des 17. Jahrhunderts ein beliebtes Sujet. Sie thematisieren, wie andere Alltagsdarstellungen der Zeit, exemplarisch sittliche Grundsätze, indem sie dem Betrachter menschliche Verhaltensweisen auf mahnende und nicht selten humorvolle Weise vor Augen führen. Die vorliegende Arbeit untersucht diese und thematisch verwandte Gemälde sowie Graphiken vor ihrem kunst- und kulturgeschichtlichen Hintergrund. Der Fokus liegt folglich weniger auf der stilistischen oder zeitlichen Einordnung der Bilder als auf der Erläuterung ihrer ikonographischen Eigenarten im jeweiligen Kontext. Ziel ist die Analyse ihrer Inhalte und der Versuch einer möglichst umfassenden Deutung dessen, was der zeitgenössische Rezipient in den Szenen gesehen haben mag. Wie bei anderen Genrebildern – seien das nun Schänkenszenen, häusliche Interieurs oder Motive aus dem ländlichen Milieu – sind bei der Untersuchung der Werke zwei wesentliche Punkte gegeneinander abzuwägen: Zum einen erscheinen viele der Darstellungen durch ihre detailgetreue Malweise und die lebendig wirkende Schilderung des kindlichen Betragens wie unmittelbare Übertragungen des Geschehens, als sei die wirklichkeitsgetreue Wiedergabe einer beobachteten Szene die Hauptintention. Die Bedeutung dieses Aspekts wird durch die im 16. und 17. Jahrhundert vollzogene Reform und den Ausbau des niederländischen Schulwesens zu einem vergleichsweise dichten Netz verschiedener Bildungseinrichtungen noch betont. Zur Entstehungszeit der Darstellungen sind Bildung und Belesenheit in den Niederlanden wichtige Faktoren des gesellschaftlichen Lebens. Die Themen Erziehung und Gelehrsamkeit waren in aller Munde, und viele dieser Stimmen werden im Rahmen der Erörterung die Ansichten der Zeitgenossen zu den in der Kunst aufgegriffenen Konzepten illustrieren. Besonders präsent ist dabei der im Titel der Arbeit zitierte Rotterdamer Humanist Desiderius Erasmus (1465 oder 1469–1536), dessen pädagogische Thesen ein Grundpfeiler des niederländischen Bildungswesens sind.1 Erasmus selbst sagt dazu: „En dus heb ik naar best vermogen gepoogd de jeugd uit de modder der onwetendheid op te trekken tot ‚puriora studia‘. Want ik heb mijn werken niet geschreven voor Italianen, maar voor Hollanders, Brabanders en Vlamingen. En niet geheel vruchteloos is mijn pogen geweest.“2 Verkürzt gesagt liegt also die Vermutung nahe, die Künstler hätten sich den alltäglichen Sujets Schule und Unterricht aus quasi aktuellem Anlass gewidmet. Obschon im Einzelnen kaum zu klären ist, inwieweit sich Bilder auf bestimmte Unterrichtsformen beziehen, inwieweit die Künstler unter Umständen gar Erfahrungen aus der eigenen Schulzeit oder Erlebnisse ihrer Kinder aufgreifen oder welche Haltung sie gegenüber den von Zeitgenossen diskutierten Erziehungsformen einnehmen, sollen historische Quellen und Gegebenheiten an entsprechender Stelle in Bezug zu den Darstellungen gesetzt werden, um zu illustrieren, in welchem geistigen und gesellschaftlichen Klima die Werke entstanden sind. Der kulturhistorische Rahmen ist deswegen im ersten Teil der Arbeit umrissen und, wo es notwendig erscheint, näher beschrieben. Dabei liegt der Schwerpunkt aus zwei Gründen auf den nördlichen Landesteilen: Einerseits ist der Anteil der dort entstehenden Unterrichtsdarstellungen im Vergleich zum Süden wesentlich höher. Andererseits – und dieser Zusammenhang wird noch zu erörtern sein – unterscheidet sich das Schulwesen der südlichen Provinzen bis weit ins 18. Jahrhundert in wesentlichen Punkten deutlich von dem des Nordens. 1

Diese sind in der ab 1969 von Waszink/Halkin/Reedijk/Bruehl u. a. herausgegebenen lateinischen Gesamtausgabe erschienenen. Soweit möglich, werden hier die niederländischen Fassungen der Texte zitiert. 2 Zitiert nach: Bot 1955, S. 42. Das lateinische Original lautet: „Itaque pro mea quantulacunque portione conatus sum juventutem ab inscitiae coeno ad puriora studia excitare. Neque enim illa scripsi Italis, sed Hollandis, Brabantis ac Flandris. Nec omnino male successit conatus meus.“ („Und so habe ich nach bestem Vermögen versucht, die Jugend aus dem Schlamm der Unwissenheit hin zu den ‚reineren Studien‘ empor zu ziehen. Denn ich habe sie [seine Texte] nicht für Italiener geschrieben, sondern für Holländer, die Bewohner Brabants und Flamen. Und mein Streben ist nicht ganz erfolglos gewesen.“) Aus einem im November 1534 verfassten Widmungsbrief an Johann Coler (Choler), der 1535 bei Froben in Basel veröffentlicht wurde. Erasmus 1535, S. 25; Allen 1942, Bd. XI, S. 183, (Brief Nr. 3032 auf S. 172–186); Seidel-Menchi 1993, S. 37, Anm. 21; Bejczy 2001, S. 110, Anm. 20.

9

Zum anderen aber ist für die Beurteilung der Bilder eine weitere Ebene bestimmend: Die Forschung erkennt seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts in der Motivik der niederländischen Genreszenen an den Betrachter gerichtete, zumeist didaktisch-moralisierende Botschaften. Ausgehend von einem belehrenden Anspruch der Darstellungen, deren im Einzelnen noch zu erläuternde Bildsprache dem heutigen Publikum ohne Erklärung oft verschlossen bleibt, greift die Einschätzung als wirklichkeitsgetreue Wiedergabe der Realität zu kurz. Die Arbeit wird zeigen, dass die Szenen durch ihren vielfach emblematischen Gehalt selbst regelrechte Bildungsmittel sind. In welcher Beziehung ihre Sinnbildhaftigkeit zur Realität des Schulwesens steht, ist ebenfalls Gegenstand der Untersuchung. Die Kompositionen stehen folglich exemplarisch für moralische Konzepte. Dabei ist die reine Anschaulichkeit nicht ihr primärer Zweck, schließlich zogen die Zeitgenossen, wie es der Schriftsteller Jan de Brune d. J. (1616–1649) ausdrückt, „mehr Vergnügen aus Rätseln, geistreichen Wortspielen und Scherzen, in denen etwas Geheimes und Verborgenes versteckt ist, als aus Dingen, die auf den ersten Blick verständlich sind.“3 Die möglichst vollständige Entschlüsselung dieser – wohl je nach Bildungsstand des Betrachters mehr oder weniger – versteckten Anspielungen kann die Würdigung künstlerischer Qualitäten gegenüber inhaltlich-theoretischen Erläuterungen in den Hintergrund geraten lassen. Konzentriert man sich dagegen auf malerische Kunstgriffe, besteht die Gefahr allzu emotionaler Deutungen. So ist es Ziel der Arbeit, möglichst alle Merkmale der komplexen Werke anhand der Darlegung soziokultureller Umstände sowie motivischer und künstlerischer Zusammenhänge im kunst- und kulturhistorischen Kontext zu erörtern – allerdings ohne den Ehrgeiz, sich daraus ergebende Fragen letztgültig zu beantworten. Aufgrund dieses vergleichsweise weit gespannten Anspruchs muss in anderen Bereichen selektiv vorgegangen werden. Entsprechend wird nicht jedes Werk gleichermaßen ausführlich beschrieben und diskutiert. Ein Augenmerk liegt auf der Vorstellung noch nicht publizierter respektive eher unbekannter Bilder. Zwar enthalten diese nur selten ikonographische Innovationen, an ihnen lässt sich aber ablesen, welche Motive für die zeitgenössische Käuferschaft offenbar besonders interessant und demnach wiederholenswert waren. Es liegt auf der Hand, dass die Plausibilität fraglicher Zuschreibungen in diesem Rahmen nicht überprüft werden kann, zumal es für die Deutung der Szenen letztlich meist nicht entscheidend ist, wer das Bild tatsächlich gemalt hat. Stattdessen konzentriere ich mich auf die Punkte, die für die Konturierung der ikonographischen Entwicklung wesentlich erscheinen.4 Da die Werke sich aufgrund ihrer Detailgenauigkeit gut zur Veranschaulichung historischer Unterrichtsformen und -materialien eignen, werden sie häufig für die Bebilderung von Publikationen zur Geschichte des niederländischen Bildungswesens herangezogen. Meist bleiben die Bilder nahezu unkommentiert, in vielen Fällen weist lediglich der Titel darauf hin, welcher Sachverhalt illustriert werden soll. Die Angaben zu Technik, Datierung und Aufbewahrungsort sind nicht selten ungenau oder unvollständig.5 Dass Datierungsfragen und stilistische Eigenheiten in Arbeiten mit historischem Schwerpunkt außer Acht bleiben, ist nachvollziehbar, doch auch ikonographische Gesichtspunkte, die ja letztlich für die Haltung der Zeitgenossen zur Schule entscheidende Hinweise geben können, werden vielfach ausgeblendet oder missverstanden.6 Da erst eine vergleichende Betrachtung Aufschluss darüber geben kann, welche Aspekte der gesellschaftlichen Wirklichkeit die Darstel3

„ […] dat wy meer vermaak scheppen in raadzels, scheutjes, en quinkslagen, daar yet heimelix en verborgens in steekt, als die ter eerster opzicht verstaan worden.“ De Brune d. J. 1644, 4. Buch/Teil IX, S. 344. 4 Für alles Weitere sei auf die Literatur verwiesen, wobei vor allem im Falle häufiger publizierter Werke nur aktuelle bzw. im Hinblick auf die Fragestellung wichtige Titel angeführt sind. Für wenig dokumentierte Künstler wurde – insbesondere was Lebensdaten und Namensschreibweisen anbelangt – auf die Dokumentation des Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie (RKD) Den Haag zurückgegriffen. Sofern die Bilder in der Online-Datenbank des RKD verzeichnet sind, ist die entsprechende Nummer angegeben. Ansonsten ist der Fundort der Unterlagen vermerkt. Für einige dieser Beispiele konnte trotz gründlicher Recherche kein Rechteinhaber ausfindig gemacht werden. 5 Bei Boekholt/de Booy 1987, u. a. S. 29, 69, 76, fehlt z. B. die Datierung der abgebildeten Werke. Diese Problematik wird bei Willemsen 2008, S. 47, angesprochen, wo die Bildbeischriften meist entsprechend genauer sind. 6 Jansen 1925, S. 19 ff., rekonstruiert anhand der Szenen die Realität häufig ohne entsprechende Quellen. Ähnlich de Booy 1981, S. 432 f., 435: Sie meint z. B., die Kinder hätten sich in der Schule oft prächtig amüsiert. Obschon vor allem die Bilder Adriaen van Ostades diese Einschätzung stützen können, lässt sich das kaum anhand der von der Verfasserin zitierten Texte begründen, sondern erschließt sich – wie zu zeigen sein wird – aus der Bildtradition. Ariès 1978 dagegen argumentiert (etwa auf S. 160) im Detail schlüssig, wenn auch seine zentralen Thesen weniger fundiert sind. Die entsprechende Kritik referiert Krausman Ben-Amos 2004, S. 9 ff.

10

lungen widerspiegeln, ist die mehr oder weniger unreflektierte illustrative Verwendung nicht nur vom kunsthistorischen Standpunkt aus unbefriedigend, für historische Untersuchungen ist eine solche Herangehensweise ebenfalls wenig ergiebig.7 Die neuere historische Bildungsforschung trägt dem gesteigerten Bewusstsein um das Potential der Bildanalyse8 unter anderem in Form der virtuellen Datenbank Pictura Paedagogica Online Rechnung,9 in der entsprechendes Material gesammelt und methodisch aufbereitet wird. Als eine der Ursachen für die Konzentration der erziehungshistorischen Forschung auf schriftliche Quellen ist ein „gewisses Misstrauen“ gegenüber dem Wahrheitsgehalt der bildlichen Quellen denkbar.10 Tatsächlich ist dieses Misstrauen nicht unberechtigt: Zwar orientieren sich die Bilder in Motivik und Ausstattung an der Realität, so dass daraus zahlreiche Informationen über den niederländischen Schulalltag im 16. und 17. Jahrhundert gewonnen werden können. Allerdings ließen sich „die niederländischen Maler des 17. Jahrhunderts vielfach von überlieferten Themen und Bildtraditionen und von Stereotypen und Klischees leiten […]. In der realistischen Erscheinung stecken literarische und allegorische Anspielungen und Hintergedanken. Die Maler haben ihre Umwelt und ihre Zeitgenossen nicht nur beschrieben – sie haben bestimmte Aspekte der Wirklichkeit ausgewählt, um sie zu kommentieren, zu pointieren und zu deuten.“11 Die Erschließung der inhaltlichen Tragweite jedoch kann erst die Analyse im Kontext zeitgenössischer Äußerungen und weiterer Bilder leisten – ein Ansatz, den die historische Bildungsforschung erst spät für sich entdeckt hat. Denn: „Unterliegt das Bild nicht eigentlich den Kriterien der ästhetischen Urteile, nicht solchen der Wahrheitsfindung?“ Ganz zu schweigen von seiner „Viel- und Mehrdeutigkeit“.12 Und: Bilder lassen „dem Betrachter sehr viel mehr Möglichkeiten der Deutung […] als der Text […]. Bilder liefern den Schlüssel zu ihrem Verständnis nicht mit, es sei denn, sie enthielten Beschriftungen, variierten ein bestimmtes Bildmotiv, fügten sich in einen kanonischen Bilderzyklus ein oder seien überhaupt Illustrationen zu einem Text.“13 Dass nahezu alle diese eine Deutung der Darstellungen erleichternden Prämissen auf die hier untersuchten Beispiele zumindest bis zu einem gewissen Grad zutreffen, wird die Untersuchung zeigen. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang die 2005 erschienene Publikation des Pädagogen Andreas Gruschka mit dem viel sagenden Titel „Der heitere Ernst der Erziehung. Jan Steen malt Kinder und Erwachsene als Erzieher und Erzogene“. Darin werden die Schulbilder Steens verhältnismäßig ausführlich besprochen und auch andere Beispiele der Zeit zum Vergleich herangezogen. Da aber Gruschka die Darstellungen ohne fundierte Kenntnis der niederländischen Kunst betrachtet und sich bei seiner „Entdeckungsreise“ sehr stark von der eigenen, modernen Erziehungsauffassung leiten lässt, sind seine Erkenntnisse für das Verständnis der Bilder, die den intellektuellen und gesellschaftlichen Hintergrund eines ganz anders sozialisierten Betrachters voraussetzen, nur bedingt erhellend und nicht selten einfach falsch. Dagegen liefern einige kunsthistorische Publikationen gute Anknüpfungspunkte für eine der Komplexität der Szenen Rechnung tragende Untersuchung: Das Bild des Kindes in der Malerei der Niederlande ist erstmals von Mary Frances Durantini 1983 umfassend beleuchtet worden. Das Thema „Schule“ bildet dabei neben den Bereichen „Häusliche Umgebung“ und „Spiel“ einen von drei Hauptteilen. Die Autorin arbeitet heraus, dass die Kinder nicht um ihrer selbst willen dargestellt wurden, sondern vor allem sinnbildhaft für Themen aus der Welt der Erwachsenen stehen. Die Inszenierung menschlicher Wesenszüge mit kindlichen Protagonisten schafft eine gewisse Distanz und evoziert durch diese die Möglichkeit zur Selbstreflexion, zur Infragestellung des eigenen Betragens im Ange7

Hervorzuheben ist allerdings die Untersuchung von Sabine Kirk, die die zeitgenössische Unterrichtstheorie anhand von Buchillustrationen des 15., 16. und 17. Jahrhunderts nachzeichnet. Vgl. Kirk 1988, S. 7 ff. 8 Damit setzen sich u. a. zwei Aufsätze Rudolf Kecks auseinander, die bezeichnenderweise in zwei mit nur einem Jahr Abstand erschienen Bänden publiziert sind, die beide den Titel „Bild und Bildung“ tragen. Die Beiträge beider Bücher berühren die hier besprochenen Bereiche jedoch nur am Rande. So analysiert Keck 1991, S. 39 ff., beispielsweise die Potentiale der Emblematik für die Bildungsgeschichte, ohne darauf basierende künstlerische Darstellungen in seine Überlegungen einzubeziehen. 9 http://opac.bbf.dipf.de/virtuellesbildarchiv/index.html (Aufruf 8.3.2015). Vgl. dazu Ritzi 2003, S. 189 ff., die Methoden älterer historischer Publikationen schildert er u. a. auf S. 196 f. 10 So Erhard Wiersing im Vorwort zu Rittelmeyer/Wiersing 1991, S. VII. 11 Raupp 1996, S. 5. 12 Keck 1991, S. 23. 13 Wiersing 1991, S. 19 f.

11

sicht eines Ideals oder eines negativen Beispiels. Dass Durantini die Nachweise zu diesen zentralen soziologischen Aspekten nicht durchweg methodisch sauber herleitet und die Bilder demnach nicht immer treffend beurteilt, hat Wayne Franits in seiner Besprechung der Veröffentlichung hervorgehoben.14 Im Folgenden wird dem für die Unterrichtsszenen im Detail nachgegangen werden. Mit Ausnahme der Arbeit Durantinis, die aufgrund ihrer weit gefassten Themenstellung im Bereich der schulischen Szenen vergleichsweise kursorisch bleibt, sind die Unterrichtsdarstellungen des 16. und 17. Jahrhunderts bislang noch nicht im Zusammenhang untersucht worden. Lediglich für einzelne Bilder werden, meist in Bestands- oder Ausstellungskatalogen, Bezüge zu ähnlichen Werken oder zeitgenössischen Texten aufgezeigt. In Publikationen zum Bild des Kindes in der niederländischen Kunst15 wurde das Thema Schule und Unterricht bislang nicht explizit behandelt. Eine gründliche vergleichende Einordnung der Bilder, die den historischen Hintergrund ebenso berücksichtigt wie kunsthistorische Gesichtspunkte, steht folglich noch aus. Für eine Einschätzung der Relevanz des Bildthemas wäre es natürlich wichtig, zu wissen, welchen Prozentsatz der regelrecht massenhaft entstandenen Genreszenen die Schulbilder ausmachen. Da es dazu aber keine auch nur annähernd genauen Zahlen gibt, kann der quantitative Anteil der hier untersuchten Bilder an der Kunstproduktion der Zeit nicht bestimmt werden. Die Durchsicht der Untersuchung Durantinis liefert aber – wenn auch unter dem Vorbehalt der Unvollständigkeit – immerhin ein Indiz dazu, indem sie zeigt, dass der Anteil von Darstellungen mit Bildungsschwerpunkt am Gros der Kinderszenen relativ hoch ist.16 Von 164 Bildern sind 55 Darstellungen des Kindes im familiären Kontext, 28 zeigen Kinder beim Unterricht oder in der Schule und 81 Kinder beim Spiel. Die zahlenmäßigen Unterschiede werden dadurch relativiert, dass die kleinen Protagonisten bei anderen Sujets häufiger als bei den Unterrichtsbildern im Grunde lediglich – wenn auch für die Bedeutung des Bildes wichtige – Nebenfiguren sind, etwa bei Darstellungen zum Thema „Wie die Alten sungen…“. Zählt man nur die Szenen, in denen – wie es ja bei den meisten Unterrichtsdarstellungen der Fall ist – die Kinder der hauptsächliche Bildgegenstand sind, sind die Werte wohl vergleichbar hoch.17 Das Thema Unterricht spielt in der Gattung der Alltagsdarstellungen demnach eine wesentliche Rolle. Mit der Beliebtheit des Bildthemas untrennbar verbunden ist die Haltung der Zeitgenossen zum Gegenstand der Darstellung. Entsprechend soll im folgenden Kapitel zunächst ein Blick auf das gesellschaftliche Klima und insbesondere auf das Schulwesen des 16. und 17. Jahrhunderts den historischen Hintergrund für die Entstehung der Bilder gegenwärtig werden lassen. Zugleich werden in diesen Kapiteln anhand verschiedener Beispiele die ikonographischen Grundlagen der im Hauptteil untersuchten Szenen umrissen.

14

Durantini 1983, S. 5 f.; Franits 1985, S. 695 ff., besonders S. 699 f. So etwa: Amsterdam 1955/1956; eine frühe kursorische Übersicht zur Entwicklung des Kinderbildes in den Niederlanden bieten Knipping/Gerrits, o.J. (ca. 1948?); auf Porträts konzentriert sich: Haarlem/Antwerpen 2000/2001. 16 Embleme wurden dabei nicht mitgezählt, ebenso wenig Sonderfälle, die alle drei Bereiche betreffen – so z. B. Gerrit Dous Triptychon [Abb. 70], vgl. dazu besonders hier Kapitel V.3.2.1. 17 Absolute Zahlen hierzu wären nur mit unverhältnismäßigem Zeitaufwand zu ermitteln gewesen, da bei Durantini nicht alle Bilder abgebildet sind und die von ihr vermerkten Titel für eine Klassifizierung der z. T. nicht lokalisierbaren Darstellungen oft nicht ausreichen. Eine Zählung der abgebildeten Szenen allerdings bestätigt die Vermutung, dass die Anzahl der Darstellungen von Kindern in der Familie, beim Unterricht und beim Spiel etwa gleich ist. 15

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II.

HISTORISCHER HINTERGRUND

II.1

Das Bildungsniveau der Niederländer im 16. und 17. Jahrhundert

Schon die große Anzahl von Bildern, die das Schreiben und Lesen von Briefen oder Büchern zeigen, vermittelt einen Eindruck von der Bedeutung dieser Fertigkeiten für die holländische Kultur. Dabei ist natürlich vorauszusetzen, dass es sich bei diesen Demonstrationen der Kultiviertheit um ein Ideal handelt, das nicht immer der Wirklichkeit entsprochen hat – aber Wissen und Gelehrsamkeit waren ein in allen Schichten anerkanntes Statussymbol. Man machte sich sogar über Leute lustig, die nicht lesen konnten.18 Dieses Verständnis von Bildung als ideellem Wert zeigt sich schon früher in Unterrichtsszenen der Heiligen- und Herrscherikonographie, von denen noch die Rede sein wird. Die moralische und die intellektuelle Formung der jeweiligen Persönlichkeit sind ein wichtiger Bestandteil der Inszenierung von Legenden und Historien [Abb. 1].19 Die meisten Bücher sind auf den Bildern nicht zu identifizieren, meist dürfte aber die Bibel gemeint sein. Diese war seit der Reformation mehr denn je das Buch der Bücher. Doch auch eine Vielzahl anderer Druckwerke war im Umlauf. Moralisierende Texte oder Emblembücher bildeten eine Ergänzung der christlichen Grundsätze durch zum Teil weltliche Tugendvorstellungen – und waren in Versform oder mit Illustrationen versehen leichter konsumierbar. Sehr beliebt waren zudem Almanache, humoristische und erbauliche Dichtungen oder in der Art von Ratgebern gehaltene Abhandlungen, Historienromane20 oder Theaterstücke, die nicht selten aktuelle Themen aufgriffen.21 Einige dieser Publikationen – davon wird noch die Rede sein – fanden auch im Unterricht Verwendung. Da von vielen Büchern vergleichsweise preiswerte Ausgaben existierten, ist von einer mehr oder weniger schichtenübergreifenden Verbreitung der „Bestseller“ auszugehen.22 Und es liegt nahe, dass die zunehmende Alphabetisierung der Bevölkerung einer der wesentlichen Gründe für die Etablierung der Niederlande als wichtiges Produktionszentrum gedruckter Texte war23 – und dass diese Produktion wiederum zu einer Zunahme des Bedürfnisses führte, das Gedruckte zu konsumieren. Das geschriebene Wort hatte als Unterhaltungsmedium, aber vor allem als Vermittler religiöser, sittlicher und politischer Standpunkte eine wichtige gesellschaftliche Funktion. Man las oder ließ sich vorlesen, um sich geistig zu bilden und so einem bestimmten sozialen Standard zu entsprechen.24 Die neuesten Nachrichten und Skandale erfuhr man von reißerisch aufgemachten Flugblättern. Offenbar war es auch üblich, interessante Textpassagen abzuschreiben und diese Freunden und Bekannten zukommen zu lassen.25 Jeroen Blaak rekonstruiert diesen kommunikativrezipierenden Umgang mit Schriftgut anschaulich anhand der im Verlauf noch mehrfach zu konsultierenden Aufzeichnungen des aus Köln stammenden und in den Niederlanden tätigen Schulmeisters David Beck (1594–1634), der ausführlich von Briefen, Büchern und anderen Texten berichtet, die ihn und sein Umfeld beschäftigen.26 Die Unterhaltung über das Gelesene war – wie die Konversation über Bilder oder aktuelle Themen 18

Dekker 2001, S. 19 f. So z. B. im Weißkunig, einem unvollendeten Text über das Leben Kaiser Maximilians I. (1459–1519), dessen Illustrationen auch den Unterricht des jungen Herrschers zeigen, z. B.: Leonhard Beck: Wie der jung weißkunig die siben freyen kunst in kurzer zeit lernet, 1515, Holzschnitt, Kap. 20. Musper 1956, Bd. I, S. 55 f. (zum Künstler), S. 106, Nr. 20 (zum Bild); Bd. II, S. 222 f. (Text), Taf. 20. Darüber hinaus wird die Ausbildung in zahlreichen weiteren, für das kaiserliche Amt wichtigen Disziplinen gezeigt, etwa im Kampf mit verschiedenen Waffen. Vgl. dazu: Kuster 2005/2006, S. 8 ff. Entsprechende Beispiele für Heilige finden sich bei Willemsen 2008, S. 157 ff. 20 Schenkeveld-van der Dussen 1993, S. 57 ff.; Blaak 2009, S. 79 ff. liefert eine Übersicht über die dieses Spektrum recht gut wiedergebenden Publikationen, die der eben erwähnte Haager Lehrer Beck im Jahr 1624 gelesen hat. 21 Zur Rolle der Rederijker in diesem Zusammenhang: van Dixhoorn 2004, S. 201 ff.; einige Stücke über jugendliche Delinquenten nennt Durantini 1983, S. 322, Anm. 140. 22 Schenkeveld-van der Dussen 1993, S. 56. 23 Dekker 2001, S. 19. 24 Blaak 2009, S. 105 f. Welche Rolle spaßhafte Texte und das ambivalent beurteilte gemeinsame Lachen spielten, untersucht Dekker 2001, bes. S. 19 ff. 25 Blaak 2009, S. 74, 106 f. 26 Blaak 2009, bes. S. 45 ff., auf S. 76 stellt er fest, dass Beck auf fast jeder Seite ein wie auch immer geartetes Schriftstück erwähnt und es insgesamt 341 Einträge gibt, die sich auf konkrete Titel beziehen. 19

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– fester Bestandteil des sozialen Lebens, entsprechend war das Lesen lernen essentiell für die spätere gesellschaftliche Stellung.27 Etwas anders verhält es sich mit dem Schreiben, das nicht gleichzeitig mit dem Lesen gelehrt wurde. Nicht selten musste dafür eine Extra-Gebühr entrichtet werden, so dass diese Fertigkeit weniger verbreitet war als das Lesen und sich vielfach auf das Nötigste, etwa den Namen, beschränkt haben wird.28 Dass trotz vielfach ärmlicher Lebensumstände die Lese- und Schreibfertigkeit der Einwohner vor allem im Vergleich zu den Nachbarländern schon im 16. Jahrhundert hoch waren,29 bestätigen die Beobachtungen ausländischer Reisender: Der Kaufmann Lodovico Gucciardini etwa hält 1567 verblüfft fest, dass in den Niederlanden selbst Bauern lesen und schreiben können.30 Scheinbar objektive bildliche Darstellungen dieses Phänomens entstehen allerdings erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts. So zeigt eine Zeichnung Cornelis Dusarts (1660–1704) einen einfach gekleideten, lesenden Mann [Abb. 2].31 Ähnlich informelle Porträts bzw. Darstellungen von Lesenden, die diese Fertigkeit als etwas Selbstverständliches inszenieren, zeigen zunächst durchweg Mitglieder der „besseren“ Gesellschaft.32 Dagegen erinnert eine Mezzotinto-Radierung Dusarts [Abb. 3],33 auf der ein Bürger mit offenbar mürrischer Miene über seinem Schreibzeug zu sehen ist, wiederum daran, dass das Schreiben selbst in diesen Kreisen nicht unbedingt zum Alltag gehörte. Obschon diese Darstellung nicht unbedingt repräsentativ ist, zeigt das Erstaunen der Reisenden, dass die Bildung der Niederländer insgesamt außergewöhnlich gewesen sein muss. Der Engländer Veryard beispielsweise berichtet zu keinem anderen der von ihm besuchten Länder derart viel über die Schulen. In der Einleitung zu seinem Reisebericht betont er, dass man aus den Gesetzen und Gebräuchen nahezu jeden Volkes lernen könne, und bedauert, dass seine Landsleute nicht mehr Einfluss auf die Formung der Jugend nähmen, wodurch der Intellekt der Nation hinter dem anderer Länder zurückbleibe.34 Natürlich waren die Niederlande nicht das einzige Land, das – befördert durch die von den Reformatoren betriebene Katechisierung der Bevölkerung – verstärkte Bemühungen um ein einheitliches Schulsystem unternahm. In Deutschland als dem Ursprungsland der Reformation ist die Situation vor allem in der ersten Hälfte des 16. Jahrhundert vergleichbar. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts jedoch wird diese Entwicklung durch den 30jährigen Krieg, die Pest und die insgesamt schlechte wirtschaftliche Lage deutlich gebremst.35 Ähnlich ungünstig war, und hierauf wird noch zurück zu kommen sein, die Situation in den südlichen Niederlanden. 27

Jensen Adams 1993, S. 84; Blaak 2009, S. 94, 99 ff. beschreibt verschiedene Situationen gemeinsamen Lesens. Dies zumindest lässt die Zahl der von den Brautleuten namentlich unterzeichneten Trauurkunden vermuten. Im Jahr 1630 waren das im Norden 57 % der Männer und 32 % der Frauen, im katholischen Flandern lag der Anteil derer, die nur mit einem Kürzel oder Symbol unterzeichneten, vor allem bei den Frauen wesentlich höher: Put 1990, S. 222 f. Aus der Fähigkeit, den eigenen Namen zu schreiben, jedoch auf die Alphabetisierung der Bürger zu schließen, ist mehr als voreilig: Parker 1980, S. 211 f.; Frijhoff 1983, S. 15 f.; Lankhorst/Hoftijzer 1995, S. 107 f. 29 De Vries 1974, S. 212; Jensen Adams 1993, S. 71; Israel 1995, S. 686; konkrete Zahlen bei: Frijhoff/Spies 1999, S. 237; Dekker/Groenendijk/Verberckmoes 2000/2001, S. 47. 30 Gucciardini, der ein 25 Jahre in Antwerpen gelebt hatte, verfasste 1566 seine Descrizione de Tutti i Paesi- Basse, dort S. 27; Durantini 1983, S. 93; Frijhoff 1983, S. 6; Brickmann 1984, S. 369; Jensen Adams 1993, S. 71. 31 Cornelis Dusart: Lesender Mann, um 1690–1700, aquarellierte Kreidezeichnung, 27.1 x 19.0 cm, Rijksprentenkabinet Amsterdam, Inv.-Nr. RP-T-1881-A-103 (http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.37420 mit weiteren Angaben und Literatur, Aufruf 21.03.2015). Die Datierung beruht nach Auskunft des Kurators Marijn Schapelhouman auf dem Wasserzeichen des Blattes. Amsterdam/Washington 1981/1982, S. 111, Abb. 3 (Abb. 5 zeigt eine ganz ähnliche Skizze Dusarts); Zur Ausstattung niederländischer Haushalte mit Büchern vgl. den Überblick bei Lankhorst/Hoftijzer 1995, S. 112 f. 32 Vgl. dazu Amsterdam 1997a, S. 303 ff. 33 Cornelis Dusart: Mann mit Schreibzeug, um 1685–1690, Mezzotinto, 25.0 x 18.1 cm, Rijksprentenkabinet Amsterdam, Inv.-Nr. RP-P-BI-7367 (http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.43482 mit weiteren Angaben und Literatur, Aufruf 21.03.2015). Den Hinweis auf die mögliche Entstehungszeit verdanke ich wiederum Marijn Schapelhouman. 34 Veryard 1701, S. 2 und 3 der Einleitung. Brickmann 1984, S. 400, gibt ähnliche Kommentare des deutschen Theologen Heinrich Ludolf Benthem wieder, dessen kritische Meinung zur Kindererziehung in den Niederlanden unter anderem in Kapitel II.6 noch zitiert werden wird: Benthem 1698, S. 171 ff. 35 Brickmann 1984, S. 379 ff.; Groenendijk 1993, S. 208 f.; zur Entwicklung in Deutschland: Schmidt 1961, bes. S. 31 ff.; zu möglichen Gründen des mangelnden Erfolges der Bildungsreform in Deutschland: Strauss 1978, S. 300 ff. Die entsprechenden Bemühungen englischer Theoretiker machen die von Durantini zitierten Quellen (etwa S. 112 f., 127 f., 171 ff.) nachvollziehbar. Trotz mancher Parallelen ist es m. E. allerdings wenig sinnvoll, diese – wie sie es tut – auf niederländische Darstellungen zu beziehen, zumal es an lokalen Zeugnissen nicht mangelt. Über den Stand des englischen Schulsystems der Zeit lässt die Verfasserin dagegen nichts verlauten. 28

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Im Norden dagegen hatten die vorausgegangenen sozialen und ökonomischen Umwälzungen – Reformation, Revolution, der mit wachsender Konkurrenz verbundene zunehmende Wohlstand und die fortschreitende Urbanisierung des Landes – unter anderem bewirkt, dass die Möglichkeiten des gesellschaftlichen Aufstiegs aufgrund der Nachfrage nach gut ausgebildeten Kräften für die unterschiedlichsten Berufe und Tätigkeiten so groß war wie nie zuvor. Die wirtschaftliche Blüte des Landes, die sich nach den religiösen und sozialen Veränderungen nach und nach einstellte, ließ die ökonomischen Vorteile eines gewissen Bildungsstandards immer deutlicher werden. Analphabetismus wurde als eine der Ursachen von Armut erkannt. Handel und Kommerz in der zunehmend kapitalistisch orientierten Marktwirtschaft erforderten von den Kaufleuten geschäftliche Korrespondenzen und das Umrechnen von Währungen und Maßeinheiten, der Ausbau des Schiffsverkehrs ließ den Bedarf an maritimem und navigatorischem Wissen steigen. Auch die zunehmende Spezialisierung der einzelnen Berufszweige war nur mit Fachleuten zu leisten, die eine entsprechende Ausbildung erhalten hatten.36 Zugleich hatte sich nicht zuletzt aufgrund der Verunsicherung durch die teilweise Relativierung bisher gültiger Verhältnisse und Normen als eine Folge der beschriebenen Veränderungen ein besonders stark ausgeprägtes öffentliches Bewusstsein um die Notwendigkeit einer festen sozialen Ordnung gebildet, die die Stabilität der jungen Nation gewährleisten sollte. Wesentliche Grundlage dieser Ordnung war natürlich die Anleitung der Kinder zu moralisch tadellosem Verhalten.37 Sie galten als Geschenke Gottes, deren Aufzucht und Erziehung eine der wichtigsten Aufgaben des Menschen im göttlichen Heilsplan war.38 Den entsprechenden didaktischen Ansatz formuliert beispielsweise Erasmus in seiner 1530 veröffentlichten Schrift De civilitate morum puerilium („Über die sittliche Erziehung der Kinder“).39 Er schreibt 1511 an seinen Freund John Colet, den Gründer des St. Paul’s College in London, die Jugend sei „Saat und Aufbaumaterial für den Staat“.40 Auch Petrus Apherdanius konstatiert im Jahr 1560, dass nichts so wichtig sei für eine gute Ordnung des öffentlichen und des privaten Lebens wie die möglichst frühe Schulung der Jugend.41 Diese Notwendigkeit fasst Jan Amos Comenius (1592–1670), der ab 1658 in Amsterdam Aristokratensöhne unterrichtete,42 rund 100 Jahre später folgendermaßen zusammen: „[…] aller Unordnung im menschlichen Geschlecht Hauptursach und einzige Quelle ist die Unachtsamkeit in Auferziehung der Kinder; und dass keine Besserung im Haus-, Kirchen- und Polizeistand ohne Verbesserung der Kinderzucht jemals zu hoffen“43 ist. Abgesehen von der Notwendigkeit eines sittlich einwandfreien Verhaltens wurde auch einfachen Leuten der Zusammenhang von Bildung und materieller Sicherheit mehr und mehr klar. Infolgedessen sorgten sich die Mitglieder aller sozialen Schichten um die Ausbildung ihrer Nachkommen.44 Dies belegt unter anderem das Beispiel der Bewohner von Kudelstaart, einem Dorf nordöst36

De Booy 1980, S. 51; Boekholt/de Booy 1987, S. 80; Dekker/Groenendijk/Verberckmoes 2000/2001, S. 46. Durantini 1983, S. 3, 6; Dekker/Groenendijk/Verberckmoes 2000/2001, S. 49 f.; zur Situation/Stimmung nach der Revolte und den Folgen für das geistige Leben vgl. zusammenfassend: Israel 1995, S. 565 ff. 38 Durantini 1983, S. 302 ff.; Franits 1985, S. 700; Israel 1995, S. 686 f.; Krausman Ben-Amos 2004, S. 18 ff.; Groenendijk 2004, S. 95 ff.; zu patriotischen Aspekten der Erziehung vgl. Schama 1988, S. 525 f. 39 1678 erscheint sie als Boeckje Aengaende de Beleeftheidt der Kinderlijcke Zeden. Der lateinische Text findet sich bei Clericus 1703, Bd. I, Sp. 1033–1044. Gail 1963, S. 89 ff. bietet eine deutsche Fassung. Allgemein dazu siehe auch: Dekker/Groenendijk/Verberckmoes 2000/2001, S. 44 f., 48 f.; Sperna Weiland in der Einleitung zu: Erasmus 1525/1992, S. 38. Roodenburg 2004, S. 26 ff., 38 ff. verortet den Text als niederländisches Pendant zu Baldassare Castigliones zwei Jahre zuvor erschienenem Libro del Cortegiano allgemein im Kontext der zeitgenössischen Diskussion gesellschaftlicher Verhaltensweisen und Manieren. 37

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Übersetzung nach Gail 1963, S. 6. Allen 1906, S. 477–479, Nr. 237: „[…] fructum uberiorem, utpote cum illa sit seges ac sylva rei publicae“. 41 Übersetzt nach Bot 1955, S. 43, der die Formulierung aus Apherdanius’ Institutio puerorum, varia pietatis, studii literaÿ ac morum honestatis praecepta complectens, Antwerpen 1560, f. 2r, ins Niederländische überträgt. 42 Alt 1960, Bd. I, S. 344 f. 43 Comenius’ Schriften wurden 1657 in Amsterdam herausgegeben, frühere Ausgaben des Informatorium der Mutterschul, aus dem das Zitat stammt, erschienen 1633 (Lissa) und 1636 (Nürnberg); Heubach 1962, S. 7, das Zitat auf S. 12. Vgl. zu Comenius’ Bildungsbegriff allgemein: Leis-Schindler 1991, S. 215 ff.; Antochi 1992, S. 95 ff. 44 Frijhoff 1983, S. 17; van Selm 1987, S. 236 zitiert aus einer Schrift Hugo de Groots: „Alle lieden, zelfs van den geringsten stand en middelen, laten hunne kinderen in de beginselen van’t leezen en schrijven onderwijzen“. Der Text wurde um 1602 verfasst, doch erst 1802 durch Johan Meerman publiziert: Meerman 1802, Bd. III, S. 77.

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lich von Leiden, die – obschon oder möglicherweise gerade weil sie selbst nicht Lesen und Schreiben gelernt hatten – sich 1653 darum bemühten, dass ihre Kinder zur Schule gehen konnten. Die Einwohner des nicht weit davon entfernten Linschoten beschwerten sich bei den zuständigen Stellen, dass ihre Kinder bei ihrem unfähigen Lehrer in einem halben Jahr weniger lernten als die Schüler aus nahe gelegenen Orten in einem Monat.45 Die hier nur kurz skizzierte Sensibilisierung für den Wert von Bildung macht sich naturgemäß auch im Aufgreifen des Themas als Bildmotiv bemerkbar, so dass in den folgenden Kapiteln noch zahlreiche zeitgenössische Ansichten zitiert werden. Im Anschluss aber soll zunächst die Entwicklung des Schulsystems dargelegt werden, um die schulische Realität im 16. und 17. Jahrhundert zu veranschaulichen. Dem ist voranzustellen, dass für das ganze Land gültige Aussagen zu Schulorganisation oder zu Unterrichtsinhalten des 16. und 17. Jahrhunderts, die mit Blick auf die bildlichen Darstellungen von Bedeutung sind, nur in beschränktem Maß formuliert werden können. Tatsächlich stellt sich die anhand der sich zudem meist jeweils begrenzten Zeiträumen oder Regionen widmenden Sekundärliteratur rekonstruierbare Situation im Einzelnen sehr unterschiedlich dar.46 Da aber die Wirklichkeit in der künstlerischen Umsetzung, wie eben schon anhand der Darstellungen lesender Menschen angedeutet, selektiv behandelt wird, die Künstler also – vereinfacht gesagt – stets die Art von Unterricht schildern, die zur beabsichtigten Bildaussage passt, ist ein definitiver Überblick auch gar nicht notwendig. Um diese Selektion jedoch nachvollziehbar zu machen, sind die folgenden Kapitel ein Versuch, das niederländische Bildungswesen in seiner Komplexität ansatzweise zu beschreiben und zugleich einen fundierten Eindruck von den zeitgenössischen Ansichten zu Bildung und Erziehung zu vermitteln. Anhand von Übereinstimmungen und Unterschieden zwischen den bildlichen Darstellungen, der Schul-Wirklichkeit sowie den moralischen Ansprüchen der Rezipienten soll dann in den Kapiteln des Hauptteils die vom Künstler beabsichtigte Aussage der Werke deutlich werden. II.2

Didaktische Ansätze des 16. Jahrhunderts

Das Schulwesen war seit jeher Sache der Kirchen gewesen,47 ihr vorrangiges Ziel war die Vermittlung des Glaubens, um die Frömmigkeit des Volkes zu gewährleisten. Dementsprechend ist das Lesen ein festes Element der christlichen Kunst: Die kleine Maria zeigt bei ihrer Unterweisung ebenso eifrig auf die Zeilen, die sie vorlesen soll, wie zwei Jahrhunderte später brave Bürgerkinder.48 Auf Darstellungen der Heiligen Sippe [Abb. 5]49 sind die späteren Apostel häufig schreibend und lesend dargestellt. Ihr Eifer hat natürlich mit Blick auf die kurz bevorstehende Reformation eine besondere Bedeutung. Zur apokryphen Kindheitsgeschichte Jesu gehören Begegnungen mit Schulmeistern, welche an seinem göttlichen Wesen und Wissen scheitern. Die Darstellung dieser Begebenheiten orientiert sich am für Unterrichtsdarstellungen üblichen, noch genauer zu beschreibenden Schema. Das Zusammentreffen mit den Schriftgelehrten wird ähnlich illustriert, nur dass dort der an Weisheit 45

De Booy 1977, S. 1, 115, 171; de Booy 1980, S. 24, S. 213, Anm. 3; de Booy 1981, S. 428, 435. Einen Eindruck von der Gesamtsituation bietet der 1954 erschienene Überblick von Post, der die Gegebenheiten an verschiedenen Orten in den Niederlanden schlaglichtartig beschreibt und der vor allem Quellen des 15. und 16. Jh.s zitiert. Vgl. auch de Booy 1977 und de Booy 1980: Diese Untersuchungen zeichnen ein Bild der Situation in der Provinz Utrecht. Es ist davon auszugehen, dass die dabei beobachteten Merkmale bzw. die Unterschiede zwischen Stadt und Land (zusammenfassend dazu S. 210 ff.) im Wesentlichen auch für andere Provinzen gegolten haben. 47 Das änderte sich auch nach der Reformation rund zwei Jahrhunderte lang nicht. De Booy 1977, S. 5 f.; Fortgens 1956, S. 7 ff. Natürlich gibt es Ausnahmen: Müller 1885, S. 5 ff., druckt vom jeweiligen Herzog bzw. Grafen erlassene Schulordnungen und -verträge der Jahre ab 1320 für Brüssel, Leiden, Rotterdam, Delft, Haarlem und Den Haag ab. 48 Die hl. Anna unterweist Maria, frühes 15. Jh., gefasste Steinskulptur, H. 61 cm, Diözesanmuseum Paderborn; Schiffler/Winkeler 2011, S. 58, Abb. 46; Überblick zu ähnlichen Darstellungen im 14./15. Jh.: Bagley 1993a, S. 35 ff.; Willemsen 2008, S. 145 ff. 49 Lucas Cranach d. Ä.: Die Heilige Sippe, um 1509/1510, Holzschnitt, 22.5 x 32.4 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. 1895,0122.248. Bei Alt 1960, Bd. I, S. 309, Abb. 3, ist die Darstellung mit dem Text eines Liedes versehen, „mit welchem zu Wittenberg die Kinder zur Schulen werden gefüret“. Dort ist es „unser Schul“, die den „Weg zu Christo weiset klar.“ Vgl. dazu auch: Arnold 1991, S. 184 f. Weitere Beispiele: Nürnberg 1997, S. 487 ff., Abb. 254 f., 257 f., 889, 891; Schiffler/Winkeler 2011, S. 59 f., Abb. 46 f.; Willemsen 2008, S. 154 ff. 46

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überlegene Gottessohn vielfach die Position einnimmt, die üblicherweise der Lehrer innehat.50 Szenen, die Christus in der Schule zeigen, sind dagegen selten, möglicherweise unter anderem aus dem Grund, weil Christus sich in der apokryphen Vorlage, dem so genannten „Evangelium des Pseudo-Matthäus“, gegenüber den pädagogischen Autoritäten ausgesprochen aufmüpfig verhält. Auch zu seinen Mitschülern ist er recht grausam, so dass er kaum als fleißiges und braves Vorbild inszeniert werden kann.51 Nach Ansicht der reformierten Kirche war die Erlösung ohne Verstehen der Lehre unmöglich, so dass es für die Gläubigen notwendig wurde, Gottes Wort ohne Vermittlung durch den Klerus erfahren, also es selbst lesen zu können.52 Diese Vorstellung einer für den rechten Glauben grundlegenden Laienbildung stimmt im Prinzip mit den Grundsätzen der Humanisten überein. Martin Luther setzt 1524 „dem Rat und der Obrigkeit“ die dringende Notwendigkeit auseinander, „das sie Christliche schulen auffrichtenn und halten sollen“. Ein die Schrift illustrierender Holzschnitt zeigt das Innere einer Schule [Abb. 4].53 Der Bereich für Knaben und Mädchen, die jeweils von einer Lehrkraft ihres Geschlechts unterrichtet werden, ist durch einen Bretterzaun getrennt. Die Komposition folgt weitgehend dem im 16. Jahrhundert üblichen Darstellungsmuster. Neu ist meines Wissens jedoch die Darstellung von Mädchen in der Schule respektive die Kombination beider Bereiche in einem Bild. Luthers Forderungen sind grundlegend für das protestantische Unterrichtswesen der folgenden Jahrhunderte. Sie formulieren die Verantwortung der Obrigkeit für ein Bildungssystem, das die reformierte Lehre in allen Bevölkerungsgruppen verbreitet. Natürlich wurde der Schulunterricht schon vor der Reformation als (religions-)politisches Instrument genutzt. Die Bewegung der Devotio Moderna beispielsweise verfolgte die Einrichtung von Schulen und Bibliotheken für die Ausbildung der Laien respektive für die Verbreitung ihrer Lehren als eine wichtige Aufgabe. Erasmus prangert die diese Glaubensrichtung praktizierenden „Brüder vom gemeinsamen Leben“ an. Seiner Ansicht nach lockten sie die Kinder durch pseudo-christliches Einwirken in die Klöster, wo sie zum „Zwittergeschlecht von Mönch und Weltkind“ erzogen würden.54 Die Aussage, „mit Geometrie, Rhetorik, Dialektik, Grammatik, Poesie und Astronomie sollte man keine Zeit verlieren, da Alles, was den Menschen nicht besser macht oder vom Bösen ablenkt, schändlich sei“, macht nachvollziehbar, was der umfassende Bildung anstrebende Humanist am didaktischen Konzept der Bruderschaft auszusetzen hatte.55 Ihr Angebot war allerdings recht erfolgreich, weil der Unterricht sich an lokalen Gegebenheiten orientierte, die Schüler etwa in ihrer Muttersprache unterwiesen wurden. Dennoch fehlte es für eine flächendeckende Verbreitung an einem übergeordneten System.56 Die katholische Kirche startete nach dem Konzil von Trient mit der Summa Doctrinae Christianae des Jesuiten Petrus Canisius die massive Verbreitung ihrer Lehren – die aber immer noch schwerpunktmäßig mündlich im Gottesdienst erfolgte, während die Reformatoren früh erkannt hatten, wie eine wachsende Anzahl von Schulen für die religiöse „Umschulung“ des Volkes genutzt werden konnte.57 Welche Auswirkungen diese Funktionalisierung auf das niederländische Schulwesen hatte, wird an entsprechender Stelle noch erörtert werden. 50

Alt 1960, Bd. I, S. 301, Abb. 4, und Willemsen 2008, S. 150 f., Abb. 127, zeigen den Holzschnitt eines Kalenders von 1508: Maria führt ihren Sohn vor den in einer Art Chorgestühl thronenden Schulmeister mit Rute oder Zeigestock. Christus ist von den Mitschülern durch einen Nimbus abgesetzt. Ein zusammenfassender Überblick über entsprechende Darstellungen in Mittelalter und der Renaissance findet sich bei Bagley 1984. Vgl. auch Stock 1992, S. 365–388. 51 Willemsen 2008, S. 150 ff. 52 Alt 1960, Bd. I, S. 294 ff.; de Booy 1981, S. 428 f.; Durantini 1983, S. 109 f.; Jensen Adams 1993, S. 71. 53 Hans Holbein d. J. (?): Schulszene, Holzschnitt zu Luthers Sendschreiben An die Radherren aller stedte deutsches lands [...], 1524, erschienen bei Wolfgang Stürmer in Erfurt; Schiffler/Winkeler 2011, S. 62 f., Abb. 50; zum Aufruf an die Eltern: Alt 1960, Bd. I, S. 311; zur Wirkung der Schrift: Falk 1939, S. 55 ff., bes. S. 69 ff. 54 Zum Wirken der Gemeinschaft: Kaemmel 1882, S. 207 ff., das Zitat Kaemmels S. 355. Er nennt allerdings keine konkrete Quelle dafür. Gail 1963, S. 137 gibt die Kritik in seiner Übersetzung von Erasmus’ Schrift Declamatio de pueris ad virtutem ac literas liberaliter instituendis idque protinus a nativitate (1529), auf die noch zurückzukommen sein wird, weniger scharf formuliert wieder. Erasmus 1971, Bd. I/2, S. 23–78. 55 Erasmus 1524, S. 102: Die Brüderschaft sei vor allem auf materiellen Gewinn aus. 56 Fortgens 1956, S. 91 ff.; Kaemmel 1882, S. 217; Israel 1995, S. 41 f. 57 Dazu z. B. Strauss 1978, S. 176 ff.; Mörke 1990, S. 31 ff.; Put 1990, S. 24 ff. Puts Untersuchung konzentriert sich zwar auf Brabant, bietet jedoch meines Wissens die aktuellste Übersicht zum Unterrichtswesen der südlichen Landesteile – zur Übertragbarkeit seiner Beobachtungen siehe dort S. 263. Zu zwei illustrierten Katechismen von Canisius, die 1578 und 1589 in Antwerpen erschienen sind, siehe: van Dael 2004, S. 277 ff. Auf S. 277 setzt er die Wirkung der Schriften Canisius mit der der Texte Luthers gleich.

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Obschon die Kirche die wesentlichen Unterrichtsinhalte seit jeher und auch über das 17. Jahrhundert hinaus bestimmte, wurden das Spektrum des Bildungskanons und geeignete Vermittlungsmethoden vor allem von humanistischen Gelehrten diskutiert. Die frühen Thesen sind polemisch formuliert: Ein unerzogenes Kind sei nicht viel mehr als ein wildes Tier – gar schlimmer, da die Kreatur wenigstens von der Natur geleitet werde. Die richtige Erziehung gilt als Grundlage für ein gottgefälliges Leben und somit als die Basis eines gesunden Sozialwesens bzw. Staates, Unwissen wird als die Wurzel allen Übels angesehen.58 Demnach solle die schulische Unterweisung nicht allein auf den späteren Beruf ausgerichtet sein, eine umfassende Erziehung habe neben intellektueller Bildung auch für die religiöse und moralische Formung zu sorgen. Eindrucksvolle Beispiele für diese ganzheitliche Didaktik sind besonders zwei Texte Erasmus’, einmal die Schrift „Von der Notwendigkeit einer allgemeinen Charakter- und Geistesbildung der Kinder von Geburt an“ (Declamatio de pueris ad virtutem ac literas liberaliter instituendis idque protinus a nativitate, 1529)59 sowie der schon erwähnte, kürzere Text „Über die sittliche Erziehung der Kinder“ (De civilitate morum puerilium, 1530).60 In diesem Zusammenhang ist jedoch zu betonen, dass die Humanisten klar zwischen einfachem Basisunterricht, der möglichst allen Schichten zugute kommen sollte, und der ambitionierten intellektuellen Bildung, für die eine gewisse geistige Eignung Voraussetzung sei, unterschieden.61 Ihre zum Teil sehr konkreten Forderungen an das Regelwerk des Unterrichts sind aufgrund ihrer Vielfalt kaum auf einen Nenner zu bringen.62 Da viele Gelehrte der Zeit sich aus didaktischen Gründen intensiv mit verschiedenen Vermittlungsmethoden beschäftigten, entsteht schnell der Eindruck, die Humanisten hätten großen Wert auf einen kindgerechten Unterricht gelegt. Erasmus etwa gibt zu bedenken: „Die Landleute wissen auf das Alter der Stiere Rücksicht zu nehmen und passen die Verrichtungen den Kräften derselben an. Umso sorgfältiger sollte man dies bei der Unterweisung der Kinder tun.“63 Tatsächlich waren die auf dem klassischen Bildungsideal basierenden, scheinbar kinderfreundlichen Ideen nicht in erster Linie dazu gedacht, den Unterricht nach dem Wesen des Kindes zu gestalten, um diesem nicht zu viel aufzubürden. Sie zielten vielmehr in erster Linie darauf, möglichst wirksame Vermittlungsmethoden zu entwickeln.64 Ein humanistisch geprägtes Idealbild stellt ein Jan van Scorel (1496–1562) zugeschriebenes Bildnis dar [Abb. 6],65 das einen Jungen von zwölf Jahren zeigt. Er hält Feder und Papier in den Händen, auf einen Zettel hat er den Wahlspruch Omnia dat Dominius [sic], non habet ergo minus geschrieben. Dieser bezieht sich, wie die Inschrift Quis dives? Qui nil cupit [sic]. Quis pauper? ava[rus] am unteren Bildrand, auf pädagogische Schriften Erasmus’. Es sind dies einmal die Carmina Scholaria, die der Humanist anlässlich der Eröffnung der Schule von St. Paul’s in London für deren Gründer und Direktor John Colet verfasst hatte.66 Allerdings sind die Übereinstimmungen zu diesem Text, der wohl wie andere Lehrschriften auch hinter dem Pult des Lehrers an der Wand 58

Bot 1955, S. 21 ff. Erasmus 1524, S. 83, vergleicht den Unwissenden mit einem Tier. Ein neugeborener Sohn sei nichts anderes als eine „rohe Masse“, durch die richtige Erziehung jedoch könne er ein Gott (bzw. gottgleich, vgl. S. 138, Anm. 217) werden. Parente 1987, S. 88 ff.; Schoch 1988, S. 196. 59 Erasmus 1971, Bd. I/2, S. 23–78; deutsche Übersetzung bei Gail 1963, S. 89 ff. 60 Clericus 1703, Bd. I, Sp. 1033–1044; deutsche Übersetzung bei Gail 1963, S. 107 ff.; Bot 1955, S. 23. 61 Erasmus mag dabei bis zu einem gewissen Grad eine Ausnahme darstellen. Er legt 1518 in einem Brief an den Abt Paul Volz seine Auffassung hinsichtlich der Lehrerpflichten dar und äußert die Ansicht, dass „um so dringlichere Fürsorge […] der unerfahrenen Menge“ zu gelten habe. Zitiert nach Gail 1963, S. 8; für das lateinische Original siehe: Allen 1913, Bd. III, S. 361–377, Nr. 585, die hier zitierte Stelle auf S. 367; vgl. auch Rieger 1962, S. 192 f. 62 Bot 1955, S. 67 ff. 63 De pueris instituendis (1529), zitiert bei Gail 1963, S. 129. Der Gedanke wird auf den folgenden Seiten ausgeführt. 64 Bot 1955, S. 45, S. 47 ff. zu den pädagogischen Prinzipien der Humanisten, S. 102 ff. zu den Lehrinhalten und Vermittlungsmethoden; Bloemendal 2003, S. 24 f. 65 Jan van Scorel (zugeschrieben): Bildnis eines Schülers, 1531, Holz, 46.5 x 35.0 cm, Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam, Inv.-Nr. 1797; Rotterdam 1994a, S. 318 ff.; Haarlem/Antwerpen 2000/2001, S. 92 ff., Kat.-Nr. 4, mit Abb. (Zuschreibung an Maarten van Heemskerck). 66 Van der Blom 1957, S. 97 ff., 100, gespiegeltes Detail des Zettels: S. 95, Abb. 9. Zu den Versen, die Erasmus mit anderen Texten wohl zur Entschädigung dafür verfasst hatte, dass er dem Ruf Colets an die Schule nicht gefolgt war, vgl. den Briefwechsel bei Allen 1906, Bd. I, S. 477 ff., Nr. 237 und S. 510 ff., Nr. 260; Rieger 1962, S. 187 ff.; Margolin 1971, S. 85, Anm. 17, zu Colets Wunsch, Erasmus als Dozenten zu gewinnen, S. 83 f., sowie Sperna Weiland 1992, S. 145, Anm. 309. Der Widmungsbrief findet sich, mit entsprechenden Erläuterungen, auch bei Knott 1988, S. 21–25.

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befestigt war,67 eher inhaltlich und nicht im Wortlaut nachzuvollziehen. Anders die Bildunterschrift: Sie stammt aus einer bereits 1514 erschienenen, dem Rektor der Universität Löwen gewidmeten Sammlung von Texten für den Unterricht.68 Auch diese umschreibt im Grunde einen Gemeinplatz: Dass nur derjenige wirklich reich sei, der sich mit dem zufrieden gibt, was Gott ihm zugedacht hat. Die Identifikation des Dargestellten mit einem Neffen des Humanisten Alardus, welcher zugleich mit van Scorel und Erasmus bekannt war, ist verlockend, aber nicht zu beweisen.69 Doch auch ohne diesen Hintergrund illustriert das Bild – neben den zeitgenössischen humanistischen Forderungen nach Gottergebenheit und Bescheidenheit – ein weiteres Mal die Bedeutung des Rotterdamer Gelehrten für die Bildungsauffassung des 16. Jahrhunderts.70 Man kann annehmen, dass die von ihm verfasste Schuldordnung für Colets Institut aufgrund seines Bekanntheitsgrades grundlegend für zahlreiche dieser Reglements war.71 Auch die Löwener Publikation Institutum Christiani hominis carmine pro pueris, die wie der Schriftzug auf dem Bild in dem für die Vermittlung von Wissen damals gängigen Frage-und-Antwort-Schema gehalten ist, wird bis zur Entstehung des Bildes 1531 mehr als 40 Mal neu aufgelegt.72 Ein Grundpfeiler der humanistischen Methodik sind Zuneigung und Vertrauen zwischen Lehrer und Schüler.73 Der Lehrer sollte sittliche Integrität besitzen, tiefe Gottesfurcht, einen durch Lebenserfahrung gefestigten Charakter, Geduld, Wachsamkeit, Güte und Freundlichkeit. Vor allem im 16. Jahrhundert, als die meisten Schulen noch nicht lange bestanden, die Klassen groß waren und es überall am Nötigsten mangelte, war es sicher utopisch, von den Schulmeistern die gewünschte Langmut und Sensibilität zu fordern.74 Erasmus äußert sein Unverständnis darüber, dass die Zeitgenossen den Unterricht ihrer Kinder nicht angemessen honorieren, und benennt darin einen Grund für die mangelnde Qualität des Unterrichts.75 Die Klagen der Lehrerschaft über den mageren Lohn jedoch sollen im 17. Jahrhundert ebenso wenig ein Ende finden wie die Beschwerden über das Fehlverhalten von Schulmeistern. Obschon die Umsetzung der humanistischen Überlegungen erst möglich wurde, nachdem die reformierte Kirche begonnen hatte, die Entwicklung des Schulwesens voranzutreiben, bilden die von Erasmus und seinen Kollegen mit Nachdruck geäußerten Forderungen einen wesentlichen Impetus für die Weiterentwicklung des niederländischen Bildungswesens76 – obwohl viele der didaktischen Grundsätze über lange Zeit weiterhin nur auf dem Papier existierten. Eine generelle Schulpflicht bestand im 16. Jahrhundert nicht. Die meisten Schüler entstammten der Mittelschicht, es waren Kinder von Kaufleuten, Amtmännern oder auch Bauern. Die Sprösslinge von Juristen, Pfarrern oder Patriziern gehörten nicht dazu, da diese ihre Nachkommen selbst unterrichten oder sich einen Hauslehrer leisten konnten. Tagelöhner oder einfache Arbeiter sahen für ihre Kinder nicht nur keine Notwendigkeit einer schulischen Bildung, in den meisten Fällen waren diese zudem als Arbeitskräfte unentbehrlich. Im Laufe des 16. Jahrhunderts relativierte sich diese Gewichtung mehr und mehr. Sowohl aus niederen Schichten als aus reichen Familien besuchten immer mehr Kinder eine Schule. Auch bei armen Leuten setzte sich – beeinflusst von den 67

Ähnlich ist es auf verschiedenen Bildbeispielen zu sehen [z.B. Abb. 149, 202, 204]. In diesem Fall war darüber vermutlich eine Darstellung des Jesusknaben angebracht, auf die sich die Gedichte bezogen und an die sich die Rezitation der Schüler richtete. Reedijk 1956, S. 297; van der Blom 1957, S. 97, Anm. 28; Rieger 1962, S. 187. 68 Erasmus 1514, S. 27 (unpaginiert); Allen 1910, Bd. II, S. 1 ff., Nr. 298 (zur Widmung); Reedijk 1956, S. 304 ff.; van der Blom 1957, S. 92 ff. (auf S. 92 zu den orthographischen Unterschieden zwischen Textvorlage und Gemälde, S. 98 zu einem in dem Spruch auf dem Zettel enthaltenen Wortspiel, das wiederum auf die göttliche Großzügigkeit anspielt); Haarlem/Antwerpen 2000/2001, S. 92. 69 Van der Blom 1957, S. 94. 70 Die von van der Blom 1957, S. 99 f., kurz skizzierten Überlegungen, in den Sprüchen Anspielungen auf das damalige Schülerleben zu erkennen, etwa auf die wirtschaftlich prekäre Lage der so genannten „Bettelstudenten“ (von denen in Kapitel IV.1 noch die Rede sein wird), führen dagegen m. E. zu weit. 71 Diese erscheint unter dem Titel De ratione studii. Erasmus 1511/1971, Bd. I/2, S. 110–151; für die deutsche Fassung siehe: Gail 1963, S. 30 ff.; Margolin 1971, v. a. S. 84 f., zur Verbreitung und Wirkung S. 89 ff., 106. 72 Reedijk 1956, S. 304; van der Blom 1957, S. 91 ff.; Haarlem/Antwerpen 2000/2001, S. 92. 73 Erasmus 1524, S. 101 f.; Schoch 1988, S. 228 ff.; zur Struktur humanistischer Schulen: Bot 1955, S. 36 f. 74 Bot 1955, S. 24, 26 f., 60 ff. zu den Ansprüchen, die die Theoretiker an die Person des Lehrers stellten, S. 26 ff. zu den Beschwerden über das armselige Los des Lehrberufs, das schon von einigen Humanisten geäußert wurde. 75 Bot 1955, S. 65 f., 234; Gail 1963, S. 124 ff. (De pueris instituendis, 1529). 76 Bot 1955, S. 45.

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reformatorischen Bestrebungen einer umfassenden Volkserziehung und der wirtschaftlichen Entwicklung – der Wunsch nach Bildung durch.77 Da Eltern jedoch weiterhin nicht dazu verpflichtet waren, ist für den hier untersuchten Zeitraum kaum festzustellen, wie viele Kinder aus welchen Bevölkerungsgruppen tatsächlich eine Schule besuchten.78 II.3

Das Schulwesen der Niederlande

Die wichtigsten Bildungseinrichtungen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit waren die kirchlichen bzw. klösterlichen Lateinschulen (auch Stifts- oder Kapitelschulen genannt),79 deren Lehre neben der Vermittlung der Sprache von religiösen Inhalten bestimmt war. Dort wurden ausschließlich Jungen in Latein und Griechisch unterrichtet und meist auf eine klerikale oder akademische Laufbahn vorbereitet. Es gab nach Altersgruppen respektive nach Wissensstand eingeteilte Klassen und ein vergleichsweise differenziertes Curriculum, das sich nach dem seit der Antike gängigen Vermittlungsschema der Freien Künste richtete. Die Grundlage bildete das so genannte Trivium aus grammatica (Lesen und Schreiben), dialectica (Argumentation), rhetorica (die Kunst der Rede), worauf auf einer nächsten Stufe das Quadrivium aus aritmetica (Zahlenkunde und Rechnen), geometria (angewandte Zahlenkunde und Geographie), musica (Tonlehre und Musiktheorie) und astrologia (Sternen- und Sphärenkunde) folgten. Die jeweilige Schul-Struktur aber war von Ort zu Ort verschieden: das Alter der Einschulung, die erwartete Vorbildung (mancherorts wurden beispielsweise Lesen und Schreiben vorausgesetzt) und die soziale Zusammensetzung der Klassen. Die Schülerzahl der Lateinschulen nahm mit der zunehmenden Zahl privater und städtischer Institute gegen Ende des 16. Jahrhunderts ab.80 In manchen Städten entwickelten sich die ehemals der Kirche unterstellten Lateinschulen zur grote school, der wichtigsten städtischen Bildungseinrichtung, die ein im Vergleich zu den Lateinschulen breiteres Fachspektrum und weiterführenden, auf die Universität vorbereitenden Unterricht anbot. Auch diese wurden, wie die kirchlichen Institute, vor allem von Knaben aus den höheren Kreisen besucht.81 Zahlreiche kleinere (Grund-)Schulen in Städten und auf dem Land vermittelten eine Art Basispaket aus religiöser Unterweisung und ABC. Die wesentlichen Inhalte dieser Bildungsgrundlage, die im 17. Jahrhundert im Prinzip allen Kindern in den Niederlanden zugänglich war, werden in Kapitel II.5 noch genauer umrissen. Daneben gab es bereits früh verschiedene private Bildungsangebote (unter der Bezeichnung bijscholen oder – im Gegensatz zur Lateinschule – duytsche scholen zusammengefasst), beispielsweise Schreibschulen oder auch zumeist von Frauen [Abb. 7]82 geleitete Einrichtungen für kleinere Kinder.83 Allgemeingültige Aussagen über Form und Anzahl der verschiedenen Angebote zu machen ist jedoch nicht möglich, da die Quellenlage dabei weniger gut ist als im Falle der öffentlichen Schulen.84 Viele der privat geführten Schulen in den Städten waren darauf spezialisiert, praktisch anwendbare Grundlagenkenntnisse nicht nur im Lesen, Schreiben und zum Teil Rechnen, sondern auch in Buchführung, Hauswirtschaft oder anderen Bereichen zu vermitteln.85 Diese kommerziellen 77

De Booy 1981, S. 428; zur von einigen Humanisten geführten Diskussion, ob nun Hausschulen oder öffentliche Bildungsanstalten anzuraten seien: Bot 1955, S. 68. 78 De Booy 1988, S. 32 f. Allerdings erwähnt Durantini 1983, S. 112, einen Synodalbeschluss des Jahres 1634, nach dem Staatsdiener im südlichen Holland angewiesen waren, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Doch auch für diese Verordnung ist kaum nachvollziehbar, wer ihr nachgekommen ist bzw. wie streng sie durchgesetzt wurde. 79 Jansen 1925, S. 1 ff. zu Kloster- und Kapitelschulen im 9./10. Jahrhundert. 80 Eine Übersicht der damals möglichen Bildungswege bietet ein Diagramm bei Frijhoff 1983 (zwischen S. 6/7). 81 Zudem wurden Schüler von außerhalb aufgenommen. De Booy 1980, S. 24 f., 121 ff.; Bloemendal 2003, S. 9 ff. 82 Eine solche Einrichtung zeigt womöglich ein in der Manier Jan Steens gemaltes Tafelbild mit den Maßen 38.0 x 31.0 cm, wo neben der matronenhaft wirkenden Lehrerin und einigen lernenden Kindern auch ein Mädchen zu sehen ist, das einem Kleinkind „aufs Töpfchen“ hilft. Braun 1980, S. 168, Nr. B-78. Da für dieses Gemälde ein Vorbild von der Hand Steens nicht nachweisbar ist, wird es im Rahmen dieser Arbeit nicht ausführlich besprochen werden, jedoch u. a. in Kapitel VIII.8 zu den Schulszenen Richard Brakenburghs noch kurz erwähnt werden. 83 De Booy 1977, S. 104 ff.; de Booy 1980, S. 38, 127 ff., 131 ff.; de Booy 1981, S. 439; Durantini 1983, S. 168. 84 De Booy 1980, S. 39, 52. 85 Ein Gemälde Quiringh Gerritsz. van Brekelenkams (1654, Holz, 62.3 x 86.5 cm, Verbleib unbekannt) zeigt beispielsweise eine Handarbeitsschule, wo Mädchen von einer Frau das Spitzenklöppeln lernen. Lasius 1992, S. 26 f., 98, Kat.Nr. 63, Taf. 11.

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Einrichtungen orientierten sich eng am existierenden Bedarf bzw. – zum Beispiel hinsichtlich der Strafen oder der religiösen Ausrichtung des Unterrichts – an den Vorgaben der Eltern und waren demnach individuell organisiert.86 Für eine solche in Basel ansässige Schule war wohl das 1516 geschaffene Schild [Abb. 8a und b]87 gedacht, das den darin angebotenen Unterricht in Wort und Bild beschreibt. Bemerkenswert ist der Hinweis auf eine Art „Geld-zurück-Garantie“, falls der Lernerfolg ausbleibt. Schmidt vermutet, dass die (Werbe-)Tafel für den Basler Schulmeister Oswald Myconius (Molitor) angefertigt wurde,88 dessen Exemplar von Erasmus’ Lob der Torheit Holbein wohl ungefähr zur selben Zeit illustrierte. Von einer Randzeichnung aus diesem Buch, die eine deftige Bestrafungsszene zeigt [Abb. 38], wird in Kapitel IV.1 noch die Rede sein. Im Grunde stand es jedermann frei, Unterricht zu erteilen, so dass finanzielle Beweggründe die Frage nach der pädagogischen Befähigung der Lehrenden nicht selten in den Hintergrund treten ließen. Da die Obrigkeit nur wenig Handhabe hatte, den Unterricht an diesen Schulen zu reglementieren und zum Beispiel dafür zu sorgen, dass die Lehrkräfte die rechte religiöse Lehre verbreiteten, kam es in diesem Zusammenhang häufig zu Konflikten,89 auf deren Inhalte im Folgenden zum Teil noch genauer eingegangen wird, da die dabei erhobenen Vorwürfe gegen die Lehrer auch Eingang in die Motivik der Bilder finden. Aufgrund einer fehlenden überregionalen Struktur und Kontrolle des Bildungswesens blieb die Unterrichtssituation noch lange Zeit von Ort zu Ort sehr verschieden.90 Zumindest in den Städten konnten die Eltern ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die für ihre Sprösslinge am ehesten geeignete Schule wählen. Auf dem Land musste man sich noch länger danach richten, ob dafür ein halbwegs befähigter Erwachsener zur Verfügung stand.91 Die Quellen berichten Gegensätzliches über das holländische Schulwesen: 1667 lobt Bernard Schotanus, Professor an der Universität zu Franeker, dass nahezu alle Dörfer in Friesland über eine Schule verfügten, so dass trefflich für die Bildung der Kinder gesorgt sei,92 der Franzose Janiçon, der ab 1685 in Holland lebte, bezeichnet die Anzahl der Schulen als „unendlich“. Charles-Pierre Coste d’Arnobat hingegen, dessen Bericht zum Ende des 18. Jahrhunderts erschien, beklagt, dass die Holländer in ihrem Kopf keinen Platz für Wissen hätten, da dieser mit Überlegungen angefüllt sei, wie man zu mehr Geld kommen könne. Ihr Geiz halte die Menschen zudem davon ab, Lehrer angemessen zu bezahlen, so dass der Unterricht entsprechend dürftig sei.93 II.4

Der Ausbau des Schulwesens nach der Reformation

1574 wurde auf der Synode von Dordrecht beschlossen, die Einrichtung von Schulen auf den Dörfern zu beschleunigen und ein dichtes Netz im ganzen Land zu installieren.94 Tatsächlich war bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts in allen Regionen des ohnehin stark urban geprägten Landes ein beacht86

Post 1954, S. 62 ff.; Bot 1955, S. 102 f., 132 ff., auf S. 99 ff. beschreibt er den auf die Sprache konzentrierten Unterricht der Lateinschulen und die Nachteile dieser Einseitigkeit; de Booy 1980, S. 134 ff.; de Booy 1981, S. 439; Israel 1995, S. 41 ff.; Becchi 1998, S. 178–183; Julia 1998, S. 327 ff.; Frijhoff/Spies 1999, S. 245; Dekker/Groenendijk/Verberckmoes 2000/2001, S. 46 f. Einen Einblick in die Praxis der mit einer Art Handelsschulen vergleichbaren privaten Anstalten gibt: Davids 2004, S. 235 ff. 87 Hans Holbein d. J./Ambrosius Holbein: Schild eines Schulmeisters (Vorder- und Rückseite, inzwischen geteilt), 1516, Holz, je 55.5 x 65.5 cm, Kunstmuseum Basel, Inv.-Nr. 310 und 311; Basel 2006, S. 158–160, mit Abb. beider Seiten. Die „Kinderschule“, auf der die Frau des Schulmeisters den Unterricht der Mädchen übernimmt [Abb. 8b], wird neuerdings dem Bruder Ambrosius zugeschrieben. 88 Der Text lautet auf beiden Seiten gleich. Schmidt 1931, S. 17 ff., S. 49, Abb. S. 16, 21, 41; Durantini 1983, S. 26, Anm. 26; Basel 1988, S. 21, 158; Basel 2006, S. 146; Willemsen 2008, S. 140 f., Abb. 115 f. 89 De Booy 1980, S. 24 ff., 30, 36, 68, S. 127 ff. für Utrecht. 90 Das ist z. B. an den von de Booy veröffentlichten Quellen (u. a. Visitationsprotokolle) aus der Provinz Utrecht abzulesen: de Booy 1977, S. 250 ff. 91 De Booy 1980, S. 210; Durantini 1983, S. 162; de Booy 1981, S. 434, thematisiert die infolge alternativ wählbarer Schulen inkonstanten Schülerzahlen. Dies wird auch von Zeitgenossen kritisiert, vgl. dazu auch Dafforne 1627, S. 20. 92 Dekker/Groenendijk/Verberckmoes 2000/2001, S. 46; Durantini 1983, S. 93. 93 Janiçon 1729, Bd. I, S. 12; Coste d’Arnobat 1789, S. 303 f.; Philadelphia/Berlin/London 1984, S. 319. 94 De Planque 1926, S. 27 ff. Die Umstrukturierung bzw. Einführung des reformierten Unterrichts an den Utrechter Schulen nach 1580 beschreibt de Booy 1980, S. 66 ff.; zusammenfassend zur Synode: Israel 1995, S. 460 ff.

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licher Erziehungsapparat eingerichtet.95 Für diese Zeit sind in den nördlichen Niederlanden zehn große städtische Schulen und 62 (kirchliche) Lateinschulen bezeugt. Hinsichtlich der diversen privaten Unterrichtsangebote und für die Dorfschulen sind aus verschiedenen Gegenden Zahlen überliefert, die in diesem Kontext jedoch nicht für das ganze Land ausgewertet werden konnten, so dass die Angaben vage bleiben müssen.96 Seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts scheint es allerdings zumindest in jedem Ort mit Kirche eine Schule gegeben zu haben.97 Das Schulgeld wurde möglichst niedrig gehalten, Bedürftige waren von den Gebühren befreit.98 Durch Armenschulen eröffnete die Kirche ihnen die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs und vergrößerte zugleich die Zahl ihrer Gemeindemitglieder. Besonders in diesen Schulen war die Schülerzahl oft hoch99 – ein Umstand, der sich in den Bildern widerspiegelt: In den schäbigen Schulräumen sind meist besonders viele Kinder zu sehen. Obschon die meisten nachreformatorischen Schulen von der weltlichen Obrigkeit kontrolliert wurden, bestand immer noch eine enge Verbindung zwischen Schule und Kirche – auf dem Land jedoch oft mehr als in den Städten. Die Gebäude befanden sich häufig in räumlicher Nähe. Die kirchliche Instanz wurde in vielen Dingen zu Rate gezogen, sie war unter anderem für die Formulierung der Curricula zuständig. Auf der Synode von 1574 war der Heidelberger Katechismus als Grundlage für den Unterricht in Holland angenommen worden, und die angehenden Schulmeister waren verpflichtet, sich getreu daran zu halten.100 Nicht selten wurde der Schulmeister aus der Kirchenkasse bezahlt. Ließ sich – was häufig der Fall war – kein Schulmeister finden, hielten der ortsansässige Pastor oder der Küster den Unterricht.101 Katholische Schulmeister wurden – sofern sie nicht konvertierten – meist ihres Amtes enthoben, so dass hier nicht selten rasch Ersatz gefunden werden musste. Doch gibt es auch Regionen – etwa in Holland oder in der ländlichen Gegend um Utrecht –, wo die katholischen Lehrkräfte weiter unterrichten durften. In Gebieten, in denen noch viele katholische Familien ansässig waren, nahmen die reformierten Schulmeister zum Teil Rücksicht auf den Glauben ihrer Schüler, um nicht auf das Schulgeld verzichten zu müssen.102 Da das Gehalt, das sich im Wesentlichen aus den von den Schülern entrichteten Beiträgen zusammensetzte, ausgesprochen niedrig war, gelang es den zuständigen Stellen besonders in ärmeren Gegenden kaum, fähige Schulmeister zu finden. Um ein Auskommen zu haben, mussten viele der Lehrer Nebenbeschäftigungen nachgehen, was nicht selten auf Kosten des Unterrichts ging und von den Behörden nicht gerne gesehen wurde.103 Einzig die Betätigung des Schulmeisters als Küster – oder vielmehr des Küsters als Schulmeister – wurde von der Kirche gutgeheißen. Diese Kombination war besonders auf dem Land häufig, wo die Kirchendiener die Lehrtätigkeit nicht selten auf Drängen der Obrigkeit neben ihren eigentlichen Aufgaben übernommen hatten, als der Wunsch nach einer 95

De Vries 1974, S. 211; Dekker/Groenendijk/Verberckmoes 2000/2001, S. 47. Zur Besiedlungsstruktur der nördlichen Niederlande siehe: Israel 1995, S. 328 ff. 96 Zum Beispiel bei de Planque 1926, S. 54; Post 1954, S. 18 ff.; de Vries 1974, S. 210 f.; Jensen Adams 1993, S. 71; Willemsen 2008, S. 15. Für das Herzogtum Brabant vgl.: Put 1990, S. 72 ff. 97 De Booy 1977, S. 9, stellt dies für die Gegend um Utrecht fest. De Planque 1926, S. 11 f., schätzt die Situation für Dordrecht und Umgebung weniger positiv ein, notiert aber, dass es auch hier nach 1600 keine Beschwerden über den Mangel an Schulen mehr gegeben habe. Für das Herzogtum Kleve, das – obwohl ab 1614 brandenburgisch-preußische Provinz – mit den Niederlanden sprachlich und kulturell eng verbunden blieb, liefert Friedrichs 2000, S. 58 ff., anschauliche Zahlen, die für diese Gegend eine ganz ähnliche Struktur des Schulwesens vermuten lassen. Konkrete Zahlen für Brabant referiert: Put 1990, S. 71 ff. 98 Meertens 1943, S. 428 berichtet von Samuel de Swaef, der Ende des 16. Jh.s in Middelburg arme Kinder kostenlos unterrichtete. Auch die Gemeinde Nissen trägt dies dem Schulmeister 1629 auf: de Planque 1926, S. 12, Anm. 5; de Booy 1980, S. 80 ff. Über die Höhe dieser Gebühren ist in der Literatur wenig zu finden. Bourland 1951, S. 10, listet die Staffelung verschiedener Beträge für unterschiedliche Unterrichtsinhalte in Antwerpen im Jahr 1530 auf. 99 De Vries 1974, S. 210 f.; de Booy 1980, S. 71 ff., 82 f.; de Booy 1981, S. 428, 440; Jensen Adams 1993, S. 71. 100 Meertens 1943, S. 422; de Booy 1980, S. 22, 24, 41 ff.; Willemsen 2008, S. 263 f. 101 Jansen 1925, S. 5 f., S. 15, zu den Wohnräumen des Schulmeisters; Put 1990, S. 153 f.; de Planque 1926, S. 8 f., 25 ff., 50 f., 64 f., beschreibt anhand von Quellen die Situation auf dem Land um 1600. 102 De Booy 1980, S. 25 f., 135, 167, S. 66 ff., zu den Versuchen, katholischen Unterricht in Utrecht zu unterbinden; Israel 1995, S. 689. 103 Neben den üblichen Schreib- und Kopierarbeiten (Beck 1624, S. 181) sind die verschiedensten Tätigkeiten überliefert. Valcooch 1597, zählt Regel 866 ff. einige auf, darunter auch Malen oder Vieh hüten. De Planque 1926, S. 199 f.; de Booy 1977, S. 9 f., 18 f.; de Booy 1980, S. 36 f.; Put 1990, S. 161 ff.

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örtlichen Schule laut wurde. Nicht immer bedeutete dies automatisch die angemessene Entlohnung für die zusätzlich erbrachten Dienste, ebenso wenig die Bereitstellung adäquater Räumlichkeiten und eine entsprechende materielle Ausstattung. Im Wissen um diese Problematik zielen viele der pädagogischen Publikationen der Zeit ausdrücklich auf die Verbesserung der Situation an diesen Schulen.104 Und doch sollte bis zur flächendeckenden Durchsetzung eines Mindestgehalts für Lehrer, über das schon 1593 beraten wurde, noch geraume Zeit verstreichen.105 Insgesamt gelang bis auf Weiteres, auch aufgrund der föderalen Aufteilung des Landes, keine einheitliche, überregionale Regelung des Schulwesens bzw. der Unterrichtsinhalte, die Verordnungen blieben auf einzelne Provinzen oder Städte beschränkt. Für Holland und Zeeland wurde 1580 eine einheitliche Grammatica vorgeschrieben, 1611 starteten der Rat von Gelre und Zutphen eine ähnliche Initiative. Darüber jedoch, wie diese Regelungen befolgt wurden, ist keine verlässliche Aussage zu machen. 1625 beispielsweise scheiterte eine die Curricula einander angleichende Schulordnung für Holland und West-Friesland.106 Offenbar bestand vor allem an den Dorfschulen – an städtischen Schulen und Gymnasien wird die Situation weniger disparat gewesen sein107 – lange lediglich eine Art vage communis opinio, wie der Unterricht abzulaufen habe: Die Maßgabe, nach der die Kinder in Ehrfurcht vor Gott unterrichtet werden sollten, bildet den kleinsten gemeinsamen Nenner der verschiedensten Reglements und Erlasse.108 Folglich ist im Einzelnen kaum festzustellen, welchen Lehrern welche Inhalte und Methoden geläufig waren respektive wer sich danach richtete.109 Die Schulmeister mussten in erster Linie gottesfürchtig sein und unbescholten.110 Besondere Belesenheit oder gar ein Examen waren vor allem im 16. Jahrhundert noch nebensächlich, man war vielerorts schon froh, wenn der Kandidat sich zum reformierten Glauben bekannte. In Middelburg beschließt der Magistrat der Stadt 1591, eine Gilde der Schulmeister zu gründen, in deren Satzung festgehalten ist, dass jeder beitreten könne, der gewillt sei, Unterricht zu geben, und einen Eid auf seine guten Absichten ablege.111 Letztendlich waren diese Vereinigungen in erster Linie dazu gedacht, die Rechte der freien Schulmeister zu vertreten, die – anders als die Lehrkräfte der kirchlichen oder städtischen Schulen – zur Durchsetzung ihrer Forderungen nicht auf übergeordneten Instanzen mit entsprechender Macht zurückgreifen konnten.112 Erst ab 1655 wurde ein allgemein gültiges Mindestmaß an Befähigung der Lehramtsanwärter festgelegt: Sie mussten Lesen, Schreiben und die Grundlagen der Rechenkunst beherrschen sowie 104

De Booy 1980, S. 81 f.; de Planque 1926, S. 65 f. Einen Einblick, wie prekär die Lage vielerorts war, gibt der bei de Planque 1926, S. 57 ff. zitierte Bericht der Schulvisitationen der Dörfer im Stift Utrecht. 105 De Booy 1977, S. 21 ff., wiederum für die Provinz Utrecht. 106 Zu der Schulordnung allgemein: Kuiper 1958, bes. S. 32 ff.; Bot 1955, S. 71, Anm. 1, ist allerdings der Ansicht, dieser Versuch sei erfolgreicher gewesen als die vorherigen. Anders: Kuiper 1958, S. 159 f.; de Booy 1977, S. 27; de Booy 1980, S. 122. Zu Versuchen, den Unterricht auf eine Schulform zu beschränken bzw. private Bildungseinrichtungen zu schließen: Bot 1955, S. 70 f., Anm. 6. Zu Unterrichtsreglements der Städte im katholischen Herzogtum Brabant siehe Put 1990, S. 30 ff. 107 Bot 1955, S. 72, scheint mit Blick auf die von Universitäten gestifteten Gymnasien, für die verbindliche Unterrichtspläne galten, davon auszugehen, dass dies an anderen Schulen ähnlich streng gehandhabt wurde – die von mir konsultierten Untersuchungen zeichnen aber vor allem für die ländlichen Gegenden ein anderes Bild. 108 De Booy 1977, S. 26; Durantini 1983, S. 111 f.; Boekholt/de Booy 1987, S. 67; de Planque zitiert S. 8 ff. und besonders S. 28 ff. aus entsprechenden Dokumenten. 109 De Planque 1926, führt etwa S. 59 f. Berichte von Beginn des 17. Jh.s an, nach denen einige Schulmeister sich nicht, wie vorgeschrieben, von katholischen Unterrichtsinhalten distanzierten. Hierauf wurde jedoch nicht in allen Landesteilen gleichermaßen streng geachtet: Bot 1995, S. 231 f.; de Booy 1980, S. 66 ff.; Israel 1995, S. 689. 110 De Planque 1926, S. 29 f. (Beschlüsse der Synode zu s’Gravenhage 1586), S. 54 f., 61; de Booy 1980, S. 34 ff.; Put 1990, S. 136 ff. 111 Meertens 1943, S. 422 f.; de Planque 1926, S. 62 f., gibt die Formulierungen des Magistrats und missbilligende Kommentare der Zeitgenossen zur laschen Gildeordnung wieder; siehe auch de Planque 1926, S. 69 f., zu vergleichbaren Vereinigungen in Antwerpen, Leiden und Haarlem (gegründet 1667 und 1669); de Booy 1980, S. 131 zur Gilde von Gouda, die etwas mehr Wert auf Qualitätsstandards gelegt zu haben scheint. Bourland 1951, S. 4 ff., schildert die Geschichte der 1529 gegründeten Schulmeistergilde von Antwerpen. Dazu auch: Put 1990, S. 93 ff. 112 Diese Beweggründe führt Bourland 1951, S. 4 f., für die 1529 gegründete Antwerpener Schulmeistergilde an. Auch hier mussten die Anwärter – vorausgesetzt, sie waren Bürger der Stadt – bis auf die Versicherung, nach bestem Wissen und Gewissen zu unterrichten, offenbar keine weiteren Qualifikationen vorweisen. Dies ändert sich erst im Jahre 1579, als Examina vorgeschrieben werden. Bourland 1951, S. 44, auf S. 56 f. zitiert sie die Satzung.

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die Melodien der wichtigsten Kirchenlieder kennen.113 Es gibt zwar in den pädagogischen Handreichungen der Zeit Bücher wie den „Groot Emder“ oder die „Donaten“114, die von den meisten Autoren empfohlen werden, daneben scheint jedoch jeder seine „Favoriten“ und eigene Unterrichtsmethoden gehabt zu haben. Neben dem „Großen Emder“, Donatus’ Schriften, Bibel und Katechismen waren zahlreiche andere Schulbücher in Gebrauch,115 auf deren Inhalt im Verlauf zum Teil noch eingegangen werden wird. Eine frühe, für die Niederlande wichtige, aber nicht verbindliche Sammlung von Richtlinien für den Unterricht ist Dirck Adriaensz. Valcoochs Regel der Duytsche Schoolmeesters, erstmals erschienen 1591 in Amsterdam.116 Sie spiegelt – wie die Einführung zur Neuauflage aus dem Jahr 1926 verdeutlicht – zentrale Punkte der damals existierenden Schulordnungen und didaktischen Publikationen im Wesentlichen wider. Valcooch, der selbst Lehrer war, liefert durch die Aufzählung von Missständen einen Eindruck von der Unterrichtssituation im ausgehenden 16. Jahrhundert. Er beschwert sich über den niedrigen Lohn und die fehlende Umsicht bei der Auswahl des Lehrpersonals.117 Sein Buch soll dem „onwetenden ende plompen School-meester [...]“ darlegen,118 welches seine Aufgaben sind, welche Arbeitsgeräte und Bücher er benötigt bzw. wie er diese einzusetzen hat, und zugleich die möglicherweise nicht weniger unbedarften Eltern darüber ins Bild setzen, wie ein rechter Schulmeister beschaffen sein sollte. Valcoochs Ende des 16. Jahrhunderts erschienene Regel bleibt in diesem Umfang – sie umfasst rund 175 Seiten – zunächst die einzige pädagogisch-praktische Handreichung. Vergleichbare Publikationen erscheinen erst wieder am Ende des 18. Jahrhunderts.119 Lediglich zwei von Schulmeistern verfasste Publikationen des 17. Jahrhunderts enthalten Hinweise zur Unterrichtsführung. Die 1621 in Amsterdam veröffentlichte Geestelycke Queeckerye ofte christelycke opvoedinghe der kinderen des Middelburger Lehrers Johannes de Swaef (1594–1653) war als eine Art ElternLeitfaden zur christlichen Unterweisung gedacht. De Swaef äußert sich darin ähnlich wie Valcooch zu den Qualitäten eines guten Schulmeisters: Dieser müsse dafür ausgebildet sein, Gottesfurcht allein reiche nicht aus. Zugleich bemängelt er die Auswirkungen, die die unbesehene Einstellung von Lehrpersonal auf die Erziehung der Kinder hat, und ermahnt die Eltern, darauf zu achten, wem sie ihre Sprösslinge anvertrauten. Schließlich könne jemand, der selber ungebildet ist, kaum anderen Bildung vermitteln.120 Auch Richard Daffornes Schulbuch Grammatica ofte Leez-leerlings Steunsel aus dem Jahr 1627, das in vielen Punkten auf ältere Werke zur niederländischen Sprache zurückgreift, enthält einige Hinweise zu Lehrmethoden und vor allem Kritik an der aktuellen Situation an vielen Schulen.121 Besonders in den Anfangszeiten der Bildungsoffensive ist die unzureichende Qualität des Unter113

De Vries 1974, S. 211; Durantini 1983, S. 165 f.; Philadelphia/Berlin/London 1984, S. 318. Im katholischen Süden scheinen die Berufungsverfahren insgesamt strenger gewesen zu sein: Put 1990, S. 34 ff., auf S. 155 ff. versucht er eine Einschätzung der tatsächlichen Befähigung der Lehrkräfte und kommt zu dem wenig überraschenden Schluss, dass die Unterschiede groß gewesen sein müssen, obschon der Unterricht in der Stadt insgesamt höheren intellektuellen Standards unterlegen habe. 114 Es handelt sich um Neuausgaben oder Variationen von Aelius Donatus’ lateinischer Grammatik Ars minor und Ars maior, die aufgrund ihrer Verbreitung ab dem 4. Jh. zu Standardwerken geworden waren; Bot 1954, S. 141 ff. 115 Bot 1955, 136 ff. zu Grammatiken und Lektüren der Lateinschulen; de Planque 1926, S. 49 f., S. 85 f. zur Verwendung des Katechismus im Unterricht, S. 72 ff. zur Durchsetzung der Regelungen; S. 77 ff. gibt er einen Überblick über Inhalt und Verwendung der wichtigsten Bücher. Das Verbot älterer, katholischer Publikationen wurde aufgrund fehlender Alternativen oder aus Gewohnheit häufig umgangen: de Planque 1926, S. 55, Anm. 3, S. 87 ff. Einige katholische Schulbücher nennt: Put 1990, S. 211. 116 Neuauflagen erschienen bis 1628. Die hier angeführten Textstellen verweisen auf die von de Planque 1926 als kommentierter Nachdruck aufgelegte Ausgabe von 1597; de Booy 1977, S. 38; Kruithof 1983, S. 169 ff.; Exalto 2004, S. 81 f. 117 De Planque 1926, S. 16 f.; Philadelphia/Berlin/London 1984, S. 318 f.; Boekholt/de Booy 1987, S. 67 f. 118 Valcooch 1597, Voor-Rede; de Planque 1926, S. 173 f. 119 De Booy 1981, S. 433; de Planque 1926, S. 6 f. nennt einige Schriften, denen Valcooch Gedanken entlehnte, etwa das seit dem 16. Jh. vielfach aufgelegte Den uterste wille van Lowys Porquin, worin ein Vater seine Kinder auf dem Sterbebett zu tugendhaftem Leben anhält. Der Piemonteser Luigi Porchini te Chieri (1511–1573), der seit 1547 in Middelburg lebte, ließ seinen letzten Willen in der Tradition der Rederijker 1563 in Versform niederschreiben. Die 1. Auflage in nur wenigen Exemplaren war für seine Familie gedacht, doch das Büchlein wurde zu einem beliebten, bis ins 18. Jh. eingesetzten Lehrbuch. Meertens 1943, S. 423, Anm. 52; de Planque 1926, S. 91 ff.; de Booy 1980, S. 43 f. 120 De Planque 1926, S. 61 ff.; Meertens 1943, S. 246, 423 ff.; de Booy 1981, S. 422. 121 De Planque 1926, S. 20 f., 40, 129 ff.; Meertens 1943, S. 423 f.; Geerts 2003, S. 85.

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richts leicht erklärbar, wenn man sich vor Augen hält, wie wenig Vorlauf die verstärkte Einsetzung von Lehrpersonal hatte.122 Aufgrund des Lehrermangels wurden, ungeachtet ihrer tatsächlichen Eignung für das Unterrichten, nicht selten Menschen verpflichtet, die – etwa aufgrund einer körperlichen Schwäche – zu keiner Tätigkeit in der Lage waren, die physischen Einsatz erforderte.123 Die Einstellung von 20jährigen oder jüngeren Schulmeistern war offenbar nicht selten. So wird die allseits gescholtene Dummheit mancher Lehrer neben der möglicherweise tatsächlich unzureichenden Vorbildung auch in ihrer fehlenden Erfahrung begründet sein. 1620 beklagen sich beispielsweise die Kreise Schore und Vlake über einen Lehrer, der – obschon er bereits mehrere Jahrzehnte unterrichtete – Analphabet war, keine Ahnung von Mathematik hatte und vor allem keine Motivation zeigte, zu unterrichten.124 Häufig wurde der Beruf vom Vater auf den Sohn vererbt,125 was dazu führen konnte, dass im schlimmsten Fall auch der Mangel an pädagogischer Befähigung weitergegeben wurde. Die Einstellung erfolgte meist auf Lebenszeit, so dass die nachlassende Zuverlässigkeit alternder Schulmeister ebenfalls nicht selten Anlass zu Ärger und Spott gab. Bemängelt wird zudem, dass die Lehrer es mit der Religion wenig genau nähmen, sich in Tavernen und Bordellen herumtrieben oder dass ihre Strafen allzu grausam seien – sämtlich Topoi, die sich in den Bildern häufig wiederfinden. Sicher wurde das Verhalten des Schulmeisters als öffentlicher Person besonders aufmerksam und streng beobachtet, so dass vielleicht nicht selten harmlose Situationen zu Skandalen aufgebauscht wurden.126 Andererseits ist auch denkbar, dass mancher überforderte Lehrer seine Mühsal durch Alkohol oder andere Laster zu lindern oder zu vergessen suchte – und dass so mancher versuchte, seine fehlende Autorität durch drakonische Disziplinarmaßnahmen aufzuwiegen. All dies führte dazu, dass der Lehrberuf in der Öffentlichkeit wenig angesehen war. In den Augen der Bevölkerung war das keine Kunst, musste man doch nur ein bisschen lesen und schreiben können. Entsprechend niedrig war die Motivation, dort in den Schuldienst einzutreten, wo es besonders notwendig war – an den schlecht ausgestatteten Dorfschulen nämlich. Ein Versuch, die Unterrichtsstandards zu erhöhen, waren die 1618 beschlossenen überregionalen Kontrollen von Schulen. Vor allem von kirchlicher Seite hatte es solche Visitationen schon früher gegeben, nun sollten sie systematisch von einer übergeordneten Stelle aus durchgeführt werden.127 Es ist aber auch für das 17. Jahrhundert nicht feststellbar, ob die Kontrollen im ganzen Land regelmäßig stattfanden, in Ost- und West-Zaandam wurden sie beispielsweise erst im Jahr 1797 eingeführt. Und ob die Inspektoren überall die gleichen Maßstäbe ansetzten, ist ohnehin fraglich.128 Trotz der beschriebenen Mängel war das Schulsystem der nördlichen Niederlande vor allem im Vergleich zu den angrenzenden Ländern gut ausgebaut,129 vielerorts wurden die Kinder zumindest auf solidem Niveau unterrichtet. Im Süden des Landes kam die Re-Organisation des Schulwesens erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts, nachdem sich die Herrschaft von Isabella und Albrecht etabliert hatte, verstärkt in Gang. Da der Obrigkeitskonflikt jedoch zunächst weiter schwelte, schritt die Entwicklung, die sich wesentlich aus Bestrebungen der Gegenreformation nährte, weniger schnell voran als im prosperierenden Norden.130 122

De Vries 1974, S. 211; de Booy 1981, S. 432. Ähnlich äußert sich schon Luther 1529 in einem Schreiben: vgl. Schiffler/Winkeler 2011, S. 66. 123 De Booy 1980, S. 34, 129 (für die bijscholen); Philadelphia/Berlin/London 1984, S. 318. 124 Durantini 1983, S. 167; Boekholt/de Booy 1987, S. 70 f. 125 Put 1990, S. 125 ff. 126 De Planque 1926, S. 55 f.; Boekholt/de Booy 1987, S. 70 f.; „Dronkemansgedrag“ wird Lehrern schon von Erasmus vorgeworfen, auch litten viele von ihnen an Krankheiten wie Fallsucht oder Syphilis: Erasmus 1524, S. 102. Die verschiedensten Beschwerden finden sich in den bei de Booy 1977, S. 251–254 bzw. S. 264–268 abgedruckten Aufzeichnungen über die zwischen 1593 und 1669 durchgeführten Visitationen in der Provinz Utrecht. Ähnliche Klagen sind auch für die Schulen und Schulmeister in Deutschland überliefert: Boesch 1900, S. 96 ff. 127 De Planque 1926, S. 56 ff., 71 ff.; de Booy 1977, S. 13 f., zur Häufigkeit der Kontrollen S. 35. 128 Hart 1976, S. 60; Friedrichs 2000, S. 85 ff., beschreibt die uneinheitlichen Visitationen im Herzogtum Kleve ab dem Ende des 16. Jh.s. Dabei wird deutlich, dass vor allem die reformierte Kirche hier besonders sorgfältig vorgegangen ist. Für die ebenfalls recht gründlichen Kontrollen im Herzogtum Brabant siehe: Put 1990, S. 50 ff. 129 Frijhoff 1983, S. 6; einen Überblick über das Schulwesen der Nachbarstaaten bietet: Willemsen 2008, S. 29 ff. 130 Put 1990, S. 23, 27, 271. Offenbar lag die Alphabetisierung der katholischen Bevölkerung noch gegen Ende des 18. Jh.s hinter der der Reformierten zurück: Israel 1995, S. 689 f. Allerdings stützt er sich auf die oben erwähnte Auswertung von unterzeichneten Ehe-Urkunden, die als Nachweis fragwürdig ist. Vgl. dazu auch Put 1990, S. 222 f.

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Auch wenn die Unterrichtsmethoden bzw. -abläufe sowie die Ausstattung der einzelnen Institute sich möglicherweise nicht wesentlich voneinander unterschieden, war die Dominanz der kirchlichen Bewegung im Süden in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens deutlich stärker. So wurde auch der Unterricht – Mädchen besuchten meist Konvent- oder Beguinenschulen, die Erziehung der Jungen übernahmen Oratorianer, Augustiner und besonders Jesuiten – weiterhin vor allem von religiösen Gesichtspunkten bestimmt.131 Zwar gab es in den großen Städten, besonders für das florierende Antwerpen ist das gut nachvollziehbar, auch private Schulen, diese waren aber durch Maßnahmen zur Kontrolle der religiösen Ausrichtung in ihrer Freiheit deutlich eingeschränkt, sofern sie nicht ganz geschlossen wurden.132 Einige der bekanntesten Pädagogen der Zeit, unter anderem der schon zitierte Johannes de Swaef, stammten aus dem Süden. Sie emigrierten in den Norden, wo die dargelegte Entwicklung bereits ein differenziertes Schulsystem hatte entstehen lassen, das ihnen mehr berufliche Freiheiten bot.133 Den Unterricht an einer Antwerpener Schule zeigt möglicherweise ein Holzschnitt Dirck Vellerts, der zwischen 1511 und 1544 in der Metropole tätig war [Abb. 9].134 Der Lehrer, deutlich erkennbar an der erhobenen plak, sitzt links im Obergeschoss des Raumes. Dort befinden sich vor allem Jungen oder junge Männer, nur ein Mädchen ist auf der linken Seite wohl gerade dabei, ans Pult zu treten. Die anderen Schülerinnen, fast alles junge oder gar erwachsene Frauen, halten sich im unteren Bereich der Schule auf. Eine weibliche Lehrkraft ist nicht auszumachen. Vermutlich mussten die Schülerinnen nach oben gehen, um ihre Lektion aufzusagen, und so schickt sich eine Frau gerade an, die Stufen im Hintergrund hinaufzusteigen. Im unteren Bereich des Raumes gibt es wenig zu sehen, das auf eine Schule hinweist. Dass die beiden Frauen vorne links mit Schreibutensilien hantieren, ist noch zu erahnen, doch auf dem Regal im Hintergrund stehen beispielsweise Gefäße statt Büchern. Eine der Frauen hat einen Korb bei sich, sie unterhält sich mit einer anderen, als hätte sie beim Einkaufen die Nachbarin getroffen. Ein weiterer Korb steht geradezu demonstrativ vorne auf der Bank, daneben liegt allerdings auch ein Buch. Links bearbeitet ein Mann scheinbar ein großes Stück Holz, an der Wand neben ihm hängen Gerätschaften, die eher nichts mit dem Schulalltag zu tun haben. Ein kleiner Junge etwa in der Mitte beschäftigt sich am deutlichsten erkennbar mit Stift und Papier, während eine Frau auf der anderen Seite der Bank die Hand nach ihm ausstreckt. Die durch die mittige Faltung des Blattes begründete Vermutung, die Darstellung sei ursprünglich als Illustration für ein protestantisches Traktat gedacht gewesen,135 ist interessant, aber nicht ohne Weiteres nachweisbar. Dagegen spricht, dass das Blatt in nur einem Abzug erhalten ist, während bei einer Buchillustration von einer höheren Auflage auszugehen wäre. Auch für die in diesem Zusammenhang beschriebene Praxis des von Eltern organisierten und abgehaltenen Unterrichts habe ich keinen Nachweis finden können.136 Inwieweit die Szene aber dennoch ein gutes Bild der zeitgenössischen Unterrichtsweise vermittelt, zeigt das nächste Kapitel. II.5

Unterrichtsformen in den Niederlanden im 16. und 17. Jahrhundert

In den meisten Schulen wurden Mädchen und Jungen unterrichtet, es wurde aber empfohlen, diese ab einem gewissen Alter nicht beieinander sitzen zu lassen.137 Insgesamt gingen wohl in etwa ge131

Put 1990, S. 17, 26, 55, bes. 208 ff., S. 99 ff. zu den Mädchenschulen; Vroede 1992, S. 77 ff.; Israel 1995, S. 196 ff., 565, 686 f.; Lankhorst/Hoftijzer 1995, S. 108; Dekker/Groenendijk/Verberckmoes 2000/2001, S. 47, 59. 132 Put 1990, u. a. S. 28 f., Bourland 1951, S. 22 ff., beschreibt die Auswirkungen für Antwerpen im Jahr 1546, auf S. 1 ff. schildert sie die Situation vor der Reformation. 133 De Planque 1926, S. 66 ff, S. 25 ff. beschreibt er die drakonischen Maßnahmen des Herzogs von Alba gegen protestantische Lehrer. Vgl. auch Bourland 1951, S. 35 f.; Briels 1972, S. 157 ff.; Brickmann 1984, S. 384. Put 1990, S. 76. 134 Dirk Jacobsz. Vellert: Schulszene, 1526, Holzschnitt, 13.3 x 22.5 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. 1857,0520.7; Popham 1925, S. 358, 368, Nr. 20, mit Taf. XIII auf S. 367; Washington 1984, S. 323, Kat.-Nr. 140, mit Abb.; Willemsen 2008, S. 142, Abb. 117. 135 Washington 1984, S. 323. 136 Washington 1984, S. 323. Die als Beleg angeführte Untersuchung zum deutschen Unterrichtswesen in den Anfangszeiten der Reformation beschreibt sogar ausdrücklich, dass dessen Initiatoren die Eltern für ungeeignet hielten, ihre Kinder angemessen zu unterweisen. Stattdessen ist die öffentlich geführte Schule die zentrale Institution des reformatorischen Bildungswesens. Vgl. Strauss 1978, S. 6 f., 16, 194, 275. 137 Jansen 1925, S. 20, zitiert aus den Schoolreglementen von Utrecht (1655), Art. 10, und Haamstede (1682); de Booy 1980, S. 33.

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nauso viele Knaben wie Mädchen zur Schule, letztere blieben dem Unterricht jedoch häufiger fern, etwa um der Mutter im Haushalt zur Hand zu gehen. In vielen Fällen übernahm die Frau des Schulmeisters die Beaufsichtigung der Schülerinnen. Eine solche Aufteilung zeigt zum Beispiel eine Zeichnung aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts [Abb. 10],138 in der die Kinder in unterschiedlichen Bereichen des Schulraumes unterrichtet werden – links die Mädchen und im Vordergrund rechts die Jungen. In den Lateinschulen wurden bis auf sehr wenige Ausnahmen nur Jungen unterrichtet. Die exklusiveren privaten Institute und Internate nahmen auch Mädchen an, selbstredend wurde dort ebenfalls auf Geschlechtertrennung geachtet.139 Zwei französische Radierungen des 17. Jahrhunderts veranschaulichen, wie eine solche Einrichtung für das höhere Bürgertum auch in den Niederlanden ausgesehen haben könnte:140 Einmal werden Jungen und Mädchen von einem Lehrer unterrichtet [Abb. 11a], im anderen Fall unterweist eine ältere Frau kleine Mädchen, vermutlich im Buchstabieren [Abb. 11b]. Die Kinder sind wie kleine Erwachsene nobel gekleidet, sie verhalten sich ruhig und gesittet. In den hohen Räumen stehen nur wenige, monumental wirkende Einrichtungsgegenstände. Die Betten sind mit Tüchern verhängt, alles ist ordentlich aufgeräumt. Die fegende Magd im Hintergrund der Mädchenschule verbildlicht die häusliche und moralische Reinheit, die den späteren Hausfrauen in diesem Institut vermittelt wird.141 Schon an diesen den Unterricht auch in der Beischrift durchweg positiv darstellenden Bildern142 lässt sich gut zeigen, inwieweit sich Schulszenen zur Verbildlichung der verschiedensten Ideen eigneten. Wohl von Claes Jansz. Visscher d. J. gefertigte Kupferstiche wurden von Frederick de Wit nach 1645 in den Niederlanden mit veränderten Beischriften in Niederländisch und Französisch gedruckt.143 Dabei klingt in den Versen zum Maistre d’Escole eine gängige Metapher für die möglichst frühzeitige Prägung der Kinder an: Dass nur frische Triebe noch in die gewünschte Richtung gebogen werden können, ausgewachsene Äste dagegen beim Versuch, ihre Wuchsrichtung zu ändern, brechen, wird – wie in Kapitel II.6 ausführlich erläutert – im Zusammenhang mit Kindererziehung häufig thematisiert. Bei der Mädchenschule dagegen wird in drastischem Kontrast zu dem dargestellten Ideal etwas frivol auf die späteren amourösen Lektionen der Schülerinnen angespielt. Ein drittes Beispiel, das die Motive beider Stiche in einem Schulraum zusammenführt,144 instrumentalisiert die Szene wiederum ganz konkret für die zeitgenössische Diskussion über die richtigen Unterrichtsmethoden: Das Lesenlernen war nämlich nicht so angelegt, dass es möglichst schnell zum Verstehen von Texten oder gar Büchern führte. Im Vordergrund standen vielmehr das Buchstabieren und das Entziffern einzelner Worte.145 Diese sehr umständliche Art der Vermittlung prangert der in Antwerpen geborene Franciscus van den Enden (1602–1674), der Verfasser des begleitenden Gedichts,146 an und plädiert für eine Reform. Hierauf bezieht sich auch der Titel des Blattes De corte leere ofte gereformeerde schoole, der in diesem Fall trotz der Herkunft des Ver138

Unbekannt (Jan Martsen d. J. oder Salomon de Bray?): Schulszene, 1. Hälfte 17. Jh., lavierte Federzeichnung, 7.1 x 10.6 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. 1895.9.15.1206; Hind 1926, S. 141, Nr. 2, Taf. LXXV. Hind zweifelt die Autorschaft Martsen d. J. an und verweist auf ein Salomon de Bray (allerdings ebenfalls nur) zugeschriebenes Blatt im British Museum, das stilistisch gut vergleichbar ist. Hind, Bd. IV, 1926, S. 55, Nr. 1, Taf. XXIX: Salomon de Bray (zugeschrieben): Im Laden eines Rahmenmachers, 1646 (?), lavierte Federzeichnung, 7.2 x 10.4 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. 1895.9.15.1131. In der Online-Datenbank des BM ist die Schulszene jedoch Martsen d. J. zugeschrieben. Vgl. zu der Zeichnung auch hier Kap. VI.1.1.4. 139 De Booy 1980, S. 38. 140 Abraham Bosse (um 1604–1676): Le Maistre d’Escole bzw. La Maistresse d’Escole, hg. von Jean Leblond; um 1635– 1638, 25.1 x 31.8 bzw. 25.5 x 32.4 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. 1874,0711.2031 und 1877,1013.507. Paris/Tours 2004, S. 189 f., Kat.-Nr./Abb. 160 f.; Amsterdam 1997a, S. 286 ff., Abb. 3 f. auf S. 288. 141 De Jongh 1993, S. 33. 142 Der Text zum Maistre thematisiert die Notwendigkeit von Zucht und Disziplin, allerdings in eher gemäßigtem Ton, der Nachsicht gegenüber dem kindlichen Wesen fordert. Die Verse der Maistresse betonen die zukunftsweisende Bedeutung der schulischen Grundlagen, die die „gute Alte“ den Mädchen vermittelt. 143 Amsterdam 1997a, S. 286 ff., Abb. 5 und 6 auf S. 288. 144 Unbekannt: De corte leere, ofte gereformeerde schoole, wohl nach 1645, Kupferstich, 40.5 x 53.6 cm (herausgegeben von Françoys van Beusekom in Amsterdam); Amsterdam 1997a, S. 286, Nr. 58, mit Abb. 145 De Booy 1977, S. 49 ff.; de Booy 1981, S. 438. 146 Amsterdam 1997a, S. 288 f., das Gedicht ist wiedergegeben auf S. 286 f.

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fassers keinen konfessionellen Hintergrund hat.147 Doch auch in diesem Punkt änderte sich das niederländische Unterrichtswesen, wie in vielen anderen der im Folgenden zu beschreibenden Methoden, lange – oft bis weit ins 19. Jahrhundert – nicht. Das Alter der Einschulung war nicht festgelegt, auch gab es nur in den großen Stadt- und/oder Lateinschulen eine (auch räumliche) Unterteilung nach Altersgruppen respektive Bildungsstand. Manche Quellen berichten davon, dass die Kinder in die Schule geschickt wurden, sobald sie laufen konnten. Mangels Betreuungsalternativen wurden manche von ihren älteren Geschwistern mitgebracht148 und während des Unterrichts – wie auf einigen Bildern zu sehen – mehr oder weniger sich selbst überlassen. Das im Kontext der humanistischen Bildungsauffassung beschriebene Knabenbildnis [Abb. 6] zeigt einen der Kandidaten, dem nach entsprechender Schullaufbahn wohl eine akademische Karriere bevorstand. Ein Großteil der Kinder jedoch ging im Alter des kleinen Scholaren schon in die Lehre oder half den Eltern in Haus und Hof. Für die meisten von ihnen nahm die Schulzeit insgesamt verhältnismäßig wenig Raum ein. Viele von ihnen gingen nur zur Schule, bis sie die Grundbegriffe des Lesens beherrschten, so dass sie in ihre künftigen Aufgaben im Geschäft oder in der Werkstatt eingewiesen werden konnten. Es gab keine festen Klassengemeinschaften, das soziale Gefüge der Schule war eher lose. Hausaufgaben, Noten oder mit den heutigen Leistungsnachweisen vergleichbare Zeugnisse kannte man nicht.149 Das Schuljahr wurde von außerschulischen Gegebenheiten bestimmt, es war ohne festen ersten Schultag und – von jeweils einigen freien Tagen zu den wichtigsten kirchlichen Feiertagen abgesehen – mit wechselnden Ferienzeiten (etwa zur Erntezeit) kaum strukturiert. Die Anwesenheit der Schüler wurde nicht streng kontrolliert, besonders auf dem Land ging die Arbeit auf dem Hof oder dem Feld vor.150 Wenn zur Erntezeit oder infolge extremer Witterungsverhältnisse viele Kinder fehlten, fand kein Unterricht statt. Der in den Haag tätige Schulmeister David Beck, dessen Tagebuch aus dem Jahr 1624 überliefert und publiziert ist,151 berichtet oft von Unterrichtsausfall, weil kein Kind in der Schule gewesen sei – was bei einer Schülerzahl von rund 60 Kindern doch erstaunlich ist. Wenn wenige da sind, beendet er den Unterricht früher.152 Andererseits reist Beck mehrfach nach Delft, um seinen Bruder in dessen Schule zu vertreten153 – wer derweil seine Schüler beaufsichtigt, bleibt unerwähnt. Der Unterricht scheint weiterhin stattgefunden zu haben, denn als er am 9. Februar den Bruder vor der Klasse findet, begibt er sich zurück in die eigene Schule. Möglicherweise betreute diese solang seine Schwester Odilia. Beck notiert am 9. Juli, dass sie sich vom Besuch einer Bekannten in der Klasse gestört fühlte,154 sie scheint die Schule demnach mit ihm gemeinsam geführt zu haben. Die täglichen Unterrichtszeiten wurden auf dem Land variabel gehandhabt, in der Stadt wird der Beginn eher festgelegt gewesen sein. Zu Valcoochs Zeit begann die Schule zwischen sechs und sieben Uhr früh, im 17. Jahrhundert erst um acht. Es gab meist zwei Unterrichtseinheiten pro Tag, die je drei Stunden dauerten. Beginn und Ende wurden mit einem Gebet angezeigt. Dazwischen gab es eine Mittagspause, während der die Kinder nach Hause gehen durften.155 Selbst manche der städtischen Schulen waren denkbar einfach eingerichtet: Manchmal saßen die Kinder schlicht auf dem Boden und nutzten die hölzernen Bücherkästen als Schreibunterlage. Der Unterricht fand häufig im Haus des Schulmeisters statt, auch in dessen unmittelbarem Wohnbereich. 147

Der ehemalige Jesuitenschüler van den Enden verdiente seinen Lebensunterhalt zunächst als Händler von Büchern und Drucken, später führte er in Amsterdam und Paris die von ihm gegründeten Lateinschulen. Vgl. Amsterdam 1997a, S. 289 bzw. für eine ausführlichere Vita des unter anderem als Lehrer Spinozas zu Nachruhm gelangten Gelehrten die von Frank Mertens (Centrum voor de Studie van Christelijke Tradities an der Universität Gent) zusammengestellte Online-Publikation unter http://users.telenet.be/fvde/, Aufruf 15.03.2015. 148 Boekholt/de Booy 1987, S. 79; Dekker/Groenendijk/Verberckmoes 2000/2001, S. 46; de Booy 1981, S. 433. 149 De Booy 1981, S. 439, 441; Dekker/Groenendijk/Verberckmoes 2000/2001, S. 50, 54. 150 De Booy 1980, S. 31 ff.; de Booy 1981, S. 434; Durantini 1983, S. 168. 151 Vgl. dazu zuletzt Blaak 2009, bes. S. 41–65. 152 Einleitung zu Beck 1624, S. 16, so z. B. am 29. Januar (S. 39), am 2. Mai (S. 87), am 29. Mai (S. 104). Ende September und Anfang Oktober (S. 179, 183) notiert er, dass viele Eltern ihre Kinder wegen der Pest zuhause behielten, es seien im Schnitt nur 30 oder 40 Kinder im Unterricht; ähnlich auch bei de Booy 1981, S. 434. 153 Einleitung zu Beck 1624, S. 9, Notiz 3./4. Februar, S. 41 f. 154 Beck 1624, S. 131; Vertretung in Delft: S. 45, auch am 9. Mai (S. 92) und 25. September (S. 175). 155 De Planque 1926, S. 8 f., S. 33 f. zum Gebet; de Booy 1977, S. 31 f., Anm. 39; de Booy 1981, S. 433, 437.

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Die Sitzordnung sah vor, dass die älteren Kinder in der Nähe des Lehrers saßen, die Jüngeren hinten. Die Größe variierte von Schule zu Schule stark, überliefert sind bis zu 100 Schüler.156 Da die Unterrichtsinhalte in den bildlichen Darstellungen kaum zu unterscheiden sind, sollen die Lehrmittel und -methoden sowie Fächerinhalte nur kurz skizziert werden. In der ersten UnterrichtsStufe (bzw. den einfachen nederduitse schoolen) wurden das ABC, Grundkenntnisse im Lesen und einige einfache Gebete vermittelt. Schreiben wurde nicht überall gelehrt oder musste – da hierfür mehr Material notwendig war – häufig extra bezahlt werden. Wer mehr als das einfache Grundwissen oder vertiefte Kenntnisse auf bestimmten Gebieten wie Rechnen oder Fremdsprachen erwerben wollte, konnte dies ab einem Alter von etwa zwölf Jahren auf den höheren Schulen tun.157 Neben den Lateinschulen und anderen großen städtischen Instituten, an denen die Schüler bis zum Alter von etwa 16 Jahren auf die Universität vorbereitet wurden, gab es in den Städten unter anderem die so genannten franse schoolen, wo auch viele Mädchen aus „besseren“ Kreisen unterrichtet wurden. Das Schulgeld war an diesen häufig als Internaten geführten Einrichtungen oft recht hoch. Neben Französisch, das sich als Handelssprache mehr und mehr durchsetzte, wurden weitere Sprachen gelehrt, ebenso Musik und Zeichnen, Erdkunde und Geschichte – allumfassende, lebenspraktische und auf die höhere Gesellschaft zugeschnittene Bildung war das Ziel.158 David Beck wie auch sein Bruder Steven unterhielten eine solche Einrichtung.159 Die religiöse Unterweisung war das älteste und wichtigste Fach, die christliche Lehre bildete einen wesentlichen Inhalt der Fibel und anderer Schulbücher.160 Einige von ihnen sind in Kapitel II.4 zur Entwicklung des Schulsystems der Niederlande bereits genannt worden, da es sich gewissermaßen um didaktische Handbücher mit im weitesten Sinne curricularem Ansatz handelt. Sie behandeln, neben der Vermittlung christlicher Sujets sowie orthographischen, grammatikalischen und zum Teil mathematischen Regeln, Fakten wie Städtenamen, verschiedenen Waren und Nahrungsmitteln, Jahreszeiten und anderem mehr sowie allgemeine moralische Fragen zur Erziehung. Mit letzteren beschäftigen sich zudem zahlreiche erbauliche Publikationen, die im folgenden Kapitel noch etwas genauer beschrieben werden. Sie richten sich an die Jugend, bieten Eltern eine Art Erziehungsratgeber und fanden darüber hinaus im Unterricht Verwendung, da das moralisch korrekte Verhalten in allen Lebensbereichen zentraler Teil der schulischen Bildung war. Beliebt waren auch Sammlungen von Fabeln, kurzen Erzählungen oder Rätseln, die „in der conste der Medecijn=meesters [/] die het wormcruyt [/] dat bitter is [/] menghen met suycker [/] om dattet de kinderen soo veel te liever souden in nemen“, die Ermahnungen also in einer leichter verständlichen, anschaulichen Form darbieten.161 Manche dieser Bücher – etwa das Ende des 16. Jahrhunderts erstmals erschienene Materie=Boecxken – enthalten auch Vorlagen, wie Rechnungen, Verträge oder Briefe an bestimmte Personen (unter anderem Kaiser, Juden oder Jungfrauen) zu verfassen sind,162 waren praktisch orientiert und vielseitig nutzbar. Auch für die Schulung der (Tisch-)Manieren und den gesellschaftlichen Umgang gab es eigene Handbücher, die wohl ebenfalls im Unterricht eingesetzt wurden. Zumindest in einem von ihnen ist explizit beschrieben, wie ein Schuljunge sich zu verhalten hat: sittsam und still, gehorsam dem Lehrer gegenüber und nicht hartnäckig, stets aufmerksam. Zudem soll er kein Papier auf den Boden werfen, an dem sich die

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Jansen 1925, S. 10 ff., S. 17 f. zur Einrichtung der Schulen im 15. Jh.; de Booy 1977, S. 66 ff.; de Booy 1980, S. 28 f., 33 f.; de Booy 1981, S. 433; Boekholt/de Booy 1987, S. 77 f.; zur Sitzordnung: de Planque 1926, S. 23 f. 157 De Booy 1980, S. 47 ff.; de Booy 1981, S. 431, 439; Frijhoff/Spies 1999, S. 240; Dekker/Groenendijk/Verberckmoes 2000/2001, S. 46 f. Zur höheren Gebühr für den Schreibunterricht siehe auch: Bourland 1951, S. 10. 158 So befasst sich z. B. das ab 1588 mehrfach aufgelegte Französischbuch des aus Gent stammenden Lehrers Gerard de Vivre weniger mit Grammatik als mit alltäglichen Dialogen. Vgl.: van Selm 1977, S. 215 ff.; zu französischen Schulen, die aufgrund ihres lebenspraktischen Unterrichts den Lateinschulen besonders im 18. Jh. Konkurrenz machten, allgemein: de Booy 1977, S. 26, 33; de Booy 1980, S. 54 ff., 121, 128 f., 136 ff.; van Selm 1987, S. 235 f. 159 Vgl. die Einleitung zu Beck 1624, S. 9, Notiz 3./4. Februar, S. 41 f. sowie Blaak 2009, S. 44, Anm. 10. 160 Zur christlichen Lehre als Unterrichtsinhalt: de Booy 1977, S. 25 ff., 37; eine allgemeinere Übersicht über den Lehrstoff: de Booy 1980, S. 41 ff. Einen Überblick über die im 16./17. Jh. gängigen Publikationen mit Inhaltsangaben und Zitaten gibt de Planque 1926, S. 77 ff. Für die an den Dorfschulen in der Provinz Utrecht verwendeten Bücher vgl. de Booy 1977, S. 268–289. 161 De Planque 1926, S. 111, zitiert aus der Einleitung von: H. Jacobi: Gheneuchelijke [/] eerlijke [/] ende profijtelijcke Propoosten [/] Exempelen ende Fabulen [...], Amsterdam 1596, zu weiteren Veröffentlichungen S. 114 ff. 162 De Planque 1926, S. 143, zitiert aus einer Ausgabe von 1614, zu den Briefen S. 147 f.; de Booy 1980, S. 48.

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Mäuse gütlich tun könnten.163 Folglich sind unruhige, lärmende Kinder und auf dem Boden liegende Blätter und Hefte ein wichtiges Motiv der bildlichen Darstellungen negativer Beispiele [etwa Abb. 110, 145 oder 221]. Gelernt wurde meist durch Auswendiglernen und Nachahmung, Erklärungen und Erläuterungen waren kaum vorgesehen.164 Solche Methoden erscheinen heute wenig durchdacht, doch schon damals wurden Stimmen laut, die forderten, die Kinder sollten den Stoff nicht wie Papageien nachplappern,165 sondern mit dem Verstand begreifen. Solche Mahnungen wurden jedoch in der Unterrichtsgestaltung eher selten berücksichtigt. Die Kritik Franciscus von Endens an der umständlichen Methode des Buchstabierenlernens wurde einleitend schon kurz geschildert. Dazu kommt, dass Lesen und Schreiben nicht gleichzeitig, sondern nacheinander vermittelt wurden, wodurch der Lernprozess noch verlängert wurde.166 Rechnen gehörte nicht generell zum Curriculum, es wurde – wenn überhaupt – erst im Anschluss an Lesen und Schreiben unterrichtet.167 Lesen wurde nicht nur anhand von gedruckten und gebundenen Büchern geübt, sondern auch mit den preiswerteren und leichter zu handhabenden Hornbüchern, auf deren Fläche sich Platz für das Alphabet und das Vaterunser fand.168 Das Schreiben wurde – anders als auf den Bildbeispielen zu sehen – wohl weniger mit Federkielen und Tinte auf teurem Papier praktiziert, sondern eher mit dem Griffel auf Wachs- oder Schiefertafeln.169 Die Schüler mussten ihre Aufgaben für sich allein oder in Gruppen mit gleichem Wissensstand erledigen und sollten vom Lehrer drei oder vier Mal täglich abgehört werden. Dafür mussten sie ans Pult treten, der Lehrer scheint sich von dort nur selten weg bewegt zu haben.170 Erwartungsgemäß sind die meisten Darstellungen auf diese Situation fokussiert oder zeigen sie im Zentrum der Komposition, Tisch und Stuhl des Lehrers oft durch ein Podium erhöht. Es war üblich, dass die Jüngeren von den älteren Schülern angeleitet wurden, ihnen sagten sie ihre Lektion vor, bevor sie vom Lehrer geprüft wurden.171 Natürlich bedeutete diese dem unterschiedlichen Wissensstand der Kinder geschuldete Methode eine Erleichterung für die Lehrer. Das ständige Dozieren vor der Klasse hätte größeren Einsatz gefordert. So notiert David Beck, dass er auch während der Vertretungsstunden an der Schule seines Bruders Verse gedichtet oder gelesen habe. Er scheint also nicht oft abgelenkt worden zu sein. Mehrfach berichtet er von längeren privaten Besuchen während der Unterrichtszeit.172 163

„Hy sal sedich ende stille zijn […] [/] ende alsmen hem yet vraecht en sal hy niet stuerlijck antwoorden [/] alle hertneckichkeyt sal hy van hem legghen […] [/] ende meester gehoorsaem te zijn: Hy sal altijd vlijtich toe hooren [/] ende alsser yet ghelesen wort dat hy niet en weet [/] sal hijt op teeckenen ende dat bewaren als een schat neerstich studeren [/] ende geen pampier achter de bancken worpen [/] om vande muysen ghegeten te worden.“ De Planque 1926, S. 158 ff., Zitat S. 164 f. aus: Manierlijcke Zeden, hg. von Jan van Waesberghe, Antwerpen 1647 (Erstausgabe vermutlich 1587). Einige weitere solcher Benimm-Bücher nennt Durantini 1983, S. 73. Den Schwerpunkt auf die höfische Erziehung bzw. den gesellschaftlichen Umgang der „besseren“ Gesellschaft legt Roodenburg 2004, S. 9 ff. 164 Wahlsprüche bei de Booy 1977, S. 47 f.; de Booy 1980, S. 51. Die Entwicklung der didaktischen Texte im 17. und 18. Jh. ist bei de Booy 1981, S. 430, angerissen. Sie sind in Dialog- oder Gedichtform gehalten, je nach sozialer Stellung des Verfassers sind sie für große Schulklasse oder den häuslichen Unterricht ausgerichtet. 165 Dafforne 1627, S. 15; de Booy 1981, S. 437; Schoch 1988, S. 252. Erasmus urteilt in De ratione studii: „Bei der Korrektur soll der Lehrer das in der Erfindung, Ausführung oder Nachahmung besonders Gelungene lobend hervorheben, das Verfehlte oder an unrichtiger Stelle Angebrachte […] mit einer tadelnden Bemerkung versehen, dabei aber auch die Art und Weise der Verbesserung zeigen [...].“ Übersetzung nach Gail 1963, S. 41). 166 De Booy 1977, S. 48 ff.; de Booy 1981, S. 438; zu den Inhalten der verschiedenen Fächer (besonders ausführlich Lesen, Schreiben und Geschichte) und den verwendeten Materialien: de Booy 1977, S. 38 ff. 167 Israel 1995, S. 686; zur Methodik: de Planque 1926, S. 39 ff., speziell zum Schreiben S. 42 ff., zum Rechnen S. 45 ff., zu entsprechenden Büchern S. 151 ff.; Auffassung der Humanisten bzgl. Schreibunterricht: Bot 1955, S. 135; de Booy 1980, S. 50 ff. zum Rechenunterricht. 168 Beispiele abgebildet bei Alt 1960, Bd. I, S. 208 f., Abb. 1, S. 446, Abb. 2 f. bzw. Willemsen 2008, S. 52. 169 Willemsen 2008, S. 52 ff., liefert einen reich illustrierten Überblick über die in Schulen des 14., 15. und 16. Jh.s verwendeten Utensilien. Die hier untersuchten Bilder zeigen, dass die von ihr beschriebenen Dinge auch im 17. Jh. nahezu unverändert noch in Gebrauch waren. 170 Valcooch 1597, Regel 336, beschreibt, wie 100 Kinder in zwei Stunden abgefragt werden und wie die Mitschüler in dieser Zeit zu beschäftigen sind; de Planque 1926, S. 37 (Zitat Valcooch S. 184); Gruschka 2005, S. 177, Anm. 27. 171 Valcooch 1597, Regel 230 ff.; de Swaef 1621, S. 255; de Planque 1926, S. 35 ff.; de Booy 1977, S. 30 f. (Verordnung für die Provinz Utrecht 1654); de Booy 1981, S. 435 f.; Durantini 1983, S. 169. 172 Beck 1624, S. 42 f. (5. Februar), S. 97 (17. Mai); Blaak 2009, S. 94.

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Die Altersunterschiede der Kinder erschwerten vergleichende Lernnachweise. Besonders gute Leistungen – etwa das korrekte Schreiben und Buchstabieren schwerer Wörter – wurden aber in samstäglichen Wettbewerben belohnt, auch bei Schul-Inspektionen wurden Preise vergeben. David Beck fertigt für seine Klassenbesten Urkunden an, zur Kirmeszeit bekommen die Schüler selbstverfasste Gedichte.173 Es wurden Drucke verschenkt oder religiöse Erbauungsbücher,174 manchmal sogar ein Geldbetrag.175 Diese Gewinne waren natürlich beliebt und werden den Eifer der Kinder sicher angesp*rnt haben. In der didaktischen Literatur wird dagegen meist mit negativen Beispielen und entsprechender Abschreckung gearbeitet, und auch in den bildlichen Darstellungen spielt das Lob des Lehrers keine Rolle. Insgesamt scheint seine Tätigkeit für David Beck einen vergleichsweise geringen Stellenwert gehabt zu haben – was erstaunlich ist, da er in seinen Tagebucheinträgen das Wetter, jede noch so kurze Begegnung und jede Mahlzeit beschreibt. Ausgesprochen häufig erwähnt er selbst- oder von anderen verfasste Briefe und Gedichte sowie seine derzeitige Lektüre,176 unter anderem Karel van Manders (1548–1606) Schilder-Boeck.177 Er malt und zeichnet selbst, vor allem Landschaften. In regem Austausch steht er mit seinem Freund, dem Maler Herman Breckerveld (1595/1596–1673).178 Der Ton wird emotionaler, wenn Beck sich an seine verstorbene Frau erinnert, die er sehr zu vermissen scheint. Ansonsten sind die Einträge – die jeweils die Begebenheiten des Tages festhalten – durchweg sachlich formuliert und frei von subjektiven Einschätzungen.179 Für den hier untersuchten Themenbereich hätte man sich besonders über den schulischen Alltag mehr oder vielleicht andere Auskünfte gewünscht. Die betreffenden Notizen sind zwar häufig, beziehen sich aber vor allem auf administrative Aufgaben: Regelmäßig verschickt Beck Mahnungen, um die Eltern an das Schulgeld zu erinnern.180 Fast täglich verfasst er Gedichte zu Übungszwecken,181 viel Zeit verbringt er zudem mit dem Anfertigen von Urkunden für die Gewinner der Schulwettbewerbe.182 Der Leser erfährt jedoch wenig über die Schüler, und auch nicht, ob das Unterrichten dem Verfasser Mühe oder Freude bereitet hat.183 Beck notiert lediglich die Namen derer, die den prijs gewonnen haben184, und dass er sich länger mit einer Mutter über das schlechte Betragen ihrer Kinder unterhalten hat185 – nicht aber, wie dieses sich äußerte und welche Maßnahmen er dagegen ergriffen hat.186 Der pädagogische Fokus lag ganz offensichtlich nicht auf dem individuellen Wesen, von Lernerfolgen oder Schwächen einzelner Schüler ist nie die Rede. Diese für uns seltsam distanziert anmutende Haltung spiegelt sich zum Teil auch in den noch zu beschreibenden Auffassungen der Zeitgenossen hinsichtlich der Erziehung ihrer Kinder wider.

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Vermutlich handelt es sich dabei um ähnlich fromme Verse wie in den Schriften Valcoochs und Porquins. Vgl. de Planque 1926, S. 92 ff.; zu den Wettbewerben: de Planque 1926, S. 41; Einleitung zu Beck 1624, S. 16, Verweise auf Textstellen S. 266. 174 De Planque 1926, S. 44, Anm. 3; de Booy 1981, S. 436 f. Die Darstellung einer solchen Preisverleihung findet sich bei Spoelder 2000, S. 22, Abb. 1, der die 1585–1876 an niederländischen Lateinschulen verliehenen Bücher untersucht. Dabei handelte es sich meist um lateinische Klassiker. Für die Dorfschulen der Provinz Utrecht, wo ausschließlich Bücher in der Muttersprache vergeben werden, vgl. de Booy 1977, S. 268–289. 175 De Booy 1980, S. 160; de Booy 1981, S. 436 f. 176 Blaak 2009, vermerkt auf S. 79, dass Beck insgesamt 209 Mal insgesamt 64 verschiedene Titel erwähnt. 177 Beck 1624, S. 54. Am 28. Dezember besucht er mit seinem Bruder Karel van Mander: Beck 1624, S. 227. 178 Einleitung zu Beck 1624, S. 15; zu Breckerveld allgemein: Beck 1624, S. 238. 179 Laut Krausman Ben-Amos 2004, S. 18, ist dieser distanzierte Ton typisch für autobiographische Texte der Zeit. 180 Stellen notiert bei Beck 1624, S. 265. 181 Einleitung zu Beck 1624, S. 16, z. B. S. 28 (4. Januar), S. 33 (15./17. Januar), S. 37 (23. Januar). 182 Beck 1624, S. 159: Er beginnt am 28. August und erwähnt diese bis zum 18. September (S. 170) fast täglich. 183 Wie Blaak 2009, S. 53 f., feststellt, verhält es sich mit dem Inhalt von Gesprächen, die Beck mit Bekannten über Geschriebenes, Gezeichnetes oder Gemaltes führt, ganz ähnlich. Auch hier erfahren wir nicht, was genau die Betrachter an den diskutierten Objekten interessiert, was ihnen ge- oder auch missfallen hat. 184 4. Januar, 7. März, 5. April, 14. und 16. September und 7. November: Beck 1624, S. 28, 57, 71, 168 f., 201. 185 Beck 1624, S. 123. 186 Dasselbe gilt auch für Gespräche in anderen Zusammenhängen, etwa mit Freunden und Verwandten. Vgl. zu dieser Einschätzung auch Smidts-Veldt 2001, S. 173; Blaak 2009, S. 108.

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II.6

Kindererziehung in den Niederlanden im 16. und 17. Jahrhundert

Vorab eine methodische Bemerkung: Auch wenn das vom soziologischen Standpunkt her sinnvoll sein mag,187 wird im Rahmen dieser Arbeit kein Unterschied zwischen Kindern und Jugendlichen gemacht, denn diese Differenzierung ist für die bildlichen Darstellungen nicht von Bedeutung. In der Realität waren die Klassen altersgemischt, in den Quellen ist mal von „der Jugend“188, mal von „Kindern“ die Rede. Folglich ist eine Unterscheidung zwischen dem Erwachsenen als dem erziehenden Vorbild189 und dem Kind oder Heranwachsenden als in der Entwicklung befindlichem, zu erziehendem Subjekt in diesem Kontext ausreichend. Die Erläuterung der Unterrichtsmethoden und -ansätze hat deutlich gemacht, dass das Bewusstsein für die Kindlichkeit der Schüler oder für kindliche Bedürfnisse in der Entstehungszeit der Bilder nicht so ausgeprägt war beziehungsweise anders gewertet wurde als heute.190 Die von Kirche und weltlicher Obrigkeit propagierte Erziehung war an religiösen und ökonomischen Gesichtspunkten orientiert, sie hatte nicht eine möglichst unbeschwerte Kindheit zum Ziel. Spiele beispielsweise wurden als Zeitverschwendung angesehen, ja als Torheit verdammt. Erasmus lobt zwar in seinem Text „Über die sittliche Erziehung der Kinder“ bestimmte Spiele als erfrischend, im 17. Jahrhundert wird diese Passage jedoch zensiert, da sinnfreies Herumtoben als dem konzentrierten Lernen abträglich galt.191 Insgesamt wurde der Schulung von Frömmigkeit, Manieren und Moral eine deutlich höhere Notwendigkeit zugemessen als dem Erlernen von Fähigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen.192 Das Interesse der Forschung gilt dabei auch der die Erziehung prägenden persönlichen Beziehung zwischen Eltern und Kind. Es fällt auf, dass Faktoren wie Zuneigung oder einfühlsame Nachsicht in den Augen der zeitgenössischen Theologen und Moralisten nicht nur von nachgeordneter Bedeutung sind, falsch „dosiert“ werden sie als schädlich verdammt: Der deutsche Theologe Heinrich Ludolf Benthem spricht von einer „Affen-Liebe“ der Eltern, die „den Kindern die Ehrerbietung [/] welche sie jenen schuldig sind“, nicht abfordere. Diese äffische Zuneigung wird, so mahnen entsprechende Embleme mit Affenmüttern, die ihr Kleines in vermeintlich zärtlicher Umarmung erdrücken, als regelrechte Gefahr für das Leben der Kinder dargestellt193 – eine Gefahr, die vor allem von den Müttern ausgeht. Unabhängig davon, ob nun – wie manche Beobachter es darstellen – das Verhältnis der Niederländer zu ihren Kindern wirklich emotionaler geprägt war als bei anderen Nationen, führt die Milde gegenüber den Heranwachsenden zu Kontroversen, die auch von Ausländern kritisch kommentiert wird.194 Beispielsweise äußert der um die Mitte des 17. Jahrhunderts in Holland als Privatlehrer für französische Konversation tätige Franzose Parival die Meinung, holländische Kinder müssten öfter gezüchtigt werden als andere.195 Dass der Nachwuchs der Niederländer besonders verwöhnt wurde oder besonders schwer erziehbar war, erscheint mir trotz dieser Meinungen wenig wahrscheinlich, da diese Ansichten möglicherweise auch der Anschaulichkeit halber einseitig oder übertrieben formuliert wurden.196 In man187

Vgl. z. B. die Publikation „Losbandige jeugd: jongeren en moraal in de Nederlanden…“, hg. von Groenendijk/Roberts 2004, etwa S. 7 bzw. S. 9 ff. 188 Groenendijk 2004, S. 101 ff. erläutert die zeitgenössische Unterteilung der Lebensphasen. Die Jugend galt als besonders kritisch, da der Mensch währenddessen am ehesten anfällig für Versuchungen körperlicher und geistiger Art sei. Inwieweit das in den Augen der Zeitgenossen auch für die Kindheit zutrifft, werden die Ausführungen dieses Kapitels zeigen. 189 Zur Bedeutung von Vorbildern in der christlichen Erziehung der Zeit siehe: Exalto 2004, S. 74 ff., 92 f. 190 Van den Berg 1960, S. 30 ff.; Franits 2000, S. 43 f. 191 Dekker 2000, S. 73, 75: Boeckje aengaende de beleeftheidt der kinderlijke zeden. Amsterdam 1678, ohne Seitenangabe. 192 Durantini 1983, S. 112. 193 Benthem 1698, S. 7; zitiert bei Durantini 1983, S. 73, siehe auch S. 74 f.; Bagley 1994, S. 330 f. 194 Durantini 1983, S. 73; Schama 1988, S. 516 f.; zur Diskussion über die Haltung der Niederländer gegenüber ihren Kindern zusammenfassend: Dekker 1996, S. 155 ff.; Dekker 2000, S. 8. 195 Parival 1651, S. 20, zitiert in: Philadelphia/Berlin/London 1984, S. 319; Dekker 1995, S. 14 ff.; Dekker/Groenendijk/Verberckmoes 2000/2001, S. 55. 196 Die Aussagekraft der von Durantini zitierten Quellen bezweifelt bereits Franits 1985, S. 697. Die bei Dekker 2001, S. 114, 116 wiedergegebenen Witze zur Thematik deuten allerdings wiederum zumindest eine gewisse Nähe zur Realität an.

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chen Orten der Niederlande verbreiteten gewaltbereite Schüler und Studenten im 17. Jahrhundert tatsächlich Angst und Schrecken. Aber solche Begebenheiten waren bestimmt kein „Alleinstellungsmerkmal“ der dortigen Jugend, sondern eine Folge verschiedener gesellschaftlicher Umstände, die in anderen Ländern zu vergleichbaren Phänomenen führten.197 Darüber hinaus ist denkbar, dass die starke Reglementierung des öffentlichen Lebens durch soziale Kontrolle dazu führte,198 dass die Eskapaden von übermütigen Jugendlichen entweder provoziert oder eben deutlich stärker wahrgenommen wurden. Eine weitere nationale Besonderheit ist laut Dekker das mehr oder weniger für alle Bevölkerungsschichten gültige Wissen um die Bedeutung von Bildung und Erziehung im „Goldenen Zeitalter“: Die Niederländer bekamen viele Kinder, doch war die Sterblichkeitsrate zugleich relativ hoch. Die verbliebenen Nachkommen wurden von ihren vergleichsweise gebildeten und wohlhabenden Eltern mit großer Zuneigung umsorgt und zugleich im Bewusstsein um die Tatsache erzogen, dass für das spätere Wohlergehen Bildung und standesgemäßes Verhalten grundlegend sind.199 Und so liegt die Schlussfolgerung nahe, dass diese Besonderheit ein Grund für die Beliebtheit des Kindes als Bildthema ist.200 Da nicht die historische Realität im Mittelpunkt der Untersuchung steht, sondern bewusst inszenierte Darstellungen, die mehr sind als Abbilder des realen Kinderlebens, ist es letztlich nicht entscheidend, wie der alltägliche Umgang mit Kindern in den Niederlanden im 16. und 17. Jahrhundert tatsächlich war, ganz abgesehen davon, dass es auch hier kein allgemeingültiges Verhaltensmuster gegeben haben wird. Die Bilder basieren, ebenso wie die didaktischen und religiösen Texte, auf einem beispielhaften Konstrukt des Kindes. Dieses Konstrukt macht das Kind bzw. den jungen Menschen zu einem Bedeutungsträger, zum Medium für die Veranschaulichung von Geisteshaltungen – sei das nun in Wort oder Bild. Doch auch die Analyse dieser den Szenen zugrunde liegenden Ansichten ergibt nicht immer ein einheitliches Bild. Ulrich Pfisterer beschreibt die sich aus der Verortung des kindlichen Wesens im göttlichen Heilsplan ergebende Ambivalenz, die sich besonders in frühen reformatorischen Texten äußert: „Einerseits sind sie Geschenke Gottes, die von den Eltern geliebt werden, im Zustand der Taufe hinsichtlich Tatsünden unschuldig […]. Andererseits lastet ab utero unausweichlich die Erbsünde auf ihnen, sie werden bei jeder Gelegenheit zu Sündern.“201 Nach der calvinistischen Lehre waren Kinder von Natur aus böse und konnten nur durch die Gnade Gottes gerettet werden, wofür allerdings viel Disziplin nötig war, die wiederum nur durch eine gute Erziehung erreicht werden konnte. Um diese anwenden zu können, musste zunächst der Wille des Kindes gebrochen werden.202 Besonders häufig wird in diesem Zusammenhang die Salomo zugeschriebene Losung „Wer die Rute spart, hasst seinen Sohn, wer ihn liebt, nimmt ihn früh in Zucht“ ausgegeben.203 Auch Ripas Personifikation der Educatione (Opvoedinge) ist mit ausdrücklichem Bezug auf Salomo eine Rute beigegeben.204 Zugleich ist die Ansicht weit verbreitet, die Erziehung der Kinder sei zu lasch. Insbesondere die Mütter ließen den Heranwachsenden zu viel Freiraum, wodurch diese später Schwierigkeiten hätten, sich in die Gesellschaft einzufügen.205 Obschon diese harsch anmutenden Devisen eine deutliche Sprache zu sprechen scheinen, ist die Frage nach dem Maß von Strenge und Strafe in der Erziehung anhand der überlieferten Zeugnisse nicht eindeutig zu beantworten. Nicht nur Jacob Cats (1581–1660) als wichtige moralische Instanz

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Durantini 1983, S. 73, 175, 189. Mögliche Ursachen für das auch in anderer Hinsicht manchmal zügellose Benehmen der Jugend skizzieren Krausman Ben-Amos 2004, S. 13 ff., 17 ff., und Tervoort 2004, S. 29 ff. 198 Einen Eindruck von dieser Reglementierung durch Kirche, Obrigkeit und brave Mitbürger gibt Israel 1995, S. 677 ff. Er zitiert zudem weitere über niederländische Eigenheiten verwunderte Beobachter. 199 Dekker 2000, S. 8; Roodenburg 2004, S. 74 f. 200 Durantini 1983, S. 297; zu Besonderheiten niederländischer Kinderdarstellungen des 17. Jh.s vgl. Schama 1988, S. 513 ff. 201 Pfisterer 2003, S. 232 f.; ähnlich auch: Kruithof 1983, S. 174 f.; Groenendijk 2004, S. 104. 202 Dekker 2000, S. 10. 203 Sprichwörter 13,24; ähnlich auch Sprichwörter 22,15: „Steckt Torheit im Herzen des Knaben, die Rute der Zucht vertreibt sie daraus.“ 204 Ripa/Pers 1644, S. 394. 205 Dekker 2000, S. 7.

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der Holländer empfiehlt bei Strafen „kühles Blut“,206 nicht jedoch ohne zu betonen, dass von einer zu nachsichtige Erziehung ebenfalls abzuraten sei, weil die Kinder dadurch verzogen würden.207 Der Pädagoge Valcooch sieht das ähnlich. Er rät seinen Lehrerkollegen zudem, vor allem mit jungen Schülern zunächst geduldig zu sein.208 Da das in der Schule angewandte Strafmaß meist im Ermessen der Lehrer lag, wurde die Diskussion darüber kontrovers geführt.209 Offenbar wiesen manche Eltern den Schulmeister an, ihr Kind nicht zu hart zu strafen. Kam er diesem Wunsch nicht nach, wurde das Kind bei einem Kollegen eingeschult, der (wohl nicht zuletzt aufgrund des zusätzlichen Schulgelds, das ihm diese Nachsicht einbrachte) eher mit sich reden ließ.210 Auf den Eltern lastete ein hoher sozialer Druck. Die zeitgenössische Erbauungsliteratur ermahnt sie wieder und wieder, in der Erziehung ihrer Kinder ja nichts dem Zufall zu überlassen, da letztlich sie allein für deren Fehlverhalten zur Rechenschaft zu ziehen seien.211 Ungezogene Kinder ließen an der Rechtschaffenheit ihrer Eltern zweifeln, denn „ein zügelloser Knabe macht seiner Mutter Schande“.212 An anderer Stelle wird die Verantwortung des Vaters für das tugendhafte Heranwachsen der Kinder betont. Benehmen sich diese daneben, ist sein Versagen zu strafen und nicht die im Prinzip unschuldigen Kinder.213 Analog zu den strafmildernden Absprachen zwischen Eltern und Lehrer ist die Verdorbenheit der Jugend als Folge mangelnder elterlicher Strenge in der Unterrichtsliteratur ein gängiger Topos.214 Das Frontispiz eines Schulbuches gibt wohl einen solchen Konflikt wieder.215 Es stellt den Disput zwischen einem Ehepaar und einem Lehrer dar. Der Vater droht, seinen Sohn von der Schule zu nehmen, wenn der Lehrer ihn nicht richtig bestraft. Seine Frau hingegen jammert, sie könne es nicht ertragen, dass ihr Liebling derart gequält werde. Der Lehrer ruft letztlich aus: „Malheureuse est l’homme, dit Aristote, quy A la charge D’enfans de plusieurs Mères!" Es handelt sich dabei um die verkürzte Umsetzung eines Themas, das als dramatisches Motiv Teil einer literarische Tradition ist, die die Kindererziehung schon lehrstückhaft behandelte, bevor die Schulszenen in den Niederlanden so beliebt wurden – und zwar so, dass sie dem Publikum (Kindern und ihren Eltern) eindringlich vor Augen hält, wohin fehlende Strenge und schlechtes Betragen führen können. In den fiktiven Texten (vielfach auch in den Quellen) werden die Eltern – insbesondere die Mütter – für ihre missratenen Zöglinge verantwortlich gemacht, während in den bildlichen Darstellungen stets der Lehrer der Schuldige ist.216 Seit dem 16. Jahrhundert war es üblich, die Schüler der Lateinschulen zur rhetorischen bzw. sprachlichen Übung und zur unterhaltsamen Belehrung des Publiku*ms lateinische Theaterstücke öffentlich aufführen zu lassen. 217 Luther lobt die Vorzüge dieser Form der Unterweisung: „Komödien spielen soll man, […] dasz sie [die Knaben] sich üben in der lateinischen Sprache; zum anderen dasz in Komödien fein künstlich erdichtet, abgemalet und und für gestel206

„[…] straft u kint met koelen bloede […]“, Cats: Spiegel, S. 57; zur Diskussion geeigneter Erziehungsmethoden seit der Antike: Durantini 1983, S. 125 ff.; zu Cats auch: Kruithof 1983, S. 170 f.; Roberts 1998, S. 170. 207 Etwa: „Die wel bemindt, [/] Kastijdt sijn kindt.“ Cats: Spiegel, S. 56, aber auf der Folgeseite: „Een erbaer kint is aen te jagen [/] Door eersucht, niet door harte slagen.“ Durantini 1983, S. 74 f. 208 Valcooch 1597, Regel 195 ff.; de Planque 1926, S. 14 f. (Zitat Valcooch auf S. 180 f.); de Booy 1981, S. 435. 209 Beispielsweise Valcooch 1597, Regel 112 ff.; de Planque 1926, S. 177 f.; de Booy 1981, S. 434 ff.; Durantini 1983, S. 91; Philadelphia/Berlin/London 1984, S. 318. 210 Darüber kam es scheinbar auch zu Rechtsstreitigkeiten: Benthem 1698, S. 7 f.; Durantini 1983, S. 73, 175. 211 Dekker/Groenendijk/Verberckmoes 2000/2001, S. 49 f. 212 Sprichwörter 29,15. 213 „Indien de jonckheyt niet en deugt, [/] En geef de schult niet aen de jeugt, [/] De vader selfs verdient de straf [/] Die haer geen beter les en gaf.“ Cats: Spiegel, S. 55; Dekker/Groenendijk/Verberckmoes 2000/2001, S. 59, Anm. 36; Los 2005, S. 41. Auch Erasmus vertritt eine ähnliche Haltung: Parente 1987, S. 87 f.; Schoch 1988, S. 202 ff. 214 De Planque 1926, zitiert S. 20 ff. einige Texte; Groenendijk 2004, S. 108, bietet eine kurze Analyse dieser Typisierung, wobei jedoch die Rolle der Eltern unerwähnt bleibt. 215 Jan Bellot: Aritmetica ofte reken-konst. Verlegt von Jan Jochimsz. Byvanck, Hoorn 1621. Es ist mir nicht gelungen, die Darstellung ausfindig zu machen, beschrieben und wie hier zitiert ist sie bei de Planque 1926, S. 13, Anm. 15; Paris o. J., S. 41; Durantini 1983, S. 174; Dekker 2000, S. 7. 216 Durantini 1983, S. 174 ff. Für die entsprechende Kommentierung der Eltern-Rolle eignet sich natürlich eher der Bildtypus des häuslichen Interieurs. 217 Bloemendal 2003, S. 22 f. zu Aufführungs-Anlässen, S. 36 f., 64 ff., 77 ff. zur Zielsetzung der Inszenierungen.

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let werden solche Personen, dadurch Leute unterrichtet […]; ja es wird darinnen furgehalten und für die Augen gestellt, […] wie sich ein Iglicher in seinem Stande halten soll im äußerlichen Wandel wie in einem Spiegel. […] Zudem werden darinnen beschrieben und angezeigt die listigen Anschläge und Betrug der bösen Bälge; des gleichen was der Eltern und jungen Knaben Amt sei […] und wie die Kinder den Eltern gehorsam seyn.“218 Da ein breites Spektrum an Werten und Verhaltensweisen vermittelt werden sollte, wurden natürlich nicht nur Dramen mit unmittelbarem inhaltlichen Bezug zur Schule einstudiert, sondern auch Stücke mit anderer – etwa alttestamentarischer oder rein allegorischer – Thematik und Begebenheiten aus dem studentisch-akademischen Leben.219 Aufgrund des Schwerpunkts meiner Arbeit liegt der Fokus in diesem Kontext jedoch auf Stücken, die mit den Schulszenen motivisch am ehesten vergleichbar sind. Meist sind das volksnahe Erzählungen, ähnlich den Fastnachts- oder Kirmesspielen, die das biblische Thema des Verlorenen Sohnes in den zeitgenössischen Alltag übertragen. Gängig waren vor allem Autoren wie Terenz oder Plutarch, es gab aber auch eine Reihe von niederländischen Gelehrten, die eigene Stücke schrieben. Einer von ihnen war der im Norden Brabants geborene Georgius Macropedius (eigentlich Joris van Lanckvelt, 1486–1558).220 Macropedius unterrichtete selbst an Lateinschulen in Lüttich und s’Hertogenbosch, der Lateinschule von Utrecht stand er als Rektor vor. Zu seinen Werken gehört – neben verschiedenen Schulbüchern – der 1535 erschienene Rebelles.221 Die Protagonisten, zwei verzogene Jungen, werden vom Schulmeister Aristippus mit Strenge gezüchtigt, woraufhin ihre besorgten Mütter sie – nicht ohne dem Lehrer vorher gehörig die Meinung zu sagen – aus der Schule nehmen und großzügig ausgestattet auf Reisen schicken, damit sie das Kaufmannshandwerk erlernen. In einer Herberge werden die Burschen beim Spiel übers Ohr gehauen und beraubt. Daraufhin bestehlen sie einen Bauern, werden gefangen genommen und zum Tode verurteilt. Verzweifelt wenden sich die Mütter an den einst gescholtenen Schulmeister, der den Richter durch das Versprechen, die Missetäter zu disziplinieren, umstimmen kann. Es wird festgesetzt, dass Aristippus die beiden fortan nach eigenem Ermessen maßregeln kann – woraufhin dieser die Schüler gleich gebührend bestraft. In einem weiteren Stück von Macropedius, dem 1536 erschienenen Petriscus, nehmen die kriminellen Umtriebe der Schüler kein so glimpfliches Ende: Petriscus’ Vater ersucht den Lehrer um eine angemessene Strafe für seinen stehlenden und die Schule schwänzenden Sohn. Die dominante Mutter jedoch nimmt ihren Spross in Schutz. Der Junge bestiehlt seine Eltern weiter und stiftet zudem zwei seiner Kameraden dazu an, einen Bauern zu berauben. Während Petriscus dies bereut und wiederum durch die nachsichtige Fürsprache des Lehrers gerettet wird, müssen die anderen beiden Übeltäter hängen.222 Vor allem der Rebelles erfreute sich großer Beliebtheit, wurde ins Deutsche übersetzt und bis 1553 mehrfach aufgelegt. Der Autor beschreibt sein Erfolgsrezept folgendermaßen: „[…] wat is geschikter, om jongens tot leeren, jonge menschen […] tot deugd te brengen, dan een goed blijspel, dat door sommigen te recht een spiegel van het dagelijksch leven, door anderen eene nabootsing van het leven, een spiegel van den omgang, het beeld der waarheid genoemd wordt?“223 218

Förstemann/Bindseil 1846, S. 592; auch zitiert bei: Boogerd 1961, S. 4 f. Eine gute Übersicht bieten: Worp 1903, S. 193 ff., zur Aufführungspraxis zusammenfassend S. 236 ff.; Boogerd 1961, S. 9 ff.; Kelly 1974, S. 293 ff.; Parente 1987, bes. S. 86 ff. zur didaktischen Zielsetzung der Stücke; Bloemendal 2003, bes. S. 41 ff.; Exalto 2004, S. 76 f.; zur kontrovers diskutierten Funktion des Theaters als einerseits Ort der Belehrung und andererseits Hort der Versuchung siehe: Vanhaelen 2003, S. 38 ff. 220 Worp 1903, S. 209 ff.; Kelly 1974, S. 298 ff.; Bloemendal 2003, S. 13, 53 ff.; Exalto 2004, S. 77. 221 Der vollständige Titel lautet: Comicarvm Fabvlarum Georgii Macropedii duae, rudibus adhuc et tenellis Traiectinae scholae auditoribus nuncupatae, quarum altera Rebelles, altera Alvta inscribitur, in quibus puero praeter rem ludicram nonnihil eruditionis tum in literis tum in moribus venari licebit. s’Hertogenbosch 1535; Worp 1903, S. 210 f.; Kelly 1974, S. 298 ff.; Durantini 1983, S. 174. 222 Kelly 1974, S. 300, darüber hinaus zählt sie einige inhaltlich ähnliche Stücke aus dem deutschsprachigen Raum auf, die allerdings der Rolle des Schulmeisters deutlich weniger Raum geben. 223 Zitiert nach Worp 1903, S. 209, aus der Einleitung ohne Angabe der genauen Quelle, zu Auflagen und Übersetzung des Rebelles S. 211, Anm. 2. Ähnliches Zitat auch bei: Boogerd 1961, S. 4 219

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Im Norden ist diese Praxis – wohl aufgrund des Widerstandes der reformierten Kirche – nur bis ins frühe 17. Jahrhundert gängig, im Süden lebt sie noch länger fort.224 Die in den Theaterstücken vertretene Auffassung, dass die intellektuelle und die moralische Schulung eng zusammenhängen und nach Möglichkeit von der Schule einerseits und dem Elternhaus andererseits vorgenommen werden sollen, wird in bildlichen Darstellungen des Themas aufgegriffen. Im Vordergrund eines Ende des 16. Jahrhunderts entstandenen Kupferstichs aus einer Serie der Tageszeiten nach Hendrick Goltzius [Abb. 12]225 legt die Mutter ihre Handarbeit beiseite, um ihren für die Schule gerichteten Kindern ein Pausenbrot mitzugeben. Das Mädchen streckt die Hand danach aus, der Junge hat seinen Hut gelüftet und macht einen Diener. Zu seinen Füßen hat sich ein kleiner Hund aufgerichtet, der – wenn auch auf gesittete Art – bettelt. Die Mutter sorgt, wie es zum Beispiel Erasmus fordert,226 für das leibliche Wohl der Kinder und achtet zugleich darauf, dass diese angemessen ausgestattet zur Schule gehen. Die Kinder zeigen durch ihr höfliches Betragen den Erfolg dieser Erziehung. Im Hintergrund widmen sich zwei Männer – vielleicht der Vater und ein älterer Sohn – in einem späteren Stadium der Erziehung dem Studium von Büchern. Sie kehren einem Fenster den Rücken zu, durch das im Sonnenaufgang zwei Reiter und eine Personifikation der Aurora zu sehen sind. Letztere ist gewissermaßen ein „Überbleibsel“ klassischer Allegorien der Sinne, Tages- oder Jahreszeiten, Planeten und anderer natürlicher Kräfte, die das menschliche Dasein beeinflussten. Diese, bisher in Form von durch Attribute ausgezeichneten Personifikationen verbildlicht, werden mehr und mehr mit Szenen des täglichen Lebens kombiniert und dann im Laufe des 17. Jahrhunderts auch durch diese ersetzt. Goltzius’ Bilderfindungen spielen für diese ikonographische Entwicklung eine ganz entscheidende Rolle.227 Die Bildunterschrift lautet sinngemäß: „Der erste Teil des arbeitsreichen Tages ist voll von Sorgen und Phoebus Aufstieg bringt uns Beschwernis“.228 Das Blatt stellt den Morgen dar, wobei der Tag durch die Darstellung von Berufen, der Abend durch ein Bankett und die Nacht durch Schlafende verbildlicht werden. Unabhängig davon, ob die auf den ersten Blick verwirrende Nummerierung der Serie – der Tag folgt in der originalen Fassung auf den Abend – durch den Fehler des Stechers zu Stande gekommen ist oder Absicht war,229 steht der Morgen als erstes Blatt ebenso am Beginn des Tages wie die Jugend und das Lernen am Beginn des menschlichen Lebens.230 Anhand der Szenen ist anschaulich dargestellt, dass auf Fleiß und Mühen die Belohnung in Form von geistiger Zerstreuung und leiblichen Freuden folgt. Im übertragenen Sinne kann das heißen: Eine strenge Erziehung und arbeitsreiche Ausbildung sind die Garanten für ein gutes und sorgenfreies Leben. Dass der Verfasser der begleitenden Verse wie der eben erwähnte Macropedius als Lehrer und später als Rektor einer Lateinschule auch Theaterstücke für den Unterricht verfasste, verleiht der durch die Inszenierung der Darstellungen vermittelten Parallelisierung von Tageszeiten und Lebensaltern einen besonderen pädagogischen Schwerpunkt. Cornelius Schonaeus (1540–1611), ein zeitlebens überzeugter Katholik, unterrichtete ab etwa 1569 an der Lateinschule von Haarlem, 224

Bloemendal 2003, S. 31, S. 75 f., 79: Kritisiert wurden heidnische Inhalte, Verkleidungen, Verstöße gegen das Bilderverbot, der leichtfertige Umgang mit Gottes Schöpfung. 225 Jan Saenredam (nach Hendrick Goltzius): Der Morgen (aus Serie der Vier Tageszeiten), um 1598/1599, Kupferstich, 21.5 x 15.0 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. 1854,0513.171; Amsterdam 1997a, S. 71 ff., Nr. 7, Abb. 1; Amsterdam/New York/Toledo 2003, S. 217 f., Abb. 77.1. 226 Schoch 1988, S. 242 f. 227 Amsterdam 1997a, S. 71; ausführlicher: Veldman 1993, S. 307 ff., zur Serie der Tageszeiten S. 327 ff. Neumeister 2003, S. 124 ff. Die Rolle von Darstellungen der Grammatica bzw. des Unterrichts in Bildprogrammen des Mittelalters und der Renaissance als mögliche Vorläufer solcher Serien erläutert Willemsen 2008, S. 181 ff. 228 Eigene Übersetzung nach der Übertragung ins Englische in Amsterdam/New York/Toledo 2003, S. 217. 229 Möglicherweise handelt es sich um einen beabsichtigten Wechsel von Arbeit (negotium) und Entspannung (otium). So vermutet in Amsterdam/New York/Toledo 2003, S. 218; Amsterdam 1997a, S. 73 f., geht dagegen von einem Versehen aus. 230 Eine ähnliche Zuordnung findet sich in einer Darstellung Adriaen Collaerts (nach Marten de Vos): Aurora (aus einer Serie der Tageszeiten bzw. Lebensalter), 1597, Kupferstich, 20.5 x 26.0 cm. Dort ist unterhalb der Personifikation in dem hinteren der beiden Häuser rechts ein Raum mit einer Schulklasse abgebildet, Details sind darin aber nicht zu erkennen. Davor ist eine Mutter zu sehen, die ihr Kind zum Unterricht bringt. Diels/Leesberg 2005, Bd. VI, S. 76 ff., Nr. 1363, mit Abb. Auch bei der bildlichen Darstellung von Jahreszeiten – etwa in Kalendern des frühen 16. Jh.s – ist dem Februar als Monat am Anfang des Jahres eine Schulszene zugeordnet: Willemsen 2008, S. 187 ff.

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deren Rektor er 1575 wurde.231 Er gehörte zudem einer 1580 von Prinz Willem eingesetzten Kommission für die Gestaltung des Gymnasialunterrichts in Holland und Zeeland an.232 Einige seiner Dramen sind im Ton sehr streng, andere wiederum haben durchaus humoristischen Gehalt.233 Dazu gehört auch Dyscoli, dessen Inhalt mit Macropedius’ Rebelles im Wesentlichen übereinstimmt. Die Texte für Goltzius’ Stiche verfasste Schonaeus demnach ebenfalls im Bewusstsein um die Bedeutung von Bildung und Erziehung für das menschliche Dasein. Obwohl die Lehr-Stücke im Unterricht durchgenommen und von Schülern aufgeführt wurden: Ihre Botschaft richtet sich, ebenso wie die der bildlichen Darstellungen, doch in erster Linie an Erwachsene. So heißt es in einer weiteren Fassung des Dyscoli234: „De ouders, bovendien, moeten haer kind’ren geven [/] een goet exempel, daer sy deughdelick na leven […].“235 Eine der eben beschriebenen ähnliche Szene mütterlicher Fürsorge findet sich im Hintergrund eines Bildes [Abb. 13]236 von Gerrit Dou (1613–1675), einem Künstler, der unter anderem einige Unterrichtsszenen geschaffen hat, von denen im Verlauf noch ausführlich die Rede sein wird. Auch dieses Gemälde vermittelt, dass die Mutter für die fromme Tugend der Heranwachsenden zuständig ist. Die Frau bereitet ihrem Sohn eine Brotzeit. Dieser steht mit gefalteten Händen neben ihr und spricht offenbar ein Dankgebet. Er hat seinen Bücherkasten umgehängt und wird gleich zur Schule aufbrechen, wo seine offenbar tadellose Erziehung vervollständigt wird. Auch wenn die Kanne, die die Magd im Vordergrund ausschüttet, wohl keine explizite Anspielung auf das ciceronische Motto „corpus quasi vas“ ist,237 klingt auch in dieser Szene die Vorstellung vom Leib als mit Geist oder Wissen zu füllendes Gefäß zumindest vage an. Hieraus entwickelte sich die Ansicht, dass frühkindliche Erfahrungen eine für den Charakter des Menschen zentrale Rolle einnehmen, so dass der Einfluss der Eltern für die Wesensbildung des Kindes in den Fokus der Theoretiker rückte. Auch das Relief unterhalb der Fensterbrüstung, das Dou wohl in erster Linie eine Möglichkeit bot, sein malerisches Können auf raffinierte Weise unter Beweis zu stellen,238 lässt sich mit dieser Erziehungsvorstellung in Verbindung bringen: Einer der Putten links, gleich neben dem herabhängenden Tuch, hantiert wie die Magd mit einem Krug, wodurch das Motiv auf originelle Weise betont ist – und Dou zugleich beweist, wie viel lebendiger er als Maler den metallisch-glänzenden Krug und das flüchtige Nass wiedergeben kann.239 Zugleich bilden die herumtobenden Eroten einen sprechenden Gegensatz zu dem brav neben seiner Mutter stehenden Jungen. Es handelt sich um die freie Kombination zweier Reliefs von François Duquesnoy (1597–1634), die Dou bei ähnlichen Fensterszenen mehrfach verwendet hat. Der ganz linke Teil, ein Putto an einem Baum, geht zurück auf das so genannte Puttenbacchanal,240 der rechte wiederholt Duquesnoys Darstellung 231

Worp 1903, S. 218 ff.; Bloemendal 2003, S. 10, 60 ff.; Exalto 2004, S. 77. Worp 1903, S. 218; Bot 1955, S. 71, Anm. 1 233 Vor allem zu Terenz lassen sich Parallelen feststellen: Worp 1903, S. 219 f. 234 1641 erschien in Dordrecht eine von dem an der dortigen Lateinschule lehrenden Pieter van Godewyck übersetzte Fassung unter dem Titel: Wittebroods-kinderen of bedorve jongelingen. Bly-eynde spel; Worp 1903, S. 220; Boogerd 1961, S. 7; Durantini 1983, S. 174; Bloemendal 2003, S. 35; Exalto 2004, S. 76 ff. 235 Zitiert bei Exalto 2004, S. 81; Boogerd 1961, S. 7 bringt ein ähnliches Zitat aus dem Prolog von Wittebroods-kinderen, auf S. 7 f. nennt er weitere Quellen, die eine entsprechende Haltung fordern. 236 Gerrit Dou: Magd am Fenster, um 1655, Holz, 38.0 x 28.0 cm, Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam, Inv.-Nr. 1186; Durantini 1983, S. 48 f., Abb. 24; Sluijter 1993, S. 60, Abb. 36; Rotterdam 1994c, S. 192 ff., mit Abb.; Sonntag 2003, S. 125 f.; Taf. 1 auf S. 257; Durantini 1983, S. 49 ff. beschreibt zwei ähnliche Szenen de Hoochs und van Brekelenkams. Thematisch vergleichbar ist zudem ein Gemälde Frans van Mieris’ (Tischsegen, um 1660–1655, Holz, 34.3 x 40.0 cm, Corcoran Gallery of Art, Washington, William A. Clark Collection), das sich in einem wesentlich schlichteren Milieu, einem karg ausgestatteten Dachboden abspielt. Hier ist es eine alte Frau mit Spitzenhäubchen, die für einen Knaben ein Stück Brot abschneidet; vgl. Den Haag/Washington 2005, S. 76 ff., Kat.-Nr. 3, mit Abb., S. 78 ist das Bild Pieter de Hoochs (Die Mahlzeit des Schuljungen, um 1661–1663, Leinwand, 65.0 x 52.0 cm, J. Paul Getty Museum, Los Angeles) abgebildet, dort werden auch weitere Beispiele dieses Bildtyps genannt. 237 Auf dieses Motto bezieht sich wohl auch eine Erhard Schwetzer zugeschriebene „Erziehungsallegorie“ [Abb. 15] im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg (1541, Holz, 161.0 x 122.0 cm, Inv.-Nr. GM 1604); Nürnberg 1997, S. 476 ff., Abb. auf S. 477), die als häusliche Szene mit symbolischer Bedeutung einen vergleichbaren Ansatz wie die Darstellung Dous aufweist. Vgl. Pfisterer 2003, S. 230 ff. 238 Kleinmann 1996, S. 102 ff.; Hecht 2002, bes. S. 190 ff., zur Magd am Fenster S. 199 ff., mit Abb. auf S. 200. 239 Hecht 2002, S. 201. 240 François Duquesnoy: Puttenbacchanal (Putten narren einen Ziegenbock), um 1626/1627, Marmor, 62.5 x 87 cm, Galleria Doria-Pamphilii, Rom; Sonntag 2003, S. 56 ff., bes. S. 58, Abb. 60 f. auf S. 328 f. 232

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Kampf der himmlischen gegen die irdische Liebe.241 Ein Vorbild für den Putto mit dem Krug sowie die drei Figuren ganz rechts, von denen die auf dem Rücken liegende etwas zu trinken scheint, ist mir nicht bekannt. Da der Kampf der himmlischen gegen die irdische Liebe im Grunde komplett wiedergegeben bzw. sogar um zwei Putten erweitert worden ist, ist es gut denkbar, dass die Magd, deren Haltung dem Betrachter einen Blick auf ihr appetitlich arrangiertes Dekolleté ermöglicht, als Sinnbild der fleischlichen Hingabe den Gegensatz zur im Hintergrund dargestellten frommen bzw. himmlischen Liebe zwischen sittsam gekleideter Mutter und bravem Kind verkörpert.242 Trotzdem schüttet die Magd, anders als Sonntag argumentiert, nicht Schmutzwasser weg,243 sondern eher Trinkwasser, zu dessen Aufbewahrung die Kupfer- oder Messingkanne verwendet wurde. Da aber klares Wasser geschmacklos ist und metallene Gefäße keinen Geschmack annehmen, ist es nicht ohne Weiteres möglich, die Tätigkeit der Magd mit der auf Horaz zurückgehenden didaktischen Devise „Ein Krug wird immer danach riechen, womit er zuerst gefüllt wurde“244 in Verbindung zu bringen.245 Abgesehen von dieser nicht ganz zweifelsfreien Lesart weisen weitere motivische Analogien auf die Verwendung von Sinnsprüchen mit vergleichbarem pädagogischen Gehalt hin. Die Illustration zu einem Emblem [Abb. 14],246 das die eben erwähnte Maxime aufgreift, zeigt im rechten Vordergrund die Unterweisung eines Kindes. Gegenüber kippt eine – im Gegensatz zu der Magd bei Dou sittsam verhüllte – Frau Flüssigkeit in Krüge und Amphoren. Dahinter versucht ein Mann, einen Zweig zu biegen, der dabei abbricht. Im mittleren Hintergrund wird verdeutlicht, dass das Biegen nur bei jungen, elastischen Trieben möglich ist, sprich: die erzieherische Einflussnahme bei Kindern möglichst früh beginnen sollte.247 Auf der linken Seite des Puttenbacchanals sieht man – und auch auf Dous Fenstersturz ist das Motiv noch zu erahnen – einen Putto, der versucht, einen Zweig von einem Baum zu reißen.248 Seine Haltung entspricht der des Mannes auf Boissards Emblem. Auch wenn die beiden nicht dasselbe Ziel verfolgen (der Putto will mit der Rute wohl wie seine Gefährten den Ziegenbock drangsalieren, während das Tun des Mannes schlicht demonstrativen Charakter und keinen bildimmanenten Zweck hat), ist die Parallele doch auffällig. Vor allem, da der Ziegenbock auf Dous Fenstersturz fehlt und die Geste des Amorknaben dort entsprechend tatsächlich Biegen meint.249 Der Text zu Boissards Emblem [Abb. 14] betont also, wie wichtig es ist, sein Kind schon in jungen Jahren auf den Pfad der Tugend zu führen. Je früher man mit der Erziehung beginnt, desto eher wird es sich wunschgemäß entwickeln. Verschiedene, noch länger gängige Metaphern für diese Auffassung finden sich schon in Brants Narrenschiff: „Wer synen kynden übersicht [/] Irn můtwil / vnd sie stroffet nicht [/] Dem selb zů letzst vil leydes geschicht [/] Der ist in narheyt gantz erblindt [/] Der nit mag acht han / das syn kyndt [/] Mit züchten werden / vnderwißt [/] […] / Was man jn nüwe hæfen schitt [/] Den selben gsmack verlont sie nit / [/] Ein junger zwyg sich biegen lot / [/] Wann man ein altten vnderstat [/] Zű biegen / so knellt er entzwey [/] Zymlich stroff / brīgt kein sœrglich gschrey [/] Die rüt 241

François Duquesnoy: Kampf der himmlischen gegen die irdische Liebe, um 1627/1628, Marmor, 60.5 x 100.0 cm, Galleria Doria-Pamphilii, Rom. Rotterdam 1994c, S. 192, Abb. a auf S. 195; Sonntag 2003, S. 57, Abb. 62 auf S. 329. 242 Rotterdam 1994c, S. 192; Kleinmann 1996, S. 231 f.; Sonntag 2003, S. 125 f. Anders: Hecht 2002, S. 201, Anm. 35, der die Deutung der Magd als Zeichen ungezügelter Lust – in meinen Augen gut nachvollziehbar – übertrieben findet und in ihr ein Sinnbild der Reinheit sieht. 243 Sonntag 2003, S. 125 f. Sie deutet die Physalis auf dem Fensterbrett aufgrund ihrer „harntreibenden Wirkung“ wie den Schmutzlappen daneben als weiteres Indiz für die von der Magd versinnbildlichte „Unsauberkeit“. 244 Zu den verschiedenen Varianten dieses Sinnspruchs siehe: Singer 1997, Bd. 8, S. 217 ff., Nr. 5.5. 245 So Durantini 1983, S. 49; dagegen argumentiert Rotterdam 1994c, S. 193, Anm. 4, wenn auch nicht ganz überzeugend, mit dem Fehlen des zweiten Gefäßes für den Austausch der Flüssigkeit. Vgl. Sonntag 2003, S. 126, Anm. 244. 246 Theodor de Bry: Educatio prima bona sit, Kupferstich aus Jean-Jacques Boissards Vesuntini Emblemata, Frankfurt a. M. 1593, S. 3 (Verse von Pierre Joly). Der Text lautet: „Utile virtuti est annos assuescere primos, [/] Et tenerum sanctis moribus ingenium. [/] Frangitur incurvando arbos: virgulta plicantur: [/] Testaque, quo inbuta est, fragrat odore diu.“ Durantini 1983, S. 13 f., Abb. 6, S. 14, S. 49. Zu Boissards Buch allgemein: Saunders 2000, S. 32 f., 36 f. 247 Ähnlich auch bei Cats 1632, S. 1; Ripa/Pers 1644, S. 394 (Educatione/Opvoedinge); Weitere ähnliche Embleme bei: Bagley 1994, S. 322 ff. Zu solchen „Gärtnermetaphern“ in der Erziehung siehe auch: Roodenburg 2004, S. 14 ff. 248 In Rotterdam 1994c, S. 193, Anm. 5, wird diese Bewegung fälschlich als Klettern interpretiert. 249 In Tobias Stimmers Holzschnitt zum Emblem Liberos in iuventute flectendo aus Mathias Holtzwarts Emblematum Tyrocinia (Strassburg 1581) biegt ebenfalls ein Putto den Ast: Holtzwart 1581/1968, S. 22 f., Nr. II, mit Abb.

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der zücht vertribt on smertz [/] Die narrheit vß des kindes hertz [/] On straffung seltten yemens lert [/] […] Es stünd yetz vmb die kynd vil bas [/] Geb man schůlmeister jnn […]“250 Die Eltern sind angehalten, ihr Kind von Anfang an zu disziplinieren, denn die frühe Prägung des Menschen ist entscheidend für sein gesamtes Leben, und ein Schulmeister kann – dies formuliert nicht nur Brant – am ehesten gewährleisten, dass die Kinder umfassend angemessen erzogen werden. Diese Vorstellungen werden in der Frühen Neuzeit durch eine Vielzahl von Emblemen und Sinnbildern verbreitet, von denen hier nur wenige Exemplare beispielhaft genannt sind.251 Eine ähnliche, dem Themenbereich Schule und Unterricht inhaltlich eher entsprechende Metapher verwendet Willem Teellinck (1579–1629), ein Verfechter der Nadere Reformatie, die die strenge Beachtung christlicher Gebote im Alltag verfolgte. Er vergleicht Kinder mit unbeschriebenem Papier, das mit dem richtigen Text zu füllen sei.252 Überlässt man diese sich selbst, kommen dabei nur Schmierereien heraus, die man kaum mehr löschen kann. Die Annahme, das kindliche Wesen sei formbar, widerspricht natürlich den theologischen Konzepten von Erbsünde und Erlösung. Und doch wussten die Verfechter der Reformation und Gegenreformation gerade diese Vorstellungen für ihre Didaktik zu nutzen. Die von beiden Glaubensbewegungen propagierte Notwendigkeit der Erziehung hat – wie einleitend erläutert – ihren gemeinsamen Ursprung letztlich im Humanismus, der die für die moralisierenden Schriften des 17. Jahrhunderts grundlegende Idee formuliert, dass das gesellschaftliche Zusammenleben nur durch die Einhaltung eines allgemein gültigen Verhaltenskodex’ funktioniere und dass mit der Anerziehung zivilisatorischer Fertigkeiten wie Gottesfurcht, Freundlichkeit, Mäßigung und Gerechtigkeit nicht früh genug begonnen werden könne.253 Letztendlich finden diese durch verschiedene Medien tradierten Vorstellungen – wie anhand der Bildbeispiele angedeutet – in unterschiedlichem Maße Eingang in die Ikonographie von Alltagsszenen und damit auch in die Darstellungen von Schule und Unterricht. Ein besonders treffendes Beispiel bietet ein unter anderem von Jan Steen häufig aufgegriffenes Thema mit dem sprechenden Titel „Wie die Alten sungen, so pfeifen die Jungen“.254 Die Bilder illustrieren negative menschliche Verhaltensweisen wie Lust, Faulheit, Nachlässigkeit und andere mehr, und vermitteln zugleich anhand der den Szenen beiwohnenden Kinder in verschiedenen Altersstufen die mahnende Botschaft, dass dieses sündhafte Verhalten auf die nachfolgende Generation übergehen wird. Die noch unverdorbene Naivität der Kinder bietet so eine Möglichkeit, Erwachsenen auf amüsante und zugleich kritische Weise den Spiegel vorzuhalten, indem sie deren Fehlverhalten bloßstellen.255 Sehr deutlich wird diese „Instrumentalisierung“ des Kindes und damit zusammenhängender Motive als didaktisches Mittel zudem durch den Symbolcharakter, den Spielsachen wie Kreisel oder Seifenblasen in der Bildsprache der Zeit erhalten.256 Folglich gilt bis zu einem gewissen Grad auch für die Bilder, was Gudrun Aker mit Blick auf das Narrenschiff für die Rolle der Literatur im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit formuliert: „Sie [die Literatur] war ein Medium der Selbstreflexion und der Weltdeutung, stellte Sinnangebote bereit und diente der Vergewisserung kollektiver Normen. Weil soziale Beziehungen nicht abstrakt und institutionalisiert, sondern personal und informell waren, mussten sie stets von neuem erprobt und bestätigt werden. […] Aufgabe der Dichter war es, vorbildliche Handlungsmuster aufzuzeigen und Orientierungshilfen für ‚richtiges‘, das hieß Gott genehmes und gesellschaftlich angemessenes, Verhalten zu geben. […] In der Lite250

Brant 1494, Kap. IV, Vers 1–32. Eine anschauliche Schilderung des geistigen und sozialen Umfelds, in dem Brant aufwuchs, findet sich bei Aker 1990, S. 54 ff. 251 Einen Einblick in die Komplexität der verschiedenen Funktionen von Emblemata im 16./17. Jh. allgemein bietet Bagley 1993b, S. 39 ff.; Bagley 1994, S. 321 ff. Welche Bedeutung die Notwendigkeit einer möglichst frühen Unterweisung für die reformierte Kirche hatte, weist Groenendijk 2004, S. 95 ff., anhand entsprechender Texte nach. 252 Teelinck 1627, S. 201 ff.; Dekker/Groenendijk/Verberckmoes 2000/2001, S. 44; zu weiteren Schriften Teelincks: Meertens 1943, S. 165 ff.; zur Bewegung generell: Israel 1995, S. 692 ff. Das Motiv selbst ist natürlich schon älter, vgl.: Strauss 1978, S. 76; Los 2005, S. 41. 253 Dekker/Groenendijk/Verberckmoes 2000/2001, S. 44 f. 254 Durantini 1983, S. 59 ff.; Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 172 ff.; Westermann 1997, S. 159 ff. 255 Dekker 2001, S. 41, auf S. 111 ff. verdeutlicht er dies anhand einiger spaßhafter Anekdoten des 17. Jh.s. 256 Durantini 1983, S. 177 ff., 190 ff.

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ratur verdichteten sich einzelne Elemente aus der realen Welt zu einer neuen, ‚poetischen‘ Wirklichkeit, deren Gestaltung von literarischen Traditionen abhängig war. Dabei kam es zu einer Strukturierung der komplexen Realität, die nicht so geordnet und überschaubar war wie die literarische Projektion. Die dargestellten Verhaltensweisen sind somit nicht als Widerspiegelung tatsächlichen Handelns, sondern idealtypisch zu verstehen. Die Dichter zeigten die Welt weniger, wie sie war, sondern wie sie sein sollte.“257 Oder eben gerade so, wie sie n i c h t sein sollte. Es gibt im 17. Jahrhundert natürlich neben den Schulszenen auch andere Darstellungen, die missratene Kinder oder Jugendliche zeigen, allerdings kann in diesem Zusammenhang darauf nur am Rande eingegangen werden. Jan Miense Molenaers Verspottung der Zwerge [Abb. 16]258 beispielsweise zeigt einen wilden Haufen von Buben (zum Teil in für Schuljungen der Zeit gängiger Kleidung aus Rock bzw. Wams, Hose und breitkrempigem Hut), die sich über ein kleinwüchsiges Paar lustig machen. Die Verspotteten setzen sich mit Steinwürfen zur Wehr. Durch die Szene fühlt man sich an die eben beschriebenen Horden verhaltensauffälliger Jugendlicher erinnert. Im Kontext der Schule kann ein solches Benehmen – wie noch an einem anderen Gemälde des Künstlers [Abb. 110] zu sehen sein wird – mit ganz anderen, zum Teil erweiterten inhaltlichen Bezügen versehen werden, etwa der Bedeutung von Gelehrigkeit und Disziplin, dem Respekt vor Autoritäten und anderem mehr. Wie sich diese Zusammenhänge für die Unterrichtsdarstellungen im Einzelnen darstellen, ist Gegenstand der folgenden Kapitel. Insgesamt hinterlässt die Beschäftigung mit den zeitgenössischen Erziehungsvorstellungen den Eindruck, Kinder seien kaum als solche wahrgenommen worden, sondern in erster Linie als „unfertige“ Menschen, deren Geist möglichst schnell in die gewünschte Form zu bringen ist. Sicher rührt dieser Eindruck auch von der intensiven Lektüre stark didaktisch geprägter Texten der Zeit her. Vermutlich war in der Realität ein weniger erzieherisch-korrekter, eher liebevoller Umgang mit den kleinen Wesen die Regel.259 Groenendijk zum Beispiel meint, die „Volksweisheit“ habe beispielsweise Jugendlichen durchaus die Freiheit zugestanden, ihrem Wesen gemäß etwas über die Stränge zu schlagen, wogegen die meisten Prediger und Pädagogen für solche Eskapaden natürlich kein Verständnis aufbrachten.260 Inwieweit Kindern gegenüber von manchen als unangebracht betrachtete Nachsicht geübt wurde, zeigen Begebenheiten wie die von Constantijn Huygens (1595–1687) überlieferte: Seine kleine Tochter Susannah soll nach dem Besuch beim Statthalter Frederik Hendrik, dessen Sekretär ihr Vater war, geäußert haben, das sei ja gar kein Prinz, sondern ein alter Mann. Dieser soll über die Offenheit des Mädchens herzlich gelacht haben. Huygens war ausgesprochen stolz auf seine Kinder, in den ausführlichen Berichten über ihre Entwicklung schlägt er häufig einen zärtlichen Ton an. Nicht selten lobte er sie offenbar in der Öffentlichkeit – eine Angewohnheit, die in gängigen Erziehungsratgebern kritisiert wird.261 Die liebevolle Haltung gegenüber den eigenen Kindern verdeutlichen auch aus dem 17./18. Jahrhundert überlieferte Briefe dreier niederländischer Familien. Zwar handelt es sich bei diesen, wie bei Huygens, um Patrizier, so dass das Bild eher einseitig ist. Allerdings gibt es keinen Anlass zu vermuten, dass die elterliche Zuneigung in anderen gesellschaftlichen Schichten geringer gewesen wäre.262 Dem calvinistischen Ernst scheint auch manche Darstellung zu widersprechen, die kleine Übeltäter weniger als zu verdammende Sünder zeigt, sondern eher als niedliche Bengel. Dass die Eigenheiten von Kindern auch mit Milde betrachtet wurden, lassen Bilder wie Gerard ter Borchs d. J. 257

Aker 1990, S. 9 f. Jan Miense Molenaer: Die Verspottung der Zwerge, 1646, Leinwand, 108.0 x 129.0 cm, Van Abbemuseum, Eindhoven, Inv.-Nr. 342; Philadelphia/Berlin/London 1984, Kat.-Nr. 79, S. 264 f., Taf. 21. 259 Das lassen die Ausführungen von Schama 1988, z. B. S. 547 ff. oder Groenendijk 2004, S. 103 f., vermuten. 260 Groenendijk 2004, S. 103 f.; ähnlich auch: Roberts 1998, S. 172. 261 Dekker 2000, S. 29, ohne Quellennachweis. Roodenburg 2004, S. 32 ff., erwähnt die Begebenheit in seiner Erörterung von Huygens’ Erziehungsprinzipien nicht, obschon er dessen Haltung zu seiner Tochter explizit diskutiert. Auch in den ebenfalls von Dekker herausgegebenen Anekdoten des Aernout van Overbeke (1632–1674), in denen der mit Overbeke gut bekannte Huygens mehrfach auftaucht, findet sich die Episode nicht. Vgl. dazu: Dekker 2001, bes. S. 74 ff. 262 Roberts 1998, S. 138 ff. 258

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(1617–1681) liebevolle Darstellung eines Jungen vermuten [Abb. 17],263 der das Fell eines in seinem Schoß kauernden Hundes von Ungeziefer befreit. Doch auch hier ist die moralische Botschaft, die Warnung vor Vernachlässigung der Pflichten, unübersehbar. Eigentlich sollte der Knabe sich mit den rechts neben ihm liegenden Schulsachen befassen und nicht mit einer so sinnlosen Tätigkeit – der Hund wird sich doch ohnehin wieder Flöhe einfangen. Das Bild ist die malerische Umsetzung des Ausdrucks „den Hund flöhen“, der sprichwörtlich für Faulheit steht.264 Dazu kommt möglicherweise eine ironisch gemeinte Parallelisierung dieser Szenen mit den beliebten Darstellungen von Frauen, die fürsorglich die Haare von vertrauensvoll in ihren Schoß gelehnten Kindern kämmen bzw. nach Läusen absuchen – ein Sujet, dem ter Borch ebenfalls ein Bild gewidmet hat.265 Dabei bedeutet die von der Mutter besorgte Haarpflege nicht allein hygienische Sorgfalt, sondern zeigt auch an, dass die Gedankenwelt unter dem so geglätteten Haar gleichermaßen geordnet und frei von Ungeziefer, also sittlich richtig ist.266 Heutige Museumsbesucher verstehen das Gemälde vermutlich am ehesten als geradezu zärtliche Beobachtung eines Kindes, das sich um das Wohlergehen seines tierischen Spielkameraden sorgt. Zwar war die feinfühlige Wiedergabe der Szene wohl nicht primäre Absicht ter Borchs, vielmehr beabsichtigte er, „in ihrem ethischen Wertgehalt feststehende Wesenszüge in der äußeren Erscheinung anschaulich werden zu lassen.“267 Doch hat die Darstellung sicher auch den zeitgenössischen Betrachter, dem diese Bedeutungsebenen geläufig waren, über die moralischen Bedenken hinaus berührt. Zwar ist die subjektive Herangehensweise kein Selbstzweck, auch sie findet als Mittel zur Verdeutlichung des bildlichen Gehalts ihre Entsprechung in der Kunsttheorie der Zeit.268 Und doch funktioniert die emotionale Ansprache des Betrachters nur, wenn der Gegenstand – hier das Kind – sich als Projektionsfläche eignet, also liebevolle Gefühle hervorzurufen vermag. Das Bild ist zudem ein Beispiel für die im Verlauf des 17. Jahrhunderts zugunsten einer eher harmonisch-beschreibenden Bildauffassung zurücktretenden normativen Aspekte. Die überlieferten Darstellungsmuster finden zwar weiterhin Verwendung, ob sie aber vom Publikum weiterhin als „Orientierungshilfen“ in religiösen und sozialen Fragen wahrgenommen wurden, ist nicht nur angesichts der weitgehenden Stabilisation der sozialen Ordnung fraglich. Durch den Anspruch, neben dem intellektuellen ein zumindest gleichwertiges ästhetisches Vergnügen zu bieten, lässt den belehrenden Charakter der Bilder in den Hintergrund treten. Gemäß der einleitend zitierten Einschätzung Jan de Brunes d. J. kommt für die bildlichen Darstellungen ein weiterer Aspekt hinzu, der auch für manche dieser gemäßigten Bilder aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts noch gilt: der Spaß am Rätsel, am Entschlüsseln mittels ikonographischer Muster codierter Botschaften und Sinnzusammenhänge, und sicherlich auch die Lust am Sehen, am ästhetischen Genuss. Fiktive Texte und Bilder verbreiten diese Ansichten durch die Kombination von teils antik verbrämten, religiösen und allgemein moralischen Themen, die durch nicht selten komische Begebenheiten aus dem Leben von volksnahen Protagonisten – die durchtriebene Frau, der dumme Bauer, die nichtsnutzige Jugend – illustriert werden.269 All dies sind passend geformte Stereotype, und ein ebensolches Stereotyp ist die Figur des frommen und fleißigen oder eben die des faulen und frechen Kindes. Und wo könnten diese Charaktereigenschaften besser dargestellt werden als in der Schule? Die im „Hundeflöher“ anklingenden Themen, mütterlich-sorgende Zuwendung und schulische Bildung, verbindet auf weniger subtile Weise eine Darstellung Pieter de Hoochs (1629–1684) 263

Gerard ter Borch: Junge, seinen Hund flöhend, um 1655, Leinwand/Holz, 35.0 x 27.0 cm, Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Alte Pinakothek, München, Inv.-Nr. 589; Münster 1974, S. 134 f., Kat.-Nr. 35a, mit Abb.; Washington/Detroit 2004/2005, S. 118 f., Kat.-Nr. 28, Abb. auf S. 119, Anm. auf S. 204; München 2006, S. 46 f., mit Abb. 264 Durantini 1983, S. 29; Raupp 1983, S. 414 ff., veranschaulicht den komplexen Sinngehalt der Darstellung. 265 Gerard ter Borch: Frau, die Haare eines Mädchens kämmend, um 1652/1653, Holz, 33.5 x 29.0 cm, Mauritshuis, Den Haag; Washington/Detroit 2004/2005, S. 90 ff., Kat.-Nr. 19, mit Abb. auf S. 91 und Anm. auf S. 201; Den Haag 2005, S. 74 f., Kat.-Nr. 744, mit Abb. auf S. 75. 266 So z. B. bei Cats 1659, S. 173; zitiert in: Washington/Detroit 2004/2005, S. 90. Zum Kamm als Sinnbild für die Tugend vgl. auch Henkel/Schöne 1978, Sp. 1356; Köln 1993, S. 134. 267 Raupp 1983, S. 415. 268 Raupp 1983, S. 416 f. 269 Zur niederländischen Tradition, mit Komik die Wirkung eines Bildes zu steigern, vgl. u. a. Westermann 2002, S. 44 ff., bzw. die anderen im Literaturverzeichnis genannten Publikationen Westermanns.

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[Abb. 18].270 Sie zeigt eine pflichtbewusste Mutter, die einem kleinen Mädchen das Haar kämmt. Rechts hinter den beiden kommt ein für die Schule zurechtgemachter älterer Junge die Treppe herunter. Diese Mutter also sorgt für beide Kinder gut: für das Mädchen, indem sie sich um sein äußeres Erscheinungsbild und damit auch um seine innere Ordnung kümmert, und für den Jungen, indem sie ihn zur Schule schickt, wo auch für seine geistige Bildung gesorgt wird. Dieser Knabe wird sich wohl kaum von dem kläffenden Hund zu seinen Füßen ablenken lassen. Ihre ambivalente Rolle als mit Sünden beladener Hoffnungsträger, der einerseits von Herzen geliebt wird, doch andererseits auch oft Mühe und Scherereien bereitet, macht die Kinder zum idealen Gegenstand bildlicher Darstellungen, die mahnend, belehrend, ästhetisch reizvoll und erheiternd zugleich sein können – und sein sollen.

270

Pieter de Hooch: Mutter mit ihren Kindern, 1668, Öl/Leinwand, 65.0 x 55.0 cm, Privatbesitz; Köln 1993, S. 132–134, mit Abb. auf S. 133.

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III.

IKONOGRAPHISCHE GRUNDLAGEN

III.1

Grundsätzliches zur Ikonographie der Unterrichtsdarstellungen

III.1.1 Darstellungen der Grammatica Grundlegend für die Ikonographie der Schulbilder ist die Veranschaulichung der idealen Bildung als Personifikation einer der Sieben Freien Künste, der Grammatica. Der nordafrikanische Rhetoriker Martianus Capella lieferte in einem besonders im Mittelalter und in der Renaissance populären Text über die artes liberales eine erste Beschreibung:271 Die Grammatica wird als weibliche Gestalt vorgestellt, sie ist in eine paenula gekleidet272 und trägt neben anderen Utensilien wie Feder und Papier ein scharfes Federmesser mit sich, „von dem sie sagte, dass es den Kindern die Mängel der Zunge beschneide“.273 In der Reihe der Schwesterdisziplinen wird die Kunst der Sprache als fundamental für alle Lehren angesehen. Aufgrund dieser Eigenschaft wird sie – obschon im Text hiervon nicht direkt die Rede ist – schon bald mit Schülern dargestellt. Es liegt nahe, dass für diese Bildform andere, eher erzählerische Illustrationen des Unterrichts eine Rolle gespielt haben. Da aber ein Zusammenhang zu den hier untersuchten Werken im Einzelnen nicht nachweisbar ist, so dass eine wie auch immer geartete Auswahl willkürlich wäre, wird auf die Nennung von Beispielen verzichtet.274 Aufgrund der gebotenen Kürze kann zudem auf die Entwicklung der entsprechenden Darstellungskonventionen für Schulszenen, die im Laufe der Zeit um weitere Motive und Inhalte ergänzt werden, in diesem Rahmen nicht ausführlich eingegangen werden.275 Sofern das sinnvoll ist, wird im Folgenden der ikonographische Hintergrund jedoch jeweils kurz erörtert. Einer der wichtigsten Texte für die motivische Erweiterung von Capellas Vorlage ist Cesare Ripas 1644 in niederländischer Sprache erschienene Iconologia,276 in der nicht nur die Grammatica, sondern auch die mit dem Themenfeld Unterricht eng zusammenhängenden Bereiche wie Erinnerung (Memoria – Geheughnisse, Gedachtnisse), Gelehrsamkeit (Docilita – Leersaemheyt), Lehre (Dottrina – Leeringe), Übung (Studio – Oeffeningh in de Konsten, Studeeringe), Erziehung (Educatione – Opvoedinge) oder Weisheit (Sapienza – Vijsheyt) gewissermaßen ikonographisch ausgestattet werden.277 Gemäß der inhaltlichen Überschneidungen dieser Begriffe sind die Bildmuster teils sehr ähnlich. Dass aber Personifikationen des sprachlichen Unterrichts schon früher in verschiedenen Ausprägungen gängig waren, zeigt beispielsweise die Illustration des 1550 erschienenen Lehrbuchs Nederlandsche Spellijnghe, uutghesteld bij vraghe ende andwoorde […] Tot onderwijs der Ionghers voor haar earste beghin [Abb. 19],278 das unter anderem eine höfisch gekleidete Frau mit einem ABC-Täfelchen abbildet. Aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmungen bestehen zwischen den Verbildlichungen der Grammatica und mittelalterlichen Darstellungen von Kirchenvätern oder Gelehrten deutliche Parallelen

271

Martianus Capella: De nuptiis Philologiae et Mercurii, Liber III - De arte Grammatica, der mögliche Entstehungszeitraum reicht vom Ende des 4. bis ins 1. Viertel des 6. Jh.s n. Chr. Vgl. Stahl 1977, Bd. II, S. 65–105; Grebe 1999, S. 16– 21 zur Datierung; eine deutsche Übersetzung der Passage bei Reichert 2004, S. 9 f. 272 Laut Stahl 1977, Bd. II, S. 66, Anm. 5, kleidete diese zur Entstehungszeit des Textes üblicherweise Redner und Lehrer. Anders: Reichert 2004, S. 10, Anm. 28. Sie meint, das mantelartige Gewand habe vor allem dem Schutz gegen die Witterung gedient und sei von keiner Profession bevorzugt getragen worden. 273 Reichert 2004, S. 9. 274 Reichert 2004, S. 11, 17. Einen entsprechenden Überblick bieten: Alt 1960 und Schiffeler/Winkeler 1985. 275 Vgl. dazu u. a. van Marle 1932, Bd. II, S. 203 ff. (für die Darstellung der Sieben Freien Künste als Wanddekoration); Wittkower 1938, S. 82 ff.; Katzenellenbogen 1961, S. 39 ff.; Durantini 1983, S. 96 ff.; Bagley 1990, S. 17 ff.; Willemsen 2008, S. 213 ff.; Aspekte der wissenschaftlichen Rezeption im 16. Jh. beschreibt: Lutz 1973, S. 157 ff. 276 Dirck Pietersz. Pers: Iconologia of Uytbeeldinghe des verstands. Amsterdam 1644. Zur Figur im italienischen Original: Reichert 2004, S. 15 f. 277 Ripa/Pers 1644, S. 139, 283 f., 358 f., 394, 620 ff. 278 Joos Lambrecht: Grammatica, 1550, Holzschnitt aus Nederlandsche Spellijnghe […] Rijksuniversiteit Gent - Centrale Bibliotheek, BIB.G.000196. In der mir zugänglichen Ausgabe Heremans/Vanderhaeghen 1882, befindet sich das Bild auf S. 71. Laut Heremans/Vanderhaeghen 1882, S. VIII f., stellte Lambrecht das Buch für seinen Unterricht selbst zusammen, er scheint auch die Illustrationen selbst angefertigt zu haben. Vgl. auch: Willemsen 2008, S. 248.

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[Abb. 20 a–d]279 – obschon letztere meist mit weniger allegorischem Beiwerk ausgestattet sind und eher eine rein illustrative Funktion haben. Die Lehrenden sitzen, in ein würdevolles langes Gewand gekleidet, hinter einem Pult oder auf einem mit einem Baldachin versehenen Stuhl, haben ein Buch vor sich oder dozieren – manche mit Rute – in Richtung ihrer Schüler, die sich in überschaubarer Zahl (manchmal ist es auch nur einer) vor ihnen niedergelassen haben. Diese ikonographischen Muster werden für Unterrichtsszenen auf Holzschnitten des 15. und 16. Jahrhunderts – unter anderem eine wohl satirisch gemeinte Darstellung Albrecht Dürers [Abb. 21]280 – übernommen, die vielfach als Titelblätter von Lehr- und Schulbüchern verwendet wurden. Laut Schreiber/Heitz war es der Antwerpener Gheraert Leeu, der 1486 als erster für eine Ausgabe des Cato moralissimus einen Holzstock mit der Darstellung eines Schulmeisters und fünf Eleven einsetzt, die im folgenden Jahr noch für fünf weitere Publikationen verwendet wird.281 Inwieweit diese seit der Antike überlieferten Bildmuster in der Kunst um die Wende des 16. zum 17. Jahrhundert weiterhin gängig waren, verdeutlichen die lateinischen Beischriften zweier Kupferstiche nach Frans Floris [Abb. 22]282 und Hendrick Goltzius [Abb. 23]283, die in einer Serie der Sieben Freien Künste als erste die Grammatica zeigen. Die Unterschrift zu dem Stich nach Floris lautet übersetzt: „Die Grammatica formt die noch zarte und stammelnde Sprache des Knaben, sie ist die Pförtnerin zu den übrigen Wissenschaften.“284 Die Personifikation beugt sich, auf einem geflochtenen Lehnstuhl sitzend, über das Buch eines neben ihr stehenden Knaben, mit ihrem rechten Zeigefinger weist sie ihn auf etwas hin. Ein größerer Junge hinter dem Schüler folgt ihren Erklärungen. Beide Knaben sind in kurze, antikisch wirkende Gewänder gekleidet, am Gürtel tragen sie Schreibzeug. Die Personifikation – eine „erfahrene, im Dienst gealterte Lehrerin der gymnasialen Grundstufe“285 – ist in ein faltenreiches Gewand gehüllt, auf dessen Saum ihre Benennung und das Alphabet gestickt sind. In der Linken hält sie einen langen Zeigestab, eine Rute ist rechts im Bildhintergrund zu sehen. Ihren linken, in eine Sandale gekleideten Fuß stützt die Grammatica auf die Werke Diomedes’ und Donatus’, gängige Schullektüre der Zeit. In der rechten Ecke des Bildes stapeln sich weitere Bücher, gleichfalls regelrechte Wälzer.286 Im Hintergrund links sind Gruppen aus Schülern unterschiedlichen Alters zu sehen, die mit Büchern in handlicherem Format und anderen Aufzeichnungen beschäftigt sind. Zwei ältere Mädchen unmittelbar hinter dem Stuhl der Lehrerin tragen dieselbe Tracht wie diese, nur ist ihr Haupt nicht mit Blüten bekränzt. Diese Meriten müssen sie offensichtlich noch erwerben. Erstaunlich ist das landwirtschaftlich anmutende Umfeld der, nach ihrer Ausstattung zu urteilen, klassisch-antiken Lerninhalten verpflichteten Schule: Rechts ist eine Henne mit zwei Küken und einem Ei zu sehen, im Hintergrund hantiert ein Paar mit einem Korb.287 In der Literatur ist diese 279

Beispiele bei Schreiber/Heitz 1908, etwa: S. 26, Taf. 2 (für Hie lernt der weiß Katho seinen sun, hg. von Hanns Bämler, Augsburg 1492), S. 35 f., Taf. 25 (u. a. für Catho cum Glossa, hg. von Conrad Kacheloven, Leipzig 1494), S. 49 f., Taf. 57 (für Liber Faceti per Seb. Brant translatus, hg. von Johann Bergmann von Olpe, Basel 1496) oder S. 56, Taf. 74 (für Donatus Minor, hg. von Friedrich Peypus, Straßburg 1515). Inwiefern diese Bilder zeitgenössische Unterrichtstheorien widerspiegelt, erläutert Kirk 1988, S. 133 ff. 280 Albrecht Dürer: Der Schulmeister (zu einem Flugblatt mit Versen, hg. von Hieronymus Höltzel), 1510, Holzschnitt, 12.9 x 9.8 cm, Slg. Otto Schäfer II, Inv.-Nr. D-267; Schweinfurt/Bad Arolsen/Bottrop 1999–2001, S. 176 f., mit Abb. Das von Dürer verfasste Gedicht formuliert allgemeine Gedanken zum Wert eines maßvollen Lebens. 281 Schreiber/Heitz 1908, S. 15, S. 24: „Die Niederländer sind die Erfinder der Titelillustrationen für Schulbücher und Amerbach in Basel folgt seit 1489 als erster ihrem Beispiel.“ Zur Titelillustration allgemein vgl.: Kirk 1988, S. 21 ff. 282 Cornelis Cort (nach Frans Floris): Grammatica (aus Serie der Sieben Freien Künste), um 1565, Kupferstich, 22.5 x 27.8 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. 1950,0520.406; van de Velde 1975, Bd. I, S. 432 ff., Nr. 107; Haarlem 1992/1993, S. 106 f., mit Abb.; Stuttgart 1997, S. 66 ff., Abb. 13.1; Reichert 2004, S. 283, Nr. 114, S. 344, Abb. 9. Zu den etwa 10 Jahre früher im Auftrag von Nicolaas Jongelinck entstandenen motivgleichen Gemälden siehe: van de Velde 1975, Bd. I, S. 239 ff., Nr. 93–99; Reichert 2004, S. 37 f., 265 f., Nr. 77. Die Grammatica (Leinwand, datiert 1557, 150.0 x 180.0 cm) wurde am 18.05.1995 bei Christie’s New York als Lot 32 angeboten. 283 Cornelis Drebbel (nach Hendrick Goltzius): Grammatica (aus Serie der Sieben Freien Künste), spätes 16./frühes 17. Jh., Kupferstich, 12.7 x 14.7 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. 1936,0110.2; Durantini 1983, S. 101 f.; Stuttgart 1997, S. 70 ff., Abb. 14.1; Reichert 2004, S. 41, 258, Nr. 116, Abb. 10 auf S. 345. 284 „Grammatica os enerum pueri balbum que figurat, scientiarum ceterarum ianitrix.“ Übersetzung: Stuttgart 1997, S. 66. 285 Stuttgart 1997, S. 68. 286 Die einzelnen Werke nennt van de Velde, Bd. I, S. 241. 287 Ähnlich auch ein Stich Johannes Sadelers d. Ä. nach Marten de Vos: Grammatica (aus Serie der Sieben Freien

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ungewöhnliche Umgebung bislang nur am Rande kommentiert worden, es findet sich lediglich die wenig aufschlussreiche Bemerkung, die Grammatica überprüfe die Arbeiten ihrer Schüler „matronenhaft […] gluckend wie die Henne rechts“.288 Diese mag tatsächlich auf den nährenden bzw. den mütterlichen Charakter der Grammatica als Erzieherin anspielen, die offenbar auf die Rute verzichten kann, weil ihre Art der Pädagogik dem humanistischen Ideal entspricht. Bei Ripa wird die Fecondità, die Personifikation der Fruchtbarkeit, unter anderem mit einer Henne und Küken dargestellt.289 Dazu kommt, dass die Begriffe gallus, gallina, ovum (Hahn, Henne, Ei) in der Sprachlehre offenbar auch zur Erläuterung der Geschlechter verwendet wurden.290 Floris platziert die bislang fast ausschließlich allein dargestellte Personifikation in einem ungewöhnlich ländlich-genrehaften Umfeld. Ein unmittelbarer motivischer Einfluss dieser speziellen Lokalisierung der Allegorie inmitten von ihrem Tagwerk nachgehenden Menschen auf die niederländischen Schuldarstellungen ist allerdings nicht feststellbar.291 Was die zentralen Figuren anbelangt, ist der Entwurf Hendrick Goltzius’ [Abb. 23] mit dem Frans Floris’ vergleichbar, er zeigt allerdings einen wesentlich kleineren Bildausschnitt. Die auf einem verzierten Lehnstuhl sitzende Grammatica, ebenfalls in ein faltenreiches Gewand gehüllt, blickt milde auf einen kleinen Buben, der zu ihr herangetreten ist, um das Alphabet zu lernen. Ein älterer Junge steht daneben, er hat seine Mütze abgenommen und schaut die Lehrerin mit vorgebeugtem Oberkörper aufmerksam an, man könnte fast sagen: Er hängt an ihren Lippen. Ein weiterer Unterschied zu Floris: „Aus den schlanken, halbnackten Epheben all’antica sind nun niederländische Alltagsburschen geworden.“292 Im Hintergrund ist ein Kamin zu erkennen, in dem ein qualmendes Feuer brennt. Auf dem Sims stehen zwei Vasen, die Szene ist also im häuslichen Umfeld angesiedelt – Privatunterricht, könnte man sagen. Die Grammatica, wie bei Floris deutlich älter und züchtiger gekleidet als die anderen Personifikationen der Serie, hält eine lange Rute im Arm und zeigt mit der anderen Hand auf das Alphabet auf dem Täfelchen des kleinen Schülers. Dieser tut es ihr nach. Das Bücherbord über ihrem Kopf symbolisiert das von ihr verkörperte und vermittelte Wissen. Ein 1614 publiziertes Emblem Roemer Visschers [Abb. 24]293 bildet ein paar ganz ähnlich platzierte Bücher ab. Die Beischrift klassifiziert sie als ein Heilmittel für Ungebildete, geeignet, einen leeren und öden Geist mit Leben zu füllen. Demnach sind die Bücherborde nicht nur schultypisches Inventar, sondern ein emblematischer Hinweis auf das dort weitergegebene Wissen, das letzten Endes zu gesellschaftlicher Anerkennung und Wohlstand führt. In den verlotterten Schulstuben können sie als mahnende Erinnerung an das dort nicht erreichte Lernziel verstanden werden. Die Inschrift des Stiches betont die Unentbehrlichkeit der Grammatica für den Wissenserwerb. Sie lautet übersetzt: „Von mir her eignet man sich die Anfänge und Grundlagen der wichtigen Lerngegenstände an, von hier ausgehend ergibt sich das Fortschreiten zu den gelehrten Künsten.“294 Dieser Sinnspruch stammt – wie der zur im vorangehenden Kapitel beschriebenen Allegorie des Morgens nach Goltzius [Abb. 12] – ebenfalls aus der Feder des Haarlemer Lehrers und Dichters Cornelius Schonaeus’. Wie dort angedeutet, kann das Aufgabenfeld der ersten der Sieben Freien Künste auf die ersten Lebensphasen bezogen werden, denn von dort (dem Kindes- bzw. Jugendalter) aus führen Bildung und Fleiß zu allen weiteren Aufgaben des Lebens.295 Auf diese nur anhand von wenigen Beispielen kursorisch beschriebenen Vorbilder, seien sie nun Künste), Kupferstich, 15.0 x 10.6 cm; de Hoop Scheffer 1980, Bd. XXI, S. 172 f., Nr. 546, Bd. XXII S. 155, Abb. 546. 288 Stuttgart 1997, S. 69, ähnlich auch Durantini 1983, S. 105, die vermutet, das Huhn symbolisiere – im Gegensatz zur Ehrfurcht gebietenden Rute – die fürsorgliche Seite der Erziehung. Van de Velde 1975, Bd. I, S. 241, erwähnt, dass den Personifikationen der Serie Attribute der Tier- und Pflanzenwelt beigegeben sind – worin jedoch der Zusammenhang zwischen Huhn und Grammatica bestehen könnte, lässt er offen. 289 Diesen Hinweis verdanke ich meiner Kommilitonin Sonja Lucas. Zum Hahn (!) als Symbol der Fruchtbarkeit in der Kunst vgl. Dittrich 2004, S. 217, einige Gemälde des 16. Jh.s mit religiöser Thematik als Beispiele auf S. 219. 290 Reichert 2004, S. 38, 115 f.: Sie nennt hierfür allerdings keine Quelle. 291 Aufgegriffen und etwas erweitert wird diese Bildidee lediglich von Jost Amann in einer 1577 radierten Serie der Sieben Freien Künste: Seelig 2001, Bd. I, S. 66, Nr. 68, Abb. auf S. 68; Reichert 2004, S. 39, 281. 292 Stuttgart 1997, S. 70. 293 Visscher 1614, Teil I, S. 30, Nr. XXX; de Vries 2004, S. 94. 294 „A me principia, et magnarum exordia rerum [/] Sumuntur, doctas hinc fit progressus ad artes.“ Übersetzung: Stuttgart 1997, S. 70. 295 Für mittelalterliche Beschreibungen und Darstellungen der Grammatica erläutert dies: Bagley 1990, S. 20, 35.

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allegorischer oder schlicht illustrativer Art, sind die Schulszenen des 17. Jahrhunderts letztlich im Wesentlichen zurückzuführen.296 Verschiedenste literarische und bildliche Vorstellungen wie auch die realen Rahmenbedingungen von Gelehrtheit und Lernen bilden wie eine Art intellektueller Humus die Grundlage für die niederländischen Schul- und Unterrichtsdarstellungen, konkrete Bezüge auf eine ganz bestimmte Vorlage sind selten. Vielmehr orientieren sich die Künstler zwar an den bekannten ikonographischen Mustern, doch werden diese jeweils um eine im Folgenden zu analysierende Reihe individuell gewählter malerischer Details respektive theoretischer Aspekte ergänzt, und erhalten nicht zuletzt eine eigene stilistische Prägung. So stellt sich die Gesamtheit der Bildbeispiele des 16. und 17. Jahrhunderts als heterogene Menge von Variationen eines Themas dar, deren Inhalte und Botschaften kaum zusammenfassend zu beschreiben sind. Es lassen sich allerdings bestimmte Bildgruppen zusammenstellen, die auch im Hinblick auf die ikonographischen Vorläufer einige Gemeinsamkeiten aufweisen. Besonders die Szenen aus dem bürgerlichen Milieu sind in der Konzentration auf die Autorität des Lehrers wenig anders aufgebaut als die Darstellungen der Grammatica und von Gelehrten in ihrer Studierstube.297 Auch sie verbildlichen, wie ihre ikonographischen Vorläufer, den geistvollen, moralisch korrekten Unterricht. Die vielfigurigen, unruhigen Schulszenen sind gewissermaßen Karikaturen der Bildungsallegorien oder der Gelehrtendarstellungen. Obschon natürlich diese Bilder ebenfalls die zentrale Szene von Lehrer und um ihn versammelten Schülern beinhalten, ist ihre Motivik um verschiedene komische Details erweitert. Zum Teil ergibt sich ihr Witz aus dem impliziten Sarkasmus, der dem Gegensatz zwischen theoretischem Anspruch und dargestellter Wirklichkeit geschuldet ist. Der Schulmeister, meist als überzeichnete Witzfigur an einem erhöhten Pult thronend, hält – wie seine gelehrten Vorbilder – Pritschholz298 oder Rute als Insignien seiner zumindest physischen Autorität.299 Dass ein achtbarer Lehrer diese kaum gebrauchen musste, wird in vielen Texten betont – und dass sie die meisten Schulmeister gezückt halten, sagt einiges über ihre pädagogische Befähigung aus.300 Die meisten der ungezogenen Kinder nehmen von dieser Drohgebärde überhaupt keine Notiz. Ein solches Beispiel bildet eine Holzschnittillustration zu Petrarcas Von der Artzney bayder Glueck (Augsburg 1532) ab, eine Schrift, die eine stoische Haltung gegenüber allem Leid und Unglück propagiert. Der Text äußert sich entsprechend kritisch über die Möglichkeiten, die die Schule dem Menschen eröffnet, da ihr Erfolg vielfach auf Zufall oder unbestimmbarem Schicksal gründet – je nachdem, ob man an einen verständigen oder an einen unfähigen Lehrmeister gerät.301 Die zugehörige Illustration zeigt einen Lehrer mit Narrenkappe und Brille mit blinden Gläsern [Abb. 25], von deren Eigenschaft als Symbol geistiger Blindheit noch ausführlich die Rede sein wird. Die Schüler verhöhnen oder verurteilen den Schulmeister mit Handzeichen.302 Die Folgen schlechter Erziehung, die bei der Petrarca-Illustration nicht explizit gezeigt werden, thematisiert eine frühere Unterrichts- oder besser Erziehungsszene aus Brants Narrenschiff [Abb. 26],303 in der zwei Jungen ihre Zeit anstatt mit sittsamem Lernen mit Glücksspiel und darüber entbranntem Streit vertun. Am Ende des Tisches, über den die beiden sich mit Schwertern bekriegen, sitzt taten296

Schreiber/Heitz 1908, S. 11 ff.; Jansen 1925, S. 15 ff.; Durantini 1983, S. 99 ff., 102; Willemsen 2008, S. 231 ff.; zu an Außen- und Innenwänden von Schulen angebrachten Szenen dieser Art im deutschsprachigen Raum, etwa als Wandgemälde oder figürlich bemalte Kacheln: Wirth 1983, S. 256 ff.; Willemsen 2008, S. 264 f., 266 f. 297 Einige Beispiele zu letzteren finden sich bei de Vries 2004, S. 88 ff. 298 Ein solches ist abgebildet bei Alt 1960, Bd. I, S. 196, Abb. 4; de Booy 1981, S. 434. 299 Laut Klant 1985, S. 33, wurden ihm diese zum Amtsantritt von offizieller Seite überreicht. 300 De Booy 1981, S. 434; Gruschka 2005, S. 22. 301 Die ikonographisch hochinteressanten Bildkonzepte gehen auf Sebastian Brant zurück, scheinen aber auf niederländische Schulszenen keine direkte Wirkung gehabt zu haben. Petrarca 1532, Bd. I, Kap. XCVII (Von einem fürtreffenlichen lernmaister), Bd. II, Kap. XL (Von einem ungelertenn lernmayster); zur bildlichen Argumentation des Buches zusammenfassend: Raupp 1984b, bes. S. 61, 63 ff. (die Unterrichtsdarstellungen werden jedoch nicht angesprochen) und Michel 2009, S. 349 ff., dem allerdings Raupps Aufsatz nicht bekannt zu sein scheint. 302 Klant 1985, S. 27, vermutet, die gestikulierenden Schüler hätten den Lehrer verhext. Da die Bildunterschrift nichts dergleichen andeutet, mag es sich eher um ein apotropäisches Zeichen handeln, das den Schulmeister als gefährlich oder gar teuflisch brandmarkt, weil er die Heranwachsenden quält oder vom rechten Weg abbringt. 303 Albrecht Dürer (?): Von ler der kind, Holzschnitt aus Brants Narrenschiff, Basel 1494, Kap. VI; Lemmer 1979, S. 6 (Abb.), zu Dürer als „Hauptmeister“ der Illustrationen, dessen Markenzeichen die Schellenreihe auf der Narrenkappe sei, siehe S. 126 ff.

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los der Vater mit Narrenkappe. Seine Augen sind verbunden, er ist also blind gegenüber den Gefahren der zuchtlosen Erziehung. Im Text, der oben schon zitiert wurde, formuliert Brant – vielfach unter Rückbezug auf Bibelpassagen – seine erzieherische Auffassung. Es sind solche Kombinationen von Bild und Text, durch die das kognitive Moralverständnis der Rezipienten geprägt wurde. III.1.2 Tiersatiren Neben sakralen Wanddekorationen, etwa Kapitellen, sind es vor allem Illustrationen aus Handschriften des Mittelalters, in denen Tiere und besonders Affen in menschlichen Rollen – etwa als Jäger, Landsknechte, Ritter – und natürlich als Gelehrte oder als Lehrer und Schüler häufig vorkommen [Abb. 27 und 28].304 Vom tierischen Charakter der Dargestellten abgesehen unterscheiden sich diese Szenen im Aufbau nicht von den bisher beschriebenen: Der „Lehrer“ sitzt oder steht im würdigen Ornat, oft mit Rute oder Pritschholz, teils an einem Pult, vor der „Klasse“. Der Witz dieser Bilder liegt in dem Spott, der in der mangelnden Eignung dieser Wesen für den Unterricht begründet ist – schließlich sind es per definitionem nicht vernunftbegabte Naturen, wie sollten sie da jemanden lehren oder selbst etwas lernen?! Womöglich wurde die unnatürliche Sitzhaltung der Vierbeiner oder ihre Bekleidung ebenfalls als komisch empfunden. Im Zusammenhang mit der Frage nach der Funktion dieser Szenen fällt auf, dass von Klerikern offenbar vor allem die Kombination von religiösem Inhalt und profanen Bildern bemängelt wurde.305 Sie stießen sich in erster Linie an der Schamlosigkeit der Darstellungen im Bezug auf sakrale Räume oder religiöse Texte, die auf die Absicht der Künstler zurückgeführt wurde, den Betrachter zu belustigen und sinnlich zu reizen. Dass sie als Kritik an einem bestimmten Sachverhalt oder Personenstand aufgefasst wurden – insofern, dass etwa manche Kleriker ihr Amt nicht angemessen verkörperten oder Höflinge dem Tugendideal ihres Standes nicht gerecht würden –, geht aus den Äußerungen nicht hervor. Dass diese Kritik sehr wohl zentrales Anliegen der Bilder war, zeigen Randalls Erläuterungen, die die gesellschaftskritischen und moralisierenden Aspekte der Tierdarstellungen ab dem späten 12. Jahrhundert skizzieren.306 Nicht immer besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Darstellung und Kontext: Auf Kapitellen, etwa in klösterlichen Kreuzgängen, standen die Szenen den dort Unterrichteten natürlich unmittelbar vor Augen, und es ist gut vorstellbar, dass sie von ihren Lehrern auf das unsinnige Tun ihrer äffischen Pendants hingewiesen wurden. Die Miniatur des Maastrichter Stundenbuchs [Abb. 28] dagegen ist unter einem Psalmentext ohne Bezug zu Lehre und Bildung platziert.307 Offenbar war die Zuordnung der Illustrationen zum Text weniger von inhaltlichen Gesichtspunkten bestimmt beziehungsweise zielte vor allem bei religiösen Schriften auf eine kontrastierende Wirkung von Text und Bild als passendem exemplum.308 Umso mehr ist davon auszugehen, dass die Botschaft der Bilder unabhängig vom Kontext verstanden wurde, gewissermaßen intellektuelles Allgemeingut war. Dass der Affe als gewitztes und exotisches Tier häufig in solchen Spottszenen zu finden ist, liegt nahe. Im 15. und 16. Jahrhundert etabliert sich die Art, unter anderem durch die Spottschriften Sebastian Brants, Geiler von Kaisersbergs, Erasmus von Rotterdams und anderer, endgültig als Sinnbild für die Torheit des Menschen im Allgemeinen. Da er durch seine Menschenähnlichkeit 304

Etwa eine Randminiatur aus Reynaud de Bars Metz Pontifical, um 1300 bis 1316, The Fitzwilliam Museum, Cambridge, MS 298, fol. 76 v. [Abb. 27] (Randall 1966, Abb. 635; Durantini 1983, S. 140, Abb. 71), oder aus einem Stundenbuch der Maasregion, um 1300, British Library, London, MS Stowe 17, fol. 109 r. [Abb. 28] (Willemsen 2008, S. 116, Abb. 92); weitere Beispiele: Janson 1952, S. 167 f., S. 189 f., Anm. 25; Randall 1966, S. 212, Abb. 11, 634–636, 640– 642 ; de Meyer 1962, S. 424; Bagley 1984, S. 366 ff.; zu Tier-Allegorien in niederländischen Holzschnitten vgl. de Meyer 1962, S. 417 ff., zu Affen S. 424 ff., S. 426, Abb. 130: Affenschule, 2. Hälfte 18. Jh. (Datierung S. 214); Willemsen 2008, S. 118 ff., Abb. 93–95, 96 (eine Hasenschule), Abb. 97 (ein Wolf in der Schule). 305 Randall 1966, S. 3, Anm. 1 zitiert u. a. einen Brief Bernhard von Clairvaux’, in dem von „diesen unreinen Affen“ die Rede ist. Ähnliche, etwas spätere Klagen über die im religiösen Kontext unziemlichen Bilder finden sich auf S. 4 f. 306 Randall 1966, S. 6 ff. 307 Psalm 119, 132: „Aspice in me [e]t mise [/] rere mei, s[e]c[un]d[um] judici [/] um diligentium no“ [men tuum] / „Wende dich mir zu, sei mir gnädig, wie es denen gebührt, die deinen Namen lieben.“ 308 Randall 1966, S. 12, 14, 19; zu exempla als Quelle für die Illustrationen siehe auch: Randall 1957, bes. S. 99 ff. Zur Bedeutung der Schule in mittelalterlichen Fabeln: Bagley 1993a, S. 47 ff., zusammenfassend S. 55.

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zwar aufgeweckt und gelehrig wirkt, aber letztendlich nichts weiter kann, als den Menschen nachahmen, eignet er sich besonders als Symbol für vorgetäuschte Geistesgröße. Die Maxime „Ein Aff’ bleibt ein Aff’, selbst wenn man ihn in Purpur kleidet“, formuliert eine Warnung für diejenigen, die die gottgegebene Unabänderlichkeit ihres Schicksals in Frage stellen, indem sie durch ihrem Stand unangemessenes Verhalten nach Höherem streben.309 Eine wohl im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts entstandene Serie von Kupferstichen Pieter van der Borchts d. J. (um 1535–1608) zeigt Affen, die sich wie Menschen verhalten, in Szenen, die auch für Darstellungen des Menschenalltags gängig waren: einen Affenhaushalt, Affenkinder beim Spiel, Affen beim Tanzvergnügen, beim Eislaufen, Affen bei der Jagd, eine fette sowie eine magere Affenküche und andere äffische Szenen.310 Darunter gibt es eine Schuldarstellung [Abb. 29].311 Die Affenschule ist vorbildlich in einen Jungen- und einen Mädchenbereich aufgeteilt, die Affenschüler sitzen adrett gekleidet und brav über ihre Bücher gebeugt nebeneinander. Manche haben sich vor den Lehrern, einem Affen und einer Äffin, aufgestellt, um geprüft zu werden. Die Lehrerin sitzt in einem Korbstuhl, der dem der Grammatica nach Floris [Abb. 22] gleicht. Auch hier soll also Gelehrsamkeit mit mütterlicher Fürsorge vermittelt werden. So ganz reibungslos gelingt dies jedoch nicht: Im Vordergrund werden zwei ungezogene Mitschüler bestraft. Diese machen sich vor lauter Angst in die nicht vorhandenen Hosen.312 Was sie verbrochen haben, bleibt allerdings unklar, ist aber möglicherweise auch gar nicht entscheidend. Der Akt der körperlichen Bestrafung führt nämlich nicht zur Besserung des Verhaltens, sondern verschlimmert im Grunde durch die Verunreinigung nur die Situation.313 Ein Affe auf dem Kaminsims an der Rückwand des Raumes betrachtet seinen Hintern im Spiegel. Der Affe gilt als schamloses Tier, weil – wie van Mander es ausdrückt – „hy zijn onschamel bloot lidt yeder laet sien“.314 Wird dieser für sein unziemliches Verhalten zur Rechenschaft gezogen werden? Folgt er doch scheinbar nur der sokratischen Weisheit, die auch die Darstellungen selbst vermitteln wollen:315 sich selbst zu erkennen, seine Fähigkeiten richtig einzuschätzen und angemessen zu handeln. Bei Ripa etwa werden Spiegel Schülern gleichgesetzt, da sich beide die ihnen entgegengehaltenen oder vermittelten Dinge zu eigen machen – der Spiegel durch das von ihm reflektierte Bild, der Schüler durch die Verinnerlichung des Gelernten.316 Die Beischrift einer Fassung des Stichs lautet: „Les singes vieulx de l’homme imitateurs, [/] sont en finesses aux singeots precepteurs“, etwa: Die alten Affen als Nachahmer der Menschen geben ihre Torheit an die jungen Affen weiter. Eine deutsche Kopie, bei der die Szene auf dem Kaminsims getilgt wurde,317 ist mit folgenden Versen versehen [Abb. 30]:318 „Seht was Müh hatt die Schuel, man lernet, lieset, sitzet [/] Sagt auff die Lection vermahnet das man schwitzet, [/] Es hilfft doch was es kann es will nichts in den Tropf, [/] Der hat ein Hasenohr; der eines Esels Kopf, [/] Ein Affe lernet nichts und Affen bleiben Affen, [/] Schickt man gleich über sie Schülmeister oder Pfaffen.“ Der Schwerpunkt liegt demnach etwas anders als bei dem französischen Text. Bemängelt wird nicht die Weitergabe schlechter Eigenschaften, sondern die Unfähigkeit, den Lernstoff zu begreifen. Willemsen nennt eine weitere, mit der deutschen sinngemäß übereinstimmende französische 309

Janson 1952, S. 167 f., 199 ff.; Durantini 1983, S. 139. Janson 1952, S. 168 f., 308 f.; Antwerpen 1976, S. 89; Mielke 2004, S. xxiii, S. 198 ff. 311 Pieter van der Borcht d. J.: Affenschule, 1597–1608, Radierung, 24.1 x 30.4 cm, Rijksprentenkabinet Amsterdam, Inv.-Nr. RP-P-OB-26.784 (http://hdl.handle.net/10934/RM0001.collect.85331, mit weiteren Angaben und Literatur, Aufruf 21.03.2015). 312 Laut Willemsen 2008, S. 126, bluten sie – da aber die Ausscheidungen sich in ihrer Konsistenz klar unterscheiden, ist links offensichtlich Kot und rechts Urin dargestellt. 313 Durantini 1983, S. 147. 314 Van Mander 1604, fol. 128 v. 315 Bagley 1994, S. 341 f. erläutert diese Bedeutung des Spiegels in Emblemen der Zeit. 316 Ripa/Pers 1644, S. 284. 317 Abgesehen davon handelt es sich jedoch um eine genaue Übertragung des Vorbildes. Dass sie als zu vulgär empfunden wurde, ist unwahrscheinlich, da das Fäkalmotiv im Vordergrund beibehalten wurde. 318 Unbekannt (nach Pieter van der Borcht d. J.): Affenschule, 1597 oder später, Kupferstich, 22.5 x 28.0 cm, Bibliothèque Nationale de France – Cabinet des Estampes, Paris, Inv.-Nr. AA1; Mielke 2004, S. 199, Nr. 183/a II, Abb. auf S. 209. 310

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Inschrift, in der explizit die Wendung „sie [die wider ihre natürliche Veranlagung unterrichteten Affen] machen sich über dich lustig und zeigen dir den Hintern“.319 Die Zeitgenossen amüsierten sich so oder so über die Bemühungen der possierlichen Kreaturen. Sie wirkten besonders komisch, weil doch klar war, dass aller Eifer, es dem Menschen gleichzutun, nicht fruchten würde. Affen können keinen guten Haushalt führen, weil sie nicht reinlich sind, sie können nicht Schlittschuh laufen, weil ihre Gliedmaßen für das Klettern ausgebildet sind. Kein Affe wird je lesen und schreiben können, weil seine geistigen Fähigkeiten dafür nicht ausreichen. Bildlich gesprochen hält der Affe dem Betrachter den Spiegel vor: Lebt dieser gemäß der göttlichen Vorsehung, erfüllt er die für ihn bestimmten Pflichten? Oder will er mehr erreichen, als für ihn vorgesehen ist, und widerstrebt so dem göttlichen Plan? Macht er sich genauso lächerlich wie die haarigen Kreaturen bei ihren Bemühungen, so zu leben wie die ihnen überlegenen Menschen? Während der Affe ein Symbol für Vergeblichkeit, Eitelkeit und eben Torheit ist, ist die Darstellung des Esels vor allem mit der intellektuellen Dummheit bzw. Ignoranz verbunden.320 Eine Parallele zwischen eingebildeten Gelehrten und Eseln stellt beispielsweise Kapitel I des Narrenschiffs her, das „Von unnutze buchern“ handelt. Brant verhöhnt darin als allererste unter den Narren diejenigen, die zwar im Besitz zahlreicher Bücher sind, diese jedoch weder lesen noch ihren Inhalt begreifen können. Und doch verstehen sie so viel Latein, dass sie das Wort für „Wein“ kennen – eine auf manche Lehrerfigur des 17. Jahrhunderts ebenfalls zutreffende Charakterisierung. Laut den letzten beiden Zeilen des Kapitels hat der Pseudo-Gelehrte dieselben langen Ohren wie „eins mullers thier“,321 ihn unterscheidet also wenig von einem Esel. Entsprechend hat der Esel in der Schule eine eigene Tradition. Schon im zweiten vorchristlichen Jahrhundert gibt es Darstellungen, auf denen Esel Affen oder Schweine unterrichten.322 Luther berichtet, er sei „in des Bapsts schule und Esel stall erzogen“ worden.323 Ein Holzschnitt des frühen 16. Jahrhunderts [Abb. 31]324 illustriert, neben neun weiteren Szenen, die Satire De fide concubinarum.325 Er zeigt einen Esel, den seine große Brille326 offenbar als Lehrer qualifiziert, an einem Katheder vor aufmerksam lauschenden Tieren, darunter ein Schaf, ein Bär und ein Ziegenbock mit Büchern. Der Unterricht findet im Freien unter einem blattlosen Baum statt, im Hintergrund ist die Silhouette einer Stadt zu erkennen. Benimmt sich einer der „Schüler“ nicht, bekommt er wohl die Reisigrute zu spüren, mit der der Esel ausgestattet ist. Ausgerechnet das dümmste aller Tiere, dessen Beschränktheit durch die blinde Brille noch betont wird, maßt sich an, seine zumindest weniger störrischen Artgenossen zu unterrichten! Auf einem Holzschnitt aus dem Jahr 1479 ist eine menschliche Gestalt mit Eselskopf in einer Schule zu sehen [Abb. 32].327 Vom Lehrer, der hinter dem Pult in einem Buch blättert und den vor ihm sitzenden Eleven abgewandt, diskutiert der Schüler mit einem Kollegen. Der Eselskopf ist hier wohl eine Form der Bestrafung,328 die in der darunter stehenden Textpassage indirekt Erwähnung 319

Willemsen 2008, S. 126 f.: „Ils se moquent de vous, et vous montrent le cul.“ Janson 1952, S. 164; Durantini 1983, S. 145; Ramakers 2002, S. 23, 25 f. 321 Sebastian Brant (Entwurf): Von unnutze Buchern, Holzschnitt aus Brants Narrenschiff , 1494, Kap. I. 322 Alt 1960, Bd. I, S. 98; Klant 1985, S. 14, Abb. 7; Bagley 1984, S. 365 ff., S. 373, Anm. 3, 7. 323 Strauss 1978, S. 5. Überhaupt ist der Esel in diesem Text „Wider das Bapstum zu Rom vom Teuffel gestifft“ (1545) Synonym für den katholischen Klerus und andere verblendete Geister. Luther 1545, Bd. 54, S. 286. 324 Monogrammist DS: Der Esel als Lehrer der Tiere, 10.0 x 10.0 cm, Holzschnitt aus Jakob Wimpfelings De fide concubinarum, Basel, um 1501–1505, S. 46 (nicht paginiert); Bock 1924, S. 9; Würtenberger 1957, S. 97; Schiffler/Winkeler 2011, S. 68, Abb. 55 bzw. http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00004315/image_46, Aufruf 15.03.2015 (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München). 325 Die Spottschrift über den Klerikerstand wurde mehrfach aufgelegt, unter anderem mit Adaptionen der Holzschnitte durch Wolf Traut (um 1440/45–1520). Dodgson 1906, S. 51, Nr. 2–11; Dodgson 1907, S. 24 f., Anm. 1. 326 Die im Übrigen ähnlich aussieht wie das Augenglas des Lehrers auf der Petrarca-Illustration [Abb. 25]. 327 Aus: Rodericus Zamorensis’ Spiegel des menschlichen Lebens, Augsburg 1488, S. XXXIII („Von Gramatica un loÿca un ir lob un mißbrauch“); Reicke 1901, S. 50, Abb. 41; Bagley 1984, S. 362, 364; Abb. 4; Kirk 1988, S. 65 f., Abb. 16. Weitere, auch bei Kirk abgebildete Holzschnitte (S. 30, Abb. 5, S. 66, Abb. 15, 17) aus dem Lehrbuch, das thematisch dem Sachgebiet „Ethica“ – Prosa, Volks- bzw. Erbauungsliteratur – zuzurechnen ist, zeigen etwas andere Unterrichtssituationen (vor einem Pult stehende Schüler, ein stehender Magister vor drei sitzenden, höfisch gekleideten jungen Männern mit Büchern), bei denen der Eselskopf fehlt: Zamorensis 1488, S. XXXIV, XXXVI, XI, XII, XIIII. 328 Der Klassenletzte oder ein Übeltäter wurden durch das umgehängte Bild eines Esels verspottet, es gab aber auch Holzkonstruktionen, auf die sich der „Esel“ zur Strafe setzen musste. Embleme, die den Esel als Verkörperung der Dummheit zeigen: Durantini 1983, S. 148, Abb. 73 f., Ramakers 2002, S. 23, 25 f.; zu verschiedenen Strafen: Boesch 1900, S. 103 f. 320

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findet. Dort ist von der Reihenfolge die Rede, in der die Sieben Freien Künste zu erlernen sind. Der rhetorica sollte man sich demnach erst nach gramatica und loÿca widmen – eine Empfehlung, die die Disputanten törichterweise nicht beachten. Zu diesen Darstellungen passende Sentenzen sind häufig. Sie finden sich zum Beispiel auf einem Merkblatt des 17. Jahrhunderts: „Wer faul zur Arbeit ist, ist einem Esel gleich, der aber Tugend liebt, der wird an Ehren reich.“ Darüber hinaus werden die geistigen Kapazitäten des Esels kommentiert: „Seine Augen sind so scharff [/] Daß er hundert Brillen bedarff“ oder „Dann die Dummheit ist sein Freud.“ Der Schluss des Lehrgedichtes lautet: „Eben also wann die Jugend, [/] nicht will lernen Kunst und Tugend, [/] Träget sie vor ihrem Lohn, Einen Eselskopff davon [...].“329 Im Prinzip ist es für die Botschaft der Bilder nicht entscheidend, ob der Esel (oder ein anderes Tier) nun Schüler oder Lehrer ist – er ist für beides ungeeignet. Allerdings bedeutet ein eselhafter Lehrer möglicherweise zugleich Kritik an denjenigen, die ihm diese Stellung ermöglicht haben, trifft also die Obrigkeit respektive das Bildungssystem im Allgemeinen. Der Esel als Schüler ist zunächst nur in Texten zu finden, etwa in Nigellus Wirekers um 1180 verfasster Fabel Speculum Stultorum. Sie erzählt die Geschichte des Esels Brunellus, der unglücklich über seinen zu kurzen Schwanz ist. Das Motiv ist einerseits ein Symbol für geistige Beschränktheit, aber zugleich auch für die Unzufriedenheit mit dem eigenen Schicksal. Er verlässt seinen Besitzer, um in Paris zu studieren, auf dass er künftig „Meister Brunellus“ genannt werde, scheitert jedoch kläglich und landet zuletzt wieder bei seinem Bauern.330 Die erste – oder zumindest prominenteste – bildliche Darstellung eines „echten“ Esels als Schüler entwirft Pieter Bruegel d. Ä. Zwar wird das Tiermotiv ohne direkte Wirkung bleiben, die dem Bildkonzept zugrunde liegenden Ideen jedoch sind grundlegend für einen Großteil der Unterrichtsdarstellungen des 17. Jahrhunderts.

329 330

Aus einem Spottgedicht über die Jugend: Holzschnitt, 17. Jh., Klant 1985, S. 18, Abb. 11. Bagley 1984, S. 365 f.

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IV.

SCHUL- UND UNTERRICHTSSZENEN DES 16. JAHRHUNDERTS

IV.1

Der Esel in der Schule

Pieter Bruegel d. Ä. (um 1526/1530–1569) verbindet in der 1556 entworfenen Darstellung Der Esel in der Schule [Abb. 33]331 die skizzierten Traditionsstränge auf originelle Weise, so dass das im Folgejahr als Stich veröffentlichte Blatt [Abb. 34]332 – wie es auch für andere Ideen des Künstlers in ihrer Wirkung auf Motive des niederländischen Genres zu beobachten ist – für viele der späteren Schulbilder von zentraler Bedeutung ist. Kein niederländischer Maler, der sich spaßhaften Sujets widmete, konnte im 17. Jahrhundert ohne bewusste Bezüge zu Bruegel auskommen.333 Um diese im Einzelnen nachzeichnen zu können, folgt zunächst eine ausführliche Beschreibung des Stichs. Der Schulmeister ist in ein weites Gewand gekleidet und wirkt mit der im 15. Jahrhundert modernen, überlangen Sendelbinde ebenso würdevoll wie altmodisch und in dem stallähnlichen Klassenraum völlig deplatziert. Er hat eine absonderliche Schülerschar von zwergenhaft, jedoch nicht kindlich wirkenden Gestalten um sich versammelt. Einige von ihnen scheinen in Texte vertieft, der Großteil jedoch schaut in die Luft oder schneidet Grimassen. Zwar ist auf einigen Blättern das ABC zu erkennen, meist ist aber nur Gekritzel zu sehen. Bemerkenswert ist, dass die Bücher sehr prominent platziert sind, zum Teil werden sie regelrecht hergezeigt. Insgesamt entsteht nicht der Eindruck konzentrierten Lernens, die Schüler scheinen sich zwar – wie der eben erwähnte erste Passagier des Narrenschiffs – der Bedeutung der Bücher bewusst, nicht jedoch, wie man mit diesen umzugehen hat. Ihr Betragen ist auch in anderer Hinsicht seltsam und vor allem in einer Schule unangebracht: Ein männliches Wesen mit Hut und Mantel im Vordergrund präsentiert ungeniert seine Geschlechtsteile, andere kauern in unnatürlicher Haltung wie zusammengefaltet am Boden. Ein Kerlchen hinter dem Lehrer zieht eine Grimasse, während es einen Korb auf seinem Kopf balanciert. Dem Lehrer entgeht das alles, er dreht dem Großteil der Klasse den Rücken zu, bemüht sich also gar nicht um die Bildung der Schüler.334 Zwar hebt er offenbar gerade an, den nackten Hintern eines Missetäters zu verprügeln, der vorgebeugt zwischen seinen Knien kauert. Doch er holt dabei nicht aus, sondern hält inne. Die Szene wirkt fast so, als streiche er dem Kind über den Rücken, sein Gesichtsausdruck bleibt unbewegt, ausdruckslos scheint er auf das Hinterteil des Schülers zu starren. Dessen Oberkörper und Kopf verschwinden unter den Stofffalten des hochgeschobenen Gewandes. Die Rute, die der Schulmeister bei der Bestrafung einsetzen sollte, trägt er als Kopfputz. Eine andere steht, wie Blumen in einer Vase, dekorativ in einem Nachttopf rechts im Bild. Die Instrumente werden vom Schulmeister nicht gemäß ihrer Bestimmung verwendet und legen dadurch ein beredtes Zeugnis seiner Inkompetenz ab. Die durch die Rute hergestellte Parallele zwischen dem Fäkalienbehälter und dem Kopf des Lehrers ist möglicherweise ähnlich zu deuten.335 Die meisten Schüler drängen sich hinter dem Schulmeister, einige sitzen in einer Art Nebenraum. Hinter dem Lehrer lugt auch der namengebende Esel aus einer Wandöffnung. Er versucht, Noten von einem Blatt abzulesen. Dabei könnten die Brille und die Kerze neben ihm hilfreich sein. Doch die Anspielung auf das bekannte Sprichwort: „Was nützen Kerze oder Brille, wenn die Eule nicht sehen will“, macht dem Betrachter klar, dass der Esel ohnehin nichts damit anfangen kann.336 Die331

Pieter Bruegel d. Ä.: Der Esel in der Schule, 1556, Pinsel- und Federzeichnung, 23.2 x 30.2 cm, Staatliche Museen zu Berlin – Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. KdZ 11 641; Mielke 1996, S. 48, Nr. 32, S. 155, Abb. 32. 332 Pieter van der Heyden (nach Pieter Bruegel): Der Esel in der Schule, 1557, Kupferstich, 23.2 x 29.6 cm, Rijksprentenkabinet Amsterdam, Inv.-Nr. RP-P-1883-A-7221 (http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.344429 mit weiteren Angaben und Literatur, Aufruf 21.03.2015); zu weiteren Fassungen, u. a. als Emblem in Jan Theodor de Brys Emblemata Saecularia (Frankfurt 1596): Bagley 1994, S. 337 f., Abb. 7; Orenstein 2006, S. 70 f., Nr. 32, mit Abb. 333 Westermann 2002, S. 52: „By the mid-seventeenth century, no comic netherlandish painter could do without such self-conscious references to Bruegel, whose achievements had been touted by Van Mander and disseminated by his sons and followers.” 334 Durantini 1983, S. 149. 335 Bagley 1984, S. 371. Selbst wenn es sich – wie von Marijnissen 2003, S. 80 vermutet, um einen schlichten Topf handelt: Die Zweckentfremdung von Rute und Behältnis ist eindeutig. 336 „Wat bat kaars of bril, als die uil niet kijken will“; Harrebomée 1858, Bd. I, S. 91; Berlin 1975, S. 58; Bagley 1984, S. 361: In späteren Ausgaben kann man den Spruch im bzw. unter dem Bild lesen, „Eule“ durch „Esel“ ersetzt: Orenstein 2006, S. 70, Nr. 32, mit Abb., und Nr. 32 c. Zur Eule als Sinnbild der Torheit: Vandenbroeck 1985, S. 88 ff., zum Sprichwort S. 94 ff.; zur Bedeutung von Sprichwörtern im Werk bzw. zur Zeit Bruegels allgemein: Sullivan 1991, S. 431–466.

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se Utensilien werden, wie die Rute des Lehrers, nicht sachgerecht benutzt. Ähnlich verhält es sich mit den Körben, die von den Schülern zum Teil zweckentfremdet werden: Wie eben beschrieben als Spielzeug, als Versteck vorne rechts und zum Transport von Büchern vorne links. Die mögliche Bedeutung dieser beiden Szenen wird gleich noch kurz erörtert werden. Die Haltung der Esel bei Bruegel und auf der Illustration Wimpfelings [Abb. 31], wo der Esel der Lehrer ist, ist praktisch identisch: Vor beiden liegen ein offenes Buch bzw. Notenblätter. Der Esel des Holzschnitts allerdings trägt die Brille, die durch die Spiegelung des Glases die Augen regelrecht verdeckt, während sie bei Bruegel neben dem Huf des Tieres liegt. Der Esel ist – auch da er etwas abseits steht – weniger als einer der Schüler, sondern eher als Sinnbild für die Dummheit der Dargestellten zu verstehen.337 So ist die niederländische Bildunterschrift: „Geht der Esel auch zur Schule um zu lernen, wird er, wenn er tatsächlich ein Esel ist, nicht als Pferd heimkehren“,338 als Prognose für den Bildungsweg der dämlich wirkenden Schüler gemeint, bei denen der Unterricht nicht fruchten wird, und möglicherweise auch für das Tun des Schulmeisters, der ganz offensichtlich ebenfalls wenig erfolgreich ist. Woran genau aber erkennt man die Tumbheit der Eleven? Fast alle tragen eine Kopfbedeckung. Unter den Hüten und Kapuzen verschwindet so mancher Kopf komplett, was die Protagonisten, von denen manche durch ihren Gesichtsausdruck oder ihre Haltung schon blöde wirken, kaum intelligenter aussehen lässt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Redensart: „Ihm fehlt etwas unter dem Hut“ auf sie zutrifft.339 So klingt in der Bildunterschrift – wie in den Tierschulen [Abb. 27–32] – die Torheit derer an, die trotz ihrer mangelnden intellektuellen Fähigkeiten, trotz ihrer geistigen Blindheit nach Wissen streben. Dazu kommt, dass die Körperhaltung mancher Dargestellter – etwa der links vom Lehrer mit den Ohren zwischen den Knien hockende Kerl – an die Krüppel auf einer Bosch oder Bruegel zugeschriebenen bzw. in ihrem Umkreis entstandene Darstellung erinnert [Abb. 35].340 Gemeint sind damit möglicherweise in Anlehnung an Sinnsprüche wie „Lügen gehen an Krücken“ negative, zwielichtige Charaktere [Abb. 36],341 deren körperliche Versehrtheit als Ausdruck „moralischer Minderwertigkeit“ angesehen wurde.342 Im Übrigen trägt mancher der Krüppel, etwa der sich am unteren Rand des Bildes auf zwei Krücken dem Betrachter nähernde Mann, einen Löffel am Hut. Diese Form des „Kopfschmucks“ ist auf späteren Darstellungen, etwa den Bildern Adriaen van Ostades, ein Attribut trotteliger Lehrer [etwa Abb. 124]. Sie findet sich aber auch in ganz anderem Zusammenhang auf etwa zeitgleich mit dem Esel in der Schule entstandenen Gemälden Bruegels, etwa seiner Wiener Bauernhochzeit oder dem Bauerntanz (Kirchweih) ebendort.343 Auf diesen vermutlich als Pendants gemalten Bildern sind es feiernde Bauern, die auf diese Weise ihren Löffel bei sich tragen – wohl, um bei den gereichten Mahlzeiten, zu denen üblicherweise kein Besteck ausgelegt wurde, mitessen zu können. Der Löffel am Hut ist demnach geeignet, einfache oder arme Menschen zu charakterisieren, und auch die Sünde der Völlerei klingt an, da diese so stets bereit waren, ordentlich zuzulangen, so337

Münz 1961, S. 225 f.; anders: Bagley 1984, S. 357, S. 374, Anm. 8. Auf dem Entwurf, allerdings nicht eigenhändig: „Al reyst den esele ter scholen om leeren – Ist eenen esele. hy en sal gheen peert weder keeren“; Tolnay 1952, S. 66; Berlin 1975, S. 57, Abb. 92. 339 „Het schort hem onder de hoed“; Bax 1949, S. 306; Stridbeck 1956, S. 91; de Pauw-de Veen 1979, S. 155. 340 Unbekannt (Hieronymus Bosch?): Bettler und Krüppel, 2. Hälfte 16. Jh. (?), Federzeichnung in Graubraun, 28.5 x 20.8 cm, Graphische Sammlung Albertina, Wien, Inv.-Nr. 7798; Wien 1928, Bd. II, S. 5, Kat.-Nr. 24, mit Abb. in Bd. I, Taf. 7, Nr. 24; abgebildet auch im Tafelteil zu de Pauw-de Veen 1979, Taf. 59, Abb. 2; verschiedene Positionen hinsichtlich der Zuschreibung der Blätter fasst Sudhoff 1981, S. 221, Anm. 355, zusammen. Die Verfasser von Boschs „Gesamtwerk“ sehen die Zeichnung als eigenhändig an: Koldeweij//Vandenbroeck/Vermet 2001, S. 110 f., mit Abb. 341 Unbekannt (nach Hieronymus Bosch?): Bettler und Krüppel, um 1570–1600, Kupferstich (veröffentlicht bei Hieronymus co*ck), 30.3 x 21.9 cm. Auf der Beischrift werden die Versehrten verhöhnt: Sie seien nicht in der Lage, auf dem rechten Weg zu bleiben. De Pauw-de Veen 1979, S. 153; Riggs 1979, S. 165 ff.; Amsterdam 1997a, S. 112, Abb. 2; Sellink 2007, S. 254; Koldeweij//Vandenbroeck/Vermet 2001, S. 114. 342 Sudhoff 1981, S. 104. Inwieweit die Körperhaltung als Spiegel des Charakters, eine aufrechte Pose demnach als Merkmal einer sich korrekt verhaltenden Person angesehen wurde, ist erläutert in Antwerpen 1987, S. 117, 145 ff., und bei Roodenburg 2004, S. 15 ff., 78 f. (entsprechende Passagen Erasmus’), S. 119 ff. (Figurenmuster der Kunsttheorie). 343 Pieter Bruegel d. Ä.: Bauernhochzeit:, um 1565–1567, Holz, 114.0 x 163.0 cm, Kunsthistorisches Museum Wien, Inv.Nr. 1027, und Bauerntanz (Kirchweih), um 1565–1567, Holz, 114.0 x 164.0 cm, Kunsthistorisches Museum Wien, Inv.Nr. 1059. Die wichtigsten Fakten und Literatur dazu bei Sellink 2007, S. 244–247, Kat.-Nr. 161 f., mit Abb. 338

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bald es etwas zu essen gab.344 Die Übereinstimmung der Form von Löffel und plak ist wohl Zufall, und es ist schwer zu sagen, wann das Holzutensil im Kontext von Schulszenen wirklich als Pritschholz zu identifizieren ist. Beim Esel in der Schule schmückt es den riesigen Hut der Gestalt im Vordergrund. Da Bruegels Schulmeister mit der Rute das Gegenstück der plak an seiner Kopfbedeckung trägt, scheint Bruegel bewusst mit dieser Doppeldeutigkeit zu spielen. Der Zusammenhang zwischen intellektueller Inkompetenz und pathologischen Phänomenen, wie Bruegel sie mit den deformierten Leibern der Schüler anklingen lässt, findet sich etwa bei Melanchthon, der in der 1533 publizierten Klage De miseriis paedagogorum den Lateinunterricht unfähiger Schüler beschreibt: „Erst steht er da, stumm wie eine Bildsäule; […] sucht nach Worten, verdreht dabei die Augen und reißt den Mund auf, wie ein Epileptischer. Endlich bringt er einen Ton heraus; aber um nicht auf einem Fehler ertappt zu werden, murmelt er unverständlich; manche bringen es zu einer wahren Virtuosität im Verschlucken der Endsilben. Man ruft: deutlicher! Er wiederholt, und nun hört man Wortungeheuer, wider Grammatik und Latinität.“345 Natürlich kann man aufgrund des Zitats keinen Bezug zwischen physischer Abnormität und geistigen Defiziten für Bruegels Bild begründen, allerdings zeigt die Passage ein weiteres Mal, inwiefern der Dummheit mancher Menschen mit einer Art von drastischem Sarkasmus begegnet wurde, wie er auch für den Esel in der Schule charakteristisch ist. Bei den Schülern handelt es sich offensichtlich nicht um Kinder.346 Einer von ihnen, sein Kopf erscheint unterhalb des Esels im Profil, hat eine Stirnglatze, ein anderer direkt links neben dem Lehrer scheint ganz kahl zu sein. Unabhängig davon, ob nun Kinder oder Erwachsene zu sehen, ob geistig oder moralisch verkrüppelte Menschen gemeint sind: Die Dargestellten machen nicht den Eindruck, als könnten sie sich ohne weiteres erheben, geschweige denn, sich aufrecht fortbewegen347 – eine Beschränkung, die sicher im übertragenen Sinne zu verstehen ist. Den Spott darüber treibt Bruegel auf die Spitze, indem er einen Hocker durch die an das Stuhlbein gebundene Schreibtafel als Mitglied der Klasse darstellt: Mit einer Kordel an der Kleidung befestigt trugen Kinder üblicherweise ihre Tafeln oder Hornbücher.348 Das Miniatur-Wappenschild am Kragen des Lehrers liefert ebenfalls ein Indiz für den Sinngehalt der Szene. Einen ähnlichen Anstecker trägt der Spielmann am rechten Rand der Wiener KrüppelZeichnung [Abb. 35] an der Kapuze. Sein Gewand ist – von der Gürtung, die man beim sitzenden Lehrer nicht sehen kann, einmal abgesehen – ähnlich wie das des Lehrers. Auf dem Nachstich ist die Form des Buttons dieselbe, auf dem des Krüppels ist jedoch etwas abgebildet, während der des Lehrers leer bleibt. Manche der anderen Gestalten tragen ebenfalls solche Embleme, jeweils in anderer Form. Es handelt sich um Kennzeichen, die es Bedürftigen erlaubten, in bestimmten Städten um Almosen zu bitten. Aus der Zeit um 1500 ist für die Stadt Nürnberg eine Richtlinie des Rates überliefert, die besagt, dass reisende Schüler (so genannte „Bettelstudenten“) nach der Prüfung durch einen örtlichen Schulmeister eine Plakette oder Medaille tragen durften, anhand derer man sie von den in der Stadt ansässigen Schülern unterscheiden konnte. Mit diesem Zeichen war ihnen das Betteln zur Finanzierung ihrer Ausbildung erlaubt.349 Zwar ist mir bislang keine Quelle bekannt, die diese Praxis für die Niederlande nachweist – es ist aber denkbar, dass dort ähnlich verfahren wurde. So würde das Ansteckzeichen des Schulmeisters ihn als (ehemaligen?) Bettelstudenten ausweisen. Diese Scholaren waren nicht gut gelitten, da sie sich – fern von Zuhause in größeren Gruppen – zuweilen recht unbeschwert und rüpelhaft benahmen, anstatt sich dem Wissenserwerb zu widmen.350 Passend scheint auch die Beobachtung Bagleys, das lose Tuch am Kopfputz des Lehrers symbolisiere dessen derangierten Geisteszustand. 344

Stridbeck 1956, S. 224. Zitiert nach Schiffler/Winkeler 2011, S. 68. Zum Text vgl.: Wachinger 1997, S. 49 ff., die Passage auf S. 61. 346 Würtenberger 1957, S. 97; Marijnissen 2003, S. 80. 347 Bagley 1984, S. 357 f. 348 Willemsen 2008, S. 167. Laut Durantini 1983, S. 147, 169, ist das auch auf der Allegorie des Morgens nach Goltzius zu sehen [Abb. 12]. Dort tragen die Kinder aber ihre Tafelkästen an einer Schlaufe über dem Arm. 349 Endres 1983, S. 147. 350 Zum niedrigen sozialen Ansehen dieser „fahrenden Schüler“ vgl. auch: Schubert 1994, S. 9–35. 345

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Da er in eine altmodische Gelehrtentracht gekleidet ist, könnte damit ebenfalls Zurückgebliebenheit gemeint sein [Abb. 37].351 Oder auch die Zeitlosigkeit der Dummheit, die es immer gegeben hat und immer geben wird. An Bruegels Unterrichtsszene lässt sich im Vergleich zu den früheren Darstellungen eine deutliche Erweiterung bzw. Veränderung der Ikonographie feststellen [etwa Abb. 20 f., 25 f., 31 f.].352 Die Schulklasse ist nicht mehr auf den ersten Blick als solche zu erkennen: Der Lehrer hat kein Pult, der Unterricht findet in einer Art Stall statt, die Schüler sind eine Ansammlung merkwürdiger Gestalten. Die Szene ist also – zumindest für den heutigen Betrachter – aufgrund weiterer rätselhafter Einzelheiten insgesamt kaum auf den ersten Blick als in irgendeiner Form mit Unterricht im Zusammenhang stehende Darstellung zu identifizieren. Ein heute noch leicht verständlicher Hinweis ist allerdings der Esel, der bis in die heutige Zeit als Sinnbild für störrische Unbelehrbarkeit gilt. Die darauf Bezug nehmende Inschrift unterstreicht, in Analogie zum oben zitierten Sprichwort von Kerze und Brille, dass die Anstrengungen des Tieres vergeblich sein werden. Welche Implikationen die Darstellung des Esels für den Menschen des 16. Jahrhunderts aufgrund der literarischen und bildlichen Tradition geboten hat, ist vorangehend dargelegt worden. Im Unterschied dazu wird Bruegel konkreter und schafft so ein komplexes motivisches Bezugssystem. Die Deutungsrichtung bleibt aber dieselbe. Wahrscheinlich spielt die Darstellung noch auf eine weitere sprachliche Wendung an, die beispielsweise Melanchthon in der bereits genannten Rede verwendet: „[...] ein Kamel tanzen oder einen Esel das Lautenschlagen lehren, wäre erträglichere Mühe“ (als einem Jungen Latein beizubringen). Aus Thomas Murners Narrenbeschwörung stammt der Ausspruch „einen Esel Latein lehren“, der dieselbe Vergeblichkeit beschreibt, und das von Würtenberger angeführte geflügelte Wort vom „Nicken des Eselskopfes“ als sinnfreie Gebärde weist ebenfalls in diese Richtung.353 Der Stich thematisiert folglich die Vergeblichkeit unangemessener Bildungsbemühungen von minderbemittelten Menschen und steht so in der Tradition didaktischer und religiöser Vorstellungen der Frühen Neuzeit, für die die gottgegebene Beschaffenheit des menschlichen Wesens zentrales Thema war.354 Diese Lesart bestätigen Versionen des Blattes, die den Sinnspruch mit Kerze und Brille variieren: Er besagt, dass diese Hilfsmittel sinnlos sind, sofern die Natur nicht „mitspielt“.355 Inwieweit vor allem Tiere ein geeignetes Mittel bieten, diese Vorstellungen zu veranschaulichen, hat das vorangehende Kapitel zu Tiersatiren gezeigt, ähnlich ist der Spott aber zum Beispiel auch auf Dürers Holzschnitt [Abb. 21] formuliert, wo die Schüler sich hinter einer Mauer ducken, die ihren geistigen Horizont beschränkt.356 Es ist vermutet worden, dass die Szene in Anlehnung an eine Passage aus Erasmus’ Lob der Torheit entworfen wurde.357 Tatsächlich fühlt man sich beim Betrachten des Bildes vage daran erinnert. Der Humanist lässt sich genüsslich darüber aus, dass diejenigen, die ihr Leben dem Lehren geweiht haben, am weitesten entfernt von der Weisheit seien: „[…] eine Klasse von Menschen, wie sie unglücklicher, geplagter, gottverlassener nicht zu denken ist, wüsste nicht ich [es spricht die Torheit] die Leiden dieses bedauernswerten Standes durch holden Wahn erträglich zu gestalten. [...] mit ewig knurrendem Magen, in schäbigem Rock sitzen sie in ihrer Schulstube – Schulstube sage ich? Sorgenhaus sollte ich sagen, besser noch Tretmühle und Folterkammer – inmitten einer Herde von Knaben und werden früh alt von der Arbeit, taub vom Geschrei, schwindsüchtig von Stickluft und 351

Durantini 1983, S. 144; Bagley 1984, S. 358. Vergleichbares Ornat tragen Lehrer auf Manuskript-Illustrationen, vgl. z. B. die Schulszene im Stundenbuch der Katharina von Kleve, um 1450, fol. 62 r., Pierpont Morgan Library, N. Y., Inv.Nr. M. 917 (Willemsen 2008, S. 46, Abb. 15), oder ein Schreiber in einem Utrechter Stundenbuch, um 1460, fol. 34 v., Museum Meermanno, Den Haag, Inv.-Nr. 10 F 50 [Abb. 37]; Willemsen 2008, S. 62, Abb. 28. 352 Durantini 1983, S. 146. 353 Spanier 1926, S. 367 (Murner 1512, Kap. 72); Würtenberger 1957, S. 97; Berlin 1975, S. 57; ähnliche Zitate bei: Durantini 1983, S. 145; Bagley 1984, S. 374, Anm. 9. Auch Melanchthon bezieht sich mit Vergil bzw. Erasmus auf ältere Textstellen: Wachinger 1997, S. 53, 55. 354 Bagley 1984, S. 361 ff., führt v. a. Bezüge zu Schriften Erasmus’ an, diese Ansichten gehörten aber, wie die oben angeführten Texte zeigen, zum gedanklichen Allgemeingut des 16. Jh.s. 355 Bagley 1984, S. 361, S. 373, Anm. 5. 356 Schweinfurt/Bad Arolsen/Bottrop 1999–2001, S. 176. 357 Stridbeck 1956, S. 166; anders: Bagley 1984, S. 362.

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Gestank. Doch meine Gnade schafft, dass sie an der Spitze der Menschheit zu stehen glaubt. So wohl tut es ihnen, die ängstliche Schar mit drohender Miene und Stimme einzuschüchtern, mit Rütlein, Stecken und Riemen die armen Opfer abzustrafen und auf jede Art und Weise nach Lust und Laune den Wüterich zu spielen wie jener Esel in der Löwenhaut. Da verwandelt sich Armut in Pracht, Gestank in Rosenduft, Frondienst in Herrentum. [...] Noch mehr beglückt sie ein seltener Glaube an ihre Gelehrsamkeit. Denn ist es auch heller Unsinn, was die meisten den Knaben eintrichtern [...] und eine rätselhafte Taschenspielerei bringt ihnen das Kunststück fertig, dass die dumme Mama und der unwissende Vater den Lehrer richtig für das halten, wozu er sich selber macht […]“358 Eine Randzeichnung zu der Passage von der Hand Hans Holbeins d. J. [Abb. 38],359 zeigt wohl einen Lehrer, der mit einer Reisigrute den nackten Podex eines strampelnden Knaben traktiert. Hinter dem Rücken des Mannes blitzen die schellenbesetzten Zipfel einer Narrenkappe hervor, die ihm im Eifer des Gefechts offenbar vom Kopf gerutscht ist. Erasmus’ Spott stimmt zwar motivisch nicht bis ins Letzte mit dem Esel in der Schule überein – so sieht der Lehrer weder „alt“ noch „schwindsüchtig“ aus, und auch sein Gewand macht einen gepflegten Eindruck, zudem ist der Esel in diesem Fall ein Schüler, entsprechend fehlt ihm das zur Täuschung genutzte Löwenfell, doch ist nicht auszuschließen – vielmehr ist es meines Erachtens sogar wahrscheinlich – dass Bruegel sich durch den Text hat inspirieren lassen. Ganz im Sinne von Erasmus, dessen Lob der Torheit sich ja über die Selbsttäuschung verschiedener Stände lustig macht, gilt Bruegels Spott nicht nur den Lehrern, sondern allen Menschen, die von Natur aus nicht dazu ausgestattet sind, sich geistig wesentlich weiter zu entwickeln.360 Dieser Gedanke findet sich bei Erasmus auch in anderen Publikationen, die sich zugleich motivisch unmittelbar mit dem Esel in der Schule verknüpfen lassen, etwa in der schon zitierten Schrift De pueris instituendis: „Was würdest du mit Eseln und Ochsen machen, wenn sie in die Schule kämen? Würdest du sie nicht aufs Land jagen und die ersteren in die Mühle geben, die andern an den Pflug spannen? Es gibt ja Menschen, die für die Pflugschar und die Mühle geboren sind, gerade so wie die Ochsen und Esel.“361 Doch scheint gerade dieser Text nicht besonders verbreitet gewesen zu sein,362 so dass die Wahrscheinlichkeit, dass er Bruegel geläufig war, geringer ist als für das Lob der Torheit anzunehmen. 358

Erasmus 1560, fol. 76 (die vom Herausgeber der Verständlichkeit halber ergänzten Buchstaben sind kursiv gesetzt): […] „een aerdt der menschen die de alder ellendichste ende alderbedrucste, ende van de Goden alderseerst souden gehaet zijn, ten ware dat ick [es spricht die Torheit] het verdriet der alder erbarmlicster leeringhe met eenen soeten aerdt der wtsinnicheyt versachtede. […] altijts hongerich ende onreyn in hare scholen (wat segge ic scholen) Ja in de sorchcamer of trecmolen, of slachthuys, onder de cudden der kinderen oudt worden door arbeyt, ende doof door roepen, ende versmachten door den stanc ende veesten: maer het geschiet door mijn weldaet dat sy henseluen schijnen de opperste onder alle menschen te zijn. So seer behagen sy henseluen, als sy den beureesden hoop met dreygelicken aensichte ende stemme verschricken, als sy de ellendige met hantplackers, roeden, ende sweepen door [/] snijden, als sy allesins na haer goetduncken wreedicheyt bedrijuen, dien Cumaenschen Esel nauolghende. Hierentusschen schijnt hen de onreynicheyt enckel reynicheyt, ende die stanck riect hen als+Amaricinum, ende die alder ellendichste dienstbaerheyt wort voor een Rijcke geacht […] Maer sy zijn oock veel gheluckigher door eenighen nieuwen waen der leeringe. Want hoe wel sy vele den kinderen enckele raserien in stampen […] Ende sy maken dat wonderlick met (ick en weet niet wat) Toouerye, dat sy de sotten moederen ende ongeleerden vaderen sulck schijnen, als sy henseluen maken.“ Übersetzung nach Welzig 1972, Bd. II, S. 116 ff., die lateinische Fassung bei Clericus 1703, Bd. IV, Sp. 457 f. Aufgegriffen wird dieser Spott u. a. auch von Dafforne 1627, S. 22; vgl. auch: de Planque 1926, S. 17; Günther 1959, S. 42. 359 Hans Holbein d. J. (?): Prügelszene, 1515, Federzeichnung in Erasmus’ Lob der Torheit, Exemplar im Kunstmuseum Basel – Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. 1662.166; Schmidt 1931, S. 3; Bagley 1984, S. 363, Abb. 3; Basel 1988, S. 20 ff., und Basel 2006, S. 146 f., zur Entstehung des Buches bzw. der Illustrationen; Willemsen 2008, S. 143, Abb. 119. 360 Es ist dies ein Thema, das Bruegel auch in der zwei Jahre später entstandenen Darstellung des Elck (Jedermann) anklingen lässt. Auch diese Suche nach Weisheit, Erleuchtung oder Selbsterkenntnis wird trotz Brille und Laterne scheitern: Pieter Bruegel d. Ä.: Elck, Federzeichnung, 20.9 x 29.2 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. 1854,0628.36. Zu den wichtigsten Interpretationsansätzen siehe zuletzt: Rotterdam/New York 2001, S. 166 ff., Kat.-Nr. 58 und 59 (Kupferstich) mit Abb.; Sellink 2007, S. 116 f., Nr. 66 und 67 (Kupferstich) mit Abb. Zum Stich: Orenstein 2006, S. 78 ff., Nr. 35. 361 Gail 1963, S. 145; Bagley 1984, S. 365. Auf den folgenden Seiten erläutert Bagley auch weitere Aspekte der literarischen Tradition des Eselsmotivs, auf die sich Erasmus und auch Bruegel bezogen haben mögen. 362 Israel 1879, S. IV f.; Spitzner 1893, S. 3 f.

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Darüber hinaus bestehen Parallelen zu der im vorangegangenen Kapitel erwähnten Fabel über den Esel Brunellus, die Erasmus und auch Bruegel gekannt haben mögen. Dieser missachtet seine Bestimmung als Nutztier und macht sich zum Studium nach Paris auf. Der gestochenen Version des Esel in der Schule [Abb. 34] wurde – wohl für den internationalen Markt – eine Variante des Sprichworts in Latein beigefügt: Anstatt zur Schule zu gehen, begibt sich der Esel in dieser Fassung wie Brunellus nach Paris.363 Eine Metapher für die Unzufriedenheit mit dem eigenen Schicksal ist Brunellus Schwanz, der nach dessen Empfinden zu kurz geraten ist. Als erstrebenswert erscheint ihm der Schweif eines Pferdes, das ebenfalls in Bruegels Bildunterschrift genannt wird. Dass Wireker am Schluss seiner Erzählung die Geschichte des Esels als Mahnung für alle Menschen empfiehlt, nicht höher hinaus zu wollen, als das Schicksal es für sie vorgesehen hat, bestätigt die Vermutung, dass Bruegels Blatt auch so zu verstehen ist.364 In diesem Zusammenhang erschließt sich auch der von Bruegel zum Ort des Unterrichts bestimmte einfache Raum oder Stall. Ein Indiz für die Schlichtheit des Gebäudes ist die mit einem geflochtenen Gitter versehene Öffnung in der Rückwand. Es ist dies ein hor, wie er unter anderem auf Bruegels Sprichwörtern zu sehen ist.365 Dort ist das Fenstergitter an der Außenseite des heruntergekommenen Gebäudes links im Vordergrund angebracht. Ich denke deswegen nicht, dass die Schule auf der Graphik im Freien stattfindet, denn das geflochtene Gitter könnte in Innenräumen ebenso Verwendung gefunden haben. Das ist umso wahrscheinlicher, als die isolierende Wirkung des Flechtwerks gering ist. Hätte Bruegel zeigen wollen, dass die Schule draußen abgehalten wird – was angesichts der desolaten Situation dieses Haufens nicht verwundern würde –, hätte er dies etwa durch die Abbildung von Vegetation deutlicher tun können. Wie dem auch sei: Die Schule findet in der für den Esel und die sich auf vergleichbarem geistigen Niveau bewegenden Menschen passenden Umgebung statt. Dass der Lehrer deplatziert wirkt, gehört zu Bruegels Konzept, in dem auch andere Gegensätze konstruiert sind – etwa die musikalischen Ambitionen des Esels oder die nicht schlüssigen Größenverhältnisse: Der Vierbeiner und der Schulmeister haben im Verhältnis zu dem sie umgebenden Raum und den darin befindlichen Gegenstände eine plausible Größe, für die restlichen Dargestellten ist die Umgebung deutlich zu groß, wodurch ein surrealer Eindruck entsteht. Bei der offenbar ebenfalls in einer Art Stall lokalisierten Schulszene der Grammatica [Abb. 22] nach Floris bleiben die agrarischen Motive deutlicher im Hintergrund, sie sind aber doch präsent und entsprechend schwer einzuordnen. Stellt der Raum bei Bruegel ein möglichst unpassendes Umfeld für konzentriertes Lernen und gelehrte Bildung dar, ist das bei Floris weniger klar zu erkennen, immerhin sind die Grammatica und ihre Schüler – anders als bei Bruegel – aufrecht und eifrig bei der Sache. Dass Floris Bruegel zitiert, oder Bruegel die etwa zeitgleich mit seiner Zeichnung [Abb. 33] von Nicolaas Jongelinck in Auftrag gegebene Vorlage Floris’,366 ist aber unwahrscheinlich, dazu sind die Parallelen zu vage. Fest steht jedoch, dass der scheunenartige Raum für einen großen Teil der Schulbilder des 17. Jahrhunderts zum charakteristischen Merkmal werden wird. Neu ist auch, dass sich die „Schüler“ einer Schule nicht angemessen benehmen. Selbst auf den früheren Tiersatiren sitzen die Eleven brav in Reih und Glied, das Grimassenschneiden und andere Ungebührlichkeiten unterbleiben.367 Auch die gedrungene, wenn auch nicht im eigentlichen Sinne missgebildete Gestalt der Schüler auf Bruegels Bild wird in den späteren Darstellungen der ärmlichen Schulen übernommen [etwa Abb. 124 oder 133]. Sie setzt die so als lächerlich und verachtenswert charakterisierten Schüler, die zugleich als einer niederen sozialen Klasse zugehörig zu erkennen sind, vom Stand des Betrachters ab.368 Welche anderen Motive der Dorfschulen des 17. Jahrhunderts durch Bruegel vorgebildet sind, wird später im Einzelnen dargelegt werden.

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Für die Deutung ist es im Grunde unerheblich, ob dieser Zusatz nun von Bruegel selbst oder, was wahrscheinlicher ist, vom Verleger co*ck stammt. Bagley 1984, S. 361, 366 sowie S. 375, Anm. 18. 364 Bagley 1984, S. 367 f. 365 Marijnissen 2003, S. 80. 366 Van de Velde 1975, Bd. I, S. 239 ff., Nr. 93–99; Reichert 2004, S. 37 f., 265 f., Nr. 77. 367 Durantini 1983, S. 152. 368 Sudhoff 1981, S. 144, zum Spott über Bettler oder Krüppel; Raupp 1986, S. 50 f., zur abwertenden äußerlichen Charakterisierung der Bauern.

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IV.1.1 Offene Fragen Einige Details der Szene sind auch im Rahmen der eben erläuterten Bedeutungszusammenhänge nicht eindeutig zu erklären: Etwa die beiden in eine Art Mönchskutte gekleideten Figuren im Vordergrund: Rücken an Rücken sitzend scheinen sie in einen Disput verstrickt, vielleicht über die Auslegung von theologischen Texten. Die beiden tragen nicht denselben Habit, so dass die Vermutung, es handele sich um „Kritik Brueghels an der Kirche seiner Zeit“369, also an der Spaltung der Glaubensrichtungen oder anderen Zwistigkeiten, nicht unbegründet ist. Nach der die Imker Bruegels370 betreffenden Einschätzung Mielkes könnte auch der umgefallene Bienenkorb, der daraus hervorlugende bloße Podex und der bedrohlich heranschwirrende Bienenschwarm als kirchenkritisches Motiv gedeutet werden. Auch, dass die sich im Korb verkriechende Gestalt ein beschriebenes Blatt so hält, als wolle sie sich den Hintern damit abwischen, könnte so verstanden werden.371 Der Bienenkorb war im 16. Jahrhundert ein gängiges Synonym für die katholische Kirche, die Kleriker wurden mit Bienen gleichgesetzt. Allerdings ist die bekannte Polemik Philip Marnix van St. Aldegondes, Bijenkorf der H. Roomsche Kercke, erst 14 Jahre nach dem Stich erschienen.372 Da aber anzunehmen ist, dass sie Ansichten zusammenfasst, die im theologischen Diskurs schon vorher gängig waren,373 ist ein Bezug Bruegels auf zeitgenössische Kirchenkritik in dieser Form zumindest möglich. Erinnert man sich an die scharfe Verurteilung der von Mönchen geführten Schulen durch Erasmus und an Luther, der die katholische Schulen seiner Kindheit mit einem Eselsstall gleichsetzt, ist auch eine Anspielung auf aktuelle Diskussionen über das Schulsystem denkbar.374 Das Sinnbild fleißiger Schüler, die das Wissen wie Bienen in den Stock tragen, ist offenbar erst in Comenius’ rund 100 Jahre später erschienener Schrift Orbis sensualium pictus nachweisbar.375 Nichtsdestotrotz werden Bienen schon im 16. Jahrhundert mit Arbeitseifer in Verbindung gebracht376 – und da dieser Eifer nicht zu erkennen ist (und schon gar nicht seine Erträge), sind die umgestürzten Körbe unter Umständen auch schlicht als ironischer Hinweis auf die in dieser Schule vertane Zeit zu verstehen. Weitere Einzelheiten entziehen sich der einfachen Deutung: Wer ist die – scheinbar weibliche – Gestalt, die durch die fensterartige Wandöffnung im Hintergrund auf das Treiben schaut? Sie ist unverhältnismäßig groß, größer noch als der Lehrer. Seine Frau ist es also nicht.377 Ist es Grammatica, die durch ihre Anwesenheit an die „richtigen“ Lern- und Lehrmethoden gemahnt? Ihre Kopfbedeckung spricht dagegen, es handelt sich schlicht um ein über den Kopf gelegtes Tuch. Die Gewänder der anderen Personifikationen sind deutlich kunstvoller drapiert, manche sind – wie die Personifikation Floris’ [Abb. 22] – sogar bekränzt. Es könnte die Torheit sein, die nicht nur laut Erasmus weiblich ist. Er geht noch weiter: „[…] eine Frau, die als weise angesehen werden will, ist ein zweifacher Narr“.378 Ein solcher ist unterhalb der 369

Hamburg 2001, S. 56. Pieter Bruegel: Die Imker, 155(?), Federzeichnung, 20.3 x 30.9 cm, SMBPK Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. KdZ 713; Mielke 1996, S. 68 f., Nr. 66, Abb. auf S. 191. 371 Möglicherweise kommt noch die Anspielung auf die widerlichen Momente des Lebens im Allgemeinen dazu, die mit dem so verbildlichten Geruch evoziert wird. Das diesen Zusammenhang thematisierende Emblem Jan de Brunes „Dit lijf, wat ist, als stanck en mist?“, ist zwar erst 1624 veröffentlicht worden, doch ist es gut denkbar, dass die Verbindung bereits in früheren Quellen gezogen wurde. De Brune 1624, S. 17; Schama 1988, S. 513, Abb. 236, auf S. 515. 372 Hamburg 2001, S. 56; Mielke 1996, S. 68; Sybesma 1991, S. 471 ff. Zu Marnix’ Wirken siehe u. a. van Deursen 2001, S. 23–27, zum Bijenkorf S. 26. Vgl. auch: http://www.dbnl.org/tekst/marn001bien01_01/ (digitale Version des Bijenkorf, Aufruf 15.03.2015). 373 e Das lässt zumindest die Formulierung „Marnix verzamelde in dit enkel schrift al de wapens die de xvi eeuw tegen den geest der middeneeuwen gesmeed heeft“ vermuten. Zitiert aus: van Meenen 1858, S. 9. 374 Vgl. hier Kapitel II.2 (Kaemmel 1882, S. 355) und III.1.2 (Luther 1545, Bd. 54, S. 286). 375 Die englische Ausgabe des Jahres 1659 (Hg. Charles Hoole, London) zum Stichwort „Eifer“ („diligence“) wird zitiert in: Bagley 1984, S. 374, Anm. 13. 376 Der Bienenkorb wird auf den 1562 geprägten Münzen der Antwerpener Schulmeistergilde als Attribut ihres Schutzpatrons, des Heiligen Ambrosius, abgebildet: Bourland 1951, S. 31. 377 Das schlägt Marijnissen 2003, S. 80 vor. 378 Erasmus 1560, fol. 28 r.: „Ende ist dat misschien eenich wijf wil wijs gheacht worden, die en maect niet anders dan dat sy dobbel sot sy.“ Bagley 1984, S. 371; Wesseling 1994, S. 356. 370

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Figur zu sehen: Da sitzen zwei unter einem riesigen Hut mit Pfauenfeder, den eine Gestalt aus dem Hintergrund über sie stülpt (oder wegnimmt?). Die Redewendung „zwei Narren unter einer Mütze“ – gemeint sind zwei, die gemeinsam durch Dick und Dünn gehen – hat Bruegel auch in den Sprichwörtern verbildlicht.379 Die beiden in der Schule halten ein Blatt und schauen zum Esel auf. Womöglich liegt die Betonung hier weniger auf der Verbundenheit als auf der Narrheit der Dargestellten, die vom Esel eine Leistung zu erwarten scheinen. Und was bedeutet die Feder? Einige der Bettler auf der Wiener Zeichnung [Abb. 35] tragen Federn an den Hüten. Deutlicher als auf der Zeichnung sind sie auf dem Nachstich [Abb. 36] zu erkennen, dort sind manche Details betont oder ausgeschmückt. Sicher war die auf Aesops Fabel zurückgehende Wendung „sich mit fremden Federn schmücken“ damals vielen Betrachtern geläufig:380 Sie erzählt von einer mit ihrer Unscheinbarkeit unzufriedenen Krähe, die sich mit bunten Federn anderer Vögel, vor allem Pfauen, ausstaffiert.381 Zur Strafe und als Lehre für alle, die sich nicht mit ihrer naturgegebenen Gestalt zufrieden geben, wird ihr nicht nur der fremde Schmuck entrissen, sie verliert auch einen Teil des eigenen Federkleids. Die von Bruegel dargestellten Figuren sind demnach nichts anderes als eitle Blender, die etwas anderes sein wollen als das, was in Gottes Schöpfungsplan für sie vorgesehen ist. Dazu passt auch die in bäuerliche Tracht gekleidete Frau, die zwei riesige Bücher aus einem nicht minder großen Korb zu hieven versucht. Sie selbst steht in diesem Korb, anstatt ihn zu tragen – ein Symbol für die „Verkehrte Welt“?382 Ein weiteres Zeichen für unsinnige Verkehrung wäre auch, dass die Schule – wie angedacht – im Freien stattfindet, wo Kinder und Lehrer allen möglichen Störungen und vor allem Witterungseinflüssen ausgesetzt sind. Andererseits mag das Gefäß auf den Ausdruck „aus dem Korb ohne Sorge leben“383 anspielen, der eine törichte Art der Sorglosigkeit beschreibt und entsprechend ebenfalls zur Charakterisierung der Schüler als tölpelhaft passen würde. Bagley hält den Stuhl des Lehrers für einen Betstuhl. Ein Blick in die linke untere Ecke einer Allegorie der Temperantia [Abb. 39], der gleich mit der Betrachtung der dort dargestellten Schulklasse noch vertieft wird, zeigt jedoch, dass es sich eher um ein allgemein gebräuchliches, schlichtes Modell handelt.384 Der Lehrer der gegenüber liegenden Schulszene hingegen sitzt, wie die meisten seiner Kollegen, auf einem Lehnstuhl. Beim Esel in der Schule trägt der Stuhl ein weiteres Spottmotiv, denn der darauf abgestellte Krug wird sicher spätestens dann zu Boden fallen, wenn der erste Schlag auf den Hintern des zu bestrafenden Schülers trifft.385 Der Mann, der im Vordergrund der Temperantia links auf einem solchen Stuhl sitzt, zählt Geld. Und er trägt dieselbe, ursprünglich burgundische Kopfbedeckung mit Sendelbinde. Im 16. Jahrhundert sind diese typisch für die Darstellung von Wucherern, zu sehen etwa an einem in der Tradition Quinten Massys (1456/1466– 1530) gemalten Geldwechsler Marinus van Reymerswaeles (um 1497–1567).386 Der Vergleich zeigt, dass es sich bei dem Kopfschmuck des Lehrers um eine Karikatur des ohnehin schon veralteten Accessoires handelt, denn dieses hängt von seinem Kopf fast bis zum Boden herab. Den Lehrer von Bruegels Esel in der Schule zeichnen also Gegenstände aus, die im 16. Jahrhundert vor allem mit der eher schlecht beleumundeten Berufsgruppe der Bankiers in Verbindung gebracht wurden. Darin mag man den Vorwurf der Geldgier erkennen, der – trotz der finanziell vielfach prekären Lage vieler Schulmeister – in abfälligen Äußerungen über den geringen Anspruch des Lehrberufs mitschwingt. Diese Motive sind zudem ins Lächerliche überzogen, womöglich, weil der Lehrer seine Dienste in einer Klasse anbietet, die selbst durch Zauberei nicht klüger zu machen wäre. 379

Pieter Bruegel: Die niederländischen Sprichwörter, 1559, Leinwand, 117.5 x 163.5 cm, Gemäldegalerie Berlin; Bagley 1984, S. 358, S. 374, Anm. 13; Meadow 2002, S. 46 ff., Abb. 18 (Detail); Marijnissen 2003, S. 141, Nr. 52 (Abb. auf S. 133). 380 Marcus Gheeraerts d.Ä. (um 1520 – um 1590) etwa illustrierte 1567 eine Ausgabe mit Emblemgedichten von Eduard de Dene, die sich auf ältere Ausgaben bezieht: de Dene 1567, S. 162 f. (Paeuven en Acxtere); Smith 2003, S. 150; Lytzau Forup 2007, S. 142 f., mit Abb. 381 Binder/Siebelius 1959, S. 100 f. 382 Bagley 1984, S. 358. 383 Harrebomé 1858, Bd. I, S. 440; Durantini 1983, S. 146. 384 Bagley 1984, S. 374, Anm. 10, nennt weitere Bilder Bruegels, auf denen ein solcher Stuhl zu sehen ist – was auch seiner Identifikation als sakrales Möbel widerspricht. 385 Durantini 1983, S. 147. 386 Marinus van Reymerswaele: Der Geldwechsler und seine Frau, 1539, Öl/Holz, 83.0 x 97.0 cm, Museo del Prado, Madrid, Inv.-Nr. P02567; Madrid 1995, S. 389, mit Abb.

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IV.1.2 Versuch einer zusammenfassenden Deutung Auch wenn diese Details nicht bis ins Letzte zu entschlüsseln sind,387 widersprechen sie zumindest nicht der Ansicht, der Esel in der Schule sei im weitesten Sinne als Darstellung törichter Menschen zu verstehen. Nicht nur ihre eitlen Bildungsbemühungen sind verfehlt, ihre Haltung zum Leben ist insgesamt anmaßend. Folglich mag die Vermutung, die lateinische Unterschrift beziehe auch Eltern ein, die die geistigen Kapazitäten ihrer Kinder überschätzen, zutreffen.388 Doch auch der Lehrer ist von dieser Kritik nicht ausgenommen, im Gegenteil. Inwiefern die Szene eine kritische Sichtweise auf Lehren und Lernen unter falschen Voraussetzungen verbildlicht, unterstreicht der Vergleich mit der etwas späteren Unterrichtsdarstellung auf Bruegels Allegorie der Temperantia [Abb. 39].389 Die Figur rahmen szenische Sinnbilder der Sieben Freien Künste: Dialektik, Geometrie, Astronomie, Musik, Rhetorik, Arithmetik, unten rechts die die Grammatik erlernenden Schüler. Ihr Lehrer sitzt, mit Pelzmütze und passend besetztem Mantel gekleidet, zurückgelehnt in einem Lehnstuhl. An seinem Gürtel steckt ein Reisigbündel, in der Hand hält er die plak, er ist also gut gerüstet. Von der Armlehne des Stuhls hängen ein Tintenfass und eine Hülle für Federkiele. Diese Utensilien trägt auch der Junge, der vor ihm steht, um von einem Täfelchen, das der Lehrer hält, die Buchstaben A bis I abzulesen. Die anderen Kinder – ausnahmslos Knaben – haben kein Schreibzeug. Womöglich beherrschen sie das Schreiben noch nicht. Sie sitzen zu Füßen des Lehrers und lesen zu zweit oder alleine in Büchern. Ein Junge links studiert eine Art Urkunde. Mancher benutzt den Griffel als Lesehilfe, andere zeigen mit dem Finger auf die fraglichen Stellen. Die Übersetzung der lateinischen Bildunterschrift lautet: „Wir sollten so leben, dass wir weder aus Wollust den Anschein eines verschwenderischen Daseins im Überfluss erwecken, noch aus Habsucht geizig in Schmutz und Dunkelheit unser Dasein fristen.“390 Es geht also um das rechte Maß in allen Dingen. Es einzuhalten, ist ein Gebot der rechten Lebensführung – ein Gebot, das von den eselhaften Schülern missachtet wird. Die die Tugend der Temperantia befolgende Schulklasse dagegen ist eifrig bei der Sache, die Szene ist auf das Wesentliche konzentriert, es gibt keine Motive, die auf etwas anderes als Lernen deuten. Gerade in dieser Gegenüberstellung wird deutlich, dass diese Schule – auch wenn die anderen Künste gemäß der Gegensätze formulierenden Bildunterschrift durchaus ambivalent dargestellt werden – ein Ort des erfolgreichen Lernens ist. Die gegenteilige Einschätzung Zupnicks391 beruht im Wesentlichen auf der Ansicht, der Lehrer halte als Zeichen der voluptas einen Kochlöffel in der Hand. Es handelt sich aber schlicht um das Pritschholz als Attribut der Grammatica, als das auch die Reisigrute an seinem Gürtel zu verstehen ist. Entscheidend für die Eignung dieses Lehrers ist, dass die Instrumente nicht zum Einsatz kommen, da die Schüler auch ohne körperliche Gewalt folgsam sind. Die (Aus-)Bildung der späteren Gelehrten ist demnach bei dem Strenge und Strafe maßvoll einsetzenden Schulmeister in guten Händen und wird sicher von Erfolg gekrönt sein.392 Dass die mahnende Verbildlichung von vergeblichen Versuchen, das eigene Schicksal zu verbessern, eine zeitgenössische Lebensauffassung widerspiegelt, ist schon angeklungen:393 Das menschliche Dasein wird als vorbestimmt angesehen, tiefgehende Veränderungsversuche sind wider die Natur, gelten als anmaßend, gar als Sünde. Wahre Tugend zeigt, wer sich mit seiner Situation abfindet und das Beste daraus macht. So wie die Brille, mit der ein des Lesens unkundiges Tier nichts 387

Weitere nennt Bagley 1984, S. 371. Bagley 1984, S. 367 f. 389 Philips Galle (nach Pieter Bruegel d. Ä.): Temperantia (aus Serie der Sieben Tugenden), 1560–1562, Kupferstich, 22.4 x 29.6 cm, Rijksprentenkabinet Amsterdam, Inv.-Nr. RP-P-OB-7376 (http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.344415 mit weiteren Angaben und Literatur, Aufruf 21.03.2015); Berlin 1975, S. 69 f., Nr. 74, Abb. 104; Mielke 1996, S. 56 ff., Nr. 51, Abb. auf S. 174; zum Stich: Hamburg 2001, S. 82 f., Kat.-Nr. 37, mit Abb. 390 “Vivendum, ut nec voluptati dediti prodigi et luxuriosi [/] appareamus, nec avara tenacitati sordidi aut obscuri existamus“. 391 Zupnick 1972, S. 105, bes. Anm. 5. 392 Auch Baer 2000/2001, S. 50, Anm. 117, sieht in der Szene ein positives Exemplum – allerdings ohne dies näher zu begründen. 393 Zitat wie oben: Mainz 1997, S. 62, Anm. 5; Durantini 1983, S. 144 f., 150 f.; Bagley 1984, S. 362 f., zeigt zum Beispiel die Parallelen zur Auffassung Erasmus’ auf. 388

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anfangen kann, und die brennende Kerze bei Tag unsinnig sind, so machen die geistig unterbelichteten Wesen sich lächerlich, weil sie danach streben, zu hoch gesteckte Ziele trotz ihrer Handicaps zu erreichen. Was für wirtschaftlich, sozial oder intellektuell Benachteiligte wie bitterer Hohn klingt, war wesentlicher Bestandteil der frühneuzeitlichen Ständelehre und damit auch im 16. Jahrhundert ein Grundpfeiler der Gesellschaft. Seinen Stand verlassen zu wollen und somit die soziale Ordnung zu durchbrechen bedeutete närrische Hoffart, die gottgegebene Position in der ständischen Hierarchie zu akzeptieren und sein Dasein nach den vorhandenen Möglichkeiten zu gestalten, war dagegen ein Beweis von Rechtschaffenheit und wurde von der kirchlichen und weltlichen Obrigkeit propagiert. Der Inbegriff der niederen Klasse und somit für die Veranschaulichung dieser Gesellschaftslehre am besten geeignet ist natürlich der hierarchisch untergeordnete Bauer,394 nicht ohne Grund Pieter Bruegels bevorzugter Protagonist. Als überzeichnete Symbolfigur alles Niederen ist die Figur des plumpen Landbewohners ein idealer Gegenstand der Satire. Der Spott über dessen Dummheit, Faulheit und Wollust ist bezeichnend für die Werke Bruegels und vieler seiner Zeitgenossen und wirkt als belehrend-erzieherisches Mittel, wie beispielsweise an den Schulszenen Adriaen van Ostades zu sehen ist, bis weit ins 17. Jahrhundert fort.395 Tatsächlich ist aber die Bezeichnung „Bauernschule“ im nämlichen Sinn in diesem Kontext nicht immer korrekt, natürlich sind auch andere Bewohner ländlicher Gegenden oder schlicht arme Menschen gemeint. So soll hier stattdessen der Begriff „Dorfschule“ benutzt werden – auf die Gefahr hin, dass dieser ebenfalls nicht zutreffend ist, wenn zum Beispiel – wie bei Bruegel – schlicht eine besonders schlecht geführte Schule gemeint ist, die theoretisch natürlich auch in einer Stadt zu finden gewesen wäre.396 So charakterisiert der Esel in der Schule, obschon der Ort des Geschehens das vermuten lässt, nicht nur die Bewohner ländlicher Gegenden als hoffnungslos bildungsresistent. Schließlich sind die Dargestellten nicht alle eindeutig als Bauern zu identifizieren, dazu sind sie in Habit und Haltung zu unterschiedlich. Wahrscheinlich ist der stallähnliche Raum nicht unbedingt als Scheune, sondern eher allgemein als prototypisches Gegenbild zur Aura reich ausgestatteter Studierzimmer gemeint397 – so wie die gekrümmte Haltung und das ungebührliche Benehmen der Schüler im binären System bürgerlicher Selbstvergewisserung als verzerrtes Gegenteil der aufrecht-sittsamen Protagonisten in den in Kapitel V besprochenen idealen Schulen fungieren.398 Auf die unterschiedlichen Aspekte dieser konträren Inszenierungen wird im Laufe der Untersuchung immer wieder zurückzukommen sein. Da zur Zeit Brants, Erasmus’ und auch Bruegels einerseits die Situation der Schulen vor allem auf dem Lande im Allgemeinen katastrophal gewesen sein muss, die Ansprüche der Gelehrten an Bildung und Wissenschaft zugleich sehr hoch, erstaunt die Skepsis gerade gegenüber dem Bildungspotential der dort ansässigen Menschen nicht. Spätere niederländische Künstler führen diese ikonographischen Traditionsstränge fort. Allerdings zeigen sie keine Tiere mehr, sondern einfache Menschen in zeittypischem Kontext: Thema und Inhalt greifen auf ältere Topoi zurück, die Form aber ist aktualisiert.399 Bereits im späten Mittelalter und während der Reformation wird die „Tiertravestie“ seltener, wenn es darum geht, bestimmte Missstände zu überzeichnen. Die Karikatur, deren Witz sich durch Status, Habit sowie Mimik und Gestik der Verspotteten äußert, wird immer häufiger.400 394

So klagt Sebastian Brant in seinem Text über „der buren narrheyt“, dass „Keynen benűgt me [/] mit sym stand“. Brant 1494, Kap. 82. Weitere Literatur des 15. Jh.s bei Raupp 1986, S. 10 ff. Für die entsprechende Verortung des Handwerkers siehe: de Vries 2004, S. 162 ff. 395 Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 56 f.; Raupp 1986, S. 12, 19, 28; Antwerpen 1987, S. 63 ff.; Westermann 2002, S. 44 ff. Erstaunlich ist allerdings in diesem Zusammenhang, dass in Aernout van Overbekes Witzsammlung der Bauer keine entsprechende Rolle zu spielen scheint. Zumindest erwähnt ihn Dekker 2001, S. 127 ff., in seiner Erörterung nicht als Zielscheibe des zeitgenössischen Spotts. 396 So führt Knaap 1996, S. 32 f., aus, inwieweit die soziale Stellung von Bauern und Landarbeitern sich im 16./17. Jh. unterscheiden konnte. Wie die vorangehenden Kapitel gezeigt haben, war die Situation der Schulen in Bezug auf Ausstattung und Räumlichkeiten tatsächlich auf dem Land generell schlechter als in den Städten. 397 Bagley 1984, S. 369. 398 Dieses System wird in Antwerpen 1987, bes. S. 141 ff. anhand der Untersuchung von soziologischen, literarischen und künstlerischen Aspekten der Figuren von Wilden, Narren, Bettlern und Bauern analysiert. Auf S. 151 sind die jeweiligen Eigenschaften von Bauern und Bürgern einander in tabellarischer Übersicht gegenübergestellt. 399 Durantini 1983, S. 94. 400 Klant 1985, S. 26.

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IV.2

Die Allemode School

Die Unruhe, die in den bisher beschriebenen Schulszenen eher unterschwellig zu spüren ist, ist in der zur Schule umfunktionierten Schusterwerkstatt Pieter van der Borchts [Abb. 40],401 die wenig nach dem Esel in der Schule entstanden ist, deutlich gesteigert.402 Wen wird das wundern, wird die Schule doch von einer Frau geführt, die zugleich mit Handarbeit beschäftigt ist. Ein Kind lehnt an ihrem Bein, während es aus dem Buch in ihrem Schoß vorliest. In der Linken hält die Frau die Spindel, die Rute in ihrer Rechten. Da für diese Tätigkeiten jeweils beide Hände gebraucht werden, wird sie nichts Rechtes zustande bringen, weder anständiges Garn spinnen, noch die Schüler richtig erziehen. Entsprechend schneiden diese Grimassen in Richtung der Erwachsenen, stellen die Werkstatt auf den Kopf, tun sich an den Vorräten gütlich und prügeln sich. Zwei Kinder haben sich mit einer Maske und einem Tuch verkleidet und stürmen die Szene von rechts, wodurch sie einen Tumult in der Gruppe im Vordergrund auslösen. Zwei dieser Schüler halten Bücher, der im unmittelbaren Vordergrund sitzende Junge scheint sogar darin zu lesen. Ein anderer stürzt jedoch im Schreck nach vorne, das Buch wird ihm gleich aus der Hand fallen und im Gerangel begraben werden. Ähnlich wird es auch dem Kind ergehen, das rechts von der Lehrerin etwas in sein Heft schreibt. Ein Mädchen, ebenfalls von den maskierten Schülern aufgeschreckt, stürzt an ihm vorbei und rempelt es an. Erasmus’ Bedenken gegenüber weiblichen Lehrkräften werden hier bestätigt.403 Die Frau könnte wohl ihre Rute walten lassen und dem wüsten Treiben ein Ende setzen. Doch verharrt sie an ihrem Platz, schaut mild auf das Kind neben ihr herab und lässt dem Chaos seinen Lauf. Die Prügel, die manche der Kinder verdient hätten, verabreicht unten rechts ein grinsendes Mädchen einem anderen Kind, das seinen blanken Hintern dem Betrachter entgegenstreckt. Die Szene veranschaulicht, dass die Kinder ganz sich selbst überlassen sind – sie müssen sich sogar gegenseitig bestrafen! Es gibt auch einen Mann in der Schule, der mit weit ausgreifenden Armen und zum Rufen geöffnetem Mund wirkt, als wolle er einschreiten. Das Mädchen, das hinter seinem Rücken die Zunge herausstreckt, und die anderen Rabauken, die von seiner verzweifelter Geste keine Notiz nehmen, signalisieren allerdings, dass hier von männlicher Autorität keine Rede sein kann. So hat der Schuster in dem Trubel Mühe, seinem Handwerk nachzugehen. An den Wänden im Hintergrund sind die Erzeugnisse der Werkstatt angebracht, rechts und links befinden sich der Kamin, Küchenmöbel und -utensilien wie Körbe und Krüge. Zeichen der Unordnung und des Verfalls sind auch hier deutlich: Neben einem Haufen Geschirr im Vordergrund links frisst ein Hund aus einem Kessel, der Putz in der linken Ecke des Raumes bröckelt, so dass das Geflecht der Wand sichtbar wird. Im Vordergrund stiehlt eine Katze einen der Pfannkuchen, wie sie auch einige Kinder in den Händen halten. Das Ehepaar ist offensichtlich nicht in der Lage, den Haushalt in Stand zu halten. Die Hilferufe der beiden sind am unteren Bildrand wiedergegeben, auf der Seite des Schusters: „Ich lappe, Ick luere, ick naeije menighen naet. Maer Wat ick Werke [/] ick bliifue al in eenen staet“, auf der seiner Frau: „Den Cost es mij omer’s Wel zweir om winnen. Want dees kinders breke mij thoot, en doe my quaet gare spinne”.404 Die beiden sind gewissermaßen in einer Situation gefan401

Pieter van der Borcht d. J. (nach Monogrammist WL?): Allemode School, 1559, Radierung, 31.5 x 43.1 cm, Rijksprentenkabinet Amsterdam, Inv.-Nr. RP-P-OB-26.780 (http://hdl.handle.net/10934/RM0001.collect.85315, mit weiteren Angaben und Literatur, Aufruf 21.03.2015); Mielke 2004, S. XXL, Abb. 6 (Detail), S. 190 f., Nr. 178, mit Abb. Stilistische Vergleiche legen nahe, dass die Schulszene, wie andere Arbeiten van der Borchts, auf Vorlagen eines bislang nur als Monogrammist WL zu benennenden Meisters zurückgehen, vgl. z. B. Der Kampf zwischen den Dünnen und den Dicken; Federzeichnung, 31.5 x 41.8 cm, Prentenkabinet Koninklijke Bibliotheek Albert I, Brüssel, Inv. Nr. SV 85640; Berlin 1975, S. 149 f., Nr. 205, Abb. 161; Mielke 2004, S. xxi, Abb. 5, S. 191. Der Vergleich des Profils des Schusters mit dem des vom Tisch abgewendeten „Dünnen“ der Zeichnung scheint mir allerdings weniger überzeugend als die Ähnlichkeit des Schusters mit dem Dief-achtighen Tijs Bruegels, siehe: Lucas oder Johannes Duetecum (nach Pieter Bruegel): De Dief-achtighe Tijs und Nies Spoel de Naj, Kupferstich; Oberhuber 1979, S. 145, Taf. 54, Abb. 5. 402 Vgl. dazu die seitenverkehrte Kopie von Pieter de Baillieu: Allemode School, Kupferstich, 35.0 x 46.0 cm; Hollstein 1949, Bd. I, S. 74, Nr. 91a, mit Abb.; Durantini 1983, S. 150. 403 Erasmus 1524, S. 102. 404 „Me vouy sensant, tirant, fattroillant sans seiours : Mais Combien que ie oeure [/] Je demeur en vng estat tousiours. [/] Il m’est grand peine [/] de mon viure gaigner. Car ces enfants me rompent la teste [/] et font mal filer.“

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gen, und so sehr sie sich auch mühen, wegen der Kinder kommen sie mit ihrer Arbeit nicht von der Stelle. Das sähe anders aus, wenn sie diese zu Disziplin und Gehorsam anhielten, so wie die Theoretiker es fordern. Das Bild prangert – wie die oben zitierten Texte – falsche Nachsicht gegenüber Kindern an. Es zeigt, dass fehlende Strenge die Kinder verlottern lässt, was gesellschaftliches Abseits, Gefängnisstrafe oder im schlimmsten Fall sogar den Tod bedeuten kann. Die Bezeichnung Allemode ist wohl als Verballhornung von à la mode zu verstehen – dargestellt ist demnach eine Schule, wie sie in der Mitte des 16. Jahrhunderts üblich war: Die hier eingesetzten Lehrkräfte sind nicht dazu ausgebildet, Kinder zu unterrichten bzw. zu erziehen.405 Dazu kommt, dass sie mit Unterrichten allein ihren Lebensunterhalt nicht sichern können, so dass sie zugleich weiterhin ihrem ursprünglichen Beruf nachgehen müssen.406 Die Schusterei ist dabei nicht zufällig gewählt. In der niederländischen Druckgrafik des 16. Jahrhunderts werden die Schuhmacher als nichtsnutzige Trinker dargestellt, ihre Frauen lassen faul das Spinnrad links liegen.407 Ein zusätzliches Spottmotiv ist, wie bei Bruegel, der Nachttopf, der sich unter dem Stuhl der Frau befindet und auf den zwei auf dem Boden liegende Jungen feixend deuten. Es gibt noch einen weiteren Aspekt, der die Allemode School inhaltlich in die Nähe des Esels in der Schule rückt: Eine dem heute noch gängigen „Schuster, bleib’ bei deinen Leisten“ ähnliche Redewendung erklärt das Chaos der Allemode School auch unter dem Gesichtspunkt, dass allein die Akzeptanz der eigenen Bestimmung einen ordentlichen Haushalt und ein prosperierendes Geschäft, sprich: ein gutes Leben möglich macht.408 Doch dieser Schuster und seine Frau wollen mehr Verdienst, und entsprechend straft sie das Schicksal. Das Verhalten der Kinder – anders als bei Bruegel mehr oder weniger deutlich als solche zu erkennen – spiegelt menschliche Untugenden wie Völlerei und Zorn wieder. Solche Gegenüberstellungen waren auch im Unterricht gebräuchlich: Ein Modell des jesuitischen Unterrichts beispielsweise stellt die Schola Christi der Schola Diaboli gegenüber [Abb. 41].409 In der Schule des Herrn herrschen Ruhe und Sittsamkeit. Jesus schreitet, einen Schüler an der Hand führend, zwischen den auf beiden Seiten des hohen Raumes angeordneten Bänken auf den Betrachter zu. Er erklärt dem Kind etwas, während die zu beiden Seiten sitzenden Schüler aufmerksam lauschen. Der Teufel hingegen blickt von einem Pult an der Stirnseite des Raumes auf die gleichfalls gegenüberliegend angeordneten Bänke. Die Furcht erregende Gestalt des satanischen Schulmeisters wacht darüber, dass die Kinder seinen Vorgaben folgen. Diese spielen Karten, drohen mit Messern und bestehlen sich. Ein Kind vorne links erbricht sich in den mittleren Gang. Dort prügeln sich Schüler, ein Opfer liegt am Boden. An der Rückwand des Raumes, wo sich in der christlich geführten Klasse Bücherschränke befinden, sieht man Geschirr. Von der Decke hängt ein Kranz mit Würsten, in der Mitte ein kleines Ferkel – Anspielungen auf die Sünde Völlerei. Im Pendant öffnet sich an dieser Stelle der Himmel und zwei Engel schweben herab. Sie bringen das geöffnete Buch des Lebens, in dem nach Exodus 32,32 die Gerechten vor dem Herrn aufgeführt sind.410 Ein Eintrag darin ist den braven Schülern gewiss, wird hier suggeriert, während auf die Eleven des Teufels das Fegefeuer wartet. Mit Hilfe der konträren Modelle wurde Schülern richtiges Verhalten vor Augen geführt, zugleich wurde ihnen anhand der Anfangsbuchstaben der Tugenden und der Sünden das Alphabet vermit405

Die Klage eines Ehepaares, das in Utrecht eine Schule betreibt, in die nur lernunwillige Bauernkinder zur Beaufsichtigung gebracht werden, zitiert z. B. de Booy 1980, S. 128. 406 Alt 1960, Bd. I, S. 456, Abb. 1. 407 Renger 1970, S. 113 f., Durantini 1983, S. 100 f., erwähnt eine Darstellung der Kinder des Merkur aus einer Planetenkinder-Serie, auf der eine spinnende Frau mit einem lesenden Kind zu sehen ist. Auch wenn die Deutung der Tätigkeit in diesem Zusammenhang nicht ganz klar ist – möglicherweise ist Fleiß oder Produktivität gemeint –, ist sie keinesfalls negativ konnotiert. Ein Zusammenhang besteht demnach nicht. Zu der Szene vgl.: Willemsen 2008, S. 208 f., Abb. 177: Die Kinder des Merkur, um 1475, Blockbuchillustration, Universitätsbibliothek Tübingen, ms Md 2, fol. 271 r. Willemsen missversteht die Frau allerdings als Grammatica. 408 Bagley 1984, S. 369 f. Erasmus diskutiert in den Adagia (I 6,16) die auf Apelles zurückgeführte Wendung „Was über den Schuh hinausgeht, soll der Schuster nicht beurteilen“; Erasmus 1998, Bd. II/2, S. 40 ff.; Welzig 1972, Bd. 7, S. 412–414. 409 Raphael Sadeler d. J.: Schola Christi – Schola Diaboli, Kupferstiche aus Johannes Niess’ Alphabetum Christi – Alphabetum Diaboli, München 1618; Duhr 1913, S. 512 f., mit Abb.; Alt 1960, Bd. I, S. 326, Abb. 2; Quellen des deutschsprachigen Raumes zur Schule als „Haus Gottes“ bzw. Ort der göttlichen Lehre nennt: Brühl 1969, S. 17 ff. 410 Offenbarung 5 f.

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telt. Die Allemode School und der Esel in der Schule richten sich zwar an Erwachsene, verfahren aber didaktisch ähnlich, indem sie das negative Gegenbild zum geforderten Ideal visualisieren. Dass der Betrachter dieses Ideal – anders als die Schulkinder, denen noch beide Seiten gezeigt werden müssen – gleich vor seinem inneren Auge gehabt hat, ist an der Vielzahl der oben genannten Beispiele nachvollziehbar geworden. IV.3

Fazit: Der künstlerische Blick auf die schulische Bildung im 16. Jahrhundert

Insgesamt war die Sicht der humanistischen Erziehungs- und Schulpraxis in der niederländischen Kunst des 16. Jahrhunderts in Analogie zu den zitierten Kommentaren Brants, Murners, Melanchthons, Erasmus’ und anderer durchweg skeptisch, wenn nicht negativ.411 Schulischer Unterricht und Bildung wurden nicht als Allgemeingut angesehen, vielmehr konnten diese nur bei Schülern aus bestimmten Bevölkerungsgruppen unter bestimmten Bedingungen – etwa unter der Führung eines geeigneten Lehrers – fruchten. Grundlegend dafür ist eine geradezu reaktionäre Geisteshaltung, die alle Bemühungen, die eigene Situation zu verbessern, als – weil naturwidrig – eitel und anmaßend verurteilte. Der Esel in der Schule und die Allemode School – deren Urheber im Übrigen als Illustrator von einem der Katechismen des Petrus Canisius mit der didaktischen Argumentation der katholischen Kirche wohl vertraut war412 – übertragen diese Ansicht auf das Thema Bildung und illustrieren somit Vorstellungen, die den Bestrebungen der reformierten Kirche, auch die niederen Volksschichten zu unterrichten, konträr entgegenstehen. Es ist oben bereits beschrieben worden, inwieweit der Ausbau des Schulsystems, der den Zugang möglichst vieler Menschen zu Bildung und Wissen gewährleisten sollte, im katholischen Süden weniger schnell vonstatten ging. Elitäre Ansichten, wie sie durch die beschriebenen Stiche verbreitet wurden, werden dabei eine wichtige Rolle gespielt haben. Dazu passt, dass das Wissen um die Notwendigkeit, die Kinder zur Schule zu schicken, im Süden besonders in den einfacheren Bevölkerungsschichten noch nicht sehr verbreitet war. 413 Im Norden des Landes fand – wie schon beschrieben – nach der Instrumentalisierung der Bildung durch die Reformation durch die Stabilisierung der wirtschaftlichen Situation im Land ein Meinungsumschwung zugunsten der schichtenübergreifenden Bildung statt. Und dennoch erlebt der Typus der verlotterten Dorfschule mit tölpelhaftem Lehrer, deren ikonographische Initialzündung die eben beschriebenen Blätter sind, im 17. Jahrhundert zunächst eine regelrechte Blüte. Schon in dieser Diskrepanz zeigt sich, dass die Darstellungen kaum ausschließlich als Abbildung der Realität verstanden werden können. Zunächst gilt es jedoch, in den folgenden Kapiteln die andere Seite der Medaille zu betrachten: Wie bereits im 15. und 16. Jahrhundert – dabei sei nur kurz an die „Magister cum discipulis“Holzschnitte oder die Grammatica-Allegorien erinnert – gibt es auch im beginnenden 17. Jahrhundert Darstellungen, die den Unterricht gelehriger und gesitteter Schüler zeigen. Anders als die als Druckgraphik fast schon inflationär verbreiteten Spottbilder des 16. Jahrhunderts, handelt es sich dabei zumeist entweder um Handzeichnungen oder um Gemälde und damit um Objekte, die einem kleineren Rezipientenkreis zugänglich waren.

411

Falk 1939, S. 77 ff., führt aus, inwiefern Luther Bildung für die Allgemeinheit durchsetzen wollte, wohingegen „dem Humanismus der Gedanke fern stand“. 412 Van Dael 2004, S. 287 ff., 291 ff. 413 Put 1990, S. 80, 102, 234.

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V.

BEGINNENDES 17. JAHRHUNDERT: GELEHRSAMKEIT IN BÜRGERLICHEN KREISEN

War die Meinung der Künstler und Intellektuellen zum Schulwesen respektive dessen Erfolgsaussichten bei bestimmten Volksschichten im 16. Jahrhundert vielfach eine kritische, liegt der Schwerpunkt in den Unterrichtsszenen von einige Jahrzehnte nach Bruegel und van der Borcht tätigen Meistern wie Jacques de Gheyn II., Jan Lievens und Gerrit Dou ganz anders: Sie zeigen das Lernen in einem gehobenen gesellschaftlichen Umfeld in konzentrierter Atmosphäre. Einige dieser Bilder sind in der Universitätsstadt Leiden entstanden respektive von Künstlern geschaffen worden, die im Umfeld der Hochschule gelebt und gearbeitet hatten. Der Reisende Veryard veröffentlicht 1682 seinen Bericht, der die Publick School der Leidener Rapenburg als eine der renommiertesten Schulen Europas beschreibt, nirgendwo hätten die Schüler mehr Vorteile als dort. Veryard schildert zudem ausführlich den Betrieb der Universität mit zum Teil öffentlichen Vorlesungen, das anatomische Theater, den Botanischen Garten, die Raritätensammlung und die öffentliche Bibliothek – zwar alles Orte, die Schüler in dem Alter, in dem sie auf den hier besprochenen Bildern dargestellt sind, üblicherweise nicht aufgesucht haben werden. Dennoch lässt seine begeisterte Schilderung die Stadt als ein Paradies des Lernens und der Wissenschaft erscheinen.414 Aufgrund der persönlichen Kontakte vieler Künstler zu Geistesgrößen der Zeit, die – wie im Einzelnen noch genauer erörtert werden wird – nicht selten über ein Maler-Käufer-Verhältnis hinausgingen, kann man davon ausgehen, dass ihre Verbildlichungen von Erziehung und Bildung eine unmittelbar empfundene und gelebte Haltung wiedergeben. V.1

Die Unterrichtsszenen Jacques de Gheyns II.

Der Zeichner und Kupferstecher Jacques de Gheyn II. (1565–1629) gehörte zum Kreis um Hendrick Goltzius und Karel van Mander, betätigte sich als Rederijker, pflegte private und berufliche Kontakte zur Leidener Universität und verkehrte am Hof des Statthalters Frederick Hendrick.415 So überrascht es nicht, dass drei seiner Gemälde und einige Zeichnungen, die sehr wahrscheinlich in den ersten beiden Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts entstanden sind, im weitesten Sinne das Thema Gelehrsamkeit und Bildung behandeln. V.1.1 Ein Beispiel aus dem privaten Umfeld Ein besonderes Beispiel ist dabei eine sehr persönlich anmutende Zeichnung, die vermutlich de Gheyns Frau Eva mit dem gemeinsamen Sohn Jacques zeigt [Abb. 42].416 Die beiden betrachten, an einem Tisch sitzend, ein Bilderbuch (wobei es sich im Haushalt eines Künstlers natürlich auch um ein Skizzenbuch handeln könnte). Der etwa vier- bis fünfjährige Knabe deutet auf einen darin dargestellten Baum. Auf der anderen Seite des Buches ist ein Rind abgebildet. Die Mutter hat den Arm um das Kind gelegt und den Kopf sinnend in die rechte Hand gestützt. Vor den beiden steht – vom linken Bildrand angeschnitten – eine Kerze, daneben liegen Federkiel und die entsprechende Hülle mit Tintenfass, ein Messer zum Schärfen und eine Dochtschere. Die Vermutung, es handele sich bei den Dargestellten um Frau und Kind de Gheyns, liegt aus verschiedenen Gründen nahe.417 Ist sie korrekt, ist das Blatt mit Blick auf das Alter des 1596 gebore414

Veryard 1701, S. 7 f.; zum Durchschnittsalter neu eingeschriebener Studenten siehe: Tervoort 2004, S. 24 ff.; Leidens intellektuelles und künstlerisches Leben beschreibt zusammenfassend: Baer 2000/2001, S. 26 ff.; vgl. dazu auch den das Universitätsleben illustrierenden Kupferstichzyklus Crispijn de Passes: Academia sive speculum vitae scholasticae (1612); Veldman 2001, S. 33 ff., S. 277 ff., Abb. 37–53. 415 Van Regteren Altena 1983, Bd. I, besonders S. 40 ff.; Swan 2005, S. 29 ff. 416 Jacques de Gheyn II.: Frau mit kleinem Jungen, ein Bilderbuch betrachtend, um 1600, Pinsel- und Federzeichnung in Braun, 13.7 x 14.5 cm, Staatliche Museen zu Berlin – Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. KdZ 2680; van Regteren Altena 1983, Bd. II, S. 107, Nr. 672, Bd. III, S. 97, Abb. 164; Rotterdam 1985, S. 66 f., Taf. 57; Berlin 2007/2008, S. 134 f., mit Abb. 417 Miedema 1975, S. 7 f.; van Regteren Altena 1983, Bd. I, S. 81 f. Die beiden Bildnisse, auf die sich seine Argumentation stützt, sind allerdings ebenfalls nur angenommene Porträts von Eva und Klein-Jacques: van Regteren Altena 1983, Bd. II, S. 107, Nr. 671, 673, Bd. III, S. 111, Abb. 207, 208.

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nen Jungen wenig nach 1600 anzusetzen. Stilistische Vergleiche mit Zeichnungen de Gheyns, die ähnlich breite Federstriche und dunkel lavierte Partien zeigen, stützen diese Datierung.418 Der Hintergrund eines möglichen Porträts Eva Stalpaerts zum Beispiel ist ebenfalls durch ähnlich großflächig dunkle Tuschefelder gestaltet.419 Unabhängig von der Identifikation der Dargestellten haben die auf dem Tisch liegenden Gegenstände eine zum Sujet passende emblematische Bedeutung: Die Kerze als Lichtquelle steht, obschon sie angeschnitten ist, für Übung bzw. Studium, meint aber auch Hingabe, Betriebsamkeit oder Erziehung. Licht wurde, dies wird im Kontext der ebenfalls bei Kunstlicht stattfindenden Unterrichtsszenen Gerrit Dous noch erläutert werden, allgemein mit schulischen oder wissenschaftlichen Zusammenhängen assoziiert. Gemeint ist dabei das erhellende Verstehen, beispielsweise auch in Szenen, die bei Leselicht über ihre Bücher gebeugte Gelehrte zeigen.420 Das Schreibgerät versinnbildlicht geistige Tätigkeiten wie Erinnerung, Gedächtnis und Übung. Das Sprichwort „Er verfügt über eine spitze Feder“ wiederum setzt die Schärfe des Schreibutensils mit der Brillanz des Verstandes gleich. Das Messer, das die Feder spitzt, versinnbildlicht folglich intellektuelles Training. Von den ihre Feder schärfenden Schulmeistern und Gelehrten, die einige Jahrzehnte später ein eigenes Bildthema werden,421 wird vor allem in Kapitel V.4 die Rede sein. Nimmt man dies alles zusammen, ist hier, wie Miedema plausibel darlegt, wahrscheinlich nicht nur eine alltägliche Szene dargestellt, es handelt sich zugleich um eine Allegorie des Lernens.422 Nach Miedema verbildlicht die Frau „Mutter Natur“, die das Kind (auch intellektuell) nährt und schützt. Dieses erwirbt durch das Betrachten und Beschreiben der Bilder, die möglicherweise im übertragenen Sinn als reale Situationen oder Zusammenhänge zu verstehen sind, die für das Leben nötigen Kenntnisse.423 Da der Personifikation der Grammatica infolge ihrer Weiblichkeit zum Teil ebenfalls mütterliche Züge zugesprochen werden können [Abb. 43],424 und in Cesare Ripas Iconologia auch die Personifikation des Unterrichts in einer warmherzigen Geste die Arme ausbreitet,425 wird dieser Bezug nicht zuletzt angesichts der auf dem Tisch liegenden „Gelehrtenwerkzeuge“ impliziert. Und auch der Dochtschneider ist wohl nicht nur eine simple Beigabe, sondern mahnt als Instrument zur Bestimmung der richtigen Dochtlänge das rechte Maß an, welches einzuhalten die Aufgabe der Mutter ist.426 Zudem ist die Länge des Dochtes ebenso entscheidend für die Helligkeit der Flamme wie die Art des Unterrichts für den Grad der Gelehrsamkeit bedeutsam ist. De Gheyns Zeichnung verbindet also die Darstellungskonventionen der Natura und der Grammatica respektive der Bildung und Erziehung ganz allgemein und verbildlicht damit zumindest zwei Aspekte eines zeitgenössischen Lehrsatzes, der ursprünglich auf Aristoteles zurückgeht. Dieser besagt, dass zur Beherrschung der Künste drei Faktoren grundlegend sind: natürliche, angeborene Begabung, Unterweisung sowie – und das ist der nicht ausdrücklich dargestellte Teil – (Aus-) Übung. Letztere könnte allerdings sinnbildhaft durch das Schreibwerkzeug verbildlicht werden.427 418

Etwa: Jacques de Gheyn II.: Hexen unter einem Gewölbebogen, 1604, Pinsel- und Federzeichnung in Braun und Grau, 28.0 x 40.8 cm, Ashmolean Museum, Oxford; van Regteren Altena 1983, Bd. II, S. 86, Nr. 525, Bd. III, S. 141, Abb. 273; Rotterdam 1985, S. 66. 419 Jacques de Gheyn: Bildnis der Eva Stalpaert (?), um 1602 (?), Pinsel- und Federzeichnung in Braun und Grau, 12.0 x 9.0 cm, Fondation Custodia, Paris; van Regteren Altena 1983, Bd. I, S. 40, Bd. II, S. 107, Nr. 671, Bd. III, S. 111, Abb. 207. 420 Über die Entstehung dieses Motivs in der Emblemliteratur und seine Verbreitung in der Kunst zusammenfassend: Müller Hofstede 1993, S. 35 ff. 421 Miedema 1975, S. 6; Emmens 1963, S. 134, Beispiele in Anm. 20; Durantini 1983, S. 154 ff. 422 Miedema 1975, S. 6 ff.; Durantini 1983, S. 94 f., Abb. 43. 423 Miedema 1975, S. 10 ff. 424 Vgl. z. B.: Grammatica, 1472, kolorierte Federzeichnung, Illustration zu Hugo von Trimbergs Der Renner mit Von der Jugend und dem Alter, Universitäts- und Landesbibliothek, Darmstadt, Hs. 2779, fol. 223 v.; Reichert 2004, S. 31 f.; Willemsen 2008, S. 257 f., Abb. 232: Die fürsorgliche Geste, mit der die Frau den Arm um das Kind legt, ist gut mit der Haltung Eva Stalpaerts vergleichbar. Informationen und Literatur zur Handschrift unter http://www.handschriftencensus.de/6772 (Aufruf 15.03.2015). 425 Nach Ripa hat die Grammatica mit Milch prall gefüllte Brüste: Ripa/Pers 1644, S. 285: „De melck die uyte borsten vloeyt, bediet dat de soeticheyd van de Wetenschap uyte borst komt, en uyt de ingewanden van de Grammatica of Letterkonst.“ Bagley 1990, S. 21 f., hebt die mütterlichen Züge der Grammatica als Nährerin des Geistes hervor. 426 Neumeister 2003, S. 319, S. 358, Anm. 21; Berlin 2007/2008, S. 134. Zwar bleiben beide Publikationen die entsprechenden Belege schuldig, jedoch klingt die Vermutung in diesem Kontext überzeugend. 427 Emmens 1963, S. 129 ff.; Miedema 1975, S. 7, auf S. 10 bezeichnet er die Schreibfeder als ein Symbol der Übung. Durantini 1983, S. 8 f., 106 ff.; Hecht 1993, S. 100.

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Die Rezeption des aristotelischen Diktums, das auch Thema der dreiteiligen Darstellung Natur, Unterweisung und Übung Gerrit Dous ist [Abb. 70], wird im Verlauf noch dargelegt werden. Die Darstellung steht außerhalb der Tradition der Unterrichtsdarstellungen, die das lernende Kind stehend oder sitzend vor dem Lehrkörper zeigen. Die respektvolle Distanz zwischen Lernendem und Lehrendem fehlt natürlich bei Mutter und Kind. Ungewöhnlich und zugleich originell ist, dass die Funktion der Lehrenden auf die Mutter übertragen wird, deren Aufgabe ja sonst – wie es auch auf anderen Beispielen zu sehen ist [etwa Abb. 12–13, 18] – die häusliche Sorge für das Kind ist. Vermutlich – dies wird durch die Besprechung des Triptychons von Gerrit Dou in Kapitel V.3 noch deutlicher werden – spielen die durch die Figur der Natura verbildlichte natürliche Prägung wie auch die durch die Grammatica vertretene geistige Bildung gleichermaßen eine Rolle. Hinzu kommt die zärtliche Hinwendung der liebenden Mutter, die bislang in diesem Kontext keine vordergründige Rolle gespielt hat. Die Beobachtung Durantinis, de Gheyn habe das Thema Unterricht als erster in den privaten Kontext übertragen, ist nicht ganz zutreffend, schließlich sind die schon beschriebenen Allegorien nach Goltzius gleichfalls häusliche Szenen – wenn auch in Motivik und Komposition deutlich weniger informell.428 Auch Darstellungen der heiligen Anna, die ihre Tochter unterrichtet, sind in ihrer Intimität ähnlich aufgebaut.429 Möglicherweise orientieren sich de Gheyns Federzeichnung und die christlichen Szenen mit den Allegorien der Grammatica an einem gemeinsamen Vorbild. Entsprechend nimmt die Zeichnung – wie Durantini feststellt – wesentliche Aspekte der um die Mitte des 17. Jahrhunderts entstehenden Lesestunden Gerard ter Borchs [Abb. 45]430 oder Caspar Netschers [Abb. 46]431 vorweg.432 Von diesen besonderen Unterrichtsstunden wird im Zusammenhang mit anderen häuslichen Schulszenen noch die Rede sein. Irritierend ist dabei, dass die Frau scheinbar ins Leere blickt, denn durch ihren starren Blick wirkt sie abwesend – was angesichts ihrer Hinwendung zum Kind zumindest auf den zweiten Blick stutzig macht. Blickte sie auf das Buch, wären ihre Lider weiter gesenkt, und es ist schwer vorstellbar, dass der formidable Zeichner de Gheyn dies nicht berücksichtigt hätte. Die scheinbare Gedankenverlorenheit der Mutter schließt die von Miedema aufgezeigten Implikationen zwar nicht aus, allerdings sind Darstellungen ähnlichen Inhalts, also die eben genannten Lesestunden, ganz anders angelegt. Die Erwachsenen konzentrieren sich entweder auf das vor ihnen liegende Buch oder blicken den Betrachter bedeutungsvoll an. Liest man den in die Hand gestützten Kopf der Mutter als Gestus der Melancholie,433 passt das nicht ganz zur Deutung als Allegorie der leiblichen bzw. intellektuellen Fürsorge. De Gheyn hätte die Frau zum Beispiel, ohne die Komposition wesentlich zu verändern, auch auf das Buch zeigen lassen können. So wären ihr Einfluss auf die Erziehung des Kindes und damit der Sinngehalt der Szene deutlicher geworden. Mit der Zeichnung von Mutter und Kind kompositorisch und inhaltlich besonders gut vergleichbar ist etwa eine 1652 datierte Lesestunde Gerard ter Borchs d. J. [Abb. 45]. Auch hier wirkt die Mutter, die ihrem Jungen – wie Goltzius’ oder Floris’ Grammatica [Abb. 22 und 23] – ein großes Buch 428

Den Haag/Washington 2005, S. 104. Bagley 1993, S. 37, beschreibt einige mittelalterliche und frühneuzeitliche Darstellungen, die dieselbe körperliche Nähe von Mutter und Kind und den Zeigegestus des Kindes aufweisen. 430 Gerard ter Borch: Lesestunde, um 1652, Holz, 27.0 x 25.0 cm, Musée du Louvre, Paris, Inv.-Nr. MI1006; Frankfurt 1993, S. 252, Abb. 58.1; Washington/Detroit 2004/2005, S. 87 ff., Kat.-Nr. 18, mit Abb. auf S. 89. 431 Caspar Netscher: Dame, einem Mädchen das Lesen beibringend, um 1669, 45.1 x 37.0 cm, The National Gallery, London, Inv.-Nr. NG844; Amsterdam 1976b, S. 197 f., Abb. 49b; Durantini 1983, S. 117, Abb. 55 auf S. 268; Wiesemann 2002, S. 229 f., Nr. 86, Taf. 17; Vanhaelen 2003, S. 56 ff. 432 Durantini 1983, S. 102. Die allegorische Deutung der Zeichnung wird in Frankfurt 1993, S. 252, besonders in Anm. 3, wo das Blatt im Zusammenhang mit solchen Szenen genannt wird, angezweifelt, da sie dafür zu „persönlich“ wirke. Allerdings erscheinen die dort abgebildeten Beispiele ter Borchs [Abb. 46] und Frans van Mieris [Abb. 101] nicht weniger intim. Und doch wird zumindest für das Beispiel van Mieris’ konstatiert, es verbildliche in der Gestalt bzw. Geste der Mutter „elterliche Fürsorge […], die Vorstellung von einer Erziehung, […] die über die Unterweisung im Lesen und Schreiben hinausgeht“. Ein vergleichbar privat anmutendes Blatt (Dirck Helmbreeker: Frau, einem Kind vorlesend, Kreide, 23.0 x 33.6 cm, The Fitzwilliam Museum, Cambridge, Inv.-Nr. PD.407-1963) ist abgebildet in: Amsterdam 1997a, S. 304, Abb. 3. 433 So bei Lütke Notarp 1998, S. 245, für eine andere Zeichnung de Gheyns. Miedema 1975, S. 4 deutet die Haltung als Zeichen für die abendliche Müdigkeit der Mutter, auf S. 8, Anm. 33 verweist er auf van Mander, der den Gestus als ein Motiv der Ruhe und Stille versteht. 429

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hinhält, abwesend. Sie blickt vor sich hin, offensichtlich ist sie mit den Gedanken woanders, während der Junge über das Buch gebeugt liest. Ter Borch scheint mit der Darstellung, in der weitere emblematische Details fehlen, weniger einen bestimmten erzieherischen Standpunkt zu beziehen. Vielmehr geht es ihm wohl in erster Linie um die Schilderung einer atmosphärischen Begebenheit, um die innige Beziehung zwischen Mutter und Kind. Dass diese Beziehung dem Lernen ebenso zu Gute kommt wie die Kontemplation der beiden, ist wiederum ein Aspekt, der auch eine didaktische Deutung der Szene möglich macht. Bei den beiden handelt es sich im Übrigen um Wiesken Matthys, die zweite Frau von ter Borchs Vater, und um den 1645 geborenen Moses, den jüngeren Halbbruder des Künstlers,434 so dass auch hier ein persönlicher Bezug zwischen Künstler und Modellen besteht. Für das Verständnis von de Gheyns Zeichnung ist wichtig, dass die Melancholie in diesem Zusammenhang nicht zwingend negativ zu verstehen ist, denn das schwermütige Temperament wurde auch mit Genialität und geistiger Schaffenskraft in Verbindung gebracht.435 So sieht man auf einem Gemälde Adam Elsheimers (1578–1610) vom Beginn des 17. Jahrhunderts die ihren Kopf aufstützende Minerva als Patronin der Freien Künste [Abb. 44].436 De Gheyn stellt seinen Sohn Jacques, der als Künstler in seine Fußstapfen trat, wohl um 1611/1612 in einer ähnlichen Pose dar [Abb. 47].437 Der Junge, zu dem Zeitpunkt vielleicht 15 oder 16 Jahre alt, malt dabei die Signatur seines Vaters, die ja zugleich seine eigene ist, auf ein vor ihm liegendes Blatt. Zwar vermutet van Regteren Altena, es handele sich um einen Lehrling des Meisters, der in diesem Fall gewissermaßen das Plagiat seines Lehrmeisters übt.438 Für einen Künstler mit einem ausgeprägten Interesse an Szenen mit besonderer inhaltlicher Tiefe scheint mir ein solches Motiv jedoch zu konstruiert, zu wenig persönlich. Sicher hat de Gheyn die künstlerischen Ambitionen des Juniors mit Wohlwollen betrachtet. Was läge da näher, als diesen bei seinen kreativen Gehversuchen zu zeichnen? Der Junge hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Jüngling auf einer weiteren Zeichnung [Abb. 48].439 Da das Blatt oben rechts mit der Signatur „DGheyn“ und unten rechts mit dem Namenszug „Jac. De Gheyn“ bezeichnet ist, handelt es sich bei letzterem wohl um den Namen des Dargestellten und damit relativ sicher um ein Bildnis des jungen Jacques.440 Die lockigen Haare, die kräftige Nase und die vollen Lippen haben beide Jungen gemein – allerdings sind die Gesichter aufgrund der unterschiedlichen Darstellungswinkel nicht ohne Weiteres vergleichbar. Bemerkenswert ist die der Berliner Zeichnung von Eva und ihrem Sohn sehr ähnliche Komposition dieses Blattes, wenn auch die Mutter fehlt: Der Junge sitzt an einer schräg in den Hintergrund führenden Tischkante. Er blickt den Betrachter an und zeigt mit der Rechten auf eine brennende Kerze. Diese ist noch stärker an den Rand gerückt als auf der Berliner Zeichnung, genau genommen sieht man nur noch den Halter und die Strahlen der Flamme. Dass sich das Licht wiederum auf 434

Es ist derselbe Junge, der auf dem schon beschriebenen Bild [Abb. 17] beim Flöhen seines Hundes zu sehen ist. Washington/Detroit 2004/2005, S. 88. 435 Klibansky/Panofski/Saxl 1990, S. 350 ff.; Raupp 1984a, S. 226 ff.; Frankfurt 1993, S. 308; Amsterdam 1997a, S. 332. 436 Adam Elsheimer: Das Reich der Minerva, um 1600–1605, Kupfer, 8.6 x 14.6 cm, The Fitzwilliam Museum, Cambridge, Inv.-Nr. 539. Das Bild stammt aus einer Reihe von drei Darstellungen, zu denen auch das Reich der Venus und das Reich der Juno gehörten. Letztere ist verloren. Cambridge 1960, S. 202 f., Kat.-Nr. 539, Taf. 107 (das Reich der Venus auf S. 201 f., Kat.-Nr. 532, Taf. 107); Neumeister 2003, S. 318 f., Abb. 199 (mit Datierung um 1607/1608). Auch diese Szene bzw. ihre 1646 radierte Reproduktion [Abb. 79] wird in Kapitel V.3 im Kontext der Abendschulen Gerrit Dous noch kurz erörtert werden. 437 Jacques de Gheyn II.: Schreibender Jüngling (wohl Jacques de Gheyn III.), um 1611/1612, Kreidezeichnung, 16.5 x 14.1 cm, Slg. Van Regteren Altena, Amsterdam; van Regteren Altena 1983, Bd. II, S. 107 f.; Kat.-Nr. 674, Bd. III, S. 159, Abb. 309; Rotterdam 1985, S. 67, Taf. 58. 438 Weitere Überlegungen, die van Regteren Altenas These stützen, finden sich in: Rotterdam 1985, S. 67. 439 Jacques de Gheyn II.: Bildnis eines jungen Mannes, um 1610 (?), Federzeichnung in Braun, 13.5 x 10.3 cm, The Yale University Art Gallery, New Haven, Inv.-Nr. 1961.63.79; van Regteren Altena 1983, Bd. II, S. 120 (als nicht Schüler des Künstlers), Nr. 731, Bd. III, S. 159, Abb. 310; New Haven 1970, Bd. I, S. 207 f., Nr. 379, Bd. II, Taf. 189; Rotterdam 1985, S. 66 f.; New Haven/Sarasota/Austin 2006, S. 118 f., Kat.-Nr. 32, mit Abb. 440 Angezweifelt wird dies in New Haven/Sarasota/Austin 2006, S. 118 f., wo die Zeichnung entsprechend um 1604 datiert ist. Die Argumentation ist nicht nachvollziehbar, da sie in erster Linie auf der Beobachtung fußt, bei dem Modell handele es sich um denselben Knaben wie auf de Gheyns Studienblatt mit Köpfen [hier Abb. 61] unten links – was möglich ist, aber nicht gegen die Identifikation des Jungen als Jacques Jr. spricht, da diese Studie auch nur chronologisch relativ datiert werden kann und ihre Entstehung um 1603 bis 1605 nicht gesichert ist. Vor allem aber lassen die Autoren den zusätzlich zur Signatur unten rechts notierten Namen außer Acht.

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den Themenkreis Erkenntnis bzw. kreativer Genius bezieht, ist hier aufgrund des ausdrücklichen Zeigegestus sogar sicher. So können auch die Zeichenutensilien sowie die Skizze am linken Rand des Blattes gedeutet werden. Die Kerze als Hinweis auf die Endlichkeit des menschlichen Daseins und so als Ermahnung zu einem produktiven Leben zu deuten mag nicht völlig falsch sein,441 näher liegt es jedoch, das Licht in Anlehnung an Ripas Vorstellungen von Verstand und Wahrheit zu verstehen.442 Trotz aller inhaltlichen Implikationen kann gerade für eine Handzeichnung nicht ausgeschlossen werden, dass de Gheyn die Haltung seiner Frau unmittelbar so festgehalten hat, wie er sie gesehen hat. Andererseits zeigen nicht zuletzt die eben beschriebenen Porträtzeichnungen, dass er in diesem Medium auch konstruierte Bildnisse geschaffen hat. Sucht man in zeitgenössischen Quellen nach Hinweisen auf mögliche pädagogische Inhalte der Szene, finden sich nur vage Parallelen. Svetlana Alpers verknüpft die Szene assoziativ mit der auf visuelles Begreifen basierenden Lerntheorie in Amos Comenius’ Schrift Orbis pictus, die aber erst 1658 erscheint.443 Sie erklärt die Welt in mit belehrenden Beischriften in der Muttersprache und Latein versehenen Bildern und führt die Kinder zugleich „in das Zeichensystem der Bildersprache“ ein und somit „an einen speziellen Modus des Denkens heran: das Denken in Gleichnissen und Analogien“.444 Doch schon Erasmus empfiehlt in De pueris instituendis (1529), Kindern den Lehrstoff – vor allem, wenn es um biologische Phänomene wie Pflanzen oder Tiere geht – bildlich vor Augen zu führen, weil diese so mit mehr Freude lernten und sich Inhalte besser merkten.445 Und nicht zuletzt basiert ja die zu de Gheyns Zeit beliebte Emblematik auf eben diesem Prinzip. Vermutlich gibt es weitere Schriften der Zeit, die ähnliche Anregungen enthalten. Und obschon sich nirgendwo die zentrale Weisheit moderner Ratgeber findet, dass nämlich schon bei kleinen Kindern durch die liebevollen Erklärungen ihrer Eltern die Lust am Lernen geweckt und der Erkenntnisdrang nachhaltig gefördert werden kann, werden auch die Zeitgenossen de Gheyns in der Kombination aus mütterlicher Zuneigung und intellektueller Bildung eine Art erzieherisches Idealbild erkannt haben. Die Intimität der Szene und die Exklusivität des Mediums Zeichnung lassen jedoch die didaktische Aussagekraft gegenüber der Deutlichkeit anderer Darstellungen zum Thema Lernen im weitesten Sinne stark zurücktreten. Folglich kann de Gheyn kaum die Absicht unterstellt werden, mit diesem sehr privaten Bild eine bestimmte Haltung zu Bildung oder Kindererziehung auszudrücken – obschon es wahrscheinlich ist, dass er seinem Sohn eine ähnlich exklusive Bildung ermöglichte, wie sie Constantijn Huygens, mit dem de Gheyn und auch sein Sohn gut bekannt waren,446 seinen Kindern angedeihen ließ.447 Welchen Status Huygens der geistigen Schulung beimisst, wird durch die Schilderung seiner eigenen Erziehung deutlich. Er schätzt sich glücklich, dass sein Vater beim Lehren einfühlsam vorgegangen ist. Dieser führte ihn und seinen Bruder zunächst anhand von Begriffen, die den Jungen aus ihrer kindlichen Lebenswelt vertraut waren, an Lesen und Schreiben heran. So gelang es ihnen, den Stoff, den „zeer domme schoolmeestertjes“ ihren Schülern jahrelang um die Ohren schlügen, viel schneller zu verinnerlichen. Huygens betont, dass diese Methode seine Wissbegier stets angesp*rnt habe, er bezeichnet das Lernziel als „dessert met als zijn lekkernijen“.448 Entsprechend ist er darauf

441

New Haven 1970, Bd. I, S. 207 f., Nr. 379. Ripa/Pers 1644, S. 358. 443 Dem Bilderbuch auf der Zeichnung de Gheyns fehlen zudem die Beischriften, die für Comenius’ Didaktik entscheidend sind. Alpers 1985, S. 182 f.; Rotterdam 1985, S. 67; zu Comenius’: Hartmann 1993, S. 58 ff., 60 f.; Lascarides/Hintz 2000, S. 42 ff. 444 Zitat nach Leis-Schindler 1991, S. 232; vgl. auch Alpers 1985, S. 177 ff.; Antochi 1992, S. 97 f.; Hartmann 1993, S. 60; Lascarides/Hintz 2000, S. 38 ff. 445 Bagley 1993b, S. 52 f. Plausibel, wenn auch weniger eindeutig als der Bezug zu Erasmus, sind die von Miedema 1975, S. 10 ff., aufgezeigten Parallelen zu Coornherts 1585 erschienener Zedekunst dat is wellevenskunste. 446 Huygens erwähnt de Gheyn, den er noch an dessen Sterbelager besuchte, mehrfach bewundernd in seiner Autobiographie. Huygens 1994, S. 74–76. Vermutlich verschaffte er dem Künstler Aufträge am Hof des Statthalters, zudem unterstützte er Jacques Jr. in seiner künstlerischen Entwicklung. Van Regteren Altena 1983, Bd. I, S. 2, 40, 159 f.; Broekman 2005, S. 18, 71. 447 Van Regteren Altena 1983, Bd. I, S. 115; Berlin 2007/2008, S. 134; zu Huygens als Erzieher siehe u.a.: Roodenburg 2004, bes. S. 32 ff. 448 Heesakkers, Nachwort zu Huygens 1994, S. 134; Roodenburg 2004, S. 56 f. 442

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bedacht, seinen Kindern, die er einige Zeit selbst unterrichtet, nicht – wie es allzu ehrgeizige Eltern täten –449 zu früh zu viel abzuverlangen. Da es sich bei den im Folgenden zu besprechenden Gemälden um Szenen handelt, die würdig und weise wirkende Lehrer mit aufmerksam lauschenden Schülern zeigen, erscheint es gut denkbar, dass de Gheyn dabei ein ähnliches Ideal wie Huygens vor Augen hatte. V.1.2

Darstellungen aus dem universitären Umfeld?

V.1.2.1 Federzeichnungen Vier weitere Federzeichnungen de Gheyns [Abb. 49, 50, 53, 54] zeigen ebenfalls eine Unterrichtssituation, vermutlich ein Lehrgespräch, das je zwei Mal dieselben Protagonisten führen. Zwei der Szenen zeigen den Lehrenden mit vollem Haar und langem Bart im Profil [Abb. 49 und 50].450 Er hat die Hände vor der Brust verschränkt, wobei die Rechte ins Gewand eingeschlagen ist. Rechts von ihm sitzt ein Junge mit kurzem, lockigem Haar. Den Kopf leicht schräg gelegt, zeigt er auf dem Kopenhagener Blatt [Abb. 49] mit der Rechten einen Ort auf dem Globus, der auf dem Tisch zwischen den beiden steht. Auf der Zeichnung aus Rouen [Abb. 50] trifft sein Blick in derselben Haltung auf die Tischplatte, auf die er seine verschränkten Arme stützt. An der vorderen Kante liegt ein aufgeschlagenes Buch. Da die Kopenhagener Zeichnung flüchtiger ausgeführt ist als das Blatt in Rouen, nimmt van Regteren Altena an, es handele sich um eine Vorstudie.451 Das ist insofern fraglich, als die seiner Meinung nach ausgefeiltere Version mit Buch kompositorische Unklarheiten, um nicht zu sagen Mängel aufweist. Da das Buch so weit weg liegt, entsteht der Eindruck, die beiden starrten müßig auf die Tischplatte, während sie auf dem Kopenhagener Blatt den Globus studieren. Der Vergleich mit einem Porträt des Philologen Joseph Justus Scaliger (1540–1609) [Abb. 51]452 lässt die Identifikation des Lehrers mit dem 1593 aus Frankreich nach Leiden umgesiedelten Gelehrten italienischer Abstammung denkbar erscheinen.453 Zudem gibt es eine Zeichnung de Gheyns, die womöglich den Wissenschaftler bei der Lektüre eines Buches zeigt [Abb. 52].454 Auf beiden Blättern handelt es sich um denselben Mann, für den sein langer Bart und das in die Stirn gekämmte, zerzauste Haar charakteristisch sind. Die Lehrerfigur auf den beiden Zeichnungen ist ähnlich frisiert, wenn auch die beschriebenen Merkmale dort nicht so ausgeprägt sind. Angesichts des Globus ist es zudem reizvoll, zu vermuten, dass der dargestellte Junge ein bestimmter Schüler des bis zu seinem Tod in Leiden ansässigen Wissenschaftlers ist:455 Für Philipp Cluverius (1580–1622), der um 1600 auf Wunsch seiner Familie begann, in Leiden Rechtswissenschaften zu studieren, gab Scaligers Rat den Ausschlag, sich seiner eigentlichen Leidenschaft, der Erdkunde und Kartographie, zu widmen. Er wurde zu einem der bedeutendsten Geographen seiner Zeit.456 Zeigte die Zeichnung ihn, wäre ihre Entstehung etwa 1602 anzusetzen.457 Allerdings 449

Huygens 1994, S. 20. Jacques de Gheyn II.: Lehrer und Schüler (Joseph Justus Scaliger mit einem Schüler?), um 1600–1609 (?), Federzeichnung in Schwarz und Braun, 14.7 x 12.2 cm, Statens Museum for Kunst, Kopenhagen, ohne Inv.-Nr. [Abb. 49]; van Regteren Altena 1983, Bd. II, S. 116 f., Nr. 704, Bd. III, S. 160, Abb. 312; Jacques de Gheyn II.: Lehrer und Schüler (Joseph Justus Scaliger mit einem Schüler?), um 1600–1609 (?), Federzeichnung in Braun, 17.7 x 18.3 cm, Musée des Beaux-Arts et de la Céramique de Rouen, Inv.-Nr. 975.4.289 [Abb. 50]; van Regteren Altena 1983, Bd. II, S. 117, Nr. 705, Bd. III, S. 161, Abb. 315; Rouen 1998, S. 32 f., mit Abb. 451 Van Regteren Altena 1983, Bd. II, S. 116, Nr. 704; ebenso in: Rouen 1998, S. 32. 452 Unbekannt: Joseph Justus Scaliger, 1. H. 17. Jh., Federzeichnung, 20.2 x 13.2 cm, Universiteitsbibliotheek Leiden, Scaliger Instituut (http://bc.ub.leidenuniv.nl/bc/tentoonstelling/Scaliger/images/htm/Scaliger1_4.htm, Aufruf 08.03.2015) bzw. der die Zeichnung reproduzierende Kupferstich von Willem Swanenburgh: van Dam 1996, S. 76, Abb. 2. 453 Ähnlich ist auch ein Gemälde im Besitz der Universität Leiden, abgebildet bei van Regteren Altena, Bd. I, S. 107, Abb. 87. Einige Porträts des Hochschullehrers, unter anderem ein anlässlich seines Rufs an die Universität bei Hendrick Goltzius in Auftrag gegebener Kupferstich, wurden für eine Ausstellung des Scaliger Instituts zusammengestellt und sind unter http://bc.ub.leidenuniv.nl/bc/tentoonstelling/scaliger/ (unter „Iconografie“) zu sehen (Aufruf 15.03.2015). 454 Jacques de Gheyn II.: Bärtiger Mann, ein Buch lesend (wohl Joseph Justus Scaliger), um 1600–1609 (?), Federzeichnung in Braun, 15.5 x 15.2 cm, Musée du Louvre – Cabinet des Dessins, Paris, Inv.-Nr. 19.999; van Regteren Altena 1983, Bd. II, S. 116, Kat.-Nr. 703 (mit einer treffenden Beschreibung Scaligers durch seinen Schüler Daniel Heinsius), Bd. III, S. 161, Abb. 314. 455 Grafton 1993, S. 390. 456 Van Regteren Altena 1983, Bd. I, S. 104 ff.; Rouen 1998, S. 32. 450

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müsste es sich bei dem Schüler dann um einen mehr als 20 Jahre alten Mann handeln, was offensichtlich nicht der Fall ist. Interessant ist aber in diesem Zusammenhang, dass Scaliger, der nach dem Weggang Justus Lipsius von der Universität sehr umworben worden war, es zur Bedingung für seinen Umzug gemacht hatte, keine öffentlichen Vorlesungen halten zu müssen. Er betreute lediglich ausgewählte Studenten, zu denen Hugo Grotius (de Groot), Petrus Scriverius und Daniel Heinsius als prominenteste Protegés gehörten,458 und es ist nicht ausgeschlossen, dass auf den Zeichnungen einer der solchermaßen Auserkorenen zu sehen ist.459 Diese drei waren auch mit Jacques de Gheyn bekannt, dessen Illustrationen für Werke de Grotius’460 und Heinsius’461 den Kontakt des Künstlers zur Universität auch nach seinem Weggang aus Leiden nach 1600 nicht abreißen ließen.462 Trifft diese Vermutung zu, zeigen de Gheyns Skizzen den berühmten Gelehrten und seine zumindest in Leiden bekannten Studenten in der für sie typischen Lehrsituation. Die Bilder wären nicht nur als Momentaufnahmen einzuordnen, sie hätten eine für Eingeweihte durchaus repräsentative Funktion – wenn auch ihr Radius im Medium Zeichnung eher begrenzt gewesen sein mag. Die Weitergabe von Wissen durch einen namhaften Gelehrten deutet die wissenschaftliche Karriere der Studenten an, deren bevorstehender Ruhm wiederum auf ihren Lehrer zurückfällt, wodurch dessen Ansehen eine weitere Steigerung erfährt. Angesichts der anderen von den Scaliger-Schülern überlieferten repräsentativen Porträts, die die Gelehrten in würdiger Haltung, umrahmt von einer mit Attributen geschmückten Kartusche und ihre Errungenschaften lobenden Versen abbilden,463 lässt sich die Bestimmung dieser Darstellungen, auch wenn man die Umsetzung der flüchtigen Skizzen als Kupferstiche oder Gemälde annimmt, nur schwer festlegen. Es ist aber denkbar, dass es sich um Vorstudien zu Gemälden handelt. Von drei entsprechenden Beispielen de Gheyns [Abb. 57, 58, 62] wird gleich noch die Rede sein. Zwei weitere Blätter zeigen einen hageren alten Mann mit längerem, weißem Haar und einem langen Bart mit seinem jungen Schüler. In der einen Szene hat der Alte den Arm um die Schulter des Jungen gelegt, während sein erhobener rechter Zeigefinger seine Ausführungen zu dem vor ihnen liegenden Schriftstück begleitet [Abb. 53].464 Der Junge hingegen hat die Linke wie zur Abwehr erhoben und blickt den Meister zweifelnd an. Während die beiden hier als Halbfiguren erscheinen, holt der Zeichner sie in der zweiten Szene näher heran [Abb. 54].465 Der Junge ist im Profil über ein aufgeschlagenes Buch gebeugt. Sein Lehrer weist mit seinem dünnen, klauenartigen Finger auf den Text und erklärt dem Kind etwas. Beide Zeichnungen wirken durch den hastigen, mit breiten Federstrichen ausgeführten Duktus auf eigenartige Weise dramatisch. Im Fall der Londoner Zeichnung erscheint der Lehrer durch die dunklen Augen und das wirre Haar regelrecht bedrohlich. Auf dem anderen Blatt sind es seine zudringliche Art und der abwehrende Gestus des Jungen, die der Szene eine beklemmende Atmosphäre verleihen. Obschon es wohl zu weit geht, auch darin ein Porträt Scaligers erkennen zu wollen, fühlt man sich angesichts der Intensität der Darstellung an den streitbaren Wissenschaftler erinnert, dessen nicht 457

Van Regteren Altena 1983, Bd. II, S. 117. Grafton 1993, S. 372 ff.; Israel 1995, S. 575 f.; van Dam 1996, bes. S. 76 f.; Clotz 1998, S. 115 f. 459 Dafür spricht auch, dass de Gheyn manche von ihnen als Zuschauer in der Leidener Anatomie darstellt, wenn auch nicht im Sinne von Porträts, sondern im Rahmen einer Inszenierung der von Dr. Paauw abgehaltenen AnatomieStunden. Van Regteren Altena 1983, Bd. II, S. 117, nennt neben Cluverius auch Heinsius als möglichen Dargestellten. Zum idealisierten Charakter der Darstellung vgl.: Swan 2006, S. 56, 60 f., mit Abb. auf S. 55. 460 Hugo de Groot überarbeitete als 16-jähriger auf Anregung Scaligers einen karolingischen Kodex, die Syntagma Arateorum, dessen Neu-Ausgabe im Jahr 1600 erschien. Van Dam 1996, S. 75 f. 461 1601 veröffentlichte Heinsius unter dem Pseudonym Theocritus à Ganda das Emblembuch Quaeris quid sit amor […], im Übrigen das erste seiner Art in den Niederlanden, für das de Gheyn 24 Bilder beisteuerte. Vgl. dazu BeckerCantarino 2007, S. 64 ff. 458

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Van Regteren Altena 1983, Bd. I, S. 44 f., 77, 115. Etwa folgende Kupferstiche im Kupferstichkabinett der Universität Leiden: Willem Swanenburgh: Daniel Heinsius, um 1607, 17.8 x 14.0 cm, Inv.-Nr. Sin 13006; Jan van de Velde (nach einem Gemälde von Frans Hals): Petrus Scriverius, 1626, 27.0 x 15.5 cm, Inv. Nr. Sin 11644; Michiel Jansz. van Mierevelt: Hugo de Groot, 1632, 26.5 x 17.0 cm, Inv.-Nr. Sin 27976 (http://bc.ub.leidenuniv.nl/bc/tentoonstelling/scaliger/ (unter „Scaligers leerlingen“), Aufruf 15.03.2015). 464 Jacques de Gheyn II.: Lehrer und Schüler, um 1610–1620 (?), Federzeichnung in Braun mit schwarzer Kreide, 13.5 x 10.8 cm, Slg. P.W.L. Russell, Amsterdam; van Regteren Altena 1983, Bd. II, S. 98, Nr. 619, Bd. III, S. 210, Abb. 432. 465 Jacques de Gheyn II.: Lehrer und Schüler, um 1610–1620 (?), Federzeichnung in Braun, 10.5 x 8.0 cm, Slg. Mrs. H. Bier, London; van Regteren Altena 1983, Bd. II, S. 98, Nr. 618, Bd. III, S. 210, Abb. 433. 463

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immer berechtigter Zorn sich jedoch gegen seine Kollegen respektive Konkurrenten richtete, nicht gegen seine Studenten, denen er trotz seiner anfänglichen Weigerung, zu unterrichten, ein einflussreicher Mentor gewesen ist.466 Eher scheint es, als verallgemeinere de Gheyn das Thema Lehrer/Schüler und experimentiere mit verschiedenen Typen. Folglich erinnert der alte Lehrer an Hohepriester- und Prophetendarstellungen der Zeit.467 In diesem Zusammenhang sei vorab kurz auf die Porträts der beiden Prinzen von der Pfalz verwiesen, die Anfang der 30er Jahre des 17. Jahrhunderts von Jan Lievens [Abb. 55] und Gerrit Dou [Abb. 56] in Leiden geschaffen worden sind. Lievens und Dou zeigen die jungen Adligen in Anlehnung an antike bzw. alttestamentarische Motive als Schüler von bärtigen, ehrwürdig wirkenden Lehrmeistern beim Studium von Folianten in eindrucksvollem Format. Motivisch und kompositorisch bestehen besonders zu den drei Zeichnungen de Gheyns, die ebenfalls Dreiviertelfiguren zeigen [Abb. 49, 50 und 53], Parallelen. Van Regteren Altena geht aufgrund stilistischer Eigenarten davon aus, dass die beiden zuletzt beschriebenen Arbeiten [Abb. 53 und 54] nach 1615/1620 entstanden sind.468 Dass sie reale Personen zeigen, ist aufgrund der typisiert wirkenden Züge des Lehrers und des wenig charakteristischen Schülerkopfes unwahrscheinlich. Auch die Funktion der Blätter ist ungeklärt. Vermutlich sind es Fingerübungen, die bestimmte Figurenkonstellationen entwerfen, um diese später im gewünschten Kontext inszenieren zu können. Eine solche Inszenierung könnten die im Folgenden besprochenen Gemälde darstellen, auch wenn sie kompositorisch in keinem direkten Zusammenhang zu den Federzeichnungen stehen. V.1.2.2 Tafelbilder Vier Gemälde de Gheyns zu diesem Themenkomplex zeigen eine ähnlich intime Unterrichtsszene. Drei der Werke sind praktisch identische Kompositionen, zu denen mir allerdings nur zwei Abbildungen vorliegen [Abb. 57469 und 58470]. Diese beiden Bilder sind 1620 datiert, und auch das dritte Beispiel471 ist vermutlich in diesem Jahr entstanden. In einer weiteren Variante [Abb. 62] ist statt zweier nur ein Schüler zu sehen. Dieses möglicherweise von de Gheyns Sohn Jacques gemalte Bild soll im Anschluss genauer betrachtet werden. Der mit einem schlichten, einfarbigen Kittel bekleidete Lehrer ist jeweils links als Halbfigur dargestellt. Er erläutert im leicht zum Betrachter gedrehten Profil den ihn aufmerksam betrachtenden Schülern einen Sachverhalt, indem er die Argumente an den Fingern abzählt. Vom blonden Schüler ihm gegenüber sieht man, den Größenverhältnissen gemäß, einen Teil des Oberkörpers. Über bzw. hinter diesem erscheint der Kopf eines dunkelhaarigen Jungen. Der auf den Zeichnungen die Lehrsituation konkretisierende Tisch mit Unterrichtsutensilien fehlt auf den Gemälden. Dagegen ist bei allen Varianten an der Rückwand zwischen den Dargestellten eine Kartusche mit einem Sinnspruch in griechischen Versalien zu erkennen.472 Es ist eine dem Dichter Menander (342/341 v. Chr. – 291/290 v. Chr.) zugeschriebene Sentenz, die sozusagen als Präfiguration des humanistischen Bildungsideals die Notwendigkeit einer fundierten Ausbildung betont, indem sie ver466

Die Schilderung Graftons 1993, S. 377 ff., lässt anhand prägnanter Zitate nachvollziehen, inwiefern die Eigenarten Scaligers Thema der Korrespondenz zwischen Leidener Gelehrten und Kollegen in ganz Europa waren. 467 Van Regteren Altena 1983, Bd. II, S. 98. 468 Van Regteren Altena 1983, Bd. II, S. 98, Nr. 618 bzw. S. 98, Nr. 619. 469 Jacques de Gheyn II.: Lehrer mit zwei Schülern, 1620, Holz, 55.5 x 69.0 cm, Verbleib unbekannt (gesehen bei der Kunsthandlung Salomon Lilian, TEFAF 2009); Amsterdam 2009, S. 28 f., Kat.-Nr. 8, mit Abb. 470 Jacques de Gheyn II.: Lehrer mit zwei Schülern, 1620, Holz, 59.0 x 70.0 cm, Verbleib unbekannt (ehemals Slg. Adolphe Schlosz, Paris); Bernt 1960, Bd. I, Abb. 423; van Regteren Altena 1983, Bd. II, S. 18, Nr. 18, Bd. III, S. 26, Abb. 19. 471 Van Regteren Altena 1983, Bd. II, S. 18, Nr. 18 erwähnt, neben einer offenbar späteren Kopie auf Leinwand, die hier unberücksichtigt bleibt, eine weitere dreifigurige Fassung, die wie die Bilder der Slg. Schlosz und bei Lilian [Abb. 57 und 58] auf Holz gemalt wurde (Verbleib unbekannt, Weissmüller München, 05.12.1962, Lot 1240). Das Bild ist auch in Amsterdam 2009, S. 28, in Anm. 4 angeführt. 472 ΒΡΑΒΕΙΟΝ ΑΡΕΤΗΣ [/] ΕΣΤΙΝ ΕΥΠΑΙ∆ΕΥΣΙΑ; vgl. Wansink 1987, S. 9. Ein Unterschied zwischen den beiden mir bekanten Bildern [Abb. 57 und 58] besteht darin, dass die Kartusche mit Inschrift und Signatur oben rechts bei der von Lilian angebotenen Tafel [Abb. 57] am oberen Rand etwas angeschnitten ist.

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kündet: Der Lohn der Tugend ist eine gute Erziehung.473 Unmissverständlich wird hier also Bildung als erstrebenswertes Gut, gar als Statussymbol präsentiert. Van Regteren Altena urteilt aufgrund einer Photographie des dritten Bildes, dass es sich dabei um eine besonders sorgfältig ausgeführte Arbeit handele. Er erkennt auch eine (auf der ihm vorliegenden Aufnahme allerdings unleserliche) Inschrift auf dem Blatt, das der vordere Junge hält. Höchstwahrscheinlich ist das, wie auf der noch zu beschreibenden zweifigurigen Fassung des Sujets [Abb. 62], die von dem Schüler niedergeschriebene Wiederholung des Verses an der Rückwand. Ist dieses Bild also die Ur-Fassung, nach der die anderen Varianten gemalt wurden? Und warum gibt es mehrere davon, was ist das Besondere an den Bildern? Denkbar wäre, dass es sich um Bildnisse handelt,474 von denen jeder der Porträtierten eine Version erhalten hat. Doch um wen handelt es sich dabei? Den kantigen Kopf des Lehrers hat de Gheyn möglicherweise in einer Charakterstudie vorbereitet [Abb. 59].475 Der Vergleich kann aber nicht restlos überzeugen, da der Mann auf der Zeichnung nicht nur älter wirkt, auch der Verlauf der Augenbrauen ist stärker nach unten geneigt, das Haar ist länger. Sehr ähnlich ist eigentlich nur die charakteristisch kantige Stirn, die jedoch bei dem Alten auf der Zeichnung deutlich faltiger ist. Den vorderen Jungen mit lockigem Haar, fein gezeichneten Augenbrauen und schmaler Nase hat de Gheyn ebenfalls mehrfach in Skizzen festgehalten. Da sein Porträt auf verschiedenen, leicht variierten Blättern überliefert ist [Abb. 60 und 61],476 wird es sich nicht bei allen um Studien nach einem physisch präsenten Modell handeln, sondern um Beispiele eines von de Gheyn gepflegten und teils auch frei überarbeiteten Repertoires, auf das er nach Bedarf zurückgreifen konnte. Eine vorbereitende Studie für den hinteren Schüler hat sich meines Wissens nicht erhalten. Tatsächlich erinnern Frisur und Augenpartie des vorderen Knaben entfernt an den bereits erwähnten Hugo de Groot (1583–1546), den de Gheyn – wie van Regteren Altena annimmt – möglicherweise zwei Mal in derselben Haltung und Kleidung gezeichnet hat [Abb. 63].477 Er nennt allerdings keine gesicherten Porträts, die seine Vermutung stützen könnten. De Groot war ab 1594, und damit zu de Gheyns Zeit, Student in Leiden. Bereits als 12-Jähriger lieferte er für einige Stiche des Künstlers die lateinischen Beischriften.478 Es ist verlockend, den hochbegabten jungen Studenten, der sich im Übrigen im Alter zwischen 14 und 16 Jahren mit der für die Ikonographie der Grammatica grundlegenden Schrift Martianus Capellas beschäftigt hat,479 auf den Gemälden wiederzuerkennen. Dass aber die ihn möglicherweise darstellenden Zeichnungen durch den vergleichsweise hohen Haaransatz dem Knaben auf dem zweifigurigen, vermutlich später entstandenen Gemälde [Abb. 62] nahe stehen, hinsichtlich anderer Charakteristika – etwa der Nase und der Augenpartie – aber dem Antlitz des Jungen auf den dreifigurigen Unterrichtsszenen [Abb. 57 und 58] ähnlicher sind, macht das Ganze nicht einfacher. 473

Jäkel 1964, S. 40, Nr. 124; Übersetzung nach Wansink 1987, S. 9. Für entsprechende Hinweise bin ich OStR i. H. Dr. Heinz-Lothar Barth, Institut für Griechische und Lateinische Philologie Bonn, sehr verbunden. 474 Van Regteren Altena 1983, Bd. II, S. 18 f. 475 So z. B. einen ebenfalls im Dreiviertelprofil nach rechts blickenden Alten auf einem Blatt mit drei weiteren Köpfen: Jacques de Gheyn II.: Kopfstudien (Drei bärtige alte Männer und eine alte Frau), wohl vor 1620, Federzeichnung in Braun mit schwarzer Kreide, weiß gehöht, 14.6 x 9.6 cm, Teylers Museum, Haarlem, Inv.-Nr. 84; van Regteren Altena 1983, Bd. II, S. 122, Nr. 739, Bd. III, S. 196, Abb. 400. 476 Van Regteren Altena 1983, Bd. II, S. 18, meint in dem vorderen Schüler den auf einem Blatt mit Kopfstudien eines Knaben [Abb. 60], wohl vor 1620, Federzeichnung in Braun mit Weißhöhungen, 14.0 x 9.5 cm, Maida and George Abrams Collection, Boston, unten abgebildeten Jungen zu erkennen: vgl. van Regteren Altena, Bd. II, S. 123, Nr. 748, Bd. III, S. 197, Abb. 406. In der weicheren Physiognomie ähnlicher ist aber m.E. der Junge unten links auf einem Studienblatt mit sechs Knabenköpfen [Abb. 61], wohl vor 1620, Federzeichnung in Braun, 15.2 x 18.8 cm, Slg. Korthals Altes; van Regteren Altena 1983, Bd. II, S. 125, Nr. 774, Bd. III, S. 125, Abb. 227. 477 Jacques de Gheyn II.: Bildnis eines Jungen mit großem Kragen, Federzeichnung in Braun, 6.2 x 8.9 cm, Musées Royaux des Beaux-Arts, Brüssel, Inv.-Nr. 1340; Van Regteren Altena 1983, Bd. II, S. 121, Nr. 735, Bd. III, S. 181, Abb. 357; Jacques de Gheyn II.: Studienblatt mit drei Köpfen, vor 1620 (?), Federzeichnung in Braun, 20.5 x 18.3 cm, Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam, Inv.-Nr. H. 259 [Abb. 63]; van Regteren Altena 1983, Bd. II, S. 124 f., Nr. 772, Bd. III, S. 181, Abb. 359. 478 Van Regteren Altena, Bd. II, S. 121; zur Zusammenarbeit: van Regteren Altena 1983, Bd. I, S. 42 ff.; zum Einschreibungsdatum: van Dam 1996, S. 67. 479 Hugo Grotius: Martiani Minei Felicis Capellae Carthaginiensis Satyricon. Leyden, 1599; Lutz 1973, S. 158; van Dam 1996, S. 68, 71, 77.

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Zudem hätte de Gheyn mit den 1620 entstandenen Gemälden retrospektive Porträts von de Groot geschaffen, der zu dieser Zeit bereits 47 Jahre alt war. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, dass die Bilder nach früheren Skizzen gefertigt worden sind – da jedoch kaum zu rekonstruieren ist, welchem Zweck die nachträgliche Darstellung des jungen Studenten gedient haben sollte, ist die Identifikation mit de Groot nicht zu beweisen.480 Trotz dieser Ungereimtheiten ist es meines Erachtens wahrscheinlich, dass das Gemälde ähnlich wie Peter Paul Rubens’ (1577–1640) im Jahr 1611 entstandenes Memorialbild der Vier Philosophen [Abb. 64]481 an einen bestimmten Gelehrten und dessen Schüler erinnern soll, oder dass de Gheyn bei der Entstehung wie auch bei den Entwürfen der eben diskutierten Zeichnungen solche Bildnisse zumindest im Hinterkopf hatte. Rubens’ Bild porträtiert den bereits einige Jahre zuvor verstorbenen Justus Lipsius (1547–1606) mit seinem geradezu legendären Leopardenkragen unter der vermeintlichen Büste Senecas.482 Rechts neben ihm ist Jan van de Wouwer (Woverius) platziert und links Rubens’ Bruder Philipp, dessen Tod 1611 wohl den Anstoß zu dem Bild gab. Der Maler selbst ist links im Hintergrund stehend zu sehen. Lipsius war der gemeinsame Lehrer von van de Wouver und Philipp Rubens, und so ist er hier auch zu sehen: mit dem Zeigefinger der linken Hand auf eine wichtige Stelle in einem vor ihm aufgeschlagenen Folianten zeigend, mit der Rechten seine Ausführungen erläuternd. Lipsius doziert wohl über die gesammelten Werke Senecas, deren Publikation das letzte Werk des Universitätslehrers war. Philipp Rubens, den Lipsius gern als Nachfolger an seinem Löwener Lehrstuhl gesehen hätte, hatte die Ausgabe im Jahr 1605 dem neuen Papst Paul V. vorgestellt. Möglicherweise verzichtet auch de Gheyn nicht völlig auf Anhaltspunkte zur Identifikation der Dargestellten (von denen das Florentiner Philosophenporträt allerdings noch mehr enthält als die von mir nur kurz skizzierten). Ein Stich Lucas Vorstersmans d. J. [Abb. 65a]483 bzw. dessen spiegelverkehrte Vorlage liefert einen Hinweis darauf [Abb. 65b]:484 Das Blatt zeigt die Herme eines griechischen Philosophen, der wohl von den Zeitgenossen fälschlich als Plato identifiziert wurde.485 Die prominente hohe Stirn und der lockige Bart des Dargestellten sind mit den wesentlichen Erscheinungsmerkmalen des Lehrers von de Gheyns Gemälden eng verwandt. Lediglich die Nase ist anders geformt und das Haar des Philosophen ist etwas länger bzw. fällt welliger als der dunkle Schopf des Mannes auf den Bildern. Die Darstellung ist Teil einer Serie von uomini illustri nach Rubens, in deren Kontext auch ein Stich nach der eben erwähnten „Seneca“-Büste entstand. Die Reihe wurde 1638 fertig gestellt, der Plato respektive die Vorzeichnungen könnten aber auch um Einiges früher entstanden sein.486 Doch selbst wenn diese schon vor de Gheyns Darstellung geschaffen worden sein mag, ist nicht zu rekonstruieren, wie dieser davon Kenntnis erhalten hat. Demnach kann dieser Hinweis nicht mehr als ein vages Indiz dafür sein, welche Absicht hinter seinen Gemälden vermutet werden kann. Eine Verbindung zum hellenischen Kulturkreis ergibt sich nicht zuletzt durch die griechische Inschrift: De Gheyn beschäftigte sich – wie van Regteren Altena berichtet – ab etwa 1613 mit der Darstellung von Geistesgrößen, darunter Empedokles und Hippokrates. Es ist gut denkbar, dass 480

Van Regteren Altena 1983, Bd II, S. 18. Peter Paul Rubens: Die vier Philosophen, 1611, Holz, 167.0 x 143.0 cm, Palazzo Pitti, Florenz, Inv.-Nr. CSE-S000190-9702; Antwerpen 2004, S. 40 ff., mit Abb.; für eine ausführliche geistesgeschichtliche Würdigung des Bildes siehe: Morford 1991, S. 3 ff., Abb. auf dem Frontispiz. 482 Eine solche Büste – die nach heutigem Forschungsstand den antiken Dichter Hesiod darstellt – besaß auch Rubens selbst. Vgl. van der Meulen 1994/1995, Bd. I, S. 142 ff., 144 f. zum Bild. Zur Identifikation der Büste bzw. Rubens’ künstlerischer Auseinandersetzung mit Seneca vgl. Noll 2001, bes. S. 94 ff., zum Gemälde S. 96, mit Abb. 9 auf S. 103. 483 Lucas Vorstersman d. J. (nach P. P. Rubens): Büste Platos, vor 1638, Kupferstich, 29.5 x 18.8 cm; van der Meulen 1994/1995, Bd. I, S. 145, Bd. II, S. 131 f., Nr. 215, Abb. in Bd. III, Nr. 215; Herremans 2008, S. 48, mit Abb. 484 Lucas Vorstersman d. J. (nach P. P. Rubens): Büste Platos, vor 1638, Federzeichnung in Braun, 24.7 x 16.2 cm, Frits Lugt Collection – Fondation Custodia, Paris, Inv.-Nr. 5949; van der Meulen 1994/1995, Bd. I, S. 146, Bd. II, S. 132, Nr. 115a (2), Abb. in Bd. III, Nr. 214 (o. S.). Neben der verlorenen Vorzeichnung von Rubens sind zwei weitere Skizzen des Motivs überliefert. Vgl. van der Meulen 1994/1995, Bd. I, S. 146, Bd. II, S. 132, Nr. 115a (1), Abb. in Bd. III, Nr. 212 (o. S.); Herremans 2008, S. 48. 485 Es handelt sich wohl eher um ein Bildnis Epikurs. Vgl. van der Meulen 1994/1995, Bd. I, S. 150, Bd. II, S. 131 f. 486 Van der Meulen 1994/1995, Bd. I, S. 145 f., 151, vermutet, die Arbeiten an der Serie seien zwar 1638 abgeschlossen, aber schon deutlich früher, vielleicht in den frühen 1620er Jahren, begonnen worden. Dafür spricht, dass Rubens die meisten der vorbildhaften Büsten aus seinem Besitz bereits 1626 verkauft hatte. 481

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dieses Interesse auf die Anregung von Leidener Philologen zurückzuführen ist.487 Der Lehrer hält seine Hände sicher nicht zufällig so, als würde er bestimmte Denkschritte gestisch unterstreichen oder Argumente aufzählen. Unwillkürlich denkt man an philosophische Konstrukte wie den im Zusammenhang mit de Gheyns Berliner Zeichnung [Abb. 42] vorgestellten Bildungs-Dreiklang Aristoteles. Das alles scheint möglich, muss aber mangels konkreter Hinweise Hypothese bleiben. Fest steht allerdings, dass de Gheyns Bilder ein in höheren Kreisen angestrebtes und auch verwirklichtes Bildungsideal thematisieren. Ihr einfacher Aufbau ist mit einem die Grammatica darstellenden Relief Lucca della Robbias (um 1400–1481) vergleichbar [Abb. 66].488 Parallel zum Bildvordergrund sitzen zwei etwa gleich große Schüler einem Lehrer gegenüber, der ihnen mit beredter Geste die Inhalte des auf einem Lesepult vor ihm liegenden Buches erörtert. Hier werden also, ebenso wie bei Rubens oder de Gheyn, ganz explizit die verschiedenen Aspekte des Lehrens vorgeführt: Dozieren, (Vor-)Lesen, Hören, Niederschreiben, Verstehen und geistiges Verinnerlichen und Memorieren der vermittelten Inhalte. Wie bei Floris’ Stich [Abb. 22] verbildlicht die geöffnete Tür – vergleichbar mit den als prächtige Portale gestalteten Frontispizen zahlreicher Bücher der Zeit –489 im Hintergrund den durch das Lernen ermöglichten Zugang zur Weisheit. So lautet die Beischrift zu einer deutschen Darstellung der Grammatica vom Ende des 16. Jahrhunderts: „Alln Kunsten ich auffsperz die Thür [...]“.490 Und in der Beischrift zu Floris wird die Grammatica als „Pförtnerin“ bezeichnet. De Gheyns weitgehender Verzicht auf solche Attribute und Sinnbilder, die der Schilderung der Physiognomien von Lehrer und Schülern sehr viel Raum lässt, spricht meiner Meinung nach dafür, dass es sich bei den Gemälden um Porträts handelt. Schließlich wurden solche Gemälde sicher auch Besuchern gezeigt, und diese wären mit der beliebigen Darstellung irgendeines Lehrers kaum zu beeindrucken gewesen. Wie schon angesprochen, existiert von dem Gemälde eine weitere Fassung, die nur einen, und zwar den vorderen Schüler zeigt [Abb. 62].491 Zwar trägt auch sie die Datierung 1620, diese scheint aber bei einer Restaurierung überarbeitet worden zu sein und ist deshalb möglicherweise nicht korrekt.492 Dafür, dass dieses die ursprüngliche Version der gemalten Unterrichtsszenen ist, spricht auf den ersten Blick, dass die Kartusche mit dem für die Szene zentralen Motto sorgfältiger ausgeführt und prominenter präsentiert ist. Insgesamt wirkt die Komposition dadurch stimmiger, während bei den anderen Bildern [Abb. 57 und 58] der zweite, obere Knabenkopf wie eingesetzt erscheint. Im Vergleich dazu ist die Kartusche bei den dreifigurigen Bildern stärker in den Hintergrund geraten. Das ist erstaunlich, hätte doch de Gheyn Lehrer und Schriftrahmen lediglich leicht nach links verschieben müssen, um genug Platz für den dritten Kopf zu haben. Van Regteren Altena meint zwar, der Künstler habe Schwierigkeiten mit der Verkürzung des im Dreiviertelprofil dargestellten Gelehrtenkopfes gehabt, was in der späteren Fassung in Manchester korrigiert worden sei. Eine solche Korrektur ist für mich nicht erkennbar. Allerdings fällt auf, dass das Haar des Jungen auf dem Bild in Manchester rötlicher ist und seine Stirn höher als auf den anderen beiden Darstellungen. Zudem sind die Augenbrauen und die Nase etwas anders geformt. War die Ähnlichkeit mit einer bestimmten Person hier nicht mehr von Bedeutung und ging es nicht mehr um zwei bestimmte Schüler, so dass einer ausreichte, um eine prototypische Unterrichtssituation darzustellen? Das würde dafür sprechen, dass – wie van Regteren Altena vermutet493 – Jacques de Gheyns Sohn diese spätere Fassung gemalt hat und dabei keine Rücksicht mehr auf die Wünsche eines Auftraggebers nehmen musste, sondern die Komposition nach seinen eigenen 487

Van Regteren Altena 1983, Bd. I, S. 113 f. Luca della Robbia: Grammatica, 1437–1439, Marmorrelief, 81.5 x 68.5 cm; Museo dell’Opera del duomo, Florenz; Durantini 1983, S. 97 f., Abb. 44, S. 105; Willemsen 2008, S. 25, Abb. 6. 489 Etwa zu dem schon erwähnten Emblembuch Jean-Jacques Boissards Vesuntini Emblemata, Erstausgabe Metz 1588 (vgl. hier Kapitel V.1.2.2, Abb. 14). 490 Tobias Stimmer: Grammatica, Holzschnitt aus Mathias Holtzwarts Emblematum Tyrocinia (Strassburg 1581), neu aufgelegt in Nicolas Reusners Aureolorum emblematum liber (Strassburg 1591); zu den Auflagen vgl. Henkel/Schöne 1978, S. XLIX f.; zitiert nach: Durantini 1983, S. 101, Abb. 45; Frankfurt 1993, S. 246. In der mir zugänglichen Ausgabe Holtzwart 1581/1968, finden sich allerdings weder Darstellung noch Text. In Den Haag/Washington 2005, S. 73, werden diese Bezüge als nicht beweisbar abgelehnt. Zu Floris vgl.: Reichert 2004, S. 38, zur Tor-Metaphorik allgemein: S. 106 f. 491 Jacques de Gheyn III. (?): Lehrer und Schüler, nach 1620 (?), Papier und Holz, 58.0 x 69.5 cm, Manchester Art Gallery, Inv.-Nr. 1949.224; van Regteren Altena 1983, Bd. II, S. 18, Nr. 19, Bd. III, S. 26, Abb. 17. 492 Van Regteren Altena 1983, Bd. II, S. 18. 493 Van Regteren Altena 1983, Bd. II, S. 18, Nr. 19. 488

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Vorstellungen variieren konnte. Es ist nicht auszuschließen, dass er dabei auf Porträtskizzen seines Vaters [Abb. 63] zurückgegriffen hat, wodurch sich die Ähnlichkeit mit dem vermeintlichen Hugo de Groot erklären ließe. Unabhängig davon, wer nun hier zu sehen ist: Der Schwerpunkt aller Darstellungen liegt auf dem Vorgang des Lehrens: Offensichtlich erörtert der Lehrer die Bedeutung einer fundierten Erziehung. Die so Belehrten nehmen die vermittelten Werte auf, schreiben sie sogar mit und werden sie entsprechend beherzigen. Auch der Betrachter wird zum Schüler, indem er die Worte von der Wand abliest und diese – durch die eifrig wirkenden Jungen animiert – ebenfalls verinnerlicht. Inszeniert wird der Unterricht in der Tradition griechischer Geistesgrößen, durch die Weitergabe des durch Genius und Hingabe erworbenen Wissens sichert er das Fortbestehen und die Weiterentwicklung der intellektuellen Elite und somit des wissenschaftlichen Fundaments der Niederlande. Letztlich war ja auch die Leidener Universität, in deren weiterem Umfeld die Werke entstanden, ein prestigeträchtiges Bildungsprojekt, das das akademische Leben des Protestantismus auf ein Niveau mit der katholischen Konkurrenz bringen sollte – und die Bestätigung dieses Anspruchs durch Bilder war ein wesentliches Mittel, um den Ruf der noch verhältnismäßig jungen Hochschule zu sichern und zu verbreiten.494 Der griechische Vers taucht im Übrigen auch auf einer vergleichbaren Szene auf [Abb. 67],495 die von van Regteren Altena noch Jacques de Gheyn III. zugeschrieben wurde.496 Inzwischen gilt sie als ein Werk des Delfter Malers Willem van Vliet (um 1584–1642). Es mag sein, dass van Vliet die Szenen de Gheyns kannte und sich diese für seine Darstellung ehrwürdiger Gelehrtheit und kindlicher Gelehrigkeit zum Vorbild genommen hat. Im Missverhältnis zwischen der nicht nur geistigen Größe des Gelehrten und dem zarten Alter der Kinder schießt er jedoch etwas über das Ziel hinaus: Der in ein weites Übergewand gehüllte bärtige Schulmeister hat sich während seiner Ausführungen im Sessel, dessen Armlehnen mit Adlerköpfen verziert sind, vorgelehnt. Sein erhobener Zeigefinger verharrt auf Augenhöhe des mittleren Knaben, sein Blick unter der hohen Denkerstirn ist visionär verklärt. Die drei Kinder, zwei Jungen, der älteste vielleicht zehn Jahre alt, und ein Mädchen schauen ihn eher verzagt denn verstehend an. Sie tragen faltenreiche, antikisch anmutende Gewänder, der älteste zudem eine fremdartige Mütze mit geschlitzter Krempe. Die pädagogische Losung, zu lesen auf einem Zettelchen in der rechten oberen Ecke, lässt keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Szene. Doch scheitert van Vliet an seinen Ansprüchen: Zu groß ist die Diskrepanz zwischen dem mit gewichtiger Geste dozierenden Lehrer und den noch sehr kindlich wirkenden Schülern. Dass die Gelehrsamkeit wohlsituierter Bürger dem in den bisher beschriebenen Bildern abgebildeten Ideal nahe kam, zeigen Inventare von Bibliotheken des 17. Jahrhunderts. Wissenschaftler und Gelehrte verfügten über reiche Sammlungen von Büchern, Karten und anderem Druckwerk. Ebenfalls vergleichsweise gut ausgestattet waren manche Künstler, etwa der schon kurz genannte Cornelis Dusart497 [Abb. 2 und 3] oder Pieter Saenredam (1597–1665). In Saenredams Nachlass waren 424 Bücher, darunter Klassiker der antiken Literatur in niederländischer Übersetzung, niederländische Dramen, Dichtung und Emblembücher.498 Um mit ihren Bildthemen auf der Höhe der Zeit zu sein, war es für Künstler unabdingbar, zu lesen – und zwar nicht nur kunsttheoretische Texte, von denen die meisten der im Verlauf der Arbeit zitierten sich auch in Dusarts Besitz befanden,499 sondern auch erbauliche Texte oder das, was wir heute als Unterhaltungsliteratur bezeichnen würden. Auch in dieser Hinsicht ist Dusart beispielhaft.500 494

Israel 1995, S. 596 ff.; Clotz 1998, S. 28 ff.; Veldman 2004, S. 318 ff. Willem van Vliet (zugeschrieben): Schulmeister mit drei Schülern, um 1620–1630 (?) Holz, 60.0 x 85.0 cm, Verbleib unbekannt (ehemals Slg. Dr. Katz, London); Wansink 1987, S. 7 ff., Abb. 10 auf S. 7. 496 Van Regteren Altena 1983, Bd. II, S. 163, Nr. 7, Bd. III, S. 233, Abb. 2. Diese fehlerhafte Zuschreibung ließ ihn wiederum daran zweifeln, dass das zweifigurige Gemälde [Abb. 62] ein Werk Jacques III. ist: Van Regteren Altena 1983, Bd. II, S. 18. 497 Das Inventar seiner über 200 Titel umfassenden Bibliothek ist publiziert von: Anderson 2010, S. 133 ff. 498 Schenkeveld-van der Dussen 1993, S. 56; zu Übereinstimmungen zwischen Saenredams und Dusarts Buchbesitz siehe: Anderson 2010, S. 136. 499 Anderson 2010, S. 134 f. 500 So besaß er neben vielen anderen Gerbrand Adriaensz. Brederos (1585–1618) Groot Lied-boeck, von dem im Zusammenhang mit den Werken Jan Miense Molenaers noch die Rede sein wird (vgl. hier Kapitel VI.1.1.4), und natürlich Jacob Cats Spiegel van den Ouden en Nieuwen Tijdt. Anderson 2010, S. 137, 139, 143, 145. 495

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Viele Künstler engagierten sich zudem bei den Rederijkern, um sich durch Szenen aus der Dramendichtung anregen zu lassen. Neben Mehrfachbegabungen malender Dichter fand auch – wie für de Gheyn und de Groot kurz angesprochen – in der Zusammenarbeit beim Verfassen von bildbegleitenden Versen oder der Bebilderung von Texten ein Austausch mit der schreibenden Zunft statt.501 Ebenso bedeutsam war die Fähigkeit zu schreiben, galt das Schriftbild doch als Spiegel der Persönlichkeit. Der achtjährige Michiel van Mierevelt übertreffe darin die Delfter Schulmeister, lobt Karel van Mander.502 Zahllose Publikationen befassten sich mit den verschiedenen Schriftformen, ihrer Hierarchie und den festgelegten Verwendungsmöglichkeiten, sie enthielten Musterblätter und Ratschläge für die korrekte Anwendung der jeweils angebrachten Type oder des Stils.503 Diese Ratgeber – und, sofern der Lehrer darüber verfügte, auch Briefe selbst – wurden auch im Unterricht verwendet, denn eine elegante Handschrift sowie die Fähigkeit, sich gewählt auszudrücken, bedeutet soziales Prestige und Gelehrtheit. Pieter Bernagie erzählt die Geschichte eines Edelmannes, der von seiner Angebeteten zugunsten eines bürgerlichen Verehrers abgewiesen wird, weil dieser die Kunst des Briefeschreibens so virtuos beherrscht.504 Die Rolle einer guten Schulbildung als Grundlage für den gesellschaftlichen Aufstieg kann also kaum überschätzt werden. V.2

Die Porträts der Prinzen von der Pfalz mit ihren Erziehern

Eine exklusive schulische Bildung genossen die Kinder des protestantischen Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz – des so genannten „Winterkönigs“ –, die ab 1623 eine Zeit lang auf der Leidener Rapenburg lebten.505 Betreut wurden sie vor allem von Wolrad von Plessen und seiner Gattin. Von Plessen fungierte seit langem als Berater des Vaters, der nach einer schweren Niederlage gegen den Kaiser in der Schlacht um die böhmische Königskrone die Regierungsgeschäfte aus dem niederländischen Exil führte.506 Die Porträts der beiden ältesten Prinzen von der Pfalz, gemalt von Gerrit Dou (1613–1675) und Jan Lievens (1607–1674), zeigen Karl Ludwig und seinen jüngeren Bruder Rupert mit ihren jeweiligen Erziehern [Abb. 55507 und 56508]. Bei Karl Ludwig ist das Wolrad von Plessen, der Lehrer Ruperts ist nicht namentlich bekannt. Er wirkt älter als sein Kollege, sein Gesicht ist schmaler und besonders die Augenpartie ist anders geformt, so dass es sich trotz einer gewissen Ähnlichkeit wohl nicht um denselben Mann handelt. Die Komposition ist jeweils auf die Zweiergruppe beschränkt, der Unterricht wird durch einen gewaltigen Wälzer auf kostbarem Brokat repräsentiert. Die Prinzen sind im Vordergrund platziert und durch die Farbigkeit ihrer reichen Gewandung hervorgehoben. Beide sind in vermeintlich historische Kostüme509 gekleidet, die schwere Bürde der späteren Herrschaft scheint sich in ihren kindlichen 501

Schenkeveld-van der Dussen 1993, S. 60, 63, 65 ff. „[…] seer jongh ter Scholen gheschickt wesende, was opmerckich, en vlijtich in’t leeren, alsoo dat hy maer een kindt van acht Iaren wesende in de Schrijf-const soo toeghenomen hadde, dat hy beter schreef als eenigh School-meester binnen der stadt van Delft.“ Van Mander 1604, fol. 280 v.; Jensen Adams 1993, S. 69, S. 72 ff., S. 76. 503 Jensen Adams 1993, S. 77 ff., 89. 504 De Planque 1926, S. 133 ff., beschreibt auch die Verwendung von Briefen im Unterricht, S. 151 nennt er entsprechende Veröffentlichungen; Jensen Adams 1993. 505 Zur höfischen Erziehung im Allgemeinen: Dekker/Groenendijk/Verberckmoes 2000/2001, S. 49, 53. 506 Brown 1983, S. 664 f. 507 Jan Lievens: Karl Ludwig Prinz von der Pfalz mit seinem Lehrer Wolrad von Plessen, 1631, Leinwand, 103.5 x 96.5 cm, J. Paul Getty Museum, Malibu, Inv.-Nr. 71.PA.53; Frankfurt 1993, S. 242 f., Kat.-Nr. 54; Washington/Milwaukee/Amsterdam 2008/2009, S. 138 f., Kat.-Nr. 29, mit Abb. 508 Gerrit Dou: Rupert Prinz von der Pfalz mit seinem Lehrer, um 1631/1632, Leinwand, 102.9 x 88.7 cm, J. Paul Getty Museum, Malibu, Inv.-Nr. 84.PA.570; Frankfurt 1993, S. 180 ff., Kat.-Nr. 24; van Straten 2006, S. 205 ff., Abb. 370 f.; Washington/Milwaukee/Amsterdam 2008/2009, S. 138, Abb. 1. Es ist davon auszugehen, dass das Porträt Ruperts durch Rembrandt begonnen und von dessen Schüler Dou vollendet wurde. 509 Karl Ludwig trägt einen Mantel, den Lievens auch für andere Porträts verwendet hat, etwa: Bildnis eines jungen Mannes, Leinwand, 112.0 x 97.0 cm, National Gallery of Scotland, Edinburgh. Ruperts Kleidung dagegen erinnert an die Gewandung des Mannes in orientalischem Kostüm („Sultan Soliman“), Leinwand, 135.0 x 110.5 cm, Bildergalerie Schloss Sanssouci; van Straten 2006, S. 92, Abb. 112 (Bildnis), S. 90 ff., Abb. 111 („Soliman“); Washington/Milwaukee/Amsterdam 2008/2009, S. 118 f., Kat.-Nr. 19, mit Abb. („Soliman“), S. 146 f., Kat.-Nr. 33 (Bildnis). 502

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Zügen widerzuspiegeln. Sie blicken nachdenklich, verinnerlichen wohl, was ihnen ihr weise und gütig wirkender Lehrer mit sprechender Geste erläutert. Lievens wählte für die Inszenierung Karl Ludwigs ein antikes Bildungsideal. Die durch die Erbfolge bedingte Laufbahn des späteren Kurfürsten deutet sein visionär in die Ferne gerichteter Blick bereits an. In herrschaftlicher Pose hat er die linke Hand in die Hüfte gestemmt,510 sein Haupt krönt in Vorwegnahme seiner Siege ein Lorbeerkranz. Die Komposition enthält Anspielungen auf Alexander den Großen und seinen Lehrer Aristoteles. Alexanders politisches Geschick, gepaart mit seiner fundierten Bildung511 machen ihn zum Prototyp des guten Herrschers, in dessen Tradition der Knabe präsentiert wird.512 Der jüngere Rupert trägt eine Art orientalisches Kostüm mit Turban,513 die Kleidung seines Lehrers wird in Analogie dazu als die eines alttestamentarischen Priesters gedeutet. Das Bild vermittelt in Anlehnung an Eli und seinen Schüler, den späteren Richter und Propheten Samuel, die christliche Erziehung des jungen Adligen, der seine Augen fest auf die Heilige Schrift gerichtet hat. Samuel wurde zu einem weisen Führer seines Volkes erzogen und setzte als Sendbote des Herrn die beiden ersten Könige der Israeliten, Saul und David, ein. Im Brief an die Hebräer wird er als einer derjenigen genannt, die „aufgrund des Glaubens Königreiche besiegt […] und […] feindliche Heere in die Flucht geschlagen“ haben.514 Eine zentrale Rolle für diese Darstellungen spielt die Tradition des Fürstenspiegels, dessen Funktion als Appell an den Herrscher, seine Regentschaft in gottesfürchtig-tugendhafter Pflichterfüllung auszuüben, seit der Antike für die Erziehung des adligen Nachwuchses kanonisch war. Auch der Weißkunig [vgl. Abb. 1] ist von solchen Prinzipien geprägt. In den Niederlanden wurden diese Vorstellungen, deren prominenteste Beispiele Castigliones Libro del Cortegiano (1528) oder Macchiavellis Principe (1532) sind, von Marnix van St. Aldegondes 1615 in Franeker publizierter Abhandlung De institutione principium ac nobilium puerorum aufgegriffen515 – einer Schrift, die wohl von dem damaligen friesischen Statthalter Wilhelm Ludwig Graf von Nassau in Auftrag gegeben worden war.516 Es erstaunt, dass die beiden Prinzen während ihres Aufenthaltes in Leiden offenbar nicht von demselben Lehrer unterrichtet wurden. Möglicherweise war Wolrad von Plessen, der 1631 gestorben ist, zum Zeitpunkt der Entstehung des Bildes nicht mehr am Leben. Brown vermutet, bei dem Dargestellten handle es sich um einen Gelehrten aus dem Gefolge der Prinzen oder aus dem Umfeld der Leidener Universität, deren Ehrenmitglieder von Plessen, Friedrich von der Pfalz wie auch seine drei ältesten Söhne waren.517 Obschon dies ja – wie oben kurz angesprochen – für andere Porträts bedeutender Leidener Persönlichkeiten belegt ist, kann die Auftraggeberschaft der Universität für die Bildnisse der Prinzen und ihrer Lehrmeister nicht nachgewiesen werden. Wenn auch die Vermutung Browns, der Leidener Poet und Chronist Jan Orlers (1570–1646) habe mit den Porträts einen Beitrag zur Legitimation des kurpfälzischen Hauses als Hüter der böhmischen Königskrone leisten wollen, nicht zweifelsfrei zu beweisen ist, ist es doch eine interessante Überlegung. Orlers’ Unterstützung der nassauischen 510

Die hier als Herrschergestus gemeinte Haltung wird bei bürgerlichen Kindern (etwa von Erasmus) kritisiert: Haarlem/Antwerpen 2000/2001, S. 236. 511 Vgl. dazu besonders: Maigler-Loeser 2004, S. 157 f., 165, 323. 512 Washington/Milwaukee/Amsterdam 2008/2009, S. 138. Dass aber auf von Plessens Amulett, wie Brown 1983, S. 669, meint, das Haupt Alexanders zu sehen sei, trifft wohl nicht zu – denn dieser Kopf ist bärtig. Vgl. die Detailabbildung auf der unpaginierten Seite vor S. 1 in Washington/Milwaukee/Amsterdam 2008/2009. Zu mittelalterlichen Texten und Darstellungen von Aristoteles, der Alexander unterrichtet, vgl. Willemsen 2008, S. 130 ff. 513 Es gibt ein weiteres Bildnis Jan Lievens’, das wohl ebenfalls Rupert zeigt: Bildnis eines Knaben in orientalischem Kostüm (Rupert Prinz von der Pfalz?), um 1631, Holz, 67.0 x 51.8 cm, Privatbesitz; Washington/Milwaukee/Amsterdam 2008/2009, S. 140 f., Kat.-Nr. 30, mit Abb.: hier allerdings als Karl Ludwig angesprochen – was angesichts der Kostümierung (den Turban trägt auch auf dem Bildnispaar Rupert) und der Gesichtszüge nicht nachvollziehbar ist. 514 Hebräer 11, 32. 515 Frijhoff 2001, S. 58 ff.; zu Form und Funktion des Fürstenspiegels siehe u. a.: Mühleisen/Stammen 1997, S. 9 ff.; Maigler-Loeser 2004, S. 11 ff. (mit Schwerpunkt auf der Verwendung/Instrumentalisierung historischer Vorbilder für den Adressaten, wobei Alexander der Große zu den beliebtesten Exempla gehörte, dazu bes. S. 152 ff. und 323), S. 42 ff. zu einer 1589 in Leiden veröffentlichten, vergleichbaren Schrift Justus Lipsius, allerdings mit breiterem gesellschaftspolitischem Ansatz; zur Wirkung solcher Texte in den Niederlanden: Roodenburg 2004, S. 9 ff., 36 ff.; Veldman 2004, S. 328, zur Verbreitung des Cortegiano in den Niederlanden S. 41 ff. 516 Frijhoff 2001, S. 66; Roodenburg 2004, S. 36. 517 Brown 1983, S. 669.

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Herrscher, zu deren Familie auch Friedrich von der Pfalz gehörte, tat Orlers bereits im Nassauschen Laurencrans (Leiden 1612) kund, den er Elisabeth von der Pfalz, der Mutter der beiden Prinzen, widmete. Der Bezug zwischen dem Titel der genealogischen Schrift und der Bekränzung Karl Ludwigs auf dem Gemälde ist aber sicher zu allgemein, als dass sie wirklich als entsprechend intendierter Hinweis verstanden werden könnte. 1631, in der Entstehungszeit der Bilder, bekleidete Orlers wichtige Ämter als einer der vier Bürgermeister Leidens und Mitglied des Universitätsrats, und nicht zuletzt sind in seinem Sammlungsinventar von 1640 neun Bilder von Jan Lievens aufgelistet. So ist es gut denkbar, dass der Bewunderer des Hauses Nassau die Bilder bei den aufstrebenden jungen Künstlern bestellt und sie dem kurpfälzischen Herrscherpaar zum Geschenk gemacht hat – als Beweis seiner Loyalität und als Reverenz an seine Heimatstadt, die das in seinen Augen rechtmäßige böhmische Königspaar mit der gebührenden Ehrerbietung aufgenommen hatte.518 Unabhängig von der Frage nach dem Auftraggeber sind die Prinzenporträts interessante Beispiele dafür, welche Rolle Unterricht und Bildung bei der Inszenierung des gerechten und stolzen Regenten spielten. Die Erziehung dieser jungen Aristokraten ist, ebenso wie der Unterricht, den Constantijn Huygens erhielt, repräsentativ für eine immer noch den höheren Kreisen vorbehaltene Bildungslaufbahn.519 Die Szenen zeigen ein Milieu, das nichts mit der von Luther und anderen Protestanten geforderten Bildung für alle zu tun hat. Entsprechend haben die von Hugo de Groot oder Daniel Heinsius verfassten Theaterstücke über alttestamentarische oder mythologische Gestalten in ihrer Orientierung an der hohen Kunst der klassischen Tragödie wenig mit den derben kluchten eines Schonaeus’ oder Macropedius’ gemein.520 Die geistige Elite legte darauf Wert, ihren Nachkommen eine Form der intellektuellen Erziehung zugute kommen zu lassen, die sich die wenigsten leisten konnten.521 Die Haltung von Justus Lipsius, der auf die Frage, ob er seine Theorien nicht auch auf Holländisch zugänglich machen wolle, erwiderte, er wünsche nicht, dass sein Gedankengut von Kneipenwirten und Seeleuten diskutiert werde,522 ist zwar ein extremes Beispiel – und doch kann man sich angesichts der bildlichen Darstellungen gut vorstellen, dass es in der Bildung praktisch keine Berührungspunkte der verschiedenen Schichten gegeben hat. Die in den folgenden Kapiteln besprochenen Darstellungen Gerrit Dous sind zwar keine Unterrichtsszenen aus höfischen Kreisen, verbildlichen aber das von Adel und Patriziern gepflegte Ideal. V.3

Die Unterrichtsszenen Gerrit Dous

Gerrit Dou (1613–1675) war, wie schon seine Tätigkeit als Porträtist in höfischen Kreisen vermuten lässt, ein höchst angesehener Maler, Mitbegründer der Leidener Lukasgilde und Lehrer von späteren Meistern wie Gabriel Metsu (1629–1667) oder Frans van Mieris (1635–1681). Seine Kunst wurde, wie schon Philips Angel berichtet, in höheren Kreisen bewundert und angemessen honoriert.523 In den Jahren 1628 bis 1632 war er der erste Schüler Rembrandts gewesen, zuvor hatte er unter anderem von seinem Vater die Kunst der Glasmalerei und des Kupferstechens erlernt. Diese Fertigkeiten trugen sicher wesentlich dazu bei, dass er sich seit den 40er Jahren des 17. Jahrhunderts zu einem perfektionistischen Pinselkünstler entwickelte, der heute noch als wichtigster Vertreter der Leidener Feinmaler gilt.524 518

Diese Vermutung stützt auch die Tatsache, dass die Bilder aus der Sammlung Elisabeths von der Pfalz stammen. Brown 1983, S. 663, 670. 519 Hierzu siehe z. B. Roodenburg 2004, bes. S. 26 ff. 520 Worp 1903, S. 223 f., 233 f. 521 Entsprechende Beispiele finden sich bei Roberts 1998, z. B. S. 107 ff., oder Roodenburg 2004, S. 83 ff. 522 Israel 1995, S. 566, ohne Nachweis. Auf den folgenden Seiten skizziert er das geistige Klima des „Goldenen Zeitalters“ in Intellektuellenkreisen. 523 Zu seinen wichtigsten Kunden gehörte der Gesandte des schwedischen Hofes in Den Haag, Pieter Spiering, der sich für den jährlichen Betrag von 500 Gulden ein Vorkaufsrecht an Dous Arbeiten gesichert hatte, und auch Cosimo III. Medici suchte Dou 1669 auf, um seine Bilder zu betrachten – und womöglich auch einige zu erwerben. 1660 kauft der Rat der Provinzen Holland und Westfriesland drei Gemälde Dous, um sie dem englischen König Charles II. zum Geschenk zu machen. Dieser lädt Dou an den Hof ein, was dessen Namen wohl auch europaweit bekannt macht. Angel 1642, S. 23; Baer 2000/2001, S. 30 ff., dort zitiert sie auch weitere zeitgenössische Quellen, die Dous Ruf illustrieren. Siehe dazu auch: Leiden 1988, S. 24 ff. bzw. 36 ff. 524 Leiden 1988, S. 9, 11 ff.; Baer 2000/2001, S. 29 f.

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Als Markenzeichen etabliert Dou das Hochformat mit halbrundem Abschluss, häufig gerahmt von einem steinernen, teils reliefgeschmückten Fensterrahmen.525 Sein Œuvre umfasst vor allem Szenen aus dem bürgerlichen Milieu – Porträts und Interieurs – mit hohem didaktischem Anspruch, von denen bereits ein Bild – die um 1655 entstandene Magd am Fenster [Abb. 13] – kurz beschrieben wurde. Dous Unterrichtsszenen verbildlichen das Bildungsideal dieser Schicht, das dem Erziehungswesen der geistigen Elite nachempfunden ist. Die artifizielle Malweise seiner Bilder, die Details wie Stoffe oder andere kostbare Einrichtungsgegenstände besonders hervorhebt, entspricht dem Zeitgeschmack. Selbst schlichte Sujets – etwa die Alte Frau mit Krug am Fenster526 – scheinen von einem schimmernden Glanz überzogen. Die Käufer legten, wie auch noch im Zusammenhang mit den späten Unterrichtsdarstellungen Adriaen van Ostades zu zeigen sein wird, mehr und mehr Wert auf malerische Raffinesse und Eleganz.527 Und Dou entsprach mit seinen virtuosen Darstellungen genau diesem Stilgefühl. V.3.1 Gerrit Dous erste Unterrichtsdarstellung Dous früheste Unterrichtsszene ist 1645 datiert [Abb. 68].528 Zentral ist das von der Seite gesehene Pult des Lehrers, genau genommen ein Tisch mit Pultaufsatz. Der Mann blickt den Betrachter mit nach links gewandtem Kopf direkt an. Er trägt einen dunklen Mantel, den Tappert bzw. tabaard – einen für den Gelehrtenstand traditionellen langen Mantel, dessen Ärmel den Unterarm meist frei ließen [besonders gut zu sehen etwa auf Abb. 29/30, 80 oder 213].529 In der Rechten hält er einen kleinen Zeigestock, in der Linken das Pritschholz, das so im unmittelbaren Bildvordergrund präsentiert wird. Um das Pult sind vier Schüler gruppiert. Ein Junge steht, im Dreiviertelprofil von hinten gesehen, vor dem Katheder und studiert ein dicht beschriebenes Blatt in seinen Händen. Ein anderer lehnt sich gleich rechts neben dem Lehrer mit den Ellbogen auf das Pult und folgt mit dem Finger den Zeilen, auf die der Zeigestock des Lehrers weist und die der Junge wohl vorliest. Zwischen den beiden sind im Hintergrund zwei weitere Knaben zu erkennen. Der linke reibt sich die Augen, vermutlich hat er den Zorn des Lehrers zu spüren bekommen. Sein Mitschüler schaut ihn an. Rechts vom Lehrer ist schemenhaft ein fünfter Kopf zu erkennen, wohl ein weiterer sitzender Schüler. Schon der durchdringende Blick des Schulmeisters530 macht deutlich, dass es Dou nicht um die anekdotische Beschreibung des Schulalltags geht, sondern um Grundsätzliches. Neben anderen emblematischen Motiven – etwa einer Sanduhr, bei Ripa Attribut der Übung (Essercitio)531 – kommt dem Kreisel neben dem Pult des Lehrers eine zentrale Bedeutung zu: Da dieser sich nur dreht, solange er angetrieben wird, sind die Parallelen zur menschlichen, respektive gerade zur kindlichen Natur, offensichtlich.532 Es ist der strenge Alte, der die Kinder durch die Drohung mit der plak zum Lernen anhält. Sein Blick mag den Betrachter durchaus nicht kalt gelassen haben, schließlich ist ein Moment dargestellt, der diesem aus seiner eigenen Schulzeit gut in Erinnerung geblieben sein dürfte. 525

Vgl. dazu Kleinmann 1996, S. 46 ff.; Sonntag 2003, besonders S. 56 ff. Gerrit Dou: Alte Frau mit Krug am Fenster, um 1660–1665, Holz, 28.3 x 22.8 cm, Kunsthistorisches Museum – Gemäldegalerie Wien; Baer 2000/2001, S. 114 f., Kat.-Nr. 25, mit Abb.; Sonntag 2003, S. 134, 136, Abb. 5 auf S. 277. 527 Franits 2004, S. 120 f. Einige Zitate aus der zeitgenössischen Kunstliteratur, vor allem die Malweise betreffend, finden sich bei Emmens 1963, S. 125 ff. Eine kurze Übersicht über Dous Œuvre gibt Baer 2000/2001, S. 33 ff., die auf S. 30 vermutet, die Sujets seien für die begüterten Käufer weniger interessant gewesen als das reiche decorum und die artifizielle Malweise. Zu Technik und Arbeitsweise Dous: Baer 2000/2001, S. 39 ff. 528 Gerrit Dou: Der gestrenge Schulmeister, 1645, Holz, 27.0 x 19.4 cm, The Fitzwilliam Museum, Cambridge, Inv.-Nr. 33; Cambridge 1960, Bd. I, S. 27 f., Nr. 33, Taf. 16; Durantini 1983, S. 114 f., Abb. 53; Cambridge 1988/1989, S. 18, 37, Abb. 28; Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 214, Abb. 2. 529 Van Thienen 1929, S. 22 f.; Sonntag 2006, S. 172. 530 Möglicherweise handelt es sich dabei um Dous Vater. Ein Porträt des Künstlers zeigt Alten mit krausem weißen Haar: Gerrit Dou: Bildnis eines Mannes, um 1642–1645, Leinwand, 18.4 x 14.9 cm (ovaler Bildträger), The Corcoran Gallery of Art Washington, William A. Clark Collection; Baer 2000/2001, S. 84 f., Kat.-Nr. 11, mit Abb. 531 Ripa/Pers 1644, S. 358; Miedema 1975, S. 15. 532 Visscher 1614, Teil III, S. 165, Nr. XLIII: Soo lang de Roe wanckt. Als negatives Exemplum sind sie dementsprechend nie in Bewegung zu sehen. Durantini 1983, S. 114, 116, Abb. 54, S. 206. Kreisel gehörten zwar zu den Gegenständen, die von Kindern häufig mit in die Schule gebracht wurden (Willemsen 2008, S. 91, 95, 97 f., Abb. 76). So auffällig auf dem Pult des Lehrers platziert aber hat das Spielzeug sicher eine sinnbildhafte Bedeutung. 526

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Die obere Bildhälfte verschwindet fast vollständig im Dunkeln. Man erkennt zwar noch den von der Decke hängenden Vogelkäfig, nicht jedoch, ob sich darin ein Tier befindet. Es ist aber anzunehmen, dass das – wie bei de Hoochs Darstellung mütterlicher Fürsorge beispielsweise [Abb. 18] – der Fall ist. Im schulischen Zusammenhang verweist der Käfig wohl auf die in der Schule bzw. durch die Erziehung vollzogene Zähmung des Geistes. Entsprechende Embleme erklären, dass der Vogelkäfig Sicherheit bedeutet. Für diesen Schutz muss der Vogel zwar seine Freiheit aufgeben, dafür können seine Feinde ihm aber auch nichts anhaben.533 Dass eine fundierte Bildung ebenfalls vor bestimmten Anfechtungen schützen kann, ist unbestritten, es ist mir aber nicht gelungen, einen Nachweis für diese Verbindung zu finden. Doch ist angesichts der Häufigkeit des sonst vor allem auf amouröse Zusammenhänge hinweisenden Motivs534 in Unterrichtsdarstellungen kaum etwas anderes denkbar. Eine passende Deutung ergäbe sich, würden darin Papageien gehalten, die Menschen nachahmen, so wie Kinder das Verhalten von Erwachsenen imitieren.535 Ein Emblem aus Holtzwarts Emblematum Tyrocinia nennt und zeigt ausdrücklich den Papagei im Käfig als Beispiel für das Verhalten, das „gern der schuler nach Seim lehrmeister“ annimmt.536 Bei Ripa ist der gelehrige Papagei im Käfig eine Beigabe der Eloquenza, der Welsprekentheyt.537 Da aber ein solcher Vogel mit Ausnahme einer Schulszene Jan Miense Molenaers [Abb. 108], wo die genaue Art auch nur erahnt werden kann, nirgends zu erkennen ist, ist dieser Bezug ebenfalls nicht zweifelsfrei nachweisbar. Der frühen Szene merkt man den Einfluss von Dous Lehrmeister Rembrandt noch deutlich an: Vor allem der Rundpfeiler im Hintergrund, die von rostroten Tönen bestimmte Farbigkeit des Bildes sowie der Einfall des Lichtes von links erinnern stark an dessen 1629 – und damit in der Lehrzeit Dous – entstandene Darstellung des Reuigen Judas [Abb. 69].538 Aufgrund der stilistischen auch inhaltliche Parallelen zu vermuten ist schwierig. Fest steht aber, dass die würdevolle Inszenierung die Wirkung des ernsten Lehrerblickes und somit den mahnenden Charakter des Bildes effektvoll unterstreicht. Im Unterschied zu Dous anderen Unterrichtsdarstellungen [Abb. 70, 74–76, 80] ist ein vergleichsweise kleiner Ausschnitt zu sehen, die Dargestellten sind als Kniefiguren angelegt. Der Blick auf die späteren Beispiele hingegen wird von Dou nicht nur durch die Perspektive distanzierter konstruiert, auch die Motivik wird so sorgfältig ausgeschmückt, wie die Farbe mit feinem Pinselstrich aufgetragen ist. Das Bild unterscheidet sich also in einigen wesentlichen Merkmalen von den späteren Unterrichtsdarstellungen Dous: Das Umfeld ist verhältnismäßig schlicht (bzw. überhaupt nicht zu sehen), die Komposition wenig originell. Und doch nehmen sich, wie noch zu zeigen sein wird, Adriaen van Ostade und Jan Steen gerade dieses für Dou wenig repräsentative Gemälde zum Vorbild für eigene Arbeiten zum Thema. Es ist schwer zu sagen, welche der Unterrichtsdarstellungen Dous in der chronologischen Folge als nächste anzusetzen ist, da zumindest zwei der sämtlich undatierten Beispiele einerseits Elemente der eben beschriebenen Szene aufweisen und zugleich wesentliche Neuerungen zeigen. Eine dieser Neuerungen ist, dass die Szenen bei Dunkelheit im Schein von Kerzenlicht stattfinden – es handelt sich demnach um Abendschulen.

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Hooft 1611, S. 66 f., Nr. XXVIII: Voor vryheyt vaylicheyt. Portemann 1611, S. 132 f., eine Erläuterung auf S. 195 f.; Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 183, Abb. 1 (Ausgabe Amsterdam 1671). 534 Vgl. dazu de Jongh 1995, S. 21 ff. 535 Durantini 1983, S. 64. 536 Tobias Stimmer: Qualis rex, talis grex, Holzschnitt aus Holtzwarts Emblematum Tyrocinia (Strassburg 1581); Holtzwart 1581/1968, S. 56, Nr. XIX, mit Abb. 537 Ripa/Pers 1644, S. 595, ohne Käfig ist er der Docilita (Leersaemheyt) (S. 283) beigegeben. Ähnlich auch: van Mander 1604, fol. 131 v. 538 Rembrandt Harmensz. van Rijn: Der reuige Judas gibt die 30 Silberlinge zurück, 1629, Holz, 79.0 x 102.3 cm, Privatbesitz England; Kassel/Amsterdam 2001, S. 226 ff., Kat.-Nr. 33, mit Abb. auf S. 227, zum hohen Ansehen des Bildes unter den Zeitgenossen S. 229.

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V.3.2

Die Abendschulen

V.3.2.1 Das Triptychon Natur, Unterweisung, Übung Eine solche Abendschule ist Teil eines von Dou um 1660 geschaffenen Triptychons [Abb. 70]539, dessen Beschreibung hier der Diskussion der anderen drei Beispiele – ungeachtet deren tatsächlicher Entstehungszeit – vorangestellt werden soll, da das in dieser Form ungewöhnliche Werk für diese von besonderer inhaltlicher Bedeutung ist. Die hier vorgetragene Deutung beruht im Wesentlichen auf der von Jan Emmens 1963 vorgelegten Analyse, da sie – wie zu sehen sein wird – weitgehend schlüssig mit den Deutungen anderer Unterrichtsdarstellungen korrespondiert. So ist Emmens’ Auslegung von Dous Tafeln in der Forschung auch lediglich von Peter Hecht angezweifelt worden – und obschon seine Einwände zum Teil vertretbar sind, bleibt er eine überzeugende Alternative zu der Lesart Emmens’ schuldig.540 Die Vermutung, ein Maler wie Dou, dessen komplexe Kompositionen von emblematischen Motiven geprägt und dementsprechend zu deuten sind, habe für das Werk schlicht seine beliebtesten Bildtypen zu einem Triptychon zusammengefügt, ohne auf die inhaltliche Korrespondenz der Szenen zu achten, banalisiert die Arbeitsweise des hoch bezahlten Rembrandtschülers auf eine Art und Weise, die schwer nachvollziehbar ist. Auf den ersten Blick sind für die vorliegende Arbeit lediglich die Darstellungen der Flügel interessant: Links sind bei Kerzenschein lernende Kinder zu sehen, rechts ein bei Kerzenlicht seine Feder spitzender Gelehrter. In der Mitte öffnet sich der Blick in einen vom Tageslicht beleuchteten Wohnraum, in dessen Vordergrund eine junge Mutter mit einem Säugling zu sehen ist [Abb. 71c]. Diese Figur bietet bereits einen Anknüpfungspunkt für die inhaltliche Verbindung der Tafeln: Sie verbildlicht den Aspekt der mütterlichen Fürsorge, deren wichtige Rolle für die Erziehung der Kinder im Verlauf bereits mehrfach thematisiert worden ist. Der Betrachter blickt durch eine effektvoll von kostbaren Vorhängen umrahmte Bogenöffnung in einen zweigeteilten Innenraum. Im vorderen Teil hat eine Frau am wärmenden Kaminfeuer ihr Kind aus der Wiege genommen, um es zu stillen. Den Betrachter anschauend, symbolisiert sie mit entblößter Brust den Lauf von Wachsen und Werden – die Natur. Dass der Vorgang des Stillens nicht gezeigt wird (das Kind hat den Kopf zum Betrachter gewendet), hat wohl keine weitere Bedeutung, als dass der Maler so analog zur emblematischen Gestalt der Natura die entblößte Brust der Mutter zeigen kann.541 Nach Ripas Iconologia hat auch die Educatione (Opvoedinge) ihre milchgefüllte Brust enthüllt, da dies ihre wichtigste Eigenschaft hervorhebt, nämlich „ein offenherziges Gemüt und die Weitergabe der ihr eigenen Kraft und Tugend“.542 Im 17. Jahrhundert war die Vorstellung verbreitet, man nehme sein Wesen mit der Muttermilch auf. Eine Episode bei Jan de Brune zum Beispiel berichtet über einen Amtmann, der mit Ziegenmilch aufgezogen worden war. Der arme Mensch war Zeit seines Lebens gezwungen, seine animalische Seite in Form von ihn regelmäßig überkommenden Bocksprüngen in aller Heimlichkeit auszule539

Das Werk, das Katharina die Große 1771 aus der Sammlung Gerrit Braamcamps (1699–1771) erworben hatte, wurde während des Transports bei einem Schiffsunglück zerstört. Vgl. hierzu zuletzt: Ehanti 2011, S. 8 f., mit Abb. Die Forschung zu dem Bild stützt sich auf eine für Braamcamp (der es wiederum 1763 in Paris von Samuel Bernard erworben hatte) zwischen 1763 und 1771 von Willem Joseph Laquy (1738–1798) angefertigte Kopie im Rijksmuseum Amsterdam (Mitteltafel: Leinwand, 83.0 x 70.0 cm, Seitenflügel: Holz, je 80.0 x 36.0 cm, Inv.-Nr. SK-A-2320-A-C, http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.461024 mit weiteren Angaben und Literatur, Aufruf 21.03.2015); Amsterdam 1976a, S. 198, mit Abb.) sowie eine Beschreibung von Arnold Houbraken 1719, Bd. II, S. 5; zitiert bei: Emmens 1963, S. 129, bzw. Bille 1961, Bd. II, S. 13 f., Nr. 53. Vgl. auch Bille 1961, Bd. I, S. 39 ff., 47 sowie Abb. 53 im Tafelteil. Die Datierung findet sich bei Martin 1913, S. 93, mit Abb.; zur Analyse vgl.: Amsterdam 1976b, S. 91–93. 540 Emmens 1963, S. 125–136; Hecht 1993, S. 100–102. Bei Hecht findet sich auch zwischenzeitlich erschienene Literatur zu dem Werk, die Titel sind jedoch weder vollständig (so fehlt die Arbeit Durantinis), noch enthalten sie die Diskussion bereichernde Standpunkte, so dass – sofern es nicht um den Nachweis neuer Aspekte geht – diese hier nicht aufgezählt werden. Beide Autoren liefern zudem weitere Quellen, etwa zur Provenienz der Bilder, die in diesem Zusammenhang nicht relevant sind, so dass auf ihre Nennung ebenfalls verzichtet wird. 541 Durantini 1983, spricht auf S. 6 f. und S. 16 ff. von „distracted child“ bzw. „interrupted nursing scenes“. Die von ihr diskutierten Implikationen sind aber lediglich für Szenen relevant, die eine Ablenkung des Kindes durch andere Reize zeigen, z. B.: Durantini 1983, S. 10, Abb. 3, S. 17, Abb. 8; Emmens 1963, S. 131, führt aus, warum es sich um die Mutter des Kindes, nicht um eine Amme handeln muss. 542 „De Mammen vol melx en de bloote borst, bedieden een voornaemste deel van de Opvoedinge, ’t welck is om openbaerlijck de openhertigheyt van haer gemoed, en het mede-deelen van haere kracht of deughd te betoonen.“ Ripa/Pers 1644, S. 394. Den mütterlichen Aspekt der Grammatica und entsprechende Darstellungen erläutert Bagley 1990, S. 21 f. Vgl. auch Amsterdam 1976b, S. 92.

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ben.543 Da das von Dou gemalte Kleinkind von einer sittsamen Frau gestillt wird und in einem ordentlichen Haushalt aufwächst, wird ihm solches Ungemach erspart bleiben. Obschon besonders wohlhabende Bürgerinnen ihr Kind gern von einer Amme stillen ließen, befürworteten unter anderem Erasmus, Cats und Comenius das Stillen des Kindes durch die Mutter als einzig richtige Form der Aufzucht, da es auf diese Weise seinen „Eltern an Eigenschaften und Tugenden viel ähnlicher“ werde, als wenn es von einer anderen Frau genährt würde. Dieser Annahme werden die meisten Zeitgenossen zugestimmt haben.544 Eine ähnliche Botschaft vermittelt ein Gemälde des Haarlemers Pieter Fransz. de Grebber (um 1600–1652/1653), das eine lesende Frau zeigt,545 die gleichzeitig ihr dem Säuglingsalter eigentlich schon entwachsenes Kind stillt. Es suggeriert, dass das von der Mutter erworbene Wissen (oder ihre Frömmigkeit, sofern sie einen religiösen Text liest) direkt auf das Kind übergeht. Das Stillen wird als wichtiger Teil der moralischen Erziehung präsentiert.546 Schon die nur kurz angerissene Vielfalt der möglichen Konnotationen macht klar, dass Dou sich, anders als Hecht meint, bei der Figur der Mutter nicht allein an Ripas Verkörperung der Natura – einer weiblichen Aktfigur, auf deren rechtem Arm ein Raubvogel sitzt – orientiert hat.547 Vielmehr steht ihm ein regelrechtes Netz von Darstellungsmustern und Ideen zur Verfügung, in dem die verschiedenen Personifikationen und Sinnbilder motivisch und inhaltlich auf vielfältigste Weise miteinander verknüpft sind. Das heißt in diesem Fall beispielsweise: Die Frau ist nicht nur die Mutter eines Kindes, für dessen behütetes Aufwachsen sie sorgt, durch sie lässt sich auch die übergeordnete Wirkung der Natur veranschaulichen. Weitere Motive enthalten Hinweise auf das Wesen der Frau und zugleich den Sinngehalt der Szene: Auf dem Tisch neben ihr liegt ein aufgeschlagenes Buch. Daneben steht ein zweiarmiger Kerzenleuchter, allerdings steckt darin nur eine Kerze, ebenso in dem mehrarmigen Leuchter an der Decke. Des weiteren befinden sich ein fein gearbeitetes Lavabo und ein Standspiegel auf dem Tisch, wohl Zeichen für körperliche Reinheit und geistige Reflexion. Im unmittelbaren Bildvordergrund rechts steht das Nähzeug der Frau in einem offenen Korb – offenbar ist sie der vita activa zugetan.548 Hinten links öffnet sich unter einem Bogen ein weiterer Raum, in dem eine ärztliche Behandlung stattfindet. Ein Junge und eine Magd, die sich mit ihrer Schürze die Augen wischt, schauen zu. Gekrönt wird die Szene von einem von der Decke hängenden Krokodil, wie es bei Arzt- oder Alchemistenszenen als Raumschmuck verwendet wurde, um das naturwissenschaftliche Umfeld der Dargestellten zu illustrieren. Emmens erkennt darin – in Anlehnung an den aristotelischen Naturbegriff, der zwischen aktiven und passiven Lebensweisen unterscheidet – einen Gegensatz zu der im Vordergrund von der sorgenden Mutter verkörperten vita activa, einer gewissermaßen in den häuslichen Bereich übertragenen Personifikation der Natura. Der sich unter den Händen des Mediziners windende Mann verbildlicht folglich womöglich im Wortsinn die passive, die leidende Natur.549 Eine ähnliche Deutung erwägt Wheelock für den 1652 datierten Quacksalber Dous [Abb. 72].550 Die auf den 543

Emmens 1963, S. 131, Anm. 14: Er gibt die Quelle mit Jan de Brune d. J.: Alle Volgeestige Werken [...], Harlingen 1664, S. 120, an. In der mir zugänglichen Ausgabe des Jahres 1681 ist die Passage allerdings nicht zu finden. 544 Zitat aus Comenius’ Informatorium der Mutterschul, in: Heubach 1962, S. 33; Cats: Christelyck Huys-Wyf. Derde Deel: Moeder, S. 160 f.; Dekker/Groenendijk 1991, S. 326 ff.; Dekker 2000, S. 91; zu Erasmus: Schoch 1988, S. 220 f. 545 Pieter Fransz. de Grebber: Mutter und Kind, 1622, Holz, 98.5 x 73.4 cm, Frans Hals Museum Haarlem, Inv.-Nr. os 87283; Haarlem 1992/1993, S. 80, mit Abb.: Die Vermutung, es handle sich um eine Darstellung der Caritas, halte ich für unzutreffend, wahrscheinlicher ist die Deutung als Darstellung Marias mit dem Christuskind bzw. eine Anspielung an entsprechende Szenen. Im älteren Katalog ist die Datierung „ca. 1625“ angegeben, in Haarlem 2006, S. 466 f. (Kat.-Nr. 161), ist das Bild 1622 datiert. Dort ist die Tafel als „Lesende Jungfrau mit Kind“ betitelt. 546 Roberts 1998, S. 167 f. 547 Ripa/Pers 1644, S. 349; Hecht 1993, S. 102, Abb. 2 auf S. 323. 548 Emmens 1963, S. 132; Amsterdam 1976b, S. 92, 191 f., S. 197 f. zu möglichen Bedeutungen des Spiegels. 549 Emmens 1963, S. 132: Er weist darauf hin, dass Aristoteles seinen Naturbegriff ebenfalls mit der Metapher von Arzt und Patient verdeutlicht, so z. B. in Buch II der „Physik“, zitiert bei Zekl 1987, S. 51. Hecht 1993, S. 101, dagegen meint, dass eine solche Quelle in der Werkstatt eines Malers im 17. Jh. wohl kaum herangezogen worden sei, begründet diese Einschätzung jedoch nicht. Die Erläuterung von Aristoteles’ Unterscheidung zwischen passivem und aktivem Leben findet sich unter anderem auch bei Ripas Schilderung der Natura, die den Malern der Zeit bekannt gewesen sein dürfte. Und auch wenn dort von einem Arzt nicht die Rede ist, betont auch Ripa, dass die mit Milch gefüllten Brüste der Personifikation der vita activa als Hinweis auf ihre Aufgabe als Nährerin zu verstehen seien. Ripa/Pers 1644, S. 349. 550 Gerrit Dou: Der Quacksalber, 1652, Holz, 112.0 x 83.0 cm (oben abgerundet), Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam, Inv.-Nr. St 4; Wheelock 2000/2001, S. 18 f., Abb. 5; Baer 2000/2001, S. 100 ff., Kat.-Nr. 19.

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Scharlatan hereinfallenden Menschen versinnbildlichen die passive, von leiblichen Genüssen dominierte Wesensart, andere wiederum – etwa der mit mürrischem Seitenblick an ihm vorbeiziehende Bauer, der eine Schubkarre voller Felderträge schiebt – das aktive Leben. Der sich im Hintergrund von der Szene abwendende, den Betrachter mit zweifelnder Miene mahnend anschauende Maler, ein Selbstporträt Dous, repräsentiert das kontemplative Leben. Zugleich jedoch ist er, der illusionistische Kunstwerke schafft, ja gewissermaßen auch eine Art Betrüger. Allerdings sind seine Illusionen unterhaltsam und lehrreich, weder schaden sie dem Geldbeutel derer, die daran glauben, noch gefährden sie ihre Gesundheit. Und es gibt noch jemanden, der sich im wahrsten Sinne des Wortes von der Scharlatanerie des Quacksalbers abwendet: Es ist der an Kleidung und Tornister erkennbare Schuljunge, der rechts neben dem Tisch des betrügerischen Doktors steht.551 Dieser scheint die effekthascherische Vorstellung zu durchschauen und spöttisch über diejenigen zu lachen, die dem Blender aus Unkenntnis vertrauen. Trotzdem: Dass das Kind sich in der Menge der Zuschauer befindet, deutet darauf hin, dass der Junge sich – ähnlich wie ter Borchs pflichtvergessener „Hundeflöher“ [Abb. 17] – herumtreibt, anstatt sich mit nützlichen Dingen abzugeben.552 Die Szenen auf den Flügeln finden in dunklen Räumen bei Kerzenschein statt. Links sitzen an zwei Tischen je drei Kinder und lernen Lesen und Schreiben, die Grundlagen der Grammatica und damit aller Freien Künste.553 Gezeigt wird hier also ein weiterer Schritt in der Entwicklung des auf der Mitteltafel als Säugling gewissermaßen noch auf der ersten Daseins-Stufe dargestellten Menschen. Auf jedem Tisch steht eine sanft leuchtende Kerze, ganz im Vordergrund wirft eine große Laterne ihr Licht strahlenförmig auf den Boden. Ein Mädchen, das im Hintergrund eine Treppe herab kommt, trägt ebenfalls eine Kerze. In der Szene ist, entgegen der ikonographischen Tradition, kein Lehrer zu sehen. Stattdessen unterweist ein älterer Junge im Vordergrund das neben ihm mit dem Rücken zum Betrachter sitzende Mädchen, indem er ihr zeigt, wie sie auf ihrer Schiefertafel schreiben soll. Wenn sie einen Fehler macht, kann dieser leicht korrigiert werden. Der auf der anderen Seite des Tisches rechts von dem Mädchen sitzende Knabe ist schon weiter: Er schreibt selbstständig auf einem Blatt Papier, einer Schreibgrundlage, die keine Fehler verzeiht. Das Licht des Verstehens, des Lernens und des Wissens ist zentral für die Szene des linken Flügels.554 Die damit verbundenen Konnotationen, die auch anderen bei Kunstlicht stattfindenden Unterrichtsszenen Dous eigen sind, werden abschließend ausführlich erläutert. An dieser Stelle sei vorab nur darauf hingewiesen, dass die Darstellung von Kunstlicht neben der Erweiterung der inhaltlichen Bezüge natürlich besondere Kunstfertigkeit erforderte.555 Die Szene des rechten Flügels ergänzt die Komposition motivisch und inhaltlich: Dort sitzt, ebenfalls bei Dunkelheit, ein zur Mitte gewendeter Gelehrter mittleren Alters,556 der seine Feder schärft. Er hält das Utensil nah an die Kerze, die auf dem Tischpult vor ihm steht. Die Sanduhr gemahnt in diesem Zusammenhang weniger an die zeitliche Begrenztheit irdischen Tuns oder die verrinnende Zeit,557 stattdessen sollte sie – wie im Zusammenhang der frühesten Unterrichtsszene Dous in Cambridge schon angesprochen – in Anlehnung an Ripas Personifikation als ein Zeichen für die hier 551

Detailabbildung: Baer 2000/2001, S. 101. Raupp 1983, S. 414. 553 Emmens 1963, S. 132 f. 554 Vgl. dazu die Kerze als Attribut der Übung bzw. des Studiums bzw. die beim Lesen eine Fackel haltende Figur der Cognitione aus Ripas Iconologia (Ripa/Pers 1644, S. 273) oder vergleichbare Embleme, die Licht mit Wissen, Vernunft oder geistiger Erhellung allgemein verknüpfen: Miedema 1975, S. 6; Seidel 1996, S. 224, 228 ff., 436 ff., Abb. 122 ff.; Neumeister 2003, S. 315 ff. 555 So reimt z. B. van Mander 1604, fol. 31v. – 32r.: „Keers-lichten, als dinghen niet seer commune, [/] Vallen moeyelijck, en constich om maken, [/]*Dan het staet wel, als men voor aen in’t brune [/] Eenich Beeldt van de voeten tot de crune [/] Overschaduwt, t’licht latende gheraken [/] Slechs den omtreck van naeckte hayr oft laken, [/] Oock moet van het licht, als een punct oft steke [/] De schaduw’over al nemen haer streke.“ Neumeister 2003, S. 11. 556 Laut Houbraken 1719, Bd. II, S. 5, ist das „een oud Man“. Zitiert bei: Emmens 1963, S. 129. Da auch andere Federschneider Dous [Abb. 80, 83] ältere Männer sind, könnte es sich dabei um einen Kopistenfehler handeln. 557 Emmens 1963, S. 134. Die Sanduhr erscheint schon früher auf Unterrichtsszenen, zu sehen, etwa auf dem Holzschnitt zu Luthers Aufruf von 1524 [Abb. 6]: Schiffler/Winkeler 2011, S. 63, Abb. 50. Ein Emblem, auf dem eine Sanduhr auf einem Tisch neben einer brennenden Kerze zu sehen ist, findet sich bei Rollenhagen 1611/1989, o. S., Nr. 82, dort jedoch beziehen sich die Gegenstände allein auf die Vergänglichkeit, sogar die „durchwachte Nacht“ – eigentlich ein Synonym für besonderen Fleiß bzw. Wissensdurst – bringt nichtige Träume hervor und ungelehrte Gedanken. Vgl. die Übersetzung bei Müller Hofstede 1993, S. 36 f., Abb. 27. 552

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praktizierte Übung verstanden werden.558 An der Wand rechts ist ein verschlossenes Fenster zu sehen, auch der Kamin im Hintergrund scheint erloschen. Es irritiert, dass auf dem Pult des Gelehrten kein Blatt zu sehen ist, auf dem er mit der frisch gespitzten Feder schreiben könnte, auch die sonst als Zeichen besonderer Bildung verwendeten Bücher fehlen. In Anlehnung an das zeitgenössische Emblem, laut dem „nicht die Feder allein, sondern erst deren Gebrauch“ [Abb. 142] wahres Können beweist, kann eine mahnende Anspielung nicht ausgeschlossen werden.559 Ein weiterer passender Sinnspruch ist „senza taglio non vaglio“ – ohne gespitzten Kiel ist die Feder zu nichts nütze.560 Aber letztendlich fügt auch diese Szene sich in das von Emmens rekonstruierte Konzept. Es ist die Darstellung eines gebildeten Mannes, der nach einem rechtschaffenen, dem Wissenserwerb gewidmeten Werdegang, dessen Stationen auf der Mittel- und linken Seitentafel illustriert sind, nicht in Zufriedenheit über das Erreichte verharrt, sondern seinen Geist – symbolisiert durch den Akt des Spitzens – weiterhin formt und schärft. Dass er dies nachts tut, wenn andere schlafen, betont seinen besonderen Eifer. Gemäß seiner Dreiteiligkeit wird das Triptychon als Verbildlichung des im Zusammenhang mit der Zeichnung Jacques de Gheyns [Abb. 42] bereits erwähnten aristotelischen Lernbegriffs gedeutet, wonach für die Vollkommenheit der Erziehung drei Faktoren unabdingbar sind: die Natur bzw. die natürliche Begabung (Mitteltafel), das Lernen (linker Flügel) und die (Aus-)Übung des Erlernten (rechter Flügel). Die Natur muss durch das angeeignete Wissen (die Theorie) und dessen Anwendung (die Praxis) perfektioniert werden. Erst aus dem Zusammenspiel dieser Faktoren kann sich ein der Gelehrsamkeit gewidmetes Dasein entwickeln.561 Entsprechend zeigten die im Original von einem Maler namens Coxie ausgeführten Außenseiten des Triptychons, die von Laquy nicht kopiert wurden, eine monochrome Darstellung von Personifikationen der Sieben Freien Künste.562 Zwar kann es durchaus sein, dass die Außenseiten, wie Hecht vermutet, erst nach dem Tode Dous zu Beginn des 18. Jahrhunderts bemalt worden sind.563 Aber dass sie ausgerechnet mit Personifikationen der Künste versehen wurden, spricht für die von Emmens vorgeschlagene Lesart, die die spätere Zugabe inhaltlich passend ergänzt. So zitiert auch Ripa das Zusammenspiel der „nötigen Dinge“ (Natuyre – Onderwijsinge – Oefninge), um zur Weisheit zu gelangen, gerade beim Stichwort Essercitio.564 Das Konstrukt wird in den pädagogischen Schriften Ciceros und Quintilians, Tacitus und Plutarchs565, in Theorien der Renaissance und den Kommentaren Theodor Roodenburghs, Franciscus Junius und Samuel van Hoogstratens diskutiert.566 Auch van Mander konstatiert, dass Kinder, die – von der Natur und der Kunst kräftig angesp*rnt – an den Brüsten der vollendeten Erziehung genährt werden, großen Reichtum und große Kraft erlangen. Ihnen gelängen Werke, aufgrund derer man sie zu den außergewöhnlichsten Malern zählen könne.567 In diesen Schriften geht es zwar jeweils um die thematisch enger gefasste Notwendigkeit, die angeborene Begabung durch Lehre und Übung zu vervollkommnen, es liegt aber nahe, dass die Zeitgenossen dies auch auf den Intellekt bezogen haben. Nicht zuletzt findet sich der aristotelische Dreiklang in Erasmus’ Überlegungen zur Kindererziehung: 558

Ripa/Pers 1644, S. 358. Rollenhagen 1611/1989, o. S., Nr. 36: Nil penna sed usus; Laabs 2000, S. 73. Ähnlich ist das von Durantini 1983, S. 158, wiedergegebene Sprichwort zu verstehen, das besagt, dass wahre Weisheit nicht allein an einem Stift hängt. 560 Aus Nicolai Reusners Aureolorum Emblematum (Straßburg 1591); Broos 1970, S. 158 f.; Durantini 1983, S. 158; Frankfurt 1993, S. 246; Hecht 1993, S. 101. 561 Emmens 1963, S. 129 ff.; Durantini 1983, S. 8 f., 106 ff.; Hecht 1993, S. 100. 562 Houbraken 1719, Bd. II, S. 5: „De buitenkant […] is konstig beschildert met de beeltenissen van de vrye konsten, in ’t graau door Coxie.“ Emmens 1963, S. 129. Ob es sich dabei um einen der Flamen Michiel III. (1603–1669/1689) oder Jan (1629–1670) handeln könnte, ist schwer zu sagen, da die Überlieferung in beiden Fällen dürftig ist. 563 Hecht 1993, S. 101. 564 Ripa/Pers 1644, S. 358. 565 Bedaux 2000/2001, S. 19. Laut Durantini 1983, S. 7, S. 313, Anm. 2, ist der Text nicht Plutarch zuzuschreiben. Siehe dazu auch: Amsterdam 1976b, S. 91, wo die entsprechende Passage aus dem Handt Boecxken van Epictetus [...] en Plutarchus van de op-voedinghe der Kinderen [...], Amsterdam 1660, S. 176 f., zitiert ist. 566 Ellenius 1960, S. 73 f.; Emmens 1963, S. 130 f., 135 ; Miedema 1975, S. 7. 567 "[…] die Natuere tot onse Const crachtlijcken aenport, comen te suyghen eenighe volle oft overvloedighe borsten van d’alder volmaecktste onderwijsinghe, dan bevintmen te gheschieden grooten wasdom en cracht, en sulcke wercken, dat sy onder de uytnemende, en vermaertste Schilders verdienstlijck worden gerekent.“ Van Mander 1604, fol. 258 v. 559

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„Die ganze Berechnung menschlichen Glückes aber gründet sich vornehmlich auf drei Dinge: Naturanlage, Lehre und Übung. […] Die natürliche Anlage bedarf der theoretischen Unterweisung; die Übung ist, wenn sie nicht durch die Lehre geleitet wird, mannigfachen Gefahren und Irrtümern ausgesetzt.“568 Auch Houbraken, von dem eine wichtige, teils schon zitierte Beschreibung von Dous Triptychon stammt,569 überliefert den Gedanken Aristoteles’ in einer Biographie des Malers Michiel van Musscher. Dessen Kunstfertigkeit führt er gleichermaßen auf „zyne natuurdrift en naarstige oeffening, als de onderwyzing“ (natürliche Begabung, eifrige Übung und Unterricht) zurück. „Hier om heeft Aristoteles al weten te zeggen: Drie dingen zyn ’er noodig om tot wetenschap te komen, de Natuur, Onderwyzing en Oeffening: en ten zy de Oeffening zig by de Natuur en Onderwyzing voegt, is ’er geen vrugt te wagten.“570 Insofern ist es seltsam, und daran stößt sich auch Peter Hecht, dass dieses Theorem im Zusammenhang mit der Beschreibung von Dous Gemälde unerwähnt bleibt. Anscheinend verkennt Houbraken, wie die Autoren nach ihm, die allegorische Deutungsmöglichkeit. Im Gegenteil: Er moniert sogar ausdrücklich, dass Dou seine Malkunst für wirklichkeitsnahe „kleynigheden“, sprich: Genreszenen, statt „Historische verbeeldingen“ einsetzt und lässt – etwas bösartig – offen, ob das an Dous mangelndem Geist liegen könnte oder ob er dies bewusst tat, indem er sich an dem großen Caravaggio orientierte.571 Doch ist es so, dass auch andere Einschätzungen Houbrakens heute nicht mehr ohne Weiteres nachvollziehbar sind oder sich Auslassungen durch eine ganz bestimmte Schwerpunktsetzung des Autors erklären lassen,572 so dass allein die Tatsache, dass der Chronist den Bezug zum aristotelischen Lernbegriff nicht herstellt, kein Argument gegen Emmens’ Lesart sein kann. Was, wenn – eine zugegebenermaßen gewagte Überlegung – die Botschaft für ihn auf der Hand lag, so dass eine Erläuterung schlichtweg überflüssig gewesen wäre? Auch andere Motive, etwa die Sanduhr oder die Toilettenartikel auf dem Tisch neben der Frau, sind in ihrer Bedeutung wohl so unmissverständlich, dass sie unerwähnt bleiben. Houbraken verliert auch kein Wort darüber, dass die Szene auf dem rechten Flügel, wie Hecht meint, als Allegorie des Sehsinns gemeint sei.573 Hecht führt zur Unterstützung seiner an sich plausiblen These eine Serie der Fünf Sinne an, deren Federschneider anhand seiner Betitelung als Darstellung des Sehsinns zu identifizieren ist [Abb. 73].574 Dass die Szene, von der in Kapitel V.4 noch die Rede sein wird, einen dümmlich wirkenden Alten in einem Innenraum zeigt, der einer Bauernstube ähnlicher ist als dem Studio eines Gelehrten und damit – in Anlehnung an die zitierten Sinnsprüche zu Kerze und Brille oder dem rechten Gebrauch der Feder – als Parodie gemeint ist, bleibt von Hecht unberücksichtigt. Der Mann bei Dou dagegen will sehen, er weiß seine Feder richtig einzusetzen und hat dazu nicht zuletzt dank seiner Begabung und Erziehung in seiner Studierstube die besten Voraussetzungen. 568

Aus: De pueris instituendis (1529), zitiert bei Gail 1963, S. 122; vgl. dazu auch: Marignol 1971, S. 18; Schoch 1988, S. 191 ff. Die Motive klingen auch in den pädagogischen Schriften Amos Comenius’ an, der fordert, „daß alles möglichst durch Beobachtung der Natur erforscht und gelernt werden soll, […] daß die Sinne die Grundlage aller Erkenntnis sind und sorgfältig geschult werden müssen […]“. Zitiert bei: Alt 1970, S. 10. 569 Houbraken 1719, Bd. II, S. 5. 570 Houbraken 1721, Bd. III, S. 211; Emmens 1963, S. 129; Bedaux 1990, S. 112 ff. 571 Houbraken 1719, Bd. II, S. 5 f.: „’T is te beklagen dat ’s mans vernuft niet op grootse bespiegelingen toegeleid, en zyn penceel tot het verbeelden van waardiger en prysselyker voorwerpen gezet heeft […] dat hy niets buiten het zelve konde, of wilde doen, (achtervolgens het voorbeeld van Michael Angelo Caravaggio, daar de genen welke zig tot allerhande Historische verbeeldingen in laten, by wylen in veele dingen naar hun vast denkbeeld moeten t’zeil gaan; of dat zyn geest tot die hoogte niet heeft konen doordringen [...].“ Vgl. auch: Emmens 1963, S. 127; Hecht 1993, S. 100, dort nennt er weitere Quellen, die sich auf die Beurteilung der äußeren Erscheinung des Werkes beschränken. 572 Einige Überlegungen dazu finden sich bei Cornelis 1998, S. 177 ff.; zu Houbrakens selektiver Argumentationsweise siehe: Raupp 1983, besonders S. 404 und 405 f. (am Beispiel der Beschreibung von Jan Steens Gemälde Die Hochzeit von Tobias und Sara [Abb. 218], von dem in Kapitel VIII noch die Rede sein wird). 573 Hecht 1993, S. 101. 574 Hendrick Martensz. Sorgh (1610/1611–1670): Seine Feder spitzender Mann (Allegorie des Sehsinns), um 1640, Holz, 16.5 x 13.0 cm, Slg. Harrach; Heintz 1960, S. 72 f., zur kompletten Serie; Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 233 f., Abb. 4.

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Meines Erachtens besteht wenig Zweifel daran, dass Dou auf dem rechten Flügel den Aspekt der „Übung“ im aristotelischen Sinne zeigen wollte. Er kombiniert dabei emblematische und allegorische Motive, die im Zusammenhang des Triptychons gar nicht anders zu deuten sind. Während der Leidener den Unterricht hier in einen größeren allegorischen Zusammenhang bettet, indem er die Phase des Säuglings- und Erwachsenenalters einbezieht, stehen seine anderen Schulszenen für sich – was allerdings nicht bedeutet, dass kundige Betrachter das darauf dargestellte Lernen nicht allgemein als Sinnbild der menschlichen Entwicklung verstanden haben, im Gegenteil: Wie einleitend anhand der Erörterung zeitgenössischer Auffassungen von Bildung und Gesellschaftsordnung dargelegt, waren die häuslich-familiäre, die religiöse und die intellektuelle Erziehung in dem gemeinsamen Ziel einer korrekten sozialen Prägung eng verbunden. Es ist folglich davon auszugehen, dass es nicht nur bei den im Folgenden zu besprechenden Unterrichtsszenen Dous neben dem Wissenserwerb auch Gehorsam und Frömmigkeit eine wichtige Rolle spielen. V.3.2.2 Die Abendschulen in New York, Florenz und Amsterdam Das Bild im Metropolitan Museum [Abb. 74]575 – in der Forschung wird eine Entstehung zwischen 1655 und 1660 vermutet – hat mit dem eingangs beschriebenen Gemälde Dous in Cambridge [Abb. 68] die Nähe zwischen Bildgegenstand und Betrachter und das Format gemein. Auch dort sind Schulmeister und Schüler als Dreiviertelfiguren wiedergegeben. Die Szene ist allerdings anders arrangiert: Der Lehrer, zwei Schüler und eine Schülerin sind um einen in etwa quadratischen Tisch gruppiert, von dessen Mitte aus eine Kerze die Gesichter erleuchtet. Der Rest der Szene liegt nahezu vollständig im Dunkeln. Der Lehrer, ein etwas jünger wirkender, gleichfalls bärtiger Mann, sitzt links. Wie sein Kollege in Cambridge trägt er ein Barett, dazu ein weißes Halstuch. Er ist zwar ebenfalls im Profil zu sehen, doch schaut er – anders als bei dem Bild in Cambridge – uns nicht an, sondern konzentriert sich auf die Feder, die er spitzt. Zugleich scheint er einem Mädchen zuzuhören, das auf der zum Betrachter hin gerichteten Seite in ungezwungen wirkender Haltung an der Tischkante lehnt und aus einem Buch vorliest. Rechts von ihr, dem Lehrer gegenüber, ist ein kleiner Junge mit einer Schreibarbeit beschäftigt. Bis auf eine junge Frau,576 die am rechten Rand der Szene mit einer Laterne in der Hand aus dem Hintergrund den Betrachter anblickt, sind die Dargestellten mit Lernen beschäftigt. Liedtke vermutet in ihr die Dienstmagd des Lehrers, die einen Neuankömmling hereingeleitet hat. Dieser ist, den Hut noch in der rechten Hand, an den Tisch herangetreten, um eine Kerze an der Flamme zu entzünden. Besonders diese Geste symbolisiert die Weitergabe von Wissen als Thema des Bildes.577 Ein in den Uffizien bewahrtes Bild [Abb. 75]578 kombiniert die zentralen Motive der New Yorker Abendschule und der 1645 datierten Szene [Abb. 68], die Tafel ist zugleich etwas größer als diese Bilder: Lehrer und Schüler sind wiederum an einem von einer Kerze erleuchteten Tisch versammelt. Der Bildausschnitt ist allerdings erweitert, so dass die Dargestellten ganz zu sehen sind. Zudem ist im Hintergrund rechts ein weiterer Tisch erkennbar. Auch dort steht eine Kerze, deren Schein das Gesicht eines Jungen und eines Mädchens beleuchtet. Ein gestreifter Vorhang bildet einen imposanten, fast dreieckigen oberen Abschluss. Es ist dies ein von Dou häufig gewähltes Motiv, ähnlich wie die Fensterumrahmung und der halbrunde obere Abschluss. Vorhang und Bogenform wurden dem eben beschriebenen New Yorker Bild wohl nachträglich zugefügt579 – vermutlich, um es mehr wie einen „typischen“ Dou aussehen zu lassen. Der Lehrer sitzt, wie bei dem New Yorker Beispiel [Abb. 74], links und schaut, wie bei dem Bild aus 575

Gerrit Dou: Abendschule, um 1655–1660, Holz (der halbrunde obere Abschluss ist wohl nicht ursprünglich, ebenso wenig der braune Vorhang), 25.4 x 22.9 cm, The Metropolitan Museum of Art, New York, Inv.-Nr. 40.64; Durantini 1983, S. 157 f., Abb. 78; New York 1995, Bd. III, S. 322, Abb. 40.64; New York 2007, Bd. I, S. 156 f., Kat.-Nr. 36, mit Abb. (dort ist der inzwischen sehr schlechte Erhaltungszustand des Bildes zu erkennen). 576 New York 2007, Bd. I, S. 156. 577 Emmens 1963, S. 133; New York 2007, Bd. I, S. 156. 578 Gerrit Dou: Abendschule, um 1660–1665, Holz, 46.0 x 36.5 cm, Galleria degli Uffizi, Florenz, Inv.-Nr. P554; Martin 1913, S. 171, mit Abb.; Florenz 1979, S. 252, Nr. P554, mit Abb. Von Martin 1901, S. 235, Nr. 320a noch als Kopie der Amsterdamer Abendschule bezeichnet. Mehrere, sehr genaue Kopien des Bildes in den Uffizien sind im Bildarchiv des RKD (ONS/800 – Voorordening) unter Gerrit Dou zu finden, teils ohne, teils mit unleserlicher Angabe der Herkunft. 579 New York 2007, Bd. I, S. 156.

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Cambridge, den Betrachter an. Dabei hält er das Pritschholz demonstrativ in der zur Faust geballten Rechten. Mit der anderen Hand zeigt er zugleich einem vorne über den Tisch gebeugten Mädchen, was es vorlesen soll. Ihre Gestalt entspricht im Wesentlichen der Schülerin im Vordergrund der New Yorker Szene, nur ist sie hier als Ganzfigur zu sehen. Mit der sorgfältig arrangierten Frisur, dem Schultertuch und dem taillierten, um die Hüften gebauschten Kleid wirkt sie sehr adrett. Auch der Lehrer ist aufwändiger gekleidet als die Schulmeister in den Darstellungen in New York und Cambridge: Er trägt ein helles, mehrfach geknotetes Tuch um den Hals und eines auch als Gürtung um die Hüften, darüber einen weiten dunklen Mantel. Statt des Baretts schmückt sein Haupt ein Hut mit gebogener und mittig geschlitzter Krempe. Dieselben Accessoires – das Halstuch und den Hut, hier mit Fellbesatz, was auf dem Florentiner Bild [Abb. 75] nicht zu erkennen ist – trägt Dou selbst auf seinem 1663 datierten Selbstporträt, auf dem er sich als mondäner Herr inszeniert.580 Auffallend ist auch der voluminöse Schnurrbart des Schulmeisters mit nach oben gezwirbelten Enden. Am Tisch stehen noch zwei weitere Kinder: Ein Mädchen an der dem Betrachter gegenüber liegenden Seite des Tisches liest stehend in einem Buch, das es in den erhobenen Händen hält. Vor ihr wendet sich ein lockiger Junge zum Gehen. Er wirft noch einen Blick auf den Lehrer, der ihm jedoch keine Beachtung schenkt. Vielleicht gilt sein Blick aber auch der Sanduhr, die mahnend auf dem Schreibaufsatz in der Mitte des Tisches steht. Auch wenn Dou bei diesem Bild mehr Wert auf die Schilderung von Details wie Vorhang und Kleidung der Personen legt, ist die Lichtführung immer noch das auffälligste Merkmal. Neben der Kerze, die zwischen dem Schulmeister und der lesenden Schülerin steht, ist vorne rechts wie auf der linken Seitentafel des Triptychons wiederum die große Laterne zu sehen. Sie findet sich ganz ähnlich auf einer weiteren, wohl nicht lange vor 1665 entstandenen Abendschule [Abb. 76]581, die dem Florentiner Beispiel auch in vielen anderen Punkten nahe steht. Ihr Licht fällt dort auf das Monogramm des Künstlers. Wie bei dem Seitenflügel des Triptychons und dem Bild in Florenz fluchtet die zwei Gruppen beim Lernen zeigende Komposition weit nach hinten. Um den Tisch des Schulmeisters im Vordergrund – es ist wiederum ein einfacher Tisch mit Pultaufsatz, allerdings steht er etwas erhöht auf einem Podest – sind fünf Kinder zu erkennen. Der Blick fällt zunächst auf eine Zweiergruppe in der linken vorderen Ecke. Eine ähnliche Gruppe ist auch im Vordergrund des linken Seitenflügels zu sehen, doch sind die Rollen vertauscht: Im Dreiviertelprofil zum Betrachter gewendet hockt hier ein Junge auf einer niedrigen Bank und macht Schreibübungen auf einer Schiefertafel. Ein etwa gleichaltriges Mädchen steht neben ihm und hilft ihm beim Schein einer von ihr gehaltenen Kerze.582 Der Lehrer befindet sich eher im Hintergrund. Er sitzt auf der dem Betrachter gegenüberliegenden Seite des Pultes und zeigt mit einem Stift in seiner Linken auf das Blatt vor dem lesenden Mädchen, das in Haltung und Kleidung den Figuren der beiden eben beschriebenen Bilder sehr ähnlich ist. Die Schülerin fungiert aber nicht mehr als Repoussoirfigur, sondern steht seitlich rechts am Pult.583 Wie bei dem Florentiner Bilder richtet sich die Aufmerksamkeit des Lehrers nicht auf das, was sie vorträgt. Sein Blick geht nach rechts zu dem Jungen, der hier ebenfalls dabei ist, die Klasse zu verlassen. Anders als dort jedoch bleibt dies nicht unbemerkt. Durantini vermutet, dass der Schüler zu spät gekommen ist und aufgrund seiner Nachlässigkeit ermahnt wird.584 Das ist angesichts seiner abgewandten Haltung nicht ganz nachvollziehbar, wäre es doch in dem Fall überzeugender, ihn – wie bei der New Yorker Tafel – an den Tisch herantretend zu zeigen. Denkbar ist aber auch, dass er schnell an dem hinteren Tisch Platz nehmen und sich eifrig seinen Aufgaben zuwenden will, um den Lehrer zu besänftigen. Wie dem auch sei: Der Junge hat sich nicht korrekt verhalten, und der Lehrer ermahnt ihn mit erhobenem Zeigefinger. Diese Mahnung wird von einem 580

Gerrit Dou: Selbstbildnis, 1663, Holz, 54.7 x 39.4 cm, The Nelson Atkins Museum of Art, Kansas City, Missouri; Baer 2000/2001, S. 118 f., Nr. 27, mit Abb. 581 Gerrit Dou: Abendschule, um 1660–1665, Holz, 74.0 x 64.0 cm, Rijksmuseum Amsterdam, Inv.-Nr. SK-A-87 (http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.8321 mit weiteren Angaben und Literatur, Aufruf 21.03.2015); Gaskell 1982, S. 21; Leiden 1988, S. 109 ff., Kat.-Nr. 14, mit Abb.; Amsterdam 1989, S. 60 ff., Kat.-Nr. 9, mit Abb.; Baer 2000/2001, S. 120 f., Kat.-Nr. 28, mit Abb.; Neumeister 2003, S. 334 f., Abb. 214; Franits 2004, S. 122 f., Abb. 107 auf S. 114 (Detail). 582 Auch hier ist – wie im Kontext von Dous New Yorker Abendschule – auf Ripas Figur der Cognitione zu verweisen, die beim Lesen eine Fackel hält. Ripa/Pers 1644, S. 273, Baer 2000/2001, S. 120, Abb. 1. 583 Eine Detailabbildung findet sich in: Baer 2000/2001, S. 25. 584 Durantini 1983, S. 327, Anm. 35.

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kleineren Jungen hinter dem Ermahnten offensichtlich ergänzt oder nachgeplappert. Was der Angesprochene selbst über die Worte des Erwachsenen denkt, ist ihm nicht anzusehen. Dou verwendet auch in der Florentiner und der Amsterdamer Szene das für ihn typische Vorhangmotiv. Allein dieses Requisit verdeutlicht die Konstruiertheit der Szenen. Auch wenn es sich um eine bürgerliche Schule handelt, deren Klientel aus einer wohlhabenden Schicht stammt, wird es dort keine derart kostbaren Dekorationselemente gegeben haben.585 Der dunkle Stoff fällt jeweils nach rechts herab, das Licht modelliert die Falten. So wird der Blick jeweils auf den Tisch im Hintergrund gelenkt. Es fällt auf, wie weit weg diese Gruppe positioniert ist. Und doch sind aufgrund der Kerze, die auch auf diesem Tisch steht, die Gesichtszüge der Kinder recht gut zu erkennen. Das dazwischen herrschende Dunkel verleiht dem Ganzen einen etwas surrealen Charakter, obschon die Lichtsituation im Grunde korrekt wiedergegeben ist. Allerdings saßen die lernenden Kinder in der Realität sicher möglichst nah beisammen. Auch die Positionierung der Laterne – sie erscheint im Übrigen in genau dieser Ausführung auch auf anderen Bildern Dous, etwa dem Wiener Mädchen mit Laterne586 – auf dem Boden ist unpraktisch und liefert eher einen Vorwand, das in unterschiedlicher Intensität durch das geöffnete Türchen, das fensterartig gerahmte Glas und den durchbrochen gemusterten Deckel fallende Licht malen zu können. Von der Decke hängend würde sie mehr Licht für die Lernenden am Tisch spenden und wäre, um die Flamme zu schützen, geschlossen. Dann aber hätte ein gleichmäßigeres Licht den Raum erhellt, und Dou hätte seine Fertigkeit im Umgang mit Licht und Schatten nicht so virtuos demonstrieren können. Eine zweite Laterne hängt am linken Rand des Bildes an der Wand, sie ist nicht erleuchtet. Sie ist – analog zu Roemer Visschers Emblem „’T scheelt te veel“ [Abb. 77] –587 ein Symbol für die Gewichtung geistiger Fähigkeiten. Dort steht eine kleine, aber leuchtende Laterne einer großen, dunklen gegenüber, die trotz ihres Umfangs und ihrer reicheren Zier eben weniger zu leisten vermag. „Verstant“ bzw. „vernunft“, wie es im Begleittext heißt, zählen demnach mehr als irdische Güter wie Reichtum und Schönheit. Die Anspielung bezieht sich auf alle (und damit vielleicht auch konkret auf den den Unterricht vorzeitig verlassenden Jungen), die der Bildung von Geist und Charakter nicht genug Aufmerksamkeit widmen, sondern ihr Streben auf irdische Güter richten. Ein künstlerisches Vorbild für die von Kunstlicht erleuchteten Lehrstunden mögen Akademiedarstellungen gewesen sein, in denen der Schein der Kerzen oder Öllampen die Formen der darzustellenden Gegenstände besonders deutlich hervortreten lässt. In der Akademie des Baccio Bandinelli zum Beispiel werden angehende Künstler bei anatomischen Studien gezeigt.588 Die Studenten sind mit Zeichnen oder Disputieren beschäftigt, auf dem Boden und auf einem Wandregal sind als Lehrmaterial Statuetten, Skelett-Teile, verschiedene Gefäße und große Folianten platziert. Da der Schwerpunkt der Abendschulen Dous aber weniger auf der künstlerischen als auf der intellektuellen Schulung liegt, sind die Bezüge zwischen der Akademie und den Abendschulen eher vage. Letztendlich erschließt sich die Motivik beider Bildthemen vor allem im Rückgriff auf die zeitgenössische Emblematik, wo die Bereiche Wissen und Gelehrsamkeit oder Können, Licht und Dunkel bzw. Tag und Nacht sinnbildhaft zueinander in Bezug gesetzt sind.589 Das Sinnbild Studio et Vigilantia beispielsweise [Abb. 78] preist den steten Fleiß wahrer Geistesgrößen, denn: „Nur wer wachend mit Eifer die Schriften durchforscht, verdient es, ein Gelehrter genannt zu werden.“590 Entsprechend ist im Hintergrund der Darstellung links eine Schule als Ausgangspunkt der Gelehrtenlaufbahn zu sehen, rechts öffnet sich der Blick in die Studierstube eines bei Kerzenlicht arbeitenden Wissenschaftlers. Auch Cesare Ripa empfiehlt, die Weisheit in Dunkelheit mit einer Öllam585

Durantini 1983, S. 108. Gerrit Dou: Mädchen mit Laterne, um 1655, Holz, 25.5 x 21.0 cm, Kunsthistorisches Museum, Wien; Neumeister 2003, S. 329, Abb. S. 209. 587 Visscher 1614, Teil I, S. 23, Nr. XXIII; Baer 2000/2001, S. 120; Neumeister 2003, S. 332, Abb. 213. 588 Das zeigen zwei Kupferstiche nach Vorlagen Bandinellis: Agostino Veneziano: Die Akademie des Baccio Bandinelli, 1531, 27.8 x 30.4 cm oder Enea Vico: Die Akademie des Baccio Bandinelli, um 1551, 30.6 x 52.5 cm; Neumeister 2003, S. 315 ff., Abb. 168 und 169. In Leiden 1988, S. 111, wird der Geldwechsler bzw. Der Reiche von Dous Lehrer Rembrandt (Gemäldegalerie Berlin-Dahlem) aus dem Jahr 1627 als mögliche Inspirationsquelle genannt – wobei hier natürlich die Motivik eine andere ist. Vgl. hierzu: Leiden 1991, S. 94 ff., Abb. 41. 589 Dazu siehe zusammenfassend: Neumeister 2003, S. 315 ff.; ähnlich ist das im Übrigen auch bei Dous Astronomendarstellungen: Baer 2000/2001, S. 36; Neumeister 2003, S. 331 ff. 590 Rollenhagen 1611/1989, o. S., Nr. 67; Übersetzung nach Frankfurt 1993, S. 43, Abb. 34. 586

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pe auftreten zu lassen,591 und bei Schoonhovius findet sich die Vorstellung, dass der bei Nacht gefasste Gedanke mehr Weisheit enthalte als die zu anderen Tageszeiten gewonnenen,592 da nur die Nacht – im Gegensatz zum Tag, der voller Ablenkung ist – die für die Konzentration nötige Ruhe und Abgeschiedenheit bietet. Eher als von den Akademieszenen mögen Dous Abendschulen durch Adam Elsheimers (1578– 1610) Darstellung Das Reich der Minerva [Abb. 44] angeregt worden sein, die ihm sicher durch Wenzel Hollars (1607–1677) im Jahre 1646 publizierte Reproduktion bekannt war [Abb. 79].593 In einem dunklen Studierzimmer wacht die Göttin melancholisch sinnierend über diejenigen, die sich bei Kerzenschein den freien Künsten widmen. Ihr gegenüber beugen sich zum Beispiel zwei Männer über Bücher, von denen sich weitere in dem Wandschrank hinter diesen befinden. Das Reich der personifizierten Weisheit, das nächtliche Studiolo, wird als Ort bzw. „Zeit vertiefter Konzentration und beständiger Übung des Geistes“594 inszeniert. Zwar war der Unterricht nach Einbruch der Dunkelheit gängig,595 doch zielt die Wahl der Tageszeit bei Dou nicht auf die Beschreibung dieses Phänomens. Im Prinzip könnte es sich auch um eine sehr frühe Stunde handeln, das ist aber nebensächlich,596 da der gekonnte Umgang mit dem Licht in erster Linie als besonderer Kunstgriff anzusehen ist,597 den Dou auch für Bilder mit anderer Thematik anwendet.598 Und doch hat die Dunkelheit in diesem Kontext vielleicht auch eine reale inhaltliche Bedeutung: An Abendschulen wurde zumeist weiterführender Unterricht angeboten. Dort fanden sich also besonders strebsame Schüler ein, zum Beispiel Lehrlinge, die tagsüber arbeiteten und abends ihre Lese- und Schreibfertigkeit verbesserten. Da der Besuch dieser Institute sicher kostspieliger war als der übliche Unterricht, herrschte dort vermutlich meist eine konzentrierte Atmosphäre.599 So lobt Roodenburgh die zu später respektive früher Tages- und Nachtzeit Studierenden: „wyl de wack’re geest Mits als Aurora rijst zijn oeffeningh aenvaerden. Iae in de stille nachtens wijsheyts Boeken leest: Waer-uyt hy lieve Vruchten voor zijn Ziel vergaerden; Ver-rykende zyn Gheest / door arbeyd met voor-zicht / Waer d’andren blyven steeds lanternen zonder licht.“600 Das Licht als Gestaltungsmittel wird von Dou insofern ganz bewusst eingesetzt, als es die Lernenden von denjenigen trennt, die sich nicht am Wissenserwerb beteiligen. So steht der ermahnte Junge der Amsterdamer Abendschule [Abb. 76] – ohne dass klar wird, was er sich hat zu Schulden kommen lassen – im Halbdunkel.601 Das Licht wird gemäß seiner Bedeutung im Œuvre Dous auch in zeitgenössischen Kommentaren 591

Ripa/Pers 1644, S. 620. Ähnlich auch Ripas Beschreibung von studium, vgl. dazu: Neumeister 2003, S. 319. Schoonhovius 1618, S. 52 f., Nr. XVIII: Noctua Minerva Sacra; vgl. auch: Frankfurt 1993, S. 44. 593 Wenzel Hollar (nach Adam Elsheimer): Pallas (Das Reich der Minerva), 1646, Radierung, 9.2 x 14.8 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. S.7463; New Haven 1994/1995, S. 106, Kat.-Nr. 71, mit Abb. 594 Neumeister 2003, S. 318. 595 Der Lehrer Beck vermerkt am 15. Oktober 1624, dass seine Schüler am Abend die ersten Kerzen für den Herbst angezündet haben. Am 3. Dezember hält er bis 23 Uhr Abendschule: Beck 1624, S. 187, 215. 596 Emmens 1963, S. 133, Anm. 18; Schiffler/Winkeler 2011, S. 151, Anm. 24: dort sind entsprechende Quellen erwähnt, jedoch nicht explizit genannt. Auch Reicke 1901, S. 55, spricht davon, dass die Schule oft um 5 Uhr früh begann und die Kinder Talglichter mit in den Unterricht bringen mussten. 597 Vgl. z. B. Leiden 1988, S. 39, S. 58, Abb. 28, und S. 105 ff., Kat.-Nr. 12 f., mit Abb.; Baer 2000/2001, S. 110 ff., Kat.Nr. 23 f., mit Abb., S. 126 f., Kat.-Nr. 31, mit Abb. 598 Amsterdam 1989, S. 60 ff.; Müller Hofstede 1993, S. 39; Baer 2000/2001, S. 42; Neumeister 2003, S. 322 ff. Im 19. Jh. wurde Dou ebendies als Effekthascherei vorgeworfen, vgl. dazu: Wheelock 2000/2001, S. 16. 599 De Booy 1980, S. 51, 85 f.; de Booy 1981, S. 440; Dekker/Groenendijk/Verberckmoes 2000/2001, S. 46; Blaak 2009, S. 62, Anm. 90, berichtet von einem Kürschner, der auf der Abendschule Schreiben und Rechnen lernt. 600 Theodor Roodenburgh: Eglentiers Poëtens Borstweringh, Amsterdam 1619, S. 374, Nr. 67; zitiert nach Emmens 1963, S. 133, Anm. 18, dort auch zur entsprechenden Emblemliteratur. Das Lob wird in Richard Daffornes Schulbuch Grammatica ofte Leez-leerlings Steunsel aus dem Jahr 1627 wiederholt. Ein ähnlicher Vergleich, der die nachts arbeitenden im Gegensatz zu den nachts feiernden Künstlern als besonders redlich lobt, findet sich in Philips Angels Lof der Schilder-konst, Leiden 1642, S. 58; vgl. Amsterdam 1989, S. 63; Leiden 1988, S. 111. 601 Durantini 1983, S. 108; anders in: Amsterdam 1989, S. 63, Anm. 5. Vor allem mit Blick auf die eben zitierte Formulierung Daffornes halte ich die Deutung Durantinis aber für nicht verfehlt. 592

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zu seiner Kunst thematisiert: Im Lob Cornelis de Bies (1621–1654) wird den Werken Dous die Fähigkeit zugesprochen, die Dunkelheit des menschlichen Verstands zu erhellen.602 Offensichtlich würdigt Bie – anders als der schon zitierte, etwa ein halbes Jahrhundert später urteilende Arnold van Houbraken – besonders die intellektuelle Seite der Bilder. Seine Zeilen können natürlich insbesondere auf die Unterrichtsszenen Dous bezogen werden, obschon wohl davon auszugehen ist, dass de Bie diese nicht explizit gemeint hat. Mit ihnen verbildlicht Dou das Ideal des Lernens als kontemplative Versunkenheit. Die Stille, die über den Szenen liegt, unterscheidet sie wesentlich von den Darstellungen der großen öffentlichen Schulen, deren Lärmpegel in dem kindlichen Gewusel anschaulich gemacht ist. Der dort herrschende Krawall ist beim Erwerb von Wissen natürlich mehr als hinderlich. So zeigt ein Emblem des Alciatus einen sinnenden Gelehrten in seinem Studierzimmer, der in einer Schweigen gebietenden Geste den Finger an die Lippen gelegt hat.603 In silentium denkt es sich doch besser. Obschon draußen heller Tag ist, darf die vielsagende Kerze nicht fehlen. Dou unterstreicht die moralische Notwendigkeit des Unterrichts als im Grunde alltägliche Begebenheit durch bewusst ausgewählte emblematische Motive. Die sorgfältig komponierten, bei Kunstlicht stattfindenden Szenen sind seine Erfindung, ihre inhaltlich belehrende Bedeutung wird, motivisch nur wenig variiert, durch die meisterliche Malerei noch betont. V.4

Mit spitzer Feder und feinem Pinsel – Darstellungen von Federschneidern

Auf einer weiteren Unterrichtsdarstellung Gerrit Dous treten die lernenden Kinder völlig in den Hintergrund [Abb. 80].604 Drei von ihnen sitzen dort um einen Tisch, ein größerer Junge blickt – ähnlich wie auf dem Flügel des Triptychons [Abb. 71a] – einem der Sitzenden über die Schulter. Ein weiterer Schüler tritt hinzu. Sie alle sind nur schemenhaft zu erkennen. Umso deutlicher ist der alte Schulmeister zu sehen, der in dem für Dou typischen steinernen Fensterbogen sein offenbar altgedientes Schreibinstrument schärft. Nicht nur die Feder ist schon etwas struppig, auch der Mann ist durch seine von zahllosen feinen Falten durchzogene Haut und durch seine anachronistisch wirkende Kleidung605 als alt gekennzeichnet. Wie der leicht geöffnete Mund erkennen lässt, fehlen ihm schon einige Zähne. Vielleicht gemahnt auch die vor ihm stehende Sanduhr – neben den üblichen Konnotationen – an seine fortgeschrittene Lebenszeit. Unter der Uhr liegt auf der Brüstung eine mit mächtigem Siegel versehene Urkunde. Einerseits kann sie aufgrund ihrer emblematischen Bedeutung als Zeichen für Ehrbarkeit606 ein Hinweis darauf sein, dass die Kinder bei diesem Schulmeister gut aufgehoben sind. Doch verwendet Dou die Urkunde auch mit ironischem Unterton, etwa bei seinem betrügerischen Quacksalber [Abb. 72],607 der ein ähnlich imposant versiegeltes Schriftstück als vermeintlichen Beweis seines medizinischen Könnens präsentiert. Demnach sind möglicherweise auch hier Zweifel an der Befähigung des Lehrers angebracht. Obschon die Schüler im Hintergrund folgsam lernen und so den aristotelischen Dreiklang vervollständigen, ist die Einordnung der Darstellung als Verbildlichung besonderer, durch Lehre und Übung erlangter Kunstfertigkeit angesichts des gedankenverloren dreinschauenden Alten nicht ganz überzeugend. Die im Zusammenhang mit dem Triptychon [Abb. 70/71] skizzierte Deutungsmöglichkeit, die den sich gänzlich auf den mechanischen Vorgang des Schärfens anstelle des tatsächlichen geistig-produktiven Schaffens konzentrierenden Greis gewissermaßen als Möchtegern-Gelehrten entlarvt, scheint mir hier passender. Diese Vermutung wird von einem weiteren Beispiel gestützt, das Dous Schüler Domenicus van Tol 602

„[…] Die al de donckerheyt van het verstant ontwarren […].“ De Bie 1662, S. 277; zitiert bei: Emmens 1963, S. 128; Baer 2000/2001, S. 32, in englischer Übersetzung; weitere zeitgenössische Stimmen finden sich in: Leiden 1988, S. 109 f. 603 In Silentium, Holzschnitt aus: Alciatus 1542, S. 22, Nr. III; Müller Hofstede 1993, S. 34 f., Abb. 24. 604 Gerrit Dou: Seine Feder spitzender Schulmeister, 1671, Eiche, 26.5 x 20.4 cm, Gemäldegalerie Alte Meister Dresden, Inv.-Nr. 1709; Laabs 2000, S. 39 ff., mit Abb.; Sonntag 2003, S. 173 f., Abb. 62 auf S. 298. 605 Sonntag 2003, S. 173 f., Abb. 62 auf S. 298 606 Visscher 1614, Teil I, S. 46, Nr. XLVI; de Jongh 1967, S. 71 f. 607 Amsterdam 1976b, S. 87; Gaskell 1982, S. 18; Baer 2000/2001, S. 100 ff., Kat.-Nr. 19, Abb. S. 103, Anm. 16 auf S. 139; Sonntag 2003, S. 174.

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(um 1635–1676) nach dem Dresdener Bild gemalt hat [Abb. 81]608 – im Übrigen eine der offenbar wenigen zeitgenössischen Varianten eines Unterrichtsbildes von der Hand des berühmten Leideners. Der die Feder bearbeitende Lehrer ist zwar nicht ganz so alt wie sein Vorbild, seine pelzbesetzte Kleidung kontrastiert aber so deutlich mit der eher schlichten Umgebung, dass hier ganz offensichtlich jemand dargestellt ist, dessen Eigenwahrnehmung nicht mit der Realität übereinstimmt. Auf dem unverputzten Fenstersims stapeln sich Bücher und Papiere, auf die der Schulmeister selbstvergessen den Ellbogen stützt. Die plak liegt so weit vorn, dass sie bei jeder Bewegung herunterzufallen droht. Diese Unordnung, so malerisch sie auch wirken mag, lässt den Betrachter ahnen, dass auf dem so nachlässig behandelten Papier auch mit der spitzesten Feder keine saubere Schrift zustande kommen wird. Dass die elaborierte, kunstvolle Handschrift – nach van Mander die „Kunst der zehnten Muse“609 – nur mit sorgfältig gespitzter Feder ausgeführt werden konnte, spielt bei diesen Darstellungen sicher eine Rolle. Möglicherweise gab es den Paragone nicht nur zwischen Malerei und Bildhauerei, sondern auch zwischen Malerei und Kalligraphie. Dass die Konkurrenz zwischen Malerei und Dichtkunst ein bekannter Topos war, zeigen Gemälde, die beliebte Verse effektvoll in Szene setzen, um die Bereicherung des geschriebenen Wortes durch das gemalte Dekor zu beweisen.610 Besonders in der schönlinigen manieristischen Druckgraphik sind die Parallelen zur Kunst der Kalligraphie offensichtlich.611 Berühmte Schriftkünstler wurden im 17. Jahrhundert hoch geschätzt, ihre Kunst wurde in Lobgedichten besungen, ihre Werke wurden mit Preisen belohnt und ausgestellt. Wie Gemälde dienten sie gerahmt als Wandschmuck.612 Sicher ist es kein Zufall, dass unter anderem Jan van Eyck als Erfinder der Ölfarbe und Laurens Jansz. Coster als Entdecker des Buchdrucks zum Ruhm der Republik als nationale Helden inszeniert wurden.613 „Die Feder vermittelt, was nicht zu hören ist: [/] Die Feder wagt, das Verderben vor Augen zu führen: [/] Die Feder weiß dem Tod die Stirn zu bieten“, schreibt (man muss fast sagen: malt) der Kalligraph Lieven van Coppenol in das album amicorum des Jacobus Heyblocq (1623–1690).614 Heyblocq war ab 1648 Lehrer an der Lateinschule der Nieuwen Zijde von Amsterdam, ab 1670 deren Direktor, und sein Stammbuch enthält Eintragungen von der Hand einiger der prominentesten Dichter und Gelehrten seiner Zeit. Eine Federzeichnung zeigt ihn mit Schülern, offenbar bei einem Gang durch die Stadt.615 Allerdings ist kein bestimmtes Gebäude erkennbar, selbst die Züge des Porträtierten bleiben anonym. Die Darstellung ist aufgrund ihres individuellen, privaten Charakters zwar kaum repräsentativ, bemerkenswert ist allerdings, wie stark sie von der üblichen Unterrichts-Ikonographie abweicht. Diese Abweichung ist wohl in dem Wortspiel begründet, dass der Zeichner mit dem vorne links liegenden, auffällig genau wiedergegebenen Gegenstand ins Bild setzt: Der niederländische Begriff heiblok bezeichnet den Fallhammer einer Pfahlramme, der hier wie zufällig liegt.616 Mehr Aussagekraft haben in diesem Fall die mit gelehrter Feder vorgenommenen Eintragungen, die zwar nicht alle in so elaborierter Handschrift ausgeführt sind wie der Beitrag Coppenols, jedoch 608

Domenicus van Tol: Seine Feder spitzender Schulmeister, um 1671 – vor 1676, Holz, 46.5 x 35.0 cm, Nationalmuseum Oslo, Inv.-Nr. NG.M.155; Oslo 1973, S. 322, Nr. 714; Oslo 1998, S. 278 f., mit Abb.; Sonntag 2003, S. 174, Abb. 48 auf S. 320. Die Tafel ist allerdings deutlich größer als das Vorbild. 609 Karel van Mander: Den Nederduytschen Helicon (Haarlem 1610); der Ausdruck ohne Angabe der Seitenzahl zitiert bei: Jensen Adams 1993, S. 76, Anm. 45. 610 Vgl. dazu Joseph de Brays Lob des Pökelherings, 1675, Holz, 67.0 x 49.0 cm, Suermondt-Ludwig-Museum, Aachen, Inv.-Nr. GK 0063; Frankfurt 1993, S. 158 ff., Kat.-Nr. 14. 611 Namowitz Worthen 1991/1992, S. 261 ff.; Melion 1992, S. 51 ff. 612 Broos 1970, S. 150 ff.; Montias 1982, S. 229; Jensen Adams 1993, S. 76, 91. 613 Veryard 1701, S. 6; Becker 1993, S. 111 ff., S. 116 f.; zu van Eyck: Emmens 1981, S. 191 ff. 614 Lieven Willemsz. van Coppenol: Lof der Pennekunst, 1658, Feder, Koninklijke Bibliotheek Den Haag, Inv.-Nr. 1901. 131 H 26 (S. 178, Nr. 118); de Kruyter 1976, S. 131, mit Abb. 23 auf S. 132 und Zitat auf S. 140 in Anm. 178; Jensen Adams 1993, S. 77, Abb. 69, Zitat (mit der hier wiedergegebenen deutschen Übersetzung) auf S. 88 in Anm. 124; Thomassen/Gruys 1998, Bd. I, S. 120, mit Abb.; zum 1645 bis 1678 geführten Album und dessen Besitzer: de Kruyter 1976, S. 110–153; s’-Gravenhage 1990, S. 83 f., Nr. 57; Thomassen/Gruys 1998, Bd. II, S. 9 ff., bes. S. 11 ff., 20 ff. 615 Unbekannt: Jacobus Heyblocq mit Schülern, 1652 (?), Kreide und Feder in Schwarz, Koninklijke Bibliotheek Den Haag, Inv.-Nr. 1901. 131 H 26 (S. 99, Nr. 62); de Kruyter 1976, S. 114–116, Abb. 2 auf S. 115; Thomassen/Gruys 1998, Bd. I, S. 87, mit Abb.; Bd. II, S. 12 f. 616 Dieser doppelte Wortsinn wird von Heyblocq und seinen Bekannten selbstredend gern für spaßhaft-hintersinnige Anspielungen genutzt. Vgl. De Kruyter 1976, S. 112, 116 f.; Thomassen/Gruys 1998, Bd. II, S. 16, 18 f., 28.

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in ihrer Fülle und Originalität außergewöhnlich.617 Sie greifen häufig Themen aus dem Bereich Wissen und Erziehung auf, von denen im Zusammenhang mit den Leidener Schulszenen in Kapitel V bereits die Rede war, und ergänzen so das hier skizzierte Panorama der zeitgenössischen Bildungslandschaft: Jacob Westerbaen (1599–1670) etwa, Naturwissenschaftler und Poet, gut bekannt mit Cats und Huygens, die ebenfalls in Heyblocqs Büchlein geschrieben haben,618 zitiert mit Blick auf Heyblocqs Profession den von Jacques de Gheyn ins Bild gesetzten griechischen Vers über den Lohn einer fundierten Erziehung [Abb. 57, 58 und 62] sowie einen Alexander dem Großen zugeschriebenen Ausspruch, nach dem dieser seinem Lehrer – dem in Kapitel V.2 erwähnten Aristoteles – nicht weniger verdanke als seinem Vater.619 Auch viele andere der in dem Stammbuch verewigten Geistesgrößen – darunter beispielsweise Jan Amos Comenius –620, Kollegen und auch Schüler des Besitzers zitieren berühmte Gelehrte oder schöpfen für ihre geistreichen Eintragungen aus dem reichen Fundus des antiken und zeitgenössischen Bildungsguts. Nicht zuletzt die in dem Album enthaltene Zeichnung eines über einem Buch sinnenden Geographen bestätigt ein weiteres Mal die geradezu selbstverständliche Verknüpfung von Bild und Bildung.621 Durch seine Handschrift konnte der Verfasser über den intellektuellen Gehalt des Geschriebenen hinaus Virtuosität und Weltgewandtheit beweisen, wie Dou durch den kunstvollen Gebrauch des Pinsels sein malerisches Können unter Beweis stellte. Dous Schüler Frans van Mieris zeigt seine Meisterschaft als Maler und gleichzeitiger Schönschreiber in einem Gemälde, das einen Gelehrten über seinen Aufzeichnungen in elegant geschwungenen Lettern darstellt [Abb. 82].622 Dieser ist ein Sinnbild idealer Gelehrsamkeit: Seinen Geist schult er bei der Lektüre, so wie er seiner Feder durch das Spitzen die für das Schreiben notwendige Schärfe verleiht. Die Lesart, der ganz in seine Tätigkeit versunkene Mann sei als Beispiel für den Müßiggang zu verstehen, weil er seine Feder nicht zum Schreiben benutzt, halte ich für verfehlt. Zwar ist es tatsächlich so, dass die in dem Buch lesbare Zeile „buiten voor de deur“ auf die außerhalb des Studiolos liegende Welt verweist, von der der Gezeigte in seiner einsamen Kontemplation ausgeschlossen scheint623 – aber ist nicht der Bogen, durch den der Betrachter blickt, als Fenster zur Welt deutbar? Auch Dous Abendschulen haben bis auf diesen Bogen oder das Fenster, das in der Dunkelheit ohnehin blind ist, keinen Ausblick nach draußen, und doch sind sie Stätten der Bildung und nicht Orte der Ignoranz. Wahrscheinlicher ist folglich der Bezug auf einen Sinnspruch aus dem 1. Buch Mose: „[…] wenn du nicht recht tust, lauert an der Tür die Sünde als Dämon.“624 Dass die geöffnete Tür auf Darstellungen der Grammatica – etwa auf Floris’ Stich oder dem Relief della Robbias [Abb. 22, 67] – durch das Lernen erschlossene Zugänge zur Weisheit versinnbildlicht, ist in Kapitel V.I.2.2 kurz erläutert worden. Dass das jedoch explizit auch für die Fenster gilt, halte ich für unwahrscheinlich, und das nicht nur aufgrund der Tatsache, dass das Fenster von den Künstlern „als die Trennung zweier Welten […], aber gleichzeitig ihre beiderseitige Verbindung“625 jeweils in erster Linie als kompositorisches bzw. rhetorisches Mittel eingesetzt wird.626 Bei den 617

Zu den Besonderheiten von Heyblocqs Album siehe: Thomassen/Gruys 1998, Bd. II, bes. S. 24, 27, 33. Zu Cats: Thomassen/Gruys 1998, Bd. I, S. 153 f., mit Abb. (im Album S. 236 f., Nr. 161), zu Huygens: Thomassen/Gruys 1998, Bd. I, S. 59 f. und S. 168, mit Abb. (im Album S. 39, Nr. 21 und S. 266b, Nr. 185). 619 De Kruyter 1976, S. 117, 119, mit Abb. 7 auf S. 120; Thomassen/Gruys 1998, Bd. I, S. 156 f., mit Abb. (im Album S. 241, Nr. 166). 620 Thomassen/Gruys 1998, Bd. I, S. 126, mit Abb. (im Album S. 126, Nr. 189). 621 Govert Flinck (1615–1660): Geograph in seinem Studienzimmer; 1656, Federzeichnung in Schwarz, grau laviert, Koninklijke Bibliotheek Den Haag, Inv.-Nr. 1901. 131 H 26 (S. 153, Nr. 101); de Kruyter 1976, S. 131, mit Abb. 28 auf S. 128; Thomassen/Gruys 1998, Bd. I, S. 110, mit Abb. Darüber hinaus gibt es in dem Album einige Eintragungen, die sich ausdrücklich auf darin (z. T. ehemals) enthaltene Zeichnungen beziehen: Vgl. de Kruyter 1976, S. 127, 131; Thomassen/Gruys 1998, Bd. II, S. 23. 622 Frans van Mieris: Seine Feder spitzender Gelehrter, um 1650–1665, Eiche, 34.6 x 24.5 cm, Gemäldegalerie Alte Meister Dresden, Inv. Nr. 1748; Naumann 1981, Bd. II, S. 8 f., Nr. 2; Frankfurt 1993, S. 246 ff., Kat.-Nr. 56; Laabs 2000, S. 73 ff., mit Abb.; Den Haag/Washington 2005, S. 72 ff., Kat.-Nr. 2, Abb. auf S. 75; Jensen Adams 1993, S. 77, Abb. 69 zeigen Beispiele der virtuos geschriebenen und gedruckten Lettern. 623 Frankfurt 1993, S. 246. 624 Genesis 4,7. 625 Kleinmann 1996, S. 83. 626 Vgl. dazu die Ausführungen von Sonntag 2003, bes. S. 87–109. Einen stärkeren Schwerpunkt auf die metaphorischen Bedeutungen des Fensters legt Kleinmann 1996, S. 82 ff., bes. S. 82–85. 618

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Abendschulen Dous erfüllt diesen inszenatorischen Zweck der effektvoll zur Seite gezogene Vorhang. In beiden Fällen wirft der Zuschauer einen Blick in die Welt des Wissens – ohne jedoch Teil dieser Welt zu sein. Schaut er durch ein Fenster, ist die dadurch suggerierte Grenze physischer Art, blickt er in die effektvoll erleuchtete Abendschule, steht er selbst noch im Dunkeln. Es ist an ihm, dafür zu sorgen, dass auch er Zugang zum Reich der Gelehrsamkeit hat. Bei den Federschneidern liegt der Deutungsschwerpunkt im Gegensatz zu den meist komplexeren Unterrichtsszenen auf der durch Übung erlangten Meisterschaft – sei es nun in der Vermeidung von Sünden oder der Beherrschung einer bestimmten geistigen oder künstlerischen Fertigkeit. Spitzt der Lehrer in einer Schulstube seine Feder, ergänzt das Motiv den Sinngehalt der Darstellung im Hinblick auf die dreiteilige Lerntheorie Aristoteles’, indem es andeutet, dass seine Schüler die auf der Basis ihrer natürlichen Veranlagung vermittelten Fertigkeiten durch die vom Lehrer demonstrierte Übung perfektionieren. Darüber hinaus enthalten die Bilder, je nachdem, wie die Szenerie im Detail ausgeschmückt ist, auch Anspielungen auf Tugenden wie Fleiß, Disziplin und anderes mehr. Die Brille des Dresdener Federschneiders [Abb. 80] aber könnte genau das Gegenteil von Weitsicht oder gar Weisheit bedeuten.627 Augenscheinlich verwendet er mehr Energie auf das Spitzen des Schreibinstruments als auf den eigentlichen Unterricht – tut er das, weil die Feder seinem Willen so viel besser gehorcht als das Wesen seiner Schüler?628 Die im Kontext der vorbildlichen Abendschulen, wo ja ebenfalls ihre Feder schärfende Lehrer zu sehen sind [Abb. 71b und 74], beschriebenen bildnerischen Mittel Dous dagegen finden sich auch in den Beschreibungen der Ausdauer berühmter Pädagogen – und umschreiben entsprechend die positiven Aspekte der Tätigkeit. So heißt es über den Humanisten Alexander Hegius (1439/1440– 1498): „Er pflegte bei Nachtarbeiten einen brennenden Kerzenstumpf in der Hand zu halten, um, wenn ihn der Schlaf übermannte, durch den Schmerz, welchen das bis zur Hand heruntergebrannte Licht verursachen würde, wieder aufgeweckt zu werden.“629 Viele der nachts arbeitenden Gelehrten Dous halten Kerzen, obschon das herabtropfende Wachs nicht nur ihrer Haut, sondern auch den vor ihnen liegenden wertvollen Folianten sicher nicht gut getan hat. Diese schlaglichtartigen Beobachtungen verdeutlichen, dass die Unterrichtsszenen wie die Federschneider gemäß ihrer komplexen Bedeutung ganz unterschiedlich inszeniert und die Deutungsmöglichkeiten entsprechend ambivalent sind. Die Tatsache, dass manche Schulmeister für das Schärfen der Federn eine Gebühr verlangten,630 hat für die Darstellungen eine höchstens marginale Bedeutung. Dass die Tätigkeit des Schreibens mit dem Beruf des Lehrers seit jeher unmittelbar verbunden war,631 liegt auf der Hand, und dass die Schulmeister ihre Fähigkeiten zum Teil dazu nutzten, ihr mageres Gehalt aufzubessern, ist schon erörtert worden. Ihre besonders kunstvolle Handschrift konnte zudem eine Art „Werbung“ für ihren Unterricht sein.632 Trotz dieser Zusammenhänge erschließt sich die Aussage der Darstellungen auch hier mehr aus dem Symbolgehalt mancher Details als aus der historischen Realität – zumal die wenigsten Federschneider im unmittelbaren schulischen Zusammenhang dargestellt sind. Hendrick Martensz. Sorghs wohl ironisch gemeinter Feder schärfender Mann als Allegorie des Sehsinns aus einer Serie der Fünf Sinne wurde eben schon kurz erwähnt [Abb. 73]. Von zwei recht verschiedenen Federschneidern Adriaen van Ostades wird in Kapitel VI.2.2.1 noch die Rede sein [Abb. 140 und 141]. Ein Beispiel hat Gerrit Dou wahrscheinlich noch in seiner Lehrzeit geschaffen [Abb. 83]:633 Ob dieser Meister nun geübt genug ist, ist schwer zu sagen. Zwar scheint sein Streben durch die kostspielige Ausstattung seiner Umgebung im Vergleich zu den schlichten Protagonisten Sorghs und 627

Neben dem dieses Paradox thematisierenden Sprichwort von Eule und Brille gibt es auch Darstellungen des 16. und 17. Jh.s, die diese als Attribut des intellektuell Kurzsichtigen zeigen. Vgl. Durantini 1983, S. 158 f. 628 So Gruschka 2005, S. 90 im Zusammenhang mit der in Kapitel VIII.5 besprochenen Schulszene Jan Steens [Abb. 221]. 629 Kaemmel 1882, S. 225. 630 De Booy 1977, S. 34, Anm. 47. 631 Vgl. dazu die entsprechenden Beiträge zum Schreiber als Lehrer in den Hochkulturen des Orients und im antiken Griechenland in: Hohenzollern/Liedtke 1989, Kap. II und III. 632 Blaak 2009, S. 61: So nutzt David Beck Schreibproben erfolgreich als Referenz, um neue Schüler zu gewinnen. Auf S. 46, Abb. 1, findet sich das kalligraphisch gestaltete Titelblatt seines Tagebuchs. Vgl. auch S. 69–71 zusammenfassend für weitere Gelegenheiten, bei denen Beck seine Schriftkunst in den Dienst anderer stellte. Gerrit Dou: Federschneider, um 1628–1632 (?), Holz, 25.5 x 20.5 cm, Verbleib unbekannt (ehemals Privatsammlung Hannover); Martin 1911, S. 168, Nr. 31; Emmens 1963, S. 136, Abb. 2; Frankfurt 1993, S. 246, Abb. 56.1.

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Ostades aussichtsreicher – und doch sitzt sein Kneifer so auf der krummen Nase, dass es fast schon lächerlich wirkt. Wahrscheinlich handelt es sich um eine tronje, deren Accessoires wie Ohrring und Käppchen als eher schmückende Attribute keine tiefere Bedeutung haben. Und entsprechend geht es wohl zu weit, wie Emmens zu vermuten, dass sein Lehrer Rembrandt Dou das Thema hat malen lassen, um ihm, gemäß der emblematischen Bedeutung des Federschneiders, vor Augen zu führen, wie viel Übung notwendig ist, um die Kunst zu erlernen.634 Und doch ist es angesichts der in intellektuellen Kreisen geläufigen gedanklichen Verknüpfungen zwischen geistiger und im weitesten Sinne handwerklicher Virtuosität nicht ausgeschlossen, dass mancher Zeitgenosse diese Verweise erkannt hat und vor dem Hintergrund der Theorien van Manders und anderer die beide Bereiche verbindenden Bemühungen des jungen Künstlers zu würdigen wusste. V.5

Gerrit Dous Nachfolge: Pieter Verelst und Quiringh van Brekelenkam

Wir wissen nicht, was Gerrit Dou seine Schüler zu malen anwies, um sie mit den Mühen ihres Berufes vertraut zu machen. Es verwundert etwas, dass trotz der Wertschätzung, die seinen Bildern schon zu Lebzeiten entgegen gebracht wurde, seine in diesem Kontext wichtigste Bilderfindung, die Abendschule, praktisch keinen Nachhall hatte635 – zumindest nicht in der Größenordnung, wie es für andere seiner Werke oder für die in zahlreichen mehr oder weniger freien Adaptionen vervielfältigten Dorfschulen Adriaen van Ostades zu beobachten ist, die Gegenstand von Kapitel VI.4 sind. Lediglich Dous früheste und im Unterschied zu den anderen Bildern eher schlichte Unterrichtsdarstellung in Cambridge [Abb. 68] hat vergleichsweise viele Künstler inspiriert. Hiervon wird unter anderem in Kapitel VIII noch die Rede sein. Während die meisten Kollegen offensichtlich vor allem die Komposition der Szene als gelungen empfanden, orientierten sich zwei Künstler in ihren um die Mitte des 17. Jahrhunderts entstandenen Unterrichtsszenen bis zu einem gewissen Grad auch stilistisch unmittelbar an dieser Arbeit. Es waren dies der wohl in Dordrecht geborene Pieter Verelst und der wahrscheinlich aus der Nähe von Alphen aan den Rijn, also ebenfalls aus der Provinz Südholland, stammende Quiringh Gerritsz. van Brekelenkam. Für beide wird aufgrund der Bezüge zum Œuvre des Leidener Meisters angenommen, dass sie bei ihm in die Lehre gegangen sind – belegbar ist dies jedoch nicht. Die Erörterung der Arbeiten Verelsts wird vorangestellt, da van Brekelenkams Unterrichtsdarstellungen nicht nur in größerer Zahl überliefert sind, sondern auch einige ikonographische Neuerungen beinhalten, die ausführlicher zu besprechen sind als die doch verhältnismäßig konventionellen Bilder des etwas älteren Kollegen. V.5.1 Die Schulszenen Pieter Verelsts Pieter Verelst (um 1618 (?) – um 1678 (?)), der ab 1638 als Mitglied der St. Lukasgilde zu Dordrecht geführt wird und der nachweislich von 1643 bis 1668 in Den Haag tätig war, ließ sich in seiner Kunst unter anderem durch genrehafte Bildideen von südholländischen Malerkollegen wie Hendrick Martensz. Sorgh oder Cornelis Saftleven, aber auch von der Haarlemer Malerschule anregen.636 Der Einfluss Gerrit Dous ist besonders in seinen Schulszenen spürbar. 634

Davon unbenommen ist natürlich die Tatsache, dass auch Rembrandt sich mit dem Thema auseinandergesetzt hat, und man einen entsprechenden Austausch mit seinen Schülern annehmen kann. So gibt es einen Federschneider Rembrandts, der exakt dieselbe Haltung einnimmt wie Dous Dresdener Schulmeister [Abb. 80]: Rembrandt Harmensz. van Rijn: Federschneider bei Kerzenlicht, um 1630–1635 (?), Feder und Pinsel in Braun, Rötel, Deckweiß, 12.5 x 12.3 cm, Klassik Stiftung Weimar – Graphische Sammlung, Inv.-Nr. KK 5492; Amsterdam 1999, S. 82 f., mit Abb. Nicht zuletzt bieten Broos’ Überlegungen zu Rembrandts Porträt des eben schon kurz erwähnten Schriftkünstlers Lieven van Coppenol faszinierende Ansätze zu einer ausführlicheren Auseinandersetzung mit diesem Thema – die allerdings in diesem Rahmen nicht erfolgen kann. Vgl.: Broos 1970, bes. S. 165 ff.; zu den Bildnissen zuletzt: London/Amsterdam 2000, S. 354–360, mit Abb. 635 Im Rijksmuseum befinden sich zwei Gemälde, die den Typus der Abendschule wieder aufleben lassen. Die Bilder, die gewissermaßen eine Kombination aus Dous konzentrierten Kunstlichtszenen und den detailfreudigen Darstellungen van Ostades oder Jan Steens sind, stammen von den Meistern Michiel Versteegh (1786, Leinwand, 60.0 x 52.0 cm, Inv.-Nr. SK-A-1565) und George Gillis Haanen (1835, Leinwand, 64.0 x 50.0 cm, Inv.-Nr. SK-C-134); Amsterdam 1976a, S. 567, mit Abb., und S. 252 mit Abb.; Amsterdam 1989, S. 64, mit Abb. (http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.7426 und http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.8591, Aufruf 22.03.2015) 636 Vgl. die Kurzbiographien mit weiteren Literaturhinweisen bei Raupp 1996, S. 244; Mainz 1997, S. 481.

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Verelsts vermutlich früheste Unterrichtsdarstellung [Abb. 84]637 bildet eine Art Synthese aus der 1645 datierten Schulszene des Leidener Meisters [Abb. 68] und einem Bild van Brekelenkams [Abb. 86], das wohl gleichfalls in dieser Zeit entstanden ist. Alle drei Bilder sind Hochformate, auf denen der Lehrer im Dreiviertelprofil rechts sitzt, ein Schüler direkt bei ihm am Pult steht und die Köpfe der anderen mehr oder weniger deutlich noch links im Hintergrund zu erkennen sind. Die Darstellungen unterscheiden sich in Details, etwa den Unterrichtsutensilien, der Ausstattung des Lehrers oder der Anzahl der Schüler. Bei dem Mobiliar auf Verelsts Bild handelt es sich um einen Lehnstuhl und einen Tisch mit einseitig abgerundeter Kante. Der Lehrer, ein bärtiger Mann, etwas jünger als der Schulmeister aus Cambridge [Abb. 68], trägt einen Kneifer, eine mit breitem Fellrand gesäumte Mütze und einen braunen Mantel aus festem Stoff. In der rechten Hand hält er die plak, mit der vor den Körper gelegten Linken zeigt er seinem Schüler in einem Buch auf dem Pult, was dieser lesen soll. Die Art und Weise, wie er sich mit überkreuzten Unterarmen auf das Pult stützt, erweckt den Eindruck von Konzentration, die plak hält er gewissermaßen in der Hinterhand. Zugleich ist sie so für den Betrachter unübersehbar im Vordergrund platziert. Der Junge ist eifrig bei der Sache, auch er beugt sich vor. Sein Gesichtsausdruck drückt fast fröhliche Zufriedenheit aus, mit dem Finger folgt er den Zeilen. Hinter ihm steht links ein Grüppchen von vier weiteren Schülern, von denen nicht viel mehr als die einander zugewandten Köpfe zu sehen sind. Ein Junge reibt sich die Augen, möglicherweise war er weniger gelehrig, so dass die plak bei ihm zum Einsatz kam. Hinter dem Lehrer ist noch schemenhaft die Gestalt eines weiteren Schülers zu erkennen, der einen Bücherkasten von der Wand nimmt oder ihn aufhängt. Die Bewegung ist auf der Reproduktion nur schemenhaft zu erkennen, deutlicher ist sie auf dem im Folgenden zu beschreibenden Bild [Abb. 85]. Obwohl weder Kerze noch Laterne zu sehen sind, ist die Szene in das warm-goldene Licht der einige Jahre später als der für dieses Bild kompositorisch vorbildhafte Schulmeister [Abb. 68] entstandenen Abendschulen Gerrit Dous getaucht. Ohne die symbolbehaftete Lichtquelle jedoch wird das schummrige Licht zu einem rein malerischen Effekt, dessen tiefere Bedeutung sich – wenn überhaupt – lediglich denjenigen erschlossen hat, die Dous Kunstlichtszenen kannten. Da diese aber nach dem aktuellen Stand der Forschung erst gegen bzw. nach Mitte der 1650er Jahre entstanden sind, ist die offenbar auf der Leinwand angebrachte Datierung von Verelsts Bild damit nicht ohne Weiteres in Einklang zu bringen. Dass die Tonigkeit des Bildes – sofern die Abbildung diese korrekt wieder gibt – ohne Kenntnis der Kunstlichtszenen Dous entstanden sein soll, scheint unwahrscheinlich. Nicht auszuschließen ist, dass die reproduzierte Farbwirkung auf ein Nachdunkeln der Firnisschicht respektive einen späteren restauratorischer Eingriff zurückzuführen ist. Andernfalls muss die Entstehung von Dous Abendschulen doch früher angesetzt werden, als derzeit angenommen – ein Gedanke, dem im Kontext dieser Arbeit nicht erschöpfend nachgegangen werden kann. Ein anderes, wesentlich detailreicheres Bild des Unterrichts zeichnet ein weiteres Gemälde Verelsts [Abb. 85]:638 In einem schlichten, scheinbar fensterlosen Raum sind dreizehn Schüler versammelt, alles Knaben im Jugendalter. Das Pult des Lehrers befindet sich etwa mittig im unmittelbaren Vordergrund, rechts von ihm stehen zwei Jungen, um ihre Lektion aufzusagen. Im Hintergrund links sitzen fünf Schüler an einem runden Tisch. Darauf liegt eine Schiefertafel, auf die einer der Knaben gleich etwas schreiben wird. An der Rückwand sieht man ein Bord mit Büchern – in diesem Zusammenhang sei auf Visschers Emblem verwiesen [Abb. 24] – und Gefäßen, ganz außen steht wohl eine krumme Kerze. Darunter hängen ein Bücherkasten zur Aufbewahrung von Schulutensilien639 sowie ein Federmäppchen, aber auch ein Krug. Hinter dem Lehrer, genaugenommen mit ihm auf einer Achse, ist die Rückwand durch eine Türöffnung durchbrochen, in der eine mit Kleid und Schürze bekleidete Frau und ein ihre Hüfte umklammerndes Kind zu sehen sind. Es ist wohl die Frau des Schulmeisters, die die kleinen Kinder betreut. 637

Pieter Verelst: Lehrer und lesender Schüler, 1650, Holz, 31.5 x 25.5 cm, Verbleib unbekannt (London, Sotheby’s, 07.07.1993, Lot 108); vgl. auch Ploeg/Runia/van Suchtelen 2002, S. 173, mit Abb. 638 Pieter Verelst: Schulszene mit seine Feder betrachtendem Schulmeister, um 1665–1668, Holz, 42.0 x 34.0 cm, Kremer Collection; Ploeg/Runia/van Suchtelen 2002, S. 168 ff., Abb. auf S. 169. 639 Der hölzerne Kasten wurde auch als Schreibunterlage benutzt. De Booy 1981, S. 433. So zu sehen u. a. auf einer häuslichen Szene Quiringh van Brekelenkams Brot schneidende Alte mit zwei Kindern, 1658 (?), Holz, 33.1 x 41.3 cm, Frits Lugt Collection – Fondation Custodia, Paris [Abb. 99]; Lasius 1992, S. 118 f., Kat.-Nr. 136, Taf. 35.

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Direkt neben der Tür stehen zwei ältere Knaben, die wie einige ihrer Klassenkameraden hohe, kegelförmige Hüte tragen. Der eine – seine Figur findet sich auch im Hintergrund des eben beschriebenen Bildes – reckt sich mit einem Bücherkasten in den ausgestreckten Händen zu einem Nagel in der Wand, der andere liest zur Mitte gewendet in einem Buch. Vor den beiden, und damit im Rücken des Lehrers, stehen vier weitere Jungen. Einer von ihnen hat ein breites Grinsen auf den Lippen, er scheint einem anderen Knaben etwas weggenommen zu haben, das dieser nun wieder an sich zu bringen versucht. Doch scheint er nicht wütend zu sein, auch seine Miene wirkt fröhlich. Ein weiterer Junge hinter den beiden beobachtet die Szene mit leicht amüsierter Miene, ein vierter, im Profil zwischen Lehrer und Dreiergruppe, scheint davon keine Notiz zu nehmen. Offensichtlich handelt es sich dabei nur um eine Staffa*gefigur, die ohne Bedeutung für das Bildgeschehen ist. Ebenfalls keine Notiz von der Rangelei hinter ihm nimmt der Lehrer. Durch den Kneifer auf seiner Nase inspiziert er seinen Federkiel. Er ist ähnlich gut gekleidet wie die würdevollen Privatlehrer auf den Bildern Gerrit Dous, im Gegensatz zu diesen allerdings – dabei sei an das Selbstporträt Dous erinnert, auf dem der angesehene Künstler im Prinzip dasselbe trägt wie die Lehrer seiner Abendschulen – nicht nach der neuesten Mode: Dunkelrotes, geschlitztes Barett mit Brokatbesatz, hellbraunes Wams unter anthrazitfarbenem tabaard aus schimmerndem Stoff. Mit dem feinen weißen Haar und der knittrig-faltigen Haut erinnert er an den ähnlich gekleideten alten Schulmeister auf Dous Dresdner Gemälde [Abb. 80]. Es ist durchaus möglich, dass die altmodische Tracht als Hinweis darauf zu verstehen ist, dass dieser Schulmeister auch in seinen Unterrichtsmethoden nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist.640 Wohl deswegen wirken die beiden Schüler am Pult wenig aufmerksam, beider Blicke schweifen in die Ferne, anstatt sich auf die Bücher in ihren Händen zu richten – so, als träumten sie sich fort aus dieser Schule. Schaut man genauer hin, passt vor allem der blonde Knabe nicht so recht in das in Grau- und Brauntönen gehaltene Umfeld. Wie der Schüler neben ihm trägt er sein langes lockiges Haar mittig gescheitelt. Anders als die anderen Jungen, die sämtlich die einfache, in gedeckten Tönen gehaltene Kleidung niederländischer Schüler tragen, ist er in ein weißes Hemd und ein Wams gekleidet, dessen Farbe der des Mantels des Lehrers ähnelt. Über seinem rechten Arm trägt er ein in diesem Zusammenhang extravagant wirkendes, rot schimmerndes Tuch. Es ist ein ähnliches Rot wie das des Lehrer-Baretts, so dass sich zwischen den beiden Figuren eine farbliche Korrespondenz ergibt, die die beiden auch kompositorisch miteinander verbindet und vom Rest der Szene absetzt. Das Vorbild Dous zeigt sich nicht nur in der sorgfältigen Wiedergabe kostbarer Stoffe und der vergleichbaren Charakterisierung der Lehrerfiguren. Auch der mit einem roten Kissen versehene Lehnstuhl des Lehrers ist ähnlich, ebenso das auf seinem Tisch platzierte Schreibpult und weitere Details wie der Kreisel auf dem Pult, der über der Szene hängende, offensichtlich leere Vogelkäfig, die plak sowie die – hier nicht beleuchtete – Laterne rechts im Vordergrund, die dem von Dou gemalten Exemplar zum Verwechseln ähnlich sieht. Nicht bei Dou finden sich das mit figürlichen Szenen reliefierte Tintenfass und die Perlen, die neben dem Kreisel auf dem Tisch liegen. Dieses Spielzeug kann, analog zu den Spielsachen auf anderen Beispielen [etwa Abb. 46], symbolhaft für das müßige Treiben undisziplinierter Kinder verstanden werden. Die Funktion des Kreisels als Sinnbild für die ohne Antrieb im Stillstand verharrende kindliche Entwicklung ist für Dous Unterrichtsszene in Cambridge bereits erläutert worden [Abb. 68]. Verelst akzentuiert die negative Konnotation durch weiteres Spielgerät, das der Lehrer unter Umständen unaufmerksamen Schülern weggenommen hat. Auch der Sinngehalt der erloschenen Laterne muss nicht erneut erklärt werden. Das Motiv der geistigen Verdunklung im übertragenen Sinne wird von der erloschenen Kerze wiederholt, die im Hintergrund links auf dem Wandbord steht. In dieselbe Kategorie fällt natürlich auch die Brille des Lehrers, die ihm gemäß dem nun schon mehrfach zitierten Sprichwort in diesem Fall nur bedingt hilft, da er beispielsweise die herumalbernden Schüler hinter ihm offenbar nicht sehen will. Andererseits blickt er konzentriert auf die Spitze des Federkiels. Damit verhält er sich wie die Schulmeister Dous und van Tols [Abb. 80 und 81], deren Fokus auf das eigene Schreibgerät sie ebenfalls als Figuren mit fragwürdiger pädagogischer Befähigung entlarvt – noch schlimmer: Er bearbeitet den Kiel nicht einmal, er schaut ihn nur durch seinen Kneifer an. 640

Für den Dresdener Kollegen muss das trotz der Ähnlichkeit nicht zwingend gelten, schließlich benehmen sich – zumindest soweit man das im Hintergrund erkennen kann – dessen Schüler ordentlich.

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Es ist demnach fraglich, ob respektive in welchem Maße in dieser Schule Wissen weitergegeben wird. Eines ist jedoch klar: Die Weisheit wird nur denjenigen zuteil, die – wie die Schüler am Pult – mit scharfem Verstand und Konzentration dafür empfänglich sind. Andere dagegen, beispielsweise der Schüler im Hintergrund, der sich gerade ein Zettelchen in den Strumpf steckt, werden ein Leben lang die Nichtsnutze bleiben, als die sie sich hier aufführen. Zwar ist die Verwendung von Spickzetteln im 17. Jahrhundert meines Wissens nicht überliefert, wie sollten sie auch am Pult des Lehrers eingesetzt werden, dass der Junge aber etwas Unerlaubtes tut, liegt auf der Hand. Schüler, die ihre Schenkel entblößen bzw. an ihrem Beinkleid nesteln, gibt es auch auf Schulszenen Jan Molenaers [Abb. 107, 108, 112], auf die in Kapitel VI.1 zurückzukommen sein wird. Dort ist zwar nicht so gut zu erkennen, was die Schüler tun, mit Blick auf das Motiv bei Verelst ist es aber vorstellbar, dass auch sie etwas vor den Augen des Lehrers – nicht aber vor den Augen des Betrachters – verbergen. Noch etwas verbindet Verelst mit Molenaer: Er stellt, und das unterscheidet ihn von den meisten der bisher behandelten Künstler, zwei Typen von Schülern einander gegenüber: die braven, engagierten Knaben, die dem unter anderem in den Bildern Gerrit Dous propagierten Ideal in Habitus und Verhalten nacheifern, und den zahlenmäßig überlegenen Rest, der seine Schulzeit mit Schabernack vertut. Die didaktische Botschaft ist natürlich im Prinzip dieselbe wie die der gewissermaßen eindimensionalen Darstellungen. Doch bieten die komplexeren Bilder dem Zuschauer mehr Unterhaltung und auch mehr Diskussionsstoff, als wenn ihm nur die eine Seite des kindlichen Wesens vor Augen geführt wird. In dieser direkten Gegenüberstellung ist unter den Schulszenen im Grunde nur ein 1634 datiertes Beispiel Jan Molenaers [Abb. 110] vergleichbar, das an entsprechender Stelle in Kapitel VI.1 ausführlich besprochen wird. Bei Molenaer sind es die Kinder einer stolzen Bürgerfamilie, die in Begleitung ihrer Eltern mit dem wilden Treiben undisziplinierter Schüler konfrontiert werden. Es ist schwer zu sagen, ob diese Parallele darauf zurückzuführen ist, dass Verelst Arbeiten des Haarlemers gesehen hat, die Vermutung wird durch das die Schuldarstellungen von Molenaer und Verelst miteinander verbindende motivische Detail jedoch bestärkt. Auf jeden Fall unterscheidet die Tatsache, dass Verelst auch ungezogene Schüler und einen nicht ganz vertrauenswürdigen Lehrer darstellt, ihn von den anderen, ausschließlich das makellose Ideal verbildlichenden Szenen Leidener Ursprungs. V.5.2 Die Unterrichtsszenen Quiringh Gerritsz. van Brekelenkams Quiringh van Brekelenkam (1622–1669 (?)) war ab 1648 in Leiden tätig.641 Neben motivischen und thematischen Überschneidungen mit Dou und anderen Künstlern der Leidener Schule, etwa dem Blick in bürgerliche Interieurs durch einen steinernen Fensterbogen oder romantisierenden Eremitendarstellungen,642 weist van Brekelenkams Werk vor allem in Darstellungen des Hausfrauenlebens Parallelen zu den Sujets Pieter de Hoochs oder – dies betrifft insbesondere die Farbgebung – zu manchen Bildern von Nicolaes Maes oder Gabriel Metsu auf.643 Mit Jan Steen verbinden ihn die teils recht individuelle Charakterisierung der Dargestellten644 und – das wird im Folgenden noch Thema sein – motivische Übereinstimmungen bei der Inszenierung des Unterrichts. Da die Frage nach der Ausbildung van Brekelenkams aufgrund fehlender Nachweise nicht definitiv beantwortet werden kann, sei für die weitere Diskussion über mögliche Einflüsse, zumindest sofern sie nicht eine Unterrichtsszene betreffen, auf das Werkverzeichnis von Angelika Lasius verwiesen. V.5.2.1 Brekelenkams Bilder in der Tradition Gerrit Dous Vier dieser Unterrichtsszenen sind von Gerrit Dou inspiriert. Vermutlich sind nicht alle von van Brekelenkam selbst gemalt worden. Sie werden in diesem Kapitel trotzdem zumindest kurz angeführt, da nicht auszuschließen ist, dass sie auf Originale von der Hand des Künstlers zurückgehen. Vor allem 641

Dass er seine Lehrzeit bei Dou absolviert hat, ist – wie schon gesagt – nicht nachweisbar. Die wesentlichen Quellen und die überschaubare Forschungsgeschichte zu van Brekelenkam referiert bzw. zitiert Lasius 1992, S. 8 ff. 642 Leiden 1988, S. 11; Lasius 1992, S. 11 f., 21 f. 643 Lasius 1992, S. 12 f., 23 ff.; Franits 2004, S. 130 ff. 644 Lasius 1992, S. 12 f.

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aber verdeutlicht der Vergleich, wie stark sich van Brekelenkam später durch eine neue Bildidee von den Kompositionen seines Lehrers absetzt. Vor allem eine Darstellung [Abb. 86]645 ist motivisch eng an Dous erste Unterrichtsszene aus dem Jahr 1645 [Abb. 68] angelehnt.646 Hier wie dort ist die Szene von Schulmeister und Schülern am Pult ganz aus der Nähe wiedergegeben, so als könnte der Betrachter gleich als Nächster „drankommen“. Der Lehrer sitzt jeweils rechts, in der linken Hand hält er die plak, mit der Rechten leitet er einen Schüler an. Bei Dou fixiert der Schulmeister zugleich den Betrachter. Unter dem eindringlichen Blick verspürt dieser je nach Gewissenslage gar selbst die Sorge, nicht brav oder nicht fleißig genug (gewesen) zu sein. Bei van Brekelenkam bleibt der Beobachter außen vor, denn die Aufmerksamkeit des Schulmeisters richtet sich auf den lesenden Jungen. Die Stirn konzentriert gerunzelt, mit dem Finger den Zeilen folgend, trägt dieser den Text vor. Sein Anzug mit dem weißen Kragen und der auf das Buch gesenkte Blick lassen ihn strebsam aussehen. Ein Mädchen, das eine Haube trägt, steht zwischen Lehrer und lesendem Knaben. Sie steckt noch schnell die Nase in ein Buch, um vorbereitet zu sein, schielt aber zugleich ängstlich zu ihrem Mitschüler. Links neben den beiden ist noch ein weiteres Kind im Profil zu sehen, das sich offenbar von der Szene entfernt. Der Schulmeister ist mit weißem Schal, einer hinter das Ohr geklemmten Schreibfeder und einem Kneifer auf der Nase etwas anders ausgestattet als sein Kollege auf dem Bild in Cambridge, doch auch er trägt ein Barett und einen tabaard aus dunklem Stoff mit rötlichem Besatz. Bei Dou ist das ein Pelzkragen, während es sich bei van Brekelenkam um eine Art Borte auf Ärmeln und am Kragen handelt – die verwendeten Farbtöne sind aber ganz ähnlich. Auf dem Pult befinden sich – wie bei Dou – ein Tintenfass, eine Urkunde und ein Kreisel. Diese Übereinstimmungen machen es wahrscheinlich, dass das Gemälde nicht allzu lange nach seinem Vorbild entstanden ist, also möglicherweise nicht viel später als 1648 – dem Jahr, aus dem die frühesten datierten Bilder van Brekelenkams überliefert sind. In der Literatur wird bislang eine Entstehung um 1663 angenommen, was das Bild zeitlich in die Nähe der anderen datierten Unterrichtsszenen des Künstlers rückt [Abb. 88, 90, 93]. Da diese Beispiele jedoch – wie im Folgenden noch ausgeführt wird – kaum Übereinstimmungen mit dem Leidener Vorbild [Abb. 68] aufweisen, ist es denkbar, dass die Unterrichtsszene aus Uppsala chronologisch deutlich früher anzusetzen ist. Für eine Entstehung um 1650 spricht auch die motivische Nähe zu einem ebenfalls in diesen Jahren entstandenen Schulmeister Jan Steens [Abb. 213]. Diese Zusammenhänge werden an entsprechender Stelle in Kapitel VIII.3 noch einmal aufgegriffen werden. Auf beiden Bildern, der Darstellung Dous ebenso wie dem Bild van Brekelenkams, sind die Kinder so bei der Sache, dass sie nicht bestraft werden müssen. Trotzdem ist die Möglichkeit einer Strafe jeweils durch die plak angedeutet. Von Dou allerdings wird dieser Andeutung durch den strengen Blick des Lehrers Nachdruck verliehen, während die Motivik des Bildes in Uppsala zu neutral ist, als dass man darin einen dringlichen Appell erkennen könnte: Hier ist schlicht ein redlicher Schulmeister mit leidlich gelehrigen Kindern zu sehen, plak und Kreisel wirken eher wie illustrative Beigaben ohne inhaltliche Bedeutung – auch wenn ihre didaktische Botschaft durch den Rezipienten des 17. Jahrhunderts sicher erkannt wurde. Trotzdem: Dous Bild hat eine diese Gegenstände belebende Pointe, wohingegen Brekelenkams Arbeit in dieser Hinsicht eher unbestimmt bleibt. In der Reihe der in der ikonographischen Tradition der Unterrichtsszenen Gerrit Dous stehenden Bilder ist eine weitere Tafel zu nennen, deren Zuweisung an van Brekelenkam zwar nicht gesichert, aber doch gut vorstellbar ist [Abb. 87].647 Lehrer und Schüler sind einander zugewandt im Profil zu sehen. Der Lehrer, ein älterer Herr mit weißem, lockigem Haar und auf die Nasenspitze geklemmtem Kneifer, der auch auf anderen Bildern des Künstlers [z. B. Abb. 88 und 89] zu sehen ist, hat sich in seinem Stuhl leicht nach links gedreht, so dass sich seine den Federkiel haltenden Hände etwa in der Mitte des Bildes befinden. Von der anderen Seite tritt ein Knabe mit längerem Haar dazu. In der 645

Quiringh van Brekelenkam: Lehrer mit drei Schülern, um 1650 (?), Holz, 44.0 x 50.0 cm, Uppsala University Art Collections, Inv.-Nr. UU 772; Havard 1880, Bd. III, S. 127; Durantini 1983, S. 116, 118, Abb. 56; Lasius 1992, S. 87, Nr. 26. 646 Obschon, wohl aufgrund der fehlenden Signatur, das Bild in den Akten der Sammlung als Zuschreibung geführt wird, wird van Brekelenkam im Folgenden in Anlehnung an das Werkverzeichnis als Urheber vorausgesetzt. 647 Quiringh van Brekelenkam: Seine Feder spitzender Lehrer mit einem Schüler, um 1650 (?), Leinwand, 35.0 x 30.0 cm, Verbleib unbekannt (vor 1940 in der Kunsthandlung Paech, Amsterdam); Havard 1880, Bd. III, S. 126; Lasius 1992, S. 148, Nr. B4 (als nicht sichere Zuschreibung).

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linken Hand hält er ein leeres Blatt Papier, rechts hat er seinen Hut unter den Arm geklemmt. Er trägt einen weiten Mantel aus hellem, festem Stoff, der an den Ärmeln mit Knöpfen verziert ist. Sein Hut ist mit einer Art Schleife geschmückt. Wie das Kind gehört auch der Lehrer mit seinem schräg sitzenden Barett und dem mit Borten geschmückten Gelehrtenmantel zur eher wohlhabenden Gesellschaft. Diesen Eindruck unterstreichen auch der mit einem Kissen versehene Stuhl mit runder Lehne sowie das über den Tisch gebreitete Tuch. Auf dem Tisch, genau zwischen Lehrer und Schüler, liegt die plak, sie muss hier aber offenbar nicht eingesetzt werden. Auch in diesem Fall bedient sich van Brekelenkam, neben dem bogenförmigen oberen Abschluss des Bildes, eines weiteren Motivs, das er von Dou gekannt haben mag: Der seine Feder spitzende Lehrer ist einschließlich der halbrunden Stuhllehne eine Variation des Gelehrten auf dem rechten Flügel von Dous wohl um 1660 entstandenen Triptychon in Amsterdam [Abb. 71b]. Noch ähnlicher in Physiognomie, Kleidung und Gestik – von der etwas mehr vom Betrachter weg gewandten Körperhaltung abgesehen – ist der 1671 datierte Dresdener Schulmeister [Abb. 80], dessen Mantel beispielsweise an den Ärmeln mit einer ähnlichen Borte aus halbrunden Stoffstücken versehen ist. Da das Bild erst zwei Jahre nach Brekelenkams Tod datiert ist, scheidet es als Vorbild aus. Die genaue Chronologie der Gemälde kann demnach nicht sicher rekonstruiert werden. Relativ einfach dagegen ist die Frage nach der Botschaft des Bildes zu beantworten: Das unbeschriebene Papier, dessen helles Quadrat mit dem Weiß der Feder ostentativ korrespondierend im Zentrum des Bildes platziert ist, ist als Symbol für das Wesen des heranwachsenden Knaben zu verstehen,648 dessen Charakter durch den Schulmeister geformt wird. Zugleich soll, analog zu der von dem weisen Mann bearbeiteten Feder, durch den Unterricht die Urteilskraft des Kindes geschärft werden. Ein in der St. Petersburger Eremitage bewahrtes Bild [Abb. 88]649 ist eine schlichtere Variante der Komposition aus Uppsala [Abb. 86]: Dort ist nur ein lesender Schüler dargestellt. Die Physiognomie des alten Lehrers ist dieselbe wie die des eine Feder schärfenden Mannes auf dem Bild im Kunsthandel [Abb. 87]. So, wie er das schwarze Barett trägt, wirkt er im Gegensatz zu dem schöngeistig inszenierten Kollegen etwas bieder. Zudem hat er die Zungenspitze zwischen die Lippen geklemmt, als müsse er sich nicht weniger konzentrieren als sein Schüler. Dieser ist in einen braunen, ärmlich wirkenden Kittel gekleidet. Sein Gesichtsausdruck wirkt gelöst, mit der vorgeschobenen Unterlippe fast lernbegierig, während der mit seinem weißen Kragen etwas besser gekleidete Junge der Werkes in Uppsala ernst dreinschaut. Weder macht das Kind einen ungezogenen Eindruck, noch gibt es Mitschüler, deren Verhalten einen Kontrast oder eine Betonung seines Eifers ausmachen würde. Auch der Charakter des Lehrers wirkt unentschieden: Zwar handelt es sich um einen alten Mann, doch erscheint er weder besonders würdevoll noch zu nachlässig oder übermäßig streng. Er ist schlicht gekleidet, aber auch nicht so ärmlich, dass man darüber spotten könnte.650 Hier ist im Grunde alles so, wie es die zeitgenössischen Pädagogen fordern: Der Schüler bemüht sich, der Lehrer unterstützt ihn dabei mit der gebotenen Strenge – nur werden weder die Art des Unterrichts noch das Wesen der Dargestellten in irgendeiner Weise hervorgehoben: Alles in allem hat die Szene malerische Qualitäten, doch fehlt ihr eine erzählerische oder gar didaktische Pointe. Sofern die Abbildung des Werks die Farben authentisch wiedergibt, ist das Bild in ähnlich goldenen Brauntönen gehalten wie die auch kompositionell vergleichbare Szene von Lehrer mit lesendem Schüler Pieter Verelsts [Abb. 84]. Obschon ein auf Reproduktionen beruhender Farbvergleich nicht mehr als Spekulation sein kann, fällt auf, dass beide Szenen vor dunklem Hintergrund in weiches Licht getaucht sind. Konturen und Details scheinen weniger plastisch und realistisch ausgearbeitet als bei Dous Bild in Cambridge [Abb. 68] und dem diesem nahe stehenden Gemälde van Brekelenkams in Uppsala [Abb. 86]. Letztendlich hat man den Eindruck, als versuche van Brekelenkam in Kenntnis der Bilder Dous und Verelsts [Abb. 68 und 84], welche – zugespitzt formuliert – 648

Dieser bei Willem Teellinck formulierte Gedanke, demzufolge Kinder unbeschriebenem Papier gleichen, das mit dem richtigen Text zu füllen sei, ist in Kapitel II.6 zur Kindererziehung in den Niederlanden bereits erwähnt worden. Teellinck 1627, S. 201 ff.; Dekker/Groenendijk/Verberckmoes 2000/2001, S. 44. 649 Quiringh van Brekelenkam: Schulmeister und lesender Schüler, 1663, Holz, 23.0 x 19.0 cm, Staatliche Eremitage St. Petersburg, Inv.-Nr. GE-6324; St. Petersburg 1979, S. 252, Nr./Taf. 124, mit Abb.; Lasius 1992, S. 87. 650 Ähnlich – zumindest was Barett, weißen Schal und Kneifer angeht – stattet van Brekelenkam einen Goldwäger aus [Abb. 89], der in einem an Darstellungen Dous erinnernden Interieur agiert. Es handelt sich um eine zwar ambivalent deutbare, aber durchaus respektable Erscheinung, deren Physiognomie im Übrigen auch gut mit der des Lehrers vergleichbar ist: Der Goldwäger, 1668, Holz, 46.1 x 37.1 cm, Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Alte Pinakothek, München; Lasius 1992, S. 86, Kat.-Nr. 22, Taf. 6; de Vries 2004, S. 150, Abb. 107.

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die Pole „strenger Lehrer“ und „geduldiger Lehrer“ verbildlichen, eine eigenständige Bildlösung zu finden. Dies gelingt ihm jedoch nicht überzeugend: Die leicht Furcht einflößende Wirkung von Dous Schulmeister erschließt sich bei jedem Blick erneut. Auch bei Verelst wirkt die Szene insgesamt stimmiger, da der Lehrer sich seinem Schüler in einer natürlich wirkenden Haltung freundlich zuwendet, während die Figur van Brekelenkams etwas steif und unentschieden dasitzt. Anders ist das bei einem weiteren Werk van Brekelenkams, auf dem nur Lehrer und Schüler zu sehen sind [Abb. 90].651 In diesem Fall steht der Lehrer hinter dem Schüler und blickt diesem über die Schulter. Seine rechte Hand hat er auf die plak gestützt, die so direkt neben dem Heft des Schülers platziert ist. Dieser hat längeres, dunkelblondes Haar, das ihm in leichten Locken auf die Schultern fällt. Sein kegelförmiger Hut liegt neben ihm auf dem Tisch. Scheinbar gedankenverloren blickt er in diese Richtung, nicht in sein Heft und auch nicht auf das Pritschholz. Auf dem Papier steht geschrieben: Lof god boven al. [/] al aartsche goed is een [/] orspronk van’t kwaad. [/] Anno 1663.652 Sinngemäß übersetzt heißt das: Lobe Gott über Alles, alles irdische Gut ist eine Quelle des Bösen. Dass Kinder anhand solcher Merksätze Lesen und Schreiben übten, war – wie einleitend beschrieben – üblich. Vor allem aber gibt van Brekelenkam dem Betrachter so zu verstehen, dass der Weg zur Überwindung des Bösen – von dem, wie in Kapitel II.6 schon erläutert, in den Augen der Zeitgenossen jedes Kind durch die Erbsünde bedroht war – über eine gute Erziehung, Gehorsam und Fleiß führt. Im Gegensatz zu den meisten der bisher beschriebenen Bilder ist zumindest diese Szene ein klares Statement zur Notwendigkeit, die Nachkommen nicht sich selbst zu überlassen, sondern durch Strenge und Zucht auf den rechten Weg zu führen. Und so macht der stehende Lehrer einen würdig-entschlossenen Eindruck. Nicht alle dieser Beispiele sind gleichermaßen originell. Dies fällt vor allem im Vergleich mit den späteren Schulszenen des Künstlers auf, die sich motivisch in eine Werkgruppe einordnen lassen, die letztendlich typisch für van Brekelenkam werden soll: Er spezialisiert sich auf Darstellungen einfacher, rechtschaffener Menschen bei ihren alltäglichen Verrichtungen in Haushalt oder Werkstatt – wobei das räumliche Umfeld, anders als bei diesen frühen Unterrichtsdarstellungen, vergleichsweise ausführlich beschrieben wird. V.5.2.2 Der Wanderschulmeister – eine Bilderfindung Quiringh van Brekelenkams? Demgemäß verändert sich etwa zu Beginn der 1660er Jahre das Milieu von van Brekelenkams Unterrichtsdarstellungen: Statt städtischer Szenen interessiert ihn nun der Unterricht in ländlichen Gegenden. Ob er aber – wie die Tatsache, dass er den Unterricht stets unmittelbar an der Haustür und zudem im Stehen stattfinden lässt und es die behelfsmäßig klingende Benennung „Wanderschulmeister“653 suggeriert – tatsächlich Lehrer darstellt, die von Tür zu Tür ziehen, um ihre Schüler einzeln zuhause aufzusuchen, ist nicht abschließend zu klären. Dagegen spricht zunächst, dass die Männer in den meisten Fällen [Abb. 91, 93, 94 – und auch 90] fellbesetzte Hausmützen tragen. Nur ein Lehrer [Abb. 95] hat den in der Zeit gebräuchlichen dunklen Ausgeh-Hut mit breiter Krempe auf.654 Trotzdem muss die geöffnete Tür eine entscheidende Bedeutung haben, auch wenn sie sich – anders etwa als bei den Fischhändlerinnen, die ihre Ware an der Haustür potentieller Kunden feilbieten655 – nicht unmittelbar als gewissermaßen berufsspezifisches Motiv erklären lässt. Zwar ist es vorstellbar, dass in manchen Dörfern Kinder in Ermangelung eines Schulhauses in ihrem jeweiligen Zuhause unterrichtet werden mussten, es ist mir jedoch nicht gelungen, einen historischen Beleg für diese Praxis zu finden.656 Natürlich waren Hauslehrer in „besseren“ Kreisen üblich, und auch die vorangehend beschriebenen Werke van Brekelenkams zeigen womöglich private Unter651

Quiringh van Brekelenkam: Schulmeister und schreibender Schüler, 1663, Holz, 28.0 x 21.5 cm, Verbleib unbekannt (ehemals Coll. Baron Janssen, Brüssel), RKD-Nr. 251405; Brüssel 1923, S. 16 f., mit Abb.; Lasius 1992, S. 87, Nr. 25. 652 Inschrift wiedergegeben in: Brüssel 1923, S. 16; sowie abweichend in Versalien und z. T. nicht korrekter Schreibweise – etwa „boves“ statt „boven“ – bei Lasius 1987, S. 263, Nr. 25. 653 Die Bezeichnung wurde – soweit das zurückzuverfolgen ist – von der Verfasserin des Werkverzeichnisses geprägt. 654 Anderseits gibt es auch mindestens eine Darstellung eines fahrenden Musikanten, der ebenfalls eine solche Mütze trägt: David Ryckaert III. (1612–1661): Bettelmusikant an der Haustür, Mitte 17. Jh., Öl/Kupfer, 22.2 x 17.8 cm, Philadelphia Museum of Art – John G. Johnson Collection, Inv.-Nr. 699; Antwerpen 1987, S. 123, Abb. 139. 655 Lasius 1992, S. 137 f., Kat.-Nr. 200 und 202, Taf. 63 f. 656 Lediglich Schiffler/Winkeler 2011, S. 81, beschreiben diese Verfahrensweise, nennen jedoch keine Quelle.

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richtsstunden. Bei den im Folgenden zu besprechenden Arbeiten jedoch sind erstens verhältnismäßig schlichte Interieurs dargestellt, sehr wahrscheinlich die Wohnstätten von Dorfbewohnern, zweitens findet der Unterricht regelrecht zwischen Tür und Angel statt – eine Situation, die für den Privatunterricht in den vergleichsweise luxuriösen Patrizierhäusern natürlich undenkbar ist. So wird die Bezeichnung „Wanderschulmeister“ hier nicht übernommen, sondern wird, ähnlich wie bei den „Bauernschulen“, durch den neutraleren Begriff „Unterrichtsszene“ ersetzt. Nur auf einem der Bilder hat der Schulmeister sich niedergelassen [Abb. 91],657 das Mädchen dagegen steht vor ihm, obschon direkt neben ihr ein Hocker zu sehen ist. Dieses Beispiel unterscheidet sich in der Beschränkung auf Lehrer und Schülerin von den drei anderen Szenen, in denen zusätzlich zwei Frauen – wohl Mutter und Großmutter der Schülerin – zugegen sind. Positionierung, Kleidung und Alter von Lehrer und Schülerin aber stimmen mit den anderen Bildern dieser Gruppe überein: Sie zeigen einfache Wohnräume mit Lehmfußboden und schmucklos gezimmerter, zweiteiliger Tür. Der Lehrer, ein alter, dunkel gekleideter Mann mit pelzbesetzter Mütze und Nickelbrille, befindet sich mit seiner Schülerin, einem etwa acht- bis zehnjährigen Mädchen, jeweils links an der teils nur oben [Abb. 91 und 93], teils vollständig geöffneten Tür [Abb. 94 und 95]. Die beiden halten ein Buch zwischen sich und fahren mit dem Stift die Zeilen entlang. Das Mädchen trägt hier [Abb. 91] ein mit einer Spitzenborte geschmücktes Häubchen, ein helles Hemd und ein dunkles Wams, dazu einen schlichten Rock und eine Art festere Sandalen, die lediglich an den Seiten geöffnet sind. Es wirkt brav, gesittet und eifrig. Der Schulmeister hat sich unmittelbar bei der Tür, deren untere Hälfte geschlossen ist, niedergelassen. Worauf er sitzt, ist nicht zu erkennen. An einem Hocker neben ihm lehnt ein Stock, der dem Titel „Wanderschulmeister“ zumindest eine gewisse Legitimation gibt. Ein weiteres Detail, das die Szene von den anschließend zu besprechenden unterscheidet, ist die graphische Darstellung einer Eule an dem hölzernen Raumteiler im Hintergrund. Es handelt sich vermutlich um dasselbe Blatt, das – mit Brille und dem in Kapitel IV.1 erörterten Text – beispielsweise im Hintergrund von Jan Steens Gemälde Betrunkenes Paar [Abb. 92]658 den Betrachter auf die Torheit der Dargestellten hinweist. Die Eule warnt auch bei Brekelenkam vor falscher Gelehrsamkeit oder Dummheit – ob diese Ermahnung aber eher allgemein zu verstehen ist oder ob sie sich, wie bei Steen, konkret auf die Dargestellten bezieht, ist schwer zu sagen.659 Auch wenn die beiden konzentriert wirken, ist es natürlich fraglich, wie effektiv das Lernen in dieser Form ist. Denn obschon die Mütze des Mannes darauf hinzuweisen scheint, dass er sich zuhause befindet, kann die Lokalisierung der Szene hier wie auch bei den anderen Beispielen kaum anders verstanden werden, als dass der Lehrer nur schnell hereingeschaut hat, um zu überprüfen, ob das Mädchen seine Lektion gelernt hat. Es mag zwar sein, dass die Tür in den Behausungen armer Leute nicht selten eine wichtige Lichtquelle war, die hier von Lehrer und Schülerin für ihre Studien genutzt wird. Da aber der Unterricht in den anderen drei Beispielen dieser Art im Stehen stattfindet, in zwei Fällen zudem an bzw. regelrecht in der vollständig geöffneten Tür, geht ihre Bedeutung sehr wahrscheinlich über diese praktische Erwägung hinaus. Bei den anderen drei Beispielen liefert immerhin die erweiterte Szenerie Hinweise für das Verständnis der Szene: In beiden Fällen sitzt im Hintergrund eine Frau am Spinnrad. Auf dem 1660 datierten Gemälde [Abb. 93]660 ist es eine junge, tugendhaft wirkende Frau, die das Gerät tatsächlich bedient. In ihrer Betriebsamkeit bildet sie das erwachsene Pendant zu der fleißigen kleinen Schülerin. 657

Quiringh van Brekelenkam: Unterrichtsszene, 1660er Jahre, Holz, 37.0 x 29.0 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby’s London, 26.05.1977, Lot 2466); Naumann 1980, Bd. I, S. 66, Anm. 11; Lasius 1992, S. 86 f., Nr. 23. 658 Jan Steen: Das betrunkene Paar, um 1655–1665, Holz, 52.5 x 64.0 cm, Rijksmuseum Amsterdam, Inv.-Nr. SK-C-232 (http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.5503 mit weiteren Angaben und Literatur, Aufruf 21.03.2015). Für ähnliche Exemplare: Vandenbroeck 1985, S. 94 f.; Amsterdam 1997a, S.192, Abb. 2; Neumeister 2003, S. 345, Abb. 225 f. 659 Bei den von Vandenbroeck 1985, S. 94 f., beschriebenen Beispielen ist die Eule stets kritisch bzw. spöttisch gemeint. Er führt aber auf S. 96 zwei Gemälde van Brekelenkams an – ein Kücheninterieur und einen „Fischreiniger“ (Lasius 1992, S. 98, Nr. 62 und S. 103, Nr. 80) –, auf denen die Darstellung einer Eule mit der Formulierung „goeden dach broer“ auf die Erkenntnis der eigenen Torheit zielt. Es mag sein, dass auf der Schulszene ebenfalls dieser Stich gemeint ist, da die Arbeiten aber bei Lasius nicht abgebildet sind, muss das offen bleiben. Sie verweist zwar bei ihren Katalogeinträgen auf das jeweils andere Bild, die Eule des Unterrichtsbildes [Abb. 92] bleibt aber unerwähnt. Auch Vandenbroeck rätselt, weshalb van Brekelenkam derart rechtschaffene Leute als Dummköpfe dargestellt, und vermutet, es handele sich „um zur komischen Gattung gehörende Typen“. Die durch die Eule verkörperte Mahnung richtet sich aber eher an den Betrachter, es den fleißigen Männern nachzutun. 660 Quiringh van Brekelenkam: Unterrichtsszene, 1660, Holz, 46.3 x 37.2 cm, Verbleib unbekannt (gesehen am Stand der Richard Green Gallery, London, auf der TEFAF Maastricht im Jahr 2008 und 2009).

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Anders die zurückgelehnt sitzende Alte auf dem drei Jahre später entstandenen Bild im LVRLandesMuseum Bonn [Abb. 94]:661 Sie hat die Hände im Schoß gefaltet und scheint zu schlafen. Zweifellos ist sie als Sinnbild der Trägheit als negatives Exempel zu verstehen. Entscheidend ist im Falle des sinnbildhaften Spinnrades wie so oft der Kontext: Bei einer adretten Frau in einem aufgeräumten Interieur ist das Gerät als Attribut ihres Fleißes zu verstehen, bei einer dösenden Alten in verlotterter Umgebung hingegen eher als eine Art Mahnmal.662 Hier ergibt sich aber ein ähnliches Deutungsproblem wie bei der Eule im Hintergrund des zuerst beschriebenen Bildes [Abb. 91]: Ist die schlafende Alte als Gegensatz zu dem eifrigen Mädchen gemeint und betont so dessen Fleiß als positives Exempel? Oder ist ihre Gegenwart ein Verweis auf die trostlose Zukunft eines Kindes aus ärmlichen Verhältnissen, das keine adäquate Schulbildung erhält? Diesem allzu modern anmutenden Ansatz scheint ein Blick auf die Schilderung der Räume im Detail nicht zu widersprechen. Aufgrund der unzureichenden Qualität der Bildvorlagen zu den anderen beiden Gemälden mit diesem Sujet beschränkt sich der malerisch-stilistische Vergleich auf das Beispiel in Bonn und das bei der Green Gallery gesehene Bild: Insgesamt wirkt das Bonner Interieur mit der schlafenden Alten schäbiger. Die auffällig rote Mütze des Lehrers und seine nachlässige Gewandung – er hat den Mantel nur übergeworfen, Hosen, Strümpfe und Schuhe wirken abgetragen – lassen ihn ärmlich wirken. Die Tür steht ganz offen, wogegen auf dem früheren Bild [Abb. 93] zumindest die untere Hälfte geschlossen ist, so dass der Unterricht weniger improvisiert scheint. Allerdings ist der Griffel, den das Mädchen benutzt, in beiden Fällen mit einer Kette am Gürtel des Lehrers befestigt, dieser ist also in beiden Fällen adäquat ausgestattet. Im Übrigen ist auch dies ein Indiz dafür, dass der Mann ins Haus gekommen ist, dass er das Utensil mitgebracht hat und es auch zur nächsten Unterrichtsstunde mitnehmen wird. Der Kollege auf dem Bild im Kunsthandel macht durch seine ordentlichere Kleidung eher den Eindruck einer Autoritätsperson. Zu seiner Bekleidung gehört, neben der zum Mantel passenden dunklen, fellbesetzten Mütze ein mit Fell gefütterter Muff. Auch das Mädchen vor ihm wirkt mit seinem grauen Häubchen und dem Kleid in derselben Farbe adretter als die Schülerin des Bonner Bildes. Zwar ist ihr Kleid am Saum etwas ausgefranst, das ändert aber nichts an ihrer geradezu mustergültigen Erscheinung. In dieser Hinsicht – und auch, was die halb geschlossene Tür angeht – stimmt das Bild mit dem sitzenden Schulmeister [Abb. 91] mit dem Gemälde aus der Green Gallery [Abb. 93] überein, auch hier ist die Schülerin besser gekleidet. Das Mädchen auf dem Bonner Bild dagegen trägt keine Kopfbedeckung, und ihr Kleid ist aus gröberem Stoff. Doch besagt dieser Unterschied wirklich, dass nur aus dem ordentlichen Mädchen eine rechtschaffene junge Frau werden wird, ähnlich wie seine ältere Schwester oder seine Mutter im Hintergrund, während das weniger gut angezogene Kind sein Leben letztlich in Faulheit vertun wird, wie die Gestalt der alten Frau das andeutet? Darauf, dass das Mädchen und die Alte als Gegensätze inszeniert werden, deutet das Schränkchen, das über der Schlafenden an der Wand hängt. Auf ihm stehen einige Bücher, die – wie bei der Grammatica nach Goltzius [Abb. 23] – kaum anders zu deuten sind als Symbole von Gelehrigkeit und Wissen. Schließlich konnten, wie in den einleitenden Kapiteln herausgearbeitet, auch weniger begüterte Niederländer lesen, und auch der Besitz von Büchern war nicht ausschließlich den gehobenen Schichten vorbehalten. Und noch eine Beobachtung spricht gegen eine negative Deutung des Bildes: Die Ärmel des Mädchens sind hochgekrempelt, vielleicht hat sie für die Lerneinheit die Hausarbeit unterbrochen. Trifft das zu, ist die Figur kaum anders zu verstehen als das fleißige Gegenbild zur dösenden Frau im Hintergrund, der die Schülerin ja auch den Rücken zukehrt.663 Dazu kommt, dass das Mädchen mit seinen vollen Wangen und den fast schon leuchtend roten Lippen frisch und gesund aussieht. Die andere Schülerin [Abb. 93] dagegen wirkt eher blass und schmal. Allerdings gelten diese Unterschiede insgesamt für beide Bilder: Das Stück im Kunsthandel ist nicht nur in seiner Farbgebung kühler, auch die Protagonisten scheinen im Vergleich zu dem 1666 datierten Bild weniger lebensvoll – auch wenn die Malweise mit sicher gesetzten, 661

Quiringh van Brekelenkam: Unterrichtsszene, 1666, Holz, 41.0 x 33.2 cm, LVR-LandesMuseum Bonn, Inv.-Nr. GK 29; Bonn 1982, S. 98. 662 Zur ambivalenten Bedeutung des Spinnrads als Symbol von Tugend bzw. häuslicher Betriebsamkeit einerseits und als Zeichen für ungebührliches Betragen andererseits siehe u. a.: Amsterdam 1976b, S. 41 f., S. 49; Köln 1993, S. 96, zur positiven Bewertung in den häuslichen Szenen van Brekelenkams. 663 Bonn 1982, S. 98.

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schnellen Pinselstrichen sehr gekonnt erscheint und zugleich kaum mehr mit der perfektionistischglatten Feinmalerei Gerrit Dous in Verbindung zu bringen ist. Das Gemälde in Bonn dagegen vermittelt durch die warmen Farbtöne trotz der Ärmlichkeit des geschilderten Interieurs einen geradezu heimeligen Eindruck. Sind diese Unterschiede allein durch die künstlerische Entwicklung van Brekelenkams zu begründen, der sechs Jahre nach dem Bild im Kunsthandel [Abb. 93] eine insgesamt deutlicher atmosphärische Szene geschaffen hat, ohne dabei bestimmte Konnotationen oder Unterschiede abbilden zu wollen? Schließlich scheinen, wie vorangehend ausgeführt, auch die sich motivisch enger an Dou orientierenden Unterrichtsszenen [Abb. 86, 87 und 88], deren Lehrer sich in Details der Kleidung ebenfalls voneinander unterscheiden, keine weiter differenzierte Botschaft als die der allgemeinen Notwendigkeit von Bildung zu vermitteln. Auf dem vierten Beispiel dieses Bildtyps [Abb. 95]664 sind die Motive der eben beschriebenen Darstellungen so kombiniert, dass ihr Sinngehalt klarer wird. So liegt es nahe, zu vermuten, dass dieses Bild das letzte in der Reihe der vermeintlichen „Wanderschulmeister“ ist. Die Ausstattung des Lehrers unterscheidet sich – wie einleitend schon angedeutet – nur durch den Krempenhut von der der Kollegen. Die Kleidung des Mädchens gleicht der der Schülerin des Bonner Bildes [Abb. 94], allerdings ist sie barfuß, was sie noch bedürftiger wirken lässt. Der Rest des Raumes erscheint bodenständig ordentlich. An dem hölzernen Raumteiler im Hintergrund hängt eine Graphik als Raumschmuck, ein männliches Halbfigurenporträt. Dass auch dieses Bild, ähnlich der Eule auf Abb. 91, mit bestimmten inhaltlichen Konnotationen verknüpft ist, macht die wenig konkrete Art der Darstellung unwahrscheinlich. Hinter dem Mädchen sitzen nun die junge und die alte Frau, letztere wieder untätig am Spinnrad, während die andere, wohl ihre Tochter, Karotten putzt. Sie blickt den Betrachter mit klarem, fast schon schelmischem Blick an, fordert ihn gewissermaßen auf, das Verhalten der Dargestellten abzuwägen und mit Blick auf die Entwicklung des Mädchens die richtige Lebensauffassung zu erkennen. Natürlich wird nur der entsprechende Eifer das Kind zu einer guten und damit auch in jeder Hinsicht gutgestellten (Haus-)Frau werden lassen. Unter Umständen stellt das Bild auch die Lebensalter dar: Die Jugend als Phase des Lernens, das Erwachsenenalter als Zeit der aktiven Betriebsamkeit und das Alter als Gelegenheit zur (verdienten?) Muße. In dieser Dreiteilung ergäbe sich zugleich eine deutliche inhaltliche Nähe zu dem Triptychon Gerrit Dous [Abb. 70/71], das zwar deutlicher aus didaktischen Theorien entlehnte abstrakte Begriffe darstellt. Letztendlich geht es aber in beiden Fällen um Phasen des menschlichen Lebens, die jeweils ein bestimmtes Verhalten erfordern. Ein in der bisherigen Argumentation außer Acht gelassenes Detail ist das auf drei der Bilder jeweils rechts im Vordergrund ausgebreitete Stillleben aus Naturalien, das für van Brekelenkam typisch ist:665 Einmal besteht es aus zwei Fischen und Irdenware, die farblich mit der in kühlen Tönen gehaltenen Szenerie [Abb. 93] korrespondieren, auf dem Bonner Bild [Abb. 94] sind es ein aufgefächerter Bund prachtvoller Möhren, ein riesiger Kohlkopf, ein silbrig glänzender Krug sowie ein großer Kessel. Auf dem Brüsseler Beispiel [Abb. 95] sind ebenfalls Möhren und Gemüse in einem Korb sowie ein weiterer metallener Kessel zu sehen. Die Gegenstände fallen durch ihre Größe und ihre demonstrative Anordnung auf, schließlich ist davon auszugehen, dass selbst in armen Haushalten Naturalien nicht auf dem Boden aufbewahrt wurden – und schon gar nicht Dekorationszwecken dienten. Auf einem rund 15 Jahre früher entstandenen Bild Gerrit Dous [Abb. 96]666 findet sich ein ähnliches Ensemble aus Möhren, Kohl und Krug, dort sind sie jedoch als Requisiten einer genuinen Küchenszene weniger deplatziert.667 Augenscheinlich liegt bei Dous Küchenmagd neben der von den Abendschulen bekannten Laterne ein Federmäppchen mit Tintenfass, wie es zum Beispiel der 664

Quiringh van Brekelenkam: Unterrichtsszene, wohl späte 1660er Jahre, Holz, 45.5 x 35.5 cm, Verbleib unbekannt (ehemals Collection Baron Janssen, Brüssel, angeboten bei Mensing Amsterdam, 21.03.1950, Lot 84). Der Verweis auf die Auktion stammt aus Bonn 1982, S. 98, der Katalog selbst war mir nicht zugänglich. Es handelt sich wohl um das bei Lasius 1992, S. 87 f., Nr. 27, angeführte Werk, das dieselben Maße hat – auch wenn der Hinweis, die Komposition gleiche der des Bonner Bildes [Abb. 94], irreführend ist. 665 Lasius 1992, S. 22 f. 666 Gerrit Dou: Die Küchenmagd, um 1650, Holz, 36.0 x 27.0 cm, Musée du Louvre, Paris, Inv.-Nr. 1217; vgl. Paris 1979, S. 48, Nr. 1217, mit Abb. 667 Ein ähnliches Beispiel ist die 1652 datierte Küchenmagd, 33.0 x 23.8 cm, Leinwand, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe; vgl. Karlsruhe 1968, S. 76, Kat.-Nr. 73, Taf. 73; Baer 2000/2001, S. 38, Abb. 13.

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Junge auf Goltzius’ Allegorie des Morgens [Abb. 12] am Gürtel trägt. Dieses ist wiederum in der Küche fehl am Platz, und sein Vorhandensein lässt sich kaum anders erklären als durch die von Dou bewusst komponierte Gegenüberstellung von geistiger und leiblicher Nahrung. Für letztere sorgt die Magd, und der verständige Betrachter begreift, dass er für die intellektuelle „Verpflegung“ selbst zuständig ist. In der Literatur zum Bild sind diese Aspekte bisher nicht besprochen worden, so dass meine Vermutung sich nicht durch die Einschätzung anderer stützen lässt. Die Erläuterungen zu Dous ganz ähnlich aufgebauter Magd am Fenster [Abb. 13] in Kapitel II.6, wo im Hintergrund ein Schuljunge zu sehen ist, zeigen aber, dass die inhaltliche Verknüpfung dieser Themenbereiche nicht aus der Luft gegriffen ist. Bei anderen Bildern van Brekelenkams ist die Darstellung von Gemüse oder Fisch inhaltlich erklärbar, etwa wenn ein Marktstand Thema ist oder Frauen bei der Küchenarbeit gezeigt sind. Nur bei einem mir bekannten Beispiel steht das Gemüse in einem auf den ersten Blick ähnlich konträren Verhältnis zum Inhalt der Szene: Bei der Darstellung einer Frau an der Wiege [Abb. 97]668 lässt sich die inhaltliche Verbindung zu den im Vordergrund demonstrativ arrangierten Gefäßen und Naturalien über den Vorgang des Nährens herstellen, der ja ein wesentlicher Teil der Mutter-Kind-Beziehung ist. Diese Vermutung wird durch die Tatsache, dass die Begriffe „Füttern“ (voeden) und „Aufziehen“ bzw. „Erziehen“ (opvoeden) im Holländischen in ihrem Wortlaut verwandt sind,669 noch unterstützt. Vermutlich bedeuten diese Stillleben also im Zusammenhang mit der schulischen Bildung des Kindes, dass – wie unter anderem schon für das Triptychon Dous herausgearbeitet – nicht nur für seine geistige Entwicklung gesorgt ist, sondern auch für sein körperliches Gedeihen. Van Brekelenkam „übersetzt“ also gewissermaßen die elitär anmutenden Inszenierungen des großen Leideners in das von ihm bevorzugte schlichtere Milieu. Die Arrangements als Symbole des Wohlstands zu deuten, die die Armut des schlecht bezahlten Schulmeisters betonen, erscheint mir vor allem bei dem Gemälde aus dem Kunsthandel [Abb. 93] verfehlt, schließlich wirkt der Mann nicht bedürftig. Auch eine Anspielung auf die Entlohnung mancher Schulmeister – seien sie nun mobil im Einsatz oder in einer eigenen Schule ansässig – in Naturalien670 kommt nicht in Frage. Nicht nur die Tatsache, dass es diese Stillleben auch auf Gemälden mit anderen Sujets gibt, spricht gegen eine derart konkrete Deutung. Entfernt erinnert das rustikale Arrangement auch an die Fruchtbarkeit symbolisierende Positionierung frischer Früchte auf den Porträts von Kindern einflussreicher Familien. Wenn also die Nachkommen reicher Bürger oder Aristokraten durch saftiges Obst als deren „Frucht“ dargestellt werden, ist das Bauernmädchen sozusagen der Feldertrag ihrer Eltern.671 Je besser die Erziehung ist, die sie ihr angedeihen lassen, desto reicher wird die Ernte sein. In diesem Zusammenhang liegt es nahe, die auf allen Bildern zumindest zum Teil geöffnete Tür in die Überlegungen zur Aussage der Szenen einzubeziehen, schließlich eröffnet sich auch für diese Schülerinnen durch den Unterricht der Zugang zu „neuen Welten“. Dass diese Metapher von Brekelenkam bewusst angewendet wird, ist letztlich nicht nachweisbar, dafür ist die Stellung der Tür in der Gesamtkomposition – anders als bei den in dieser Hinsicht eindeutigen Darstellungen [Abb. 22 und 66] – zu marginal. Es gibt noch einen weiteren Punkt, der diese Szenen Brekelenkams so besonders macht: Es sind praktisch die einzigen Bilder, auf denen die schulische Bildung eines Mädchens im Vordergrund steht. Die anderen Darstellungen, in denen nur ein Lehrer und ein Schüler zu sehen sind, zeigen Jungen, lediglich Netschers Lesestunde [Abb. 46] bildet eine Ausnahme. Vermutlich hat van Brekelenkam dieses ungewöhnliche Darstellungsmuster nicht nur entwickelt, um seine Werke von anderen abzusetzen – auch wenn dieses Motiv wohl nicht nebensächlich war. Auch wenn der „fahrende“ Schulmeister historisch nicht nachweisbar ist, liegt es nahe, dass er nur Mädchen aufsucht, schließlich gingen diese aufgrund ihrer Unentbehrlichkeit im Haushalt seltener bzw. kürzer zur Schule als Jungen. Die Tatsache, dass die Erziehung der Mädchen auch in der Realität vor allem auf ihre häusliche Tätigkeit ausgerichtet war, wird auch in anderen Bildern angedeutet, etwa wenn bei Geschwisterpaaren nur der Junge explizit als Schulkind präsentiert wird [Abb. 18 oder 99]. 668

Quiringh van Brekelenkam: Frau an der Wiege, um 1655–1660, Holz, 37.5 x 39.5 cm, Privatbesitz; Lasius 1992, S. 119, Nr. 137, Taf. 36. 669 Salomon 2004, S. 100 f. 670 Schiffler/Winkeler 2011, S. 81, Text zu Abb. 71, beschrieben wird diese Vorgehensweise u. a. in Boekholt/de Booy 1987, S. 67 f. 671 Bedaux 1990, S. 71 ff.; Haarlem/Antwerpen 2000/2001, S. 240 ff.

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In das Œuvre van Brekelenkams, das zu einem großen Teil das tägliche Leben bzw. die Berufe einfacher Leute wie Handwerker, Gemüse- oder Fischhändler oder die häuslichen Verrichtungen junger und alter Frauen zum Gegenstand hat, fügen sich die Unterrichtsdarstellungen nahezu nahtlos ein.672 Nicht nur finden bestimmte Requisiten wie das Spinnrad, der Kamin, der Bücherschrank, eine Graphik als Wandschmuck und die beschriebenen Realienstillleben in zahlreichen seiner Interieurs Verwendung, auch die Kompositionen ähneln sich häufig: Der Blick fällt meist auf die Rückwand eines Raumes, vor der die Personen im Dreiviertelprofil positioniert sind und an der sich vielfach noch ein – teils seitlich angeschnittener – Kamin befindet. Sofern die Lichtquelle zu sehen ist, ist diese immer links, sei es nun ein Fenster oder die zweiteilige Tür. Auch für die eingangs beschriebenen Szenen am Lehrerpult, bei denen der sie umgebende Raum praktisch überhaupt nicht definiert ist, gibt es im Werk van Brekelenkams mit halbfigurigen Darstellungen vor allem von Frauen mit Marktware oder Handarbeitszeug Entsprechungen, wenn diese auch nicht so zahlreich sind wie die ausführlicheren Interieurs.673 Aufgrund der fehlenden Quellen zum Unterricht an der Haustür entsteht der Eindruck, van Brekelenkam habe den Bildtyp geschaffen, um seinem „Repertoire“ an Berufsdarstellungen eine weitere Profession in einem für ihn charakteristischen Kompositionsschema hinzufügen zu können. Die Schulszenen werden von Lasius im Katalogteil den Handwerksbildern zugeordnet, ebenso gut hätten sie jedoch bei den Familienszenen Platz finden können, denn ihr Inhalt beschränkt sich ja nicht auf die Schilderung des Lehrerberufs. Passender, da thematisch weniger begrenzt, scheint mir demnach die Verortung der Bilder unter der Überschrift „Bilder des einfachen häuslichen Lebens“, die Lasius für das fragliche Kapitel des Textteils gewählt hat. Die im vorangehenden Jahrhundert noch verbreiteten Zweifel an der intellektuellen Kompetenz der dargestellten Gesellschaftsschicht, die im Kontext von Bruegels und van der Borchts Unterrichtsszenen in Kapitel IV beschrieben wurden, spielen dabei kaum mehr eine Rolle. Gerade anhand der Unterschiede zwischen dem 1663 datierten Bild [Abb. 93] und dem drei Jahre später entstandenen, den Schwerpunkt deutlicher auf die atmosphärische Wirkung der Szene legenden Werk [Abb. 94] lässt sich dieser ab der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts festzustellende Wandel gut darstellen. Darauf wird im Zusammenhang mit der Erörterung der Schulbilder Adriaen van Ostades, an denen diese Verlagerung von eindeutiger Didaktik hin zu der fast schon romantisierenden Schilderung der Unterrichtssituation im einfachen Milieu besonders deutlich abzulesen ist, vor allem in Kapitel VI.3 noch ausführlich zurückzukommen sein. Real oder nicht: Brekelenkam findet in seinen späten Unterrichtsszenen für die zeitgenössischen Ansichten hinsichtlich einer der für Mädchen angemessenen Erziehung eine treffende, neue Art der Darstellung: Die Schülerin lernt lesen, doch ihre spätere Aufgabe als Hausfrau und Mutter ist durch die erwachsenen Frauen im Hintergrund ebenfalls präsent. Diese Mädchen werden so für a l l e Aufgaben ihres Daseins als fleißige, tugendhafte Mitglieder der Gesellschaft vorbereitet: Sie sind fähig, Gottes Wort zu lesen und es dann durch ihr frommes Schaffen in Haus und Hof und die gottgefällige Erziehung der eigenen Kinder zu befolgen. Insofern verzichtet Brekelenkam trotz idyllisch anmutender Schilderung der schlichten Interieurs weniger auf belehrende Sinnbildhaftigkeit, als es Adriaen van Ostade in seinen späten Szenen tut.

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Neben der Frau an der Wiege [Abb. 97] seien hier zwei weitere Beispiele exemplarisch genannt: Interieur mit Fischer und Mann am Spinnrad, 1663, Holz, 59.0 x 46.0 cm, Rijksmuseum Amsterdam, Inv.-Nr. SK-A-60 (http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.6297 mit weiteren Angaben und Literatur, Aufruf 21.03.2015) [Abb. 98] oder die Brot schneidende Alte [Abb. 99]; Lasius 1992, S. 98, Kat.-Nr. 61, Taf. IV, S. 119, Kat.-Nr. 137, Taf. 36. 673 Etwa die Alte Frau mit Garn und Spindel, 166?, Holz, 26.5 x 22.3 cm, Verbleib unbekannt, oder Alte Gemüsehändlerin, um 1660–1665, Holz, 25.4 x 20.0 cm, Bowes Museum, Barnard Castle, County Durham; Lasius 1992, S. 106 f., Kat.Nr. 93, Taf. 17 und Kat.-Nr. 98, Taf. 22.

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V.6

Die mütterliche Unterweisung

Eine vergleichbar umfassende Vorbereitung auf das Erwachsenenleben zeigen im Grunde auch die Bilder, auf denen das Kind nicht von einem Lehrer unterrichtet wird, sondern von der Mutter. Sie sorgt dabei, wie bei der Erörterung zu de Gheyns Zeichnung [Abb. 42] in Kapitel V.1.1 ausgeführt, nicht nur für den Zuwachs an Wissen, sondern auch für das leibliche Wohl. Es mag sein, dass van Brekelenkam sich von solchen Darstellungen zu seiner eigentümlichen Bildidee hat anregen lassen, denn auch sie enthält mehr Aspekte der Erziehung, als sie ein Lehrer allein leisten könnte. In den in diesem Kapitel besprochenen Beispielen ist, anders als bei Brekelenkams die Erziehung im häuslichen Kontext zeigenden Arbeiten, meist die Erziehung von Jungen dargestellt. Väter kommen in diesem Zusammenhang praktisch nicht vor674 – und obschon sich aus dieser Tatsache einiges über das zeitgenössische Rollenverständnis schließen lässt, kann darauf nicht weiter eingegangen werden. Hier sei nur ein weiteres Mal auf einen Sachverhalt hingewiesen, der bereits im Kapitel II.6 zur Kindererziehung kurz geschildert wurde: Für das behütete Aufwachsen des Kindes waren in erster Linie zwei Personen zuständig, die Mutter und der Lehrer, und entsprechend werden nahezu ausschließlich diese beiden für erzieherische Fehltritte verantwortlich gemacht. Die Beispiele mütterlicher Unterweisung sind zahlreich, manche von ihnen sind unter anderem in Kapitel V.1.1 bereits kurz besprochen worden. Da der Schwerpunkt meiner Arbeit auf dem öffentlichen Unterricht liegt, werde ich lediglich die wichtigsten Aspekte dieser privaten Unterrichtsform anhand ausgewählter Szenen kurz darlegen. Der Fokus liegt dabei vor allem auf den Punkten, die auch für die schulische Unterweisung bedeutsam sind. Bei den meisten Szenen mit Mutter und Kind geht es eher um die grundlegende moralische Formung der Schutzbefohlenen als um die Vermittlung von Wissen. Gerade für Mädchen verkörpert die Mutter das Rollenbild, dem der Nachwuchs folgen wird – sei das im negativen oder im positiven Sinne. Besonders häufig zeigen dies die Bilder Pieter de Hoochs, in denen tugendhafte und reinliche Mütter als Vorbilder für ihre Töchter inszeniert werden [Abb. 18].675 Selbst im Falle der Szenen, die Mütter und Kinder beim Studium eines Buches zeigen, steht weniger die schulische oder die intellektuelle Bildung allgemein im Vordergrund – denn in den meisten Fällen handelt es sich dabei um die Bibel, mit der das Kind zu tugendhafter Frömmigkeit angeleitet wird. Diese Szenen stehen zwar nicht unbedingt in der direkten Tradition de Gheyns, dessen Blatt [Abb. 42] aufgrund seiner Eigenschaft als Zeichnung wohl keine allzu große Wirkung zugesprochen werden kann – und doch sind die Parallelen nicht von der Hand zu weisen. Sie sind aber vermutlich dadurch zu erklären, dass de Gheyn und auch seine jüngeren, in der Mitte des 17. Jahrhunderts tätigen Kollegen sich unabhängig voneinander an gemeinsamen Vorbildern wie der Grammatica nach Hendrick Goltzius [Abb. 23] orientieren.676 Motivisch etwas breiter angelegt ist ein ebenfalls schon kurz erwähntes Gemälde Caspar Netschers [Abb. 46],677 in dem die Extreme kindlichen Verhaltens einander gegenüberstellt sind: Ein etwa sechs- bis siebenjähriges Mädchen wird von der elegant gekleideten Mutter im Lesen unterwiesen, erfährt also die richtige Erziehung. Sein kleines Geschwisterchen hingegen, dessen liegen gebliebene Spielsachen ebenso wie sein bunter Kopfputz678 auf die drohende Vernachlässigung moralischer Formung hinweisen, spielt mit dem Hund. Mutter und Kleinkind blicken den Betrachter an, die Mutter nachdenklich, das für den Moment unbeaufsichtigte Kind lächelnd. Das Gemälde religiösen Inhalts an der Wand sowie weitere, ähnlich konnotierte Gegenstände – etwa der vorne rechts liegende Kreisel – veranschaulichen die belehrende Botschaft des Bildes. In der Gegen674

Eine Ausnahme ist Goltzius’ Allegorie des Morgens [Abb. 12], wo der Vater im Hintergrund zu sehen ist. Weitere Beispiele bei Durantini 1983, Kap. 1 und 3, z. B. S. 216, Abb. 105: Pieter de Hooch: Der Wäscheschrank (Häusliches Interieur), 1663, Öl/Holz, 70.0 x 75.5 cm, Rijksmuseum Amsterdam, Inv.-Nr. SK-C-1191 (http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.8772 mit weiteren Angaben und Literatur, Aufruf 22.03.2015). 676 Washington/Detroit 2004/2005, S. 86. 677 Durantini 1983, S. 117, Abb. 55, S. 268; Wiesemann 2002, S. 229 f., Nr. 86, Taf. 17; Vanhaelen 2003, S. 56 ff. 678 Die heute noch gängige Wendung „sich mit fremden Federn schmücken“ ist schon im Kontext von Bruegels Esel in der Schule [Abb. 34] in Kapitel IV.1.1 erwähnt worden. Als Sinnbild für Eitelkeit und Frivolität findet sich der Federschmuck unter anderem bei Hendrick ter Brugghen, etwa auf dem Gemälde Sängerin und Lautenspieler, 1628, Holz, 101.0 x 81.0 cm, Musée du Louvre, Paris, Inv.-Nr. RF1954-1; Amsterdam 1976b, S. 59, Kat.-Nr. 8, mit Abb.; Slatkes/Franits 2007, S. 208 f., mit Abb. auf S. 297, Taf. XIV. 675

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überstellung der Folgen einer bestimmten Art von Erziehung ist ein weiteres Bild Netschers ganz ähnlich aufgebaut [Abb. 100]:679 Während die mütterliche Zuwendung sich auf einen Knaben konzentriert, der seinen Federhut abgenommen hat, damit der Kamm sein in jeder Hinsicht ordnendes Werk tun kann, betrachtet ein kleines Mädchen sich im Spiegel und erscheint dem Betrachter so als ein Miniatur-Sinnbild für Eitelkeit. Obschon diese Szenen die Vorteile einer guten Erziehung betonen, liegt ihr Hauptaugenmerk doch auf dem häuslichen Umfeld, d. h. auf den Tugenden und Pflichten der Frau als Mutter, die dem Kind durch die Lektüre den christlichen Glauben vermittelt. Das liegt zum einen wohl daran, dass die Bilder vor allem traditionell weibliche Tugenden verbildlichen, hängt aber zum anderen wohl auch schlicht damit zusammen, dass in den meisten Familien die Erziehung Frauensache war. Entsprechend wird natürlich implizit auch die enge Bindung zwischen Mutter und Kind thematisiert. Dass allerdings, wie Durantini meint, die persönliche Beziehung stärker im Vordergrund steht als bei Szenen mit einem Lehrer ohne verwandtschaftliche Bindung zum Kind, ist nicht immer zutreffend. Das mag bei der intimen Szene ter Borchs [Abb. 45] der Fall sein, bei Netscher aber beispielsweise sind Mutter und Töchter zwar durch ihre ähnliche Kleidung als solche zu erkennen, man kann aber nicht sagen, dass ihr verwandtschaftliches Verhältnis sich im liebevollen Umgang miteinander zeigt. Dass allegorische und emblematische Details in diesen Szenen fast nicht mehr vorkommen,680 ist ebenfalls nicht zutreffend, schließlich sind Bücher, Kreisel, Spiegel, Federhut und Ähnliches Symbole zur Veranschaulichung abstrakter Vorstellungen. Dennoch betonen die Bilder – insbesondere im häuslichen Umfeld, dessen Zustand ein Urteil über den Charakter der darin wirtschaftenden Frau erlaubt – die Sorgfalt der Mutter als für das behütete Aufwachsen des Kindes unabdingbare Tugend und weniger die Notwendigkeit der intellektuellen Bildung. Es gibt aber auch Beispiele für eine ungefähr gleichwertige Verbindung von Verantwortung und Zuneigung, etwa Frans van Mieris Unterricht des Kindes [Abb. 101].681 In dem für die Leidener Feinmaler typischen Hochformat mit halbrundem Abschluss ist der Vordergrund wie bei ter Borchs Lesestunde [Abb. 45] ganz von der Profilfigur der sitzenden Mutter ausgefüllt. Sie hält die Hand des neben ihr stehenden Jungen und blickt zu einem alten Mann, der sich zu ihr hin beugt. Das Buch unter seinem Arm lässt vermuten, dass es sich um den Lehrer des Kindes handelt, der Bericht über das Verhalten seines Schülers erstattet. Der Kleine blickt derweil auf ein aufgeschlagenes Buch, das er auf dem Knie seiner Mutter abgelegt hat. Er trägt einen dunkelbraunen Anzug mit weißem Kragen, zu dem auch das mit bunten Federn geschmückte Barett gehört, das im Schoß der Mutter liegt. Auch dieses brave Kind hat die als eitel zu verstehende Zierde abgelegt. Lehrer und Mutter tauschen Blicke, die schwer zu deuten sind. Worüber sind die Erwachsenen sich offensichtlich einig? Geht es um die Lernfortschritte des Jungen, der sogar zu lesen scheint, wenn der Unterricht vorbei ist? Es ist nicht ausgeschlossen, dass van Mieris eine biblische Episode illustriert, denn die turbanartige Kopfbedeckung des Lehrers erinnert – ähnlich wie bei dem Lehrer des jungen Prinzen von der Pfalz [Abb. 56] – an Darstellungen biblischer Kleriker und mag so ebenfalls auf die Verbildlichung frommer Weisheit zielen, die der Lehrer dem Kind angedeihen lässt. Vielleicht ist es tatsächlich so, dass die Szene eine Begebenheit aus der alttestamentarischen Vita Samuels zeigt, der von seiner Mutter Hannah der Obhut des Hohepriesters Eli anvertraut wird. Dabei steht die Mutter wie in dieser Szene im Vordergrund, da sie zum Dank für die von Gott gewährte Gnade, einen Sohn zu empfangen, ihr Gelübde erfüllt und diesen zum Priester ausbilden lässt.682 Dann könnte es auch sein, dass die Treppe, die links im Hintergrund nach oben und damit nach draußen führt, obschon keine Tür sichtbar ist, eine Andeutung auf Samuels Gott geweihtes Leben ist. Durch das Fenster in der Rückwand sind eine Weinranke, Bäume und ein tiefblauer Himmel zu sehen, der das leuchtende Blau wiederholt, in dem der schimmernde Rock der Frau strahlt. Kompositorisch konzentriert sich die Szene ganz auf die Mutter, deren Gestalt stark beleuchtet ist. Etwas Licht fällt auf das halblang gewellte Haar und die geröteten Pausbacken ihres Sohnes, der 679

Caspar Netscher: Mütterliche Hingabe, 1669, Leinwand, 44.5 x 38.0 cm, Rijksmuseum Amsterdam, Inv.-Nr. SK-A-293 (http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.4719 mit weiteren Angaben und Literatur, Aufruf 21.03.2015); Amsterdam 1976b, S. 197 f., Kat.-Nr./Abb. 49; Wiesemann 2002, S. 228 f., Nr. 85, Taf. 16. 680 Durantini 1983, S. 102. 681 Frans van Mieris d. Ä.: Der Unterricht des Kindes, um 1662/1663, Holz, 29.2 x 21.6 cm, Privatsammlung USA; Frankfurt 1993, S. 252 f., Kat.-Nr. 58; Den Haag/Washington 2005, S. 104 ff., Kat.-Nr. 12, Abb. auf S. 105. 682 Den Haag/Washington 2005, S. 106.

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Hintergrund der Szene liegt weitgehend im Dunkel. Davor ist das Profil der Frau scharf konturiert. Ihre Züge wirken mit Stupsnase, großen Augen, vollen, roten Lippen und einer rundlichen Kinnpartie wenig damenhaft. Unter einer dunklen Haube ringeln sich rötliche Locken. Über der weißen Bluse trägt sie ein helles, floral gemustertes Mieder mit weiten Ärmeln und tiefem Ausschnitt. Der dunkle Schleier am Hinterkopf mag ein Zeichen für Frömmigkeit sein, steht aber in Kontrast zum üppigen Dekolletee, auch wenn dieses Mütterlichkeit symbolisiert. Die Hände auf dem kostbaren Stoff des Rockes wirken groß, ihre dunkle Färbung ist wohl die Folge harter Hausarbeit.683 Auch die schlaffe Sitzhaltung passt nicht recht zu dem eleganten Gewand. Es ist unklar, welche Bedeutung diesen Beobachtungen zuzumessen ist. Sicher soll die delikate Malweise des Stoffes den Ruf des Künstlers als einer der ersten unter den Leidener Meistern beweisen. Ist das eher bodenständige Modell mit Absicht gewählt? Ist den Zeitgenossen die Diskrepanz zwischen feinem Stoff und handfester Körperlichkeit überhaupt aufgefallen? Ist die betont ursprüngliche Weiblichkeit eine Verkörperung der natura, deren Fürsorglichkeit ein wohlbehaltenes Aufwachsen des Kindes garantiert? Oder soll die edel gekleidete Mutter einen Gegensatz zu den dunkel gewandeten, an weltlichem Luxus offensichtlich nicht interessierten Gestalten von Lehrer und Sohn darstellen? Die Arglosigkeit, mit der sie ihren Ausschnitt dem alten, wenig würdig grinsenden Gelehrten geradezu darbietet, ist ein weiterer, in diesem Kontext schwer einzuordnener Aspekt. Letztlich ändern aber auch diese Widersprüche nichts an der Botschaft des Bildes, das ebenso wie die anderen Lesestunden in der Tradition der Allegorien des 16. Jahrhunderts [Abb. 12, 13, 18 oder 19] die wichtige Rolle mütterlicher Zuwendung für das leibliche und vor allem das geistige Kindeswohl auf zum Teil anrührende Weise darstellt. V.7

Schülerbildnisse

Schülerbildnisse gehören zwar streng genommen nicht zu dem hier untersuchten Genre, da der Unterricht selbst nicht dargestellt ist. Allerdings hat schon Jan van Scorels Knabenbildnis [Abb. 6] als Porträt eines Musterschülers aus dem humanistischem Gelehrtenumfeld gezeigt, inwieweit diese Bilder uns etwas über die Haltung der Zeitgenossen zum Thema lehren können, weswegen hier einige ausgewählte Beispiele des 17. Jahrhunderts besprochen werden. So gibt es ein kleines Bildnisoval von der Hand Quiringh van Brekelenkams [Abb. 102],684 das einiges mit dem Schülerporträt von 1531 [Abb. 6] gemeinsam hat. Es zeigt einen etwa sechs Jahre alten Jungen mit dem für Schüler zeittypischen breitkrempigen Hut, dunklem Rock und weißem Kragen. Unter den rechten Arm hat er einen für seine noch recht kurzen Gliedmaßen ziemlich großen hölzernen Bücherkasten geklemmt, den er durch eine leichte Körperdrehung fast schon ostentativ in den Vordergrund hält. In der anderen, vor die Brust gehobenen Hand hält er ein Stück Brot. Obschon vom Dekorum her schlicht, hat das Bild durch den klaren, aufgeweckten Blick des Knaben einen nicht unbeträchtlichen Reiz. Es handelt sich sehr wahrscheinlich ebenfalls um das Porträt eines stolzen Schuljungen, wenn auch der intellektuelle Gehalt im Vergleich zu dem Bildnis des 16. Jahrhunderts durch den rotbackig-kindlichen Charme des Dargestellten – der sich im Gegensatz von lateinischem Sinnspruch in der Hand des einen und einem Pausenbrot in der Hand des anderen besonders klar zeigt – völlig in den Hintergrund getreten ist. Zwei herausragende Arbeiten dieser Art sind Gemälde Rembrandt Harmensz. van Rijns (1606– 1669), die seinen Sohn Titus einmal mit Schreibzeug und Papier [Abb. 103],685 ein weiteres Mal – wohl ein bis zwei Jahre später – lesend [Abb. 104]686 zeigen. 683

Da auch die rechte Hand des Jungen aber nicht eben gekonnt gemalt ist, könnte ein Geselle des Malers diese Aufgabe übernommen und die Teile des Bildes nicht ganz stimmig ausgeführt haben. Denkbar ist aber auch, dass für die Hand der Mutter auf eine von einem männlichen Modell abgezeichnete Partie zurückgegriffen wurde. 684 Quiringh van Brekelenkam: Bildnis eines Schülers, um 1660, Holz, 22.0 x 18.5 cm, Verbleib unbekannt (Christie’s London, 11.04.2002, Lot 540), RKD-Nr. 108449. 685 Rembrandt Harmensz. van Rijn: Titus am Schreibpult, 1655, Leinwand, 77.0 x 63.0 cm, Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam, Inv.-Nr. St 2; Bedaux 2000/2001, S. 25, 29, Abb. 10; Provenienz und Bibliographie in: Frankfurt/Kyoto 2003, S. 162–165, mit Abb; eine Einordnung des Bildes in den Kontext anderer Darstellungen Schreibender im Œuvre Rembrandts versucht Albers 2008, S. 145–152. 686 Rembrandt Harmensz. van Rijn: Titus lesend, um 1656/1657, Leinwand, 70.5 x 64.0 cm, Kunsthistorisches Museum – Gemäldegalerie, Wien, Inv.-Nr. GG_410; Albers 2008, S. 180 ff.

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Auch wenn die Bilder als informelle, sehr persönliche Porträts und vermeintlich uninszenierte Kompositionen in der Vielzahl von sorgfältig argumentierenden Darstellungen, die die Aspekte kindlicher Bildung mit sehr viel deutlicherem didaktischen Schwerpunkt vermitteln, eine Sonderstellung einnehmen und sich im Grunde kaum anhand der von mir behandelten Fragestellungen analysieren lassen, sollen zumindest die in diesem Kontext wichtigsten Merkmale des 1655 datierten Titus am Schreibpult [Abb. 103] erläutert werden. Vor allem durch die ungewöhnliche Perspektive, die uns in Nahsicht frontal auf den gedankenverloren auf ein Schreibpult gestützten Knaben schauen lässt, schafft Rembrandt eine in ihrer Zärtlichkeit und Unmittelbarkeit ganz eigene Bildform, deren Einzigartigkeit durch den Raum, welcher der fast schon impressionistisch wirkenden Schilderung der hölzernen Tischfront zugestanden wird,687 noch gesteigert wird. Die Besonderheit der Komposition ergibt sich aus dem tiefen Betrachterstandpunkt, der einen Blick in das offen und unverstellt wirkende Gesicht des Kindes ermöglicht, als sei der Beobachter vor dem Pult in die Knie gegangen. Frontal auf die Figur des Dargestellten ausgerichtete Bilder von Kindern oder jungen Menschen über Schularbeiten sind – es sei nur an die schon kurz beschriebene Zeichnung Jacques de Gheyns III. als ebenfalls vom Vater gefertigtes Porträt erinnert [Abb. 47 und 48] – nichts völlig Neues, wenn auch in der gemalten Fassung zumindest ungewöhnlich. Sehr wohl neu ist jedoch die Art und Weise, wie der 14-jährige Titus mit verträumt abschweifendem Blick und selbstvergessen kindlicher Geste schnappschussartig festgehalten ist. Auch wenn Jacques Junior ebenfalls zu sinnen scheint, tut er dies jeweils mit beredter, ganz traditioneller Geste: einmal als kreativer Melancholiker und dann mit gestischem Hinweis auf die vor ihm stehende Kerze, die den Betrachter an Themen wie Vergänglichkeit oder auch geistige Größe erinnern soll. Durch diesen unmittelbaren Blick auf den träumerisch und zugleich aufgeweckt wirkenden Knaben erinnert die Szene an den kleinen Hundeflöher [Abb. 17]. Auch ter Borch widmet der Beschreibung der Oberflächenstruktur des hölzernen Mobiliars einige Aufmerksamkeit. Da es sich im Falle Rembrandts um das Porträt des eigenen Kindes handelt, kann sich die Lesart des Bildes nicht auf die Deutungsebene des auf charmante Weise belehrenden Genrestückes beschränken, sondern muss auch das Verhältnis von Maler und Modell einbeziehen. Zwar malt auch ter Borch, der häufig Familienmitglieder als Protagonisten seiner Szenen einsetzte,688 seinen jüngeren (Halb-)Bruder Moses, doch handelt es sich bei dem Gemälde nicht um ein Porträt im eigentlichen Sinne, schließlich sieht man kaum etwas von dem Gesicht des Kindes. Doch auch Rembrandt verzichtet auf die repräsentative Wirkung, die die Wertigkeit eines Kinderbildnisses in den Augen der Zeitgenossen wohl ausgemacht hätte, sondern malt seinen Sohn in einer schlichten, aber zugleich raffinierten und dadurch sehr persönlichen Weise – als wolle er ihn sich so bewahren, wie er ihn Tag für Tag gesehen hat. Das mag eine sehr romantische Deutung sein. Meines Erachtens wird sie der Darstellung dennoch eher gerecht als die Vorstellung, Rembrandt habe „die geistige Disposition des noch vorpubertären Kindes, […] die noch mangelnde Stetigkeit seines Denkens […]“689 darstellen wollen. Selbst wenn die in diesem Kontext von Albers zitierten pädagogischen Texte, die sich für ein zwangloses, dem kindlichen Geist angemessen freies Lernen aussprechen, wirklich die Grundlage für die in dem Porträt verbildlichte erzieherische Haltung bildeten: Amos Comenius meinte mit seinem Rat, Kinder nur zu lehren, „was sie selbst in ihrem Alter und ihrer Lehrweise gemäß erstreben“,690 sicher nicht, dass man die Schüler ihren Tagträumen nachhängen lassen sollte. Und nichts anderes tut Titus vermutlich. Im Gegensatz dazu kann der leere Blick der Schüler in den von Albers genannten Vergleichsbeispielen, darunter auch in Kapitel V.2 bereits behandelte Bildnis des Prinzen von der Pfalz [Abb. 55], als Ausdruck eines visionären Verstehens gedeutet werden, das die begabten jungen Eleven den Ausführungen ihrer Lehrer – die Rembrandt zudem gar nicht darstellt – in ihrer besonderen, über kindliche Maßstäbe weit hinaus reichenden Eignung entgegenbringen. Davon abgesehen ist es schwer vorstellbar, dass Rembrandt für ein Bild mit allegorischem Anspruch eine derart zwanglose, privat wirkende Form der Darstellung gewählt hätte. Rembrandts Bildnis eines Jungen in eleganter Kleidung, das vermutlich ebenfalls den zum Zeitpunkt seiner 687

Eine interessante, obschon wohl zu emphatische Deutung dieser Eigenart findet sich bei Albers 2008, S. 146. Washington/Detroit 2004/2005, S. 118. 689 Albers 2008, S. 147. 690 J. A. Comenius: Didactica magna, erstmals veröffentlicht 1657; Zitat bei: Altemöller 1910, S. 132. 688

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Entstehung etwas jüngeren Titus zeigt [Abb. 105],691 scheint einer solchen Bestimmung eher angemessen. Zwar ist das auf der linken Schulter des den Betrachter anblickenden Kindes sitzende Tier nicht identifiziert, da diese Partie, wie der Bereich des Oberkörpers auch, nur skizzenhaft ausgeführt ist. Es ist jedoch davon auszugehen, dass es – ähnlich den bisher genannten Eulen, Eseln oder anderen – die Deutung des Bildes für den kundigen Beobachter durch die ihm zugeschriebenen Eigenschaften ergänzt. Albers selbst führt ein solchermaßen repräsentatives Porträt eines seine Schreibübungen präsentierenden Jungen an [Abb. 106],692 das allerdings deutlich früher entstanden ist. Der von ihm formulierte Vergleich weist sehr treffend auf die Unterschiede zwischen den Bildern hin, woraus der Verfasser schließt, dass Titus sich – anders als die anderen jungen Protagonisten – nicht in „Abhängigkeit von Verhaltenserwartungen und Wertmaßstäben Erwachsener“693 befinde. Das ist zwar richtig, zumindest für dieses ungewöhnliche, ganz auf das in seiner Gedankenwelt geradezu unerreichbare Kind konzentrierte Bild [Abb. 103]. Daraus jedoch zu folgern, Rembrandt befürworte bewusst eine liberale Erziehung, geht wohl zu weit. Noch eindeutiger zeigen sich die Unterschiede hinsichtlich der pädagogischen Haltung bei einem Blick auf das formal eher vergleichbare Schülerbildnis Jan van Scorels [Abb. 6]. Dieses Bild, das ebenfalls die Halbfigur eines Jungen mit rotem Barett und Schreibzeug zeigt, vermittelt seine Botschaft durch den wachen Blick des aufrecht Dargestellten, seine Attribute und darüber hinaus durch den begleitenden Text klar und unmissverständlich. Es liegt nahe, aus den motivischen Übereinstimmungen auf einen bewussten Bezug zu dem rund 120 Jahre früher entstandenen Porträt zu schließen, der Albers These stützen könnte, weil er eben die strenge Komposition zugunsten eines informellen Bildnisses aufbricht. Dass Rembrandt aber wirklich auf dieses Bild rekurriert hat, kann nur vermutet werden.694 Sicher spricht aus dem Bild Stolz über den möglicherweise begabten oder seinem Vater begabt erscheinenden Titus. Nicht umsonst erinnert die Komposition – von dem tieferen Betrachterstandpunkt abgesehen – an ein Selbstporträt Rembrandts, das den Künstler bei der Arbeit zeigt.695 Es ist nicht auszuschließen, dass er dem Jungen gegenüber weniger streng war und ihm mehr Freiheiten gewährte, als sie anderen Knaben seines Alters zugestanden wurden, schließlich scheint auch Rembrandt selbst die Schule eher widerwillig hinter sich gebracht zu haben.696 Darin eine Botschaft an den Betrachter, einen „Reflex der Rotterdamer Reformpädagogik“697 zu erkennen ist in meinen Augen dennoch eine zu moderne und zudem schlicht nicht nachweisbare Auslegung. Nicht viel anders verhält es sich bei dem zweiten Bild, auf dem Titus im Dreiviertelprofil mit leicht geöffnetem Mund wohl laut lesend zu sehen ist [Abb. 104].698 Dort ist das offene Buch das Attribut, das den Jungen charakterisiert. Die Szene könnte so – ähnlich wie die Darstellungen anderer, meist erwachsener Zeitgenossen bei derselben Tätigkeit – als Sinnbild für tugendhafte Gelehrigkeit verstanden werden. Andererseits weist Albers darauf hin, dass die Art und Weise, wie Titus liest – lebhaft und offensichtlich begeistert von dem vorgetragenen Text, aus Unterhaltungs- und nicht aus Erkenntnisinteresse –, nicht unbedingt nur positiv verstanden worden sein mag. Um ein tadelloses Vorbild zu bieten, fehlt dem Jungen die Kontemplation, die anderen Darstellungen Lesender eigen ist, die beispielsweise über religiösen Schriften meditieren.699 Auch bei diesem Bild handelt es sich wohl in erster Linie um ein liebevolles Porträt des Sohnes, das Rembrandt für sich 691

Rembrandt Harmensz. van Rijn: Knabenbildnis (Titus), vor 1955, Leinwand, 65.0 x 56.0 cm, Norton Simon Museum of Art, Pasadena, Inv.-Nr. F.1965.2.P; Pasadena 2002, S. 84 f., mit Abb. 692 Unbekannt: Porträt eines Jungen mit einem Schreibheft, um 1600/1625, Leinwand, Verbleib unbekannt; Albers 2008, S. 150 f., Abb. 100 auf S. 426. Er gibt als Aufbewahrungsort fälschlich das Haags Gemeentemuseum in Den Haag an. Im Den Haager Mauritshuis befindet sich das Bild ausweislich der Bestandskataloge ebenfalls nicht. 693 Albers 2008, S. 151. 694 Zum Vergleich, ohne die von mir vorgeschlagene Folgerung: Frankfurt/Kyoto 2003, S. 164 f., Abb. auf S. 164. 695 Rembrandt Harmensz. van Rijn: Selbstbildnis am Fenster, 1648, Radierung, 16.0 x 13.0 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. 1855,0414.260. Es handelt sich dabei um die erste Fassung dieses Porträts. London/Amsterdam 2000, S. 243 ff., Kat.-Nr. 58.I, mit Abbildung des I., II. und IV. Zustands (von insgesamt fünf). 696 Straten 2006, S. 19–21, zum Schulbesuch Rembrandts, der nicht – wie von den Eltern erhofft – zu einer akademischen Laufbahn führte. 697 Albers 2008, S. 148. 698 Albers 2008, S. 180 ff., Abb. 140. 699 Zu dem Motiv bei Rembrandt vgl. Albers 2008, S. 155 ff.

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bzw. seine Familie gemalt hat, eine sinnbildhafte Deutung ist vom heutigen Standpunkt aus schwer zu rekonstruieren – letztendlich allerdings auch nicht ganz auszuschließen.

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VI.

DIE DORFSCHULEN ALS GEGENBILD BÜRGERLICHER ERZIEHUNGSIDEALE

Die meisten der bislang besprochenen Unterrichtsszenen des 17. Jahrhunderts spielen sich in der Lebenswelt gut situierter Niederländer ab, auf deren Erziehung äußerste Sorgfalt verwendet wurde. Der eingangs beschriebene Unterrichtsalltag der kleineren Schulen in Städten und ländlichen Gebieten, die vom überwiegenden Teil der Kinder in den Niederlanden besucht wurden, und auf die die meisten der Darstellungen des 16. Jahrhunderts Bezug nehmen [Abb. 9, 10, 25, 29, 30, 34, 40], wird in der bildenden Kunst ab den 1630er Jahren verstärkt thematisiert. Analog zu den Idealbildern sind auch diese Darstellungen kein Abbild der Wirklichkeit. Vielmehr sind die unterhaltsamen Inszenierungen Karikaturen der mustergültigen Beispiele und zugleich die abschreckende Bestätigung der darin propagierten Unterrichtsprinzipien. Folglich orientieren sich, wie die im Einzelnen noch darzulegenden ikonographischen Parallelen zeigen, die Darstellungen vor allem an der satirischen Druckgraphik des 16. Jahrhunderts. Auch in den meisten Texten wird, wie einleitend schon ausgeführt, die Beschreibung realer Missstände an den Dorfschulen des 17. Jahrhunderts so übertrieben, dass sie möglichst drastisch wirkt: „Het waren rechte varkenshokken, zij waren niet van hout en steen opgetrokken, mar dikwijls van rijs en stroo, en met leem of klei dichtgesmeerd. In de muren, als die er waren, zaten kleine venstertjes, zoo wat een voot or twee groot.“700 Unwillkürlich fühlt man sich an Bruegels Bild [Abb. 34] und besonders an die im Folgenden ausführlich zu besprechenden scheunenartigen Schulräume Molenaers und Ostades erinnert [Abb. 117, 120 und 124]. Die Schule fand natürlich auch in ländlichen oder armen Gegenden nicht durchweg in Ställen oder Heuschobern statt, allerdings häufig in einer Art Mehrzweckraum, was die zum Teil übereinstimmende Ausstattung der Dorfschul- und der Tavernenszenen erklärt,701 von der später noch die Rede sein wird. Während der Erörterung der vorbildlichen Unterrichtszenen, die in einem im weitesten Sinne intellektuell-universitären Umfeld entstehen, ist deutlich geworden, inwieweit das Milieu des Künstlers für die thematische Gewichtung der Darstellungen prägend sein kann. Die meisten der derben Gegenentwürfe haben ihren Ursprung in der Haarlemer Malerschule um Frans Hals (1582/1583– 1666), deren kultureller Hintergrund durch Kontakte zu zum Teil in der Stadt ansässigen Geistesgrößen der Zeit aber kaum weniger anregend war als der der Leidener Kollegen. Ein Indiz für den nicht minder gelehrten Hintergrund der Darstellungen des schlichten Milieus liefert unter anderem ein Blick auf die vielfältig bestückte Bibliothek des Haarlemers Cornelis Dusart, von der in einem früheren Kapitel bereits die Rede war.702 In Haarlem entstehen in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts zudem die ersten Genrebilder, deren alleinige Protagonisten Kinder sind.703 So scheint es folgerichtig, dass ein Großteil der Künstler, in deren Œuvre Schulszenen einen gewissen Raum einnehmen – etwa Jan Miense Molenaer, Adriaen van Ostade und sein jüngerer Bruder Isack –, dort die wesentliche künstlerische Prägung erhalten hat. Die Besprechung der Schulszenen Molenaers ist der Erörterung der etwa zeitgleich entstehenden Darstellungen Adriaen van Ostades vorangestellt, da Molenaers Œuvre insgesamt noch mehr Berührungspunkte mit der bürgerlichen Sphäre aufweist, deren Schulszenen ja Thema des vorangehenden Kapitels waren. Ostade dagegen widmet sich im Grunde ausschließlich der Darstellung des ländlichen Lebens.

700

„Das waren rechte Schweinekoben, nicht aus Holz und Stein erbaut, sondern aus Reisig und Stroh, mit Lehm oder Ton abgedichtet. In den Mauern – sofern es welche gab – kleine Fensterchen, so ein oder zwei Fuß groß.“ Zitiert nach Durantini 1983, S. 333, Anm. 134, die eine anonyme Quelle aus der Provinz Friesland wiedergibt, allerdings nach einer Publikation, die mir nicht zugänglich war: Westerling, H. J.: Het lage Onderwijs. In: Uit onze Bloetijd, Bd. 5/1912, S. 9. 701 Jansen 1925, S. 10 ff. 702 Van Thiel 2006, S. 16 ; Anderson 2010, S. 133 ff. (vgl. hier Kapitel V.1.2.2). 703 Franits 2004, S. 43; vgl. dazu die Beispiele in Haarlem/Worcester 1993, S. 12 f., 19–21, 25–27, 30 f., Kat.-Nr. 3.

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VI.1

Die Schulszenen Jan Miense Molenaers (um 1610–1668)

Obschon Nachweise fehlen, ist es vor allem aus stilistischer Sicht wahrscheinlich, dass Jan Molenaer in der zweiten Hälfte der 1620er Jahre als Schüler von Frans Hals in Haarlem ausgebildet wurde.704 Erwartungsgemäß bestehen zu den Unterrichtsdarstellungen der praktisch in der Nachbarschaft tätigen Gebrüder van Ostade kompositorische und motivische Parallelen, von denen an späterer Stelle ausführlich die Rede sein wird. In der im Unterschied zu den Figuren der Ostades weniger karikaturhaften Körperlichkeit der Dargestellten dagegen orientiert sich Molenaer an seinem möglichen Lehrer Frans Hals, an dessen jüngerem Bruder Dirck (1591–1651) und auch an der Malerin Judith Leyster (1609–1660), die Molenaer 1636 ehelichte.705 Molenaers originellste und in entsprechenden Veröffentlichungen häufig abgebildete Schuldarstellung [Abb. 110] ist 1634 entstanden, in dem Jahr, in dem der Künstler erstmals als zahlendes Mitglied der Haarlemer Malergilde verzeichnet ist. Durchaus qualitätvolle, in die Jahre 1629 bis 1631 datierte Bilder706 zeigen aber, dass er schon vorher selbstständig arbeitete. Ob auch manche seiner nicht datierten Schulszenen zu diesen frühen Beispielen gehören, ist aufgrund der Heterogenität der Arbeiten Molenaers schwer zu sagen. Ich werde dennoch versuchen, die Bilder in eine ungefähre zeitliche Reihenfolge zu bringen. Diesem Versuch liegt die Annahme zugrunde, dass Molenaer sein motivisches Repertoire bis zu einem gewissen Grad stetig erweitert, diese Entwicklung aber ab etwa 1640 stagniert707 und die Bilder aufgrund der Häufung ehemals pointiert eingesetzter Motive zwar immer noch leidlich unterhaltsam sind, die Prägnanz ihrer inhaltlichen Argumentation jedoch gegenüber den vermutlich früheren Szenen deutlich schwächer ist. Vorab ist festzuhalten, dass in beinahe allen Schulszenen Molenaers die körperliche Bestrafung eines Schülers entweder im Mittelpunkt steht oder zumindest eine wesentlich akutere Bedrohung darstellt, als es in den bisher beschriebenen Beispielen des 17. Jahrhunderts der Fall ist. Da Schüler und Lehrer dieser Bilder offensichtlich aus einer anderen sozialen Schicht stammen als die Protagonisten Jacques de Gheyns oder Gerrit Dous, spiegelt ihr rüpelhaftes Gebaren die ikonographische Logik des 16. und 17. Jahrhunderts wider, nach der schlichte Menschen schlechte Manieren haben. Verschiedene Aspekte dieser ablehnenden Haltung gegenüber inferioren Gesellschaftsklassen wurden im Zusammenhang mit den Darstellungen des 16. Jahrhunderts bereits kurz geschildert. Vor allem anhand der Schulszenen der Gebrüder van Ostade wird deutlich werden, inwieweit diese Haltung noch Gültigkeit hat, zugleich aber um die Mitte respektive in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine Veränderung erfährt. Der Versuch einer zusammenfassenden Analyse dieser Entwicklung erfolgt nach der Besprechung der von den Ostades geschaffenen Bildbeispiele, die dem so genannten „Bauerngenre“ (denn letztendlich ist das Stereotyp des Bauern die eindeutigste Verkörperung dieser untergeordneten Schicht) eben eindeutiger zuzuordnen sind als die Gemälde Molenaers. VI.1.1

Frühe Schuldarstellungen Molenaers (um 1630 bis 1636)

VI.1.1.1 Schulszene in Manchester Auf der möglicherweise ersten Schuldarstellung Molenaers [Abb. 107]708 steht die körperliche Strafe im Vordergrund. Der in einen hüftlangen, gegürteten Kittel, Kniebundhosen und Pantoffeln wie ein Bauer gekleidete Lehrer steht breitbeinig vor einer Gruppe von 17 Schülern. Er hat einen weite704

Weller 1992, S. 56 f., 61, 102; Weller 2002, S. 4, 9 ff. Weller 1992, S. 61 f.; Haarlem/Worcester 1993, S. 21; Weller 2002, S. 15 ff.; Nehlsen-Marten 2003, S. 207 ff. 706 Etwa Jan Miense Molenaer: Beim Zahnarzt, 1629, Eichenholz, The North Carolina Museum of Art, Raleigh, oder Der Künstler in seinem Studio, 1631, Leinwand, 96.5 x 132.1 cm, Staatliche Museen zu Berlin – Gemäldegalerie; Weller 2002, S. 75 ff., Kat.-Nr. 4, mit Abb., das Studio: Abb. 1 auf S. 10; vgl. z. B. auch: Haarlem/Worcester 1993, S. 288, Abb. 29b, S. 297, Abb. 31c, S. 313, Abb. 34c. 707 Weller 2002, S. 4, 21 f. 708 Jan Miense Molenaer (?): Schulszene, um 1630–1636, Holz, 33.8 x 42.7 cm, Manchester Art Gallery, Inv.-Nr. 1979.478; Manchester 1980, S. 69, mit Abb. 705

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ren Knaben gepackt, der sich seinem Griff zu entziehen versucht. Mit seinem kurzen, dunklen Bart und dem kleinen Hütchen wirkt der Mann deutlich jünger als die bisher beschriebenen Schulmeister – und zugleich gar nicht wie eine Respektsperson. Gäbe es nicht die anderen Schüler, die plak am Gürtel und die Rute in seiner linken Hand, würde man ihn gar nicht als solchen erkennen, denn auch ein Pult ist nicht zu sehen. Bei den beiden Kontrahenten steht eine Frau in dunklem Kleid mit Schürze. In ihrer Rechten hält sie etwas, das aussieht wie eine kleine Schreibtafel, drohend erhoben. Es handelt sich entweder um die Frau des Lehrers, die ihren Mann bei der Durchsetzung seiner Autorität unterstützt, oder um die Mutter des Jungen, die mit der Maßnahme des Schulmeisters sehr einverstanden zu sein scheint. Davon später mehr. Beim Rest der Schüler, die links auf Bänken sitzen bzw. daneben stehen, löst das Geschehen einige Heiterkeit aus. Die Figuren sind lebhaft bewegt: Ein Knabe ganz außen deutet auf die Bestrafung, die Jungen neben ihm folgen grinsend seiner Geste. Ein etwas im Schatten dabei stehender Schüler hat mit mitleidigem Blick sorgenvoll den Kopf in die Hand gelegt, die anderen zeigen weniger Anteilnahme und schauen mit fröhlichen Mienen in der Gegend umher. Ein Bub ganz im Vordergrund links hält sich ein beschriebenes Blatt vor die Nase, sonst ist aber kein Unterrichtsmaterial zu sehen. Vorne rechts liegt ein kleiner Kreisel, der den Betrachter zusätzlich zu der Ungebärdigkeit der Kinder darauf hinweist, wie notwendig die Strafaktion des Schulmeisters ist. Ein Junge am Ende der im linken Vordergrund stehenden Bank hat sein Bein mit nacktem Fuß über die Knie des Nebenmannes gelegt. Zugleich dreht er sich um und fixiert den Zuschauer, während ein vor ihm stehender Junge ihn bei den Schultern gepackt hat und schelmisch auf den Fuß schaut. Auch ein daneben stehendes Mädchen blickt auf das entblößte Körperteil. Es ist nicht klar, was genau er bedeutet, dass er aber nicht grundlos präsentiert wird, unterstreicht die Tatsache, dass auch in anderen Schulszenen Molenaers Jungen ihre nackten Füße zeigen oder sich auffällig an ihrem Beinkleid zu schaffen machen [Abb. 108, 110, 112]. Die Geste meint also wahrscheinlich mehr als pure Albernheit. Darauf wird noch zurückzukommen sein. Das Gemälde lebt von der Bewegung der Dargestellten, vor allem von der spannungsvollen Interaktion zwischen Lehrer und Schüler. Dass der Betrachter durch Blicke einbezogen wird, erhöht die Lebendigkeit der Darstellung. Unwillkürlich fragt man sich: Was wird passieren? Wird der Junge sich losreißen können? Wird die Strafe ihm und den anderen eine Lehre sein? Das Bild lässt die Antwort im Grunde offen. Zwar deutet der schlichte Habitus des Lehrers, der dem seiner Schüler entspricht, an, dass diese einfachen Gemüter nicht zu geregelten Unterricht in der Lage sind. Andererseits erscheint der schmucklose Raum nicht unordentlich wie beispielsweise die auf den Kopf gestellte Schusterwerkstatt der Allemode School [Abb. 40] und auch nicht schäbig wie die Schulräume Adriaen oder Isack van Ostades, von deren Wänden der Putz blättert und aus deren Dachstuhl Heu hängt. Auch der ikonographisch eindeutige Kreisel wirkt in seiner isolierten Positionierung wenig überzeugend und eher wie nachträglich hinzugefügt, um die zu uneindeutig empfundene Bildaussage deutlicher zu formulieren. VI.1.1.2 Schulszene im Kunsthandel (Heininger) In einer weiteren Schulszene setzt Molenaer deutlich mehr schultypische Requisiten ein [Abb. 108].709 Zugleich ist die physische Dynamik etwas zurückgenommen, der Schwerpunkt ist subtiler gewählt. Molenaer konzentriert sich nun mehr auf die Schilderung der deutlich individualisierten Schüler und Schülerinnen, die in einem im Vordergrund offenen Kreis um den Lehrer sitzen. Das Ganze findet, wie die eben beschriebene Szene, in einem fensterlosen Raum statt, dessen Boden aus breiten Holzdielen gezimmert ist. Worauf der im Vergleich zu den Kindern wie auch im Verhältnis zur Raumhöhe sehr große, mit dunklem Mantel und mächtigem, mit einer breiten Fellborte geschmücktem Hut imposant wirkende Mann sitzt, ist nicht genau zu erkennen. Es mag ein hölzerner Lehnstuhl sein, an der rechten Seite durch eine Art Pult ergänzt. Er hat seine rechte Hand mit der plak aufgestützt, die Linke streckt er zu einem Jungen in heller Kleidung aus, der mit gefalteten Händen vor ihm steht. Er scheint mit zur Seite ge709

Jan Miense Molenaer: Schulszene, um 1630–1636, Holz, 42.0 x 52.0 cm, Verbleib unbekannt (Versteigerung Heininger Vevey, 29.11.–01.12.1973, Lot 277).

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legtem Kopf um den Erlass oder die Milderung der Strafe zu bitten, die ihn erwartet. Dieser Moment der Spannung wird durch die Blicke und das Verhalten der Kinder, die fast wie in einem Amphitheater um diese Szene angeordnet sind, aufgenommen und gesteigert. Zwei brav wirkende Mädchen im Vordergrund links halten ABC-Täfelchen in ihren Händen. Sie schauen den Betrachter an. Das größere der beiden weist lächelnd auf die zentrale Szene, als wollte es sagen: Wir sind fleißig, uns passiert so etwas nicht. Der verzagte Blick eines nach vorne gekrümmt sitzenden Knaben auf der anderen Seite scheint genau das Gegenteil auszudrücken. Er streckt uns verstohlen die Handfläche seiner Rechten entgegen, die wohl schon so manchen strafenden Schlag abbekommen hat. Auch die Kinder am Pult verhalten sich unterschiedlich: Hinter dem Lehrer, am linken Bildrand, steht ein weinender Junge. Sein Leid verstärkt den Eindruck, dass der Mann sich durch Bitten kaum erweichen lassen wird. Direkt am Pult nutzt ein weiterer Bub mit dem Stift in der Hand offenbar die Zeit, bis der Schulmeister sich ihm zuwendet. Ein Mädchen schaut furchtsam lächelnd zu diesem auf, ein anderes blickt, das Heft in der Hand, unverwandt aus dem Bild. Auf der rechten Seite sind an einem Tisch im Hintergrund und einer parallel zum Bildvordergrund gestellten Bank dreizehn weitere Kinder zu sehen. Manche von ihnen schreiben, andere lesen. Ein Knabe rechts im Vordergrund nestelt an seinem Strumpf. Wird er seinen Fuß entblößen wie der Junge auf dem Bild in Manchester [Abb. 107]? Oder versteckt er dort etwas, wie der Schüler im Hintergrund von Verelsts Szene [Abb. 85]? Molenaer widmet sich hier besonders der Beschreibung kindlicher Emotionen im Angesicht drohender körperlicher Züchtigung. Dabei bemüht er sich um die Variation der Charaktere, zeigt also Kinder beiderlei Geschlechts, in verschiedenen Altersstufen und in unterschiedlicher Kleidung: Die Hüte der Schüler sind hell oder dunkel, breitkrempig oder kegelförmig hoch, ebenso sind ihre Kittel bzw. Hemden und Hosen aus verschiedenfarbigen Stoffen geschneidert. Die beiden Mädchen vorne rechts tragen dunkle Röcke und Wämser, dazu helle Schürzen sowie weiße Kragen und Häubchen. Die Köpfe der Schülerinnen am Pult dagegen bedecken schleierartige Tücher. Sie sind in helle, lange Kittel gekleidet. Ein solches Gewand trägt auch der vor dem Lehrer stehende Schüler. Ihre zerfledderten Säume kennzeichnen sie wohl als Kinder aus armen Familien. Deren Unterrichtsgebühren wurden nicht selten von der Gemeinde getragen, so dass sie zum Teil gemeinsam mit Kindern bessergestellter Eltern unterrichtet wurden. Da Molenaer soziale Gegensätze auch in anderen Bildern thematisiert [etwa Abb. 16, 110]710 scheint gut denkbar, dass hier dasselbe gemeint ist. Auffällig ist in jedem Fall die Ehrfurcht gebietende Gestalt des Lehrers, dessen Kleidung an einer Dorfschule nicht vorstellbar ist, denn die dort tätigen Lehrer tragen wie ihre Schüler ein kurzes, gegürtetes Obergewand [etwa Abb. 107, 138] oder einen schlichten Mantel [etwa Abb. 149, 160]. Auch die Gestaltung des Raumes spricht für eine verhältnismäßig gut ausgestattete Schule. Hinter dem Lehrer ist die Wand mit einem Blendbogen verziert, in dem sich ein Regalbrett befindet. Darauf steht, neben verschiedenen Gegenständen wie Büchern, ein Käfig, in dem ein recht großer Vogel sitzt. So es sich um einen Papagei handelt, könnte er als Symbol für die zeitgenössische Kritik gemeint sein, die Schüler lernten wie Papageien stumpf auswendig.711 Andererseits ist gerade der Papagei ein Zeichen für die sprachliche Gelehrsamkeit, die diesen Kindern offensichtlich einige Anstrengungen abverlangt.712 Dazu passend ist an der gegenüberliegenden Wand eine Tafel mit dem Alphabet in verschiedenen Schreibweisen angebracht. Sie zeigt eine Eigenart des holländischen Curriculums, nach dem die Kinder nacheinander verschiedene Typen von Druck- und Schreibschrift erlernen mussten.713 Im Hintergrund hängen an einer Leine aufgereiht Papiere – möglicherweise prämierte Schülerarbeiten.714 Dieses Motiv wird vor allem in den Arbeiten der aus Haarlem stammenden Künstler und ihrer Nachfolger immer wieder auftauchen, und da es sich bei deren Protagonisten meist um geistig sehr beschränkt wirkende Wesen handelt, wird die Ironie der Darstellungen durch die Vorstel710

Weitere Beispiele nennt Weller 1992, S. 150 ff. Dafforne 1627, S. 15; de Booy 1981, S. 437. 712 Van Mander 1604, fol. 131 v.; Ripa/Pers 1644, S. 595. 713 Beschrieben bei Jensen Adams 1993, S. 72 ff., S. 80 zur genauen Reihenfolge. De Booy 1980, S. 46, allerdings meint, dass die Kinder von Anfang an die verschiedenen Typen gleichzeitig lernen mussten. 714 In der einschlägigen Literatur wird nicht beschrieben, wie diese Arbeiten präsentiert wurden. Dass sie aber durch die prominente Anbringung ausgezeichnet und zugleich den weniger erfolgreichen Schülern vor Augen geführt wurden, scheint mir am ehesten plausibel. 711

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lung, diese Kinder könnten untereinander in einen schulischen Wettstreit treten, noch gesteigert. Ein einzelnes Blatt ist hinter dem Lehrer an der Wand befestigt. Dabei könnte es sich – wie bei Dou oder Brekelenkam gesehen – um sein Diplom handeln, aber auch um Unterrichtsmaterial, etwa eine Landkarte, einen Einblattholzschnitt715 oder einen Text, den die Kinder memorieren sollen. Am rechten Rand des Bildes führt eine Leiter auf den Dachboden, vereinzelt liegen Blätter und ein Heft auf dem Fußboden, ebenso und gleichfalls im unmittelbaren Vordergrund der auch auf dem Gemälde in Manchester [Abb. 107] präsente Kreisel. Molenaer schildert also verhältnismäßig detailgetreu den im Gegensatz zu den Darstellungen der Leidener Künstler wenig erhebenden Alltag einer Schule, in der offenbar Kinder verschiedener sozialer Schichten gemeinsam unterrichtet werden. Zugleich betonen etwas deplatziert wirkende Motive wie die extravagante Gestalt des Lehrers oder der vermeintliche Papagei die moralische Botschaft. Die seltsame Figur des Lehrers scheint auch ein Hinweis auf eine möglicherweise vorbildhafte Szene zu sein. Während Molenaer die eben beschriebene Unterrichtsdarstellung offenbar ohne entsprechende Anregung durch andere Beispiele inszenierte, könnte er sich für dieses Bild an Bruegels Esel in der Schule orientiert haben. Vor allem der unverhältnismäßig groß und deplatziert wirkende Schulmeister, dem in beiden Fällen das Pult fehlt, und auch die annähernd kreisförmige Anordnung der Schüler verbindet die Darstellungen. Trotz der vielleicht auf Unerfahrenheit zurückzuführenden Unstimmigkeiten ist das Grundthema aller Unterrichtsdarstellungen, dass nämlich Fleiß und Disziplin nicht nur vor dem Zorn des Lehrers schützen, sondern auch für ein gottgefälliges Leben in Wohlstand unabdingbar sind, hier deutlicher formuliert als bei der eben beschriebenen Bestrafungsszene [Abb. 107]. Und es ist kein Zufall, dass der Ärger des Lehrers sich ausgerechnet gegen den ärmlich gekleideten Jungen richtet, wogegen die braven Kinder wie die beiden Mädchen vorne links adrett gekleidet sind. Natürlich ist die heutzutage viel diskutierte Chancengleichheit in der Erziehung kein Bildmotiv des 17. Jahrhunderts. Obschon vor allem die Kirchen versuchten, auch bedürftigen Kindern einen Schulbesuch zu ermöglichen, wird diese Art der Sozialpolitik in den künstlerischen Adaptionen so gut wie gar nicht thematisiert – vermutlich, weil dieser moralisch und sittlich unbestreitbar begrüßenswerte Ansatz nicht in das aus didaktischen Gründen polarisierende Konzept der Bilder passte. Für dieses Thema gibt es mit den Waisenhausdarstellungen eine eigene, enger an der – wenn auch geschönten – Realität orientierte Bildkategorie [Abb. 109].716 Diese Auftragsarbeiten der Heimleitung sollten den wohlsituierten Gönnern zeigen, auf welche Weise ihre Spenden den Insassen zugute kommen. Diese sind, oft in großer Zahl, angemessen brav und beflissen, den Anweisungen ihrer Betreuer zu folgen. Natürlich sind die Kinder ordentlich und einheitlich angezogen. Die auffällig zweifarbige Gestaltung ihrer Kleidung sollte sie einerseits davon abhalten, diese gewinnbringend zu veräußern, und zugleich ein Signal für Besucher sein, dass die Stadtväter ihrer Sorgfaltspflicht gegenüber den Bedürftigen nachkommen.717 Die Funktion der Bilder als Rechenschaftsbericht bedingt die Inszenierung des im Vergleich zu den fiktiven Schuldarstellungen wenig komplexen Sujets. Darauf wird im folgenden Abschnitt zu Molenaers Kasseler Schulszene [Abb. 110] zurückzukommen sein. Erfolgreicher Unterricht blieb trotz allem ein Privileg von Patriziertum und Adel, und diese Realität geben die bildlichen Darstellungen natürlich wider. Klägliche Lehrer, schäbige Klassenräume und zerlumpte Kinder dagegen sind die Protagonisten des ikonographischen Gegenentwurfs, der letztlich bestätigt, dass es aufgrund der diesen Menschen zugeschriebenen Unbelehrbarkeit oder schlicht Dummheit niemand aus diesem Milieu zu etwas bringen wird.

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Die Anbringung von Sinnsprüchen oder anderen zu memorierenden Inhalten an den Wänden empfiehlt auch Erasmus in seiner 1512 publizierten Lehrschrift De ratione studii. Vgl. Clericus 1703, Bd. I, Sp. 521–530; Kaemmel 1882, S. 22. Zu den Einblattholzschnitten siehe: van Veen 1976, S. 16 ff.; van der Stock 1991, S. 184 ff. 716 So z. B.: Unterricht der Waisen (aus einer Serie von Waisenhausdarstellungen), 1619, Holz, 199.7 x 87.8 cm, Stedelijk Museum Alkmaar, Inv.-Nr. 20634; Alkmaar 1998, S. 239, Kat.-Nr. 124, mit Abb.; zu Mildtätigkeits-Trends im Holland des 17. Jh.s: Israel 1995, S. 353 ff.; Haak 1996, S. 53 ff.; Dekker/Groenendijk/Verberckmoes 2000/2001, S. 58; Haarlem/Antwerpen 2000/2001, S. 104 ff.; Hell 2010, S. 21 ff., dort als Abb. 6 f. die um 1660 entstandenen Bilder von Jan Victors, die die Versorgung der Waisen mit Nahrung und Kleidung zeigen. 717 Israel 1995, S. 356.

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VI.1.1.3 Bürgerfamilie, eine Schule besuchend (1634) Molenaer perfektioniert diese Art der sozialen Konfrontation in einer weiteren Szene [Abb. 110].718 Das schon mehrfach erwähnte Bild zeigt den Besuch einer Patrizierfamilie in einer öffentlichen Schule – eine für diesen Themenbereich außergewöhnliche Szenerie, die aber als Variante solcher Gegenüberstellungen typisch für Molenaer ist. Zwar gibt es, von Molenaer selbst wie auch von der Hand anderer Künstler, Bilder, auf denen auch die Mutter eines Schulkindes zu sehen ist. Das Bild Frans van Mieris’ [Abb. 101] ist so ein Fall, und von anderen Beispielen [z. B. Abb. 158/159 und 231] wird noch die Rede sein. Die Mutter gehört jedoch, an ihrer Kleidung erkennbar, jeweils zu derselben gesellschaftlichen Sphäre wie der Schulmeister. Bei dem Kasseler Bild dagegen werden wohlhabende und vor allem wohlerzogene Bürger und ein ärmlicher Lehrer inmitten eines chaotischen Haufens disziplinloser, unzivilisierter Schüler einander ostentativ gegenübergestellt. Ein gut gekleidetes Ehepaar – die Mutter mit schwarzem, bodenlangem Schleier über der weißen Haube, der Vater mit breitkrempigem Hut ebenfalls ganz in Schwarz – betritt mit seinen beiden Kindern, einem Mädchen und einem kleinen Jungen, von links den weitläufigen Schulraum. Während sich in dem Bereich, den der rechts sitzende Lehrer überblickt, fast nur Jungen aufhalten, sind in einem sich daran anschließenden Raum die Mädchen versammelt. Offenbar werden diese von einer Lehrerin unterrichtet, deren Kopf die weißen Hauben der Schülerinnen etwas überragt. Die eintretenden Kinder sind im Unterschied zu den Schülern regelrecht herausgeputzt, beide tragen Rock und Schürze mit einem grün-gelb gestreiften Wams. Dem Mädchen wurde zu Spitzenkragen und Spitzenhaube offenbar eine Korallenkette angelegt, sein Geschwisterchen trägt eine korrespondierende rote Schleife. Wohlerzogen hat der kleine Bub seinen Hut abgenommen und schaut wie seine Schwester den Betrachter bedeutungsvoll an. Auch der Vater, der etwas abseits im Türrahmen steht, blickt eindringlich aus dem Bild. Nur die Mutter sieht wohlwollend, aber auch ein wenig streng auf die beiden Kinder herab. Dagegen herrscht in der Klasse eine wenig sittsame Atmosphäre. Einige bunt gekleidete Kinder hocken zusammengedrängt auf einer entlang des vorderen Bildrandes platzierten Bank, eine weitere Gruppe ist in der Mitte des Raumes am Fuße einer Leiter versammelt, die zu einer Dachluke führt. Während ein Junge hinaufklettert, um zu den oben wartenden Ausreißern zu gelangen, versucht ein anderer, ihn davon abzuhalten, indem er ihn am linken Fußknöchel festhält. Im Hintergrund befindet sich, bei einem monumentalen Kamin, ein Tisch mit Bänken, an dem ausnahmslos ältere Jungen sitzen. Ihre im Gegensatz zu den Kindern im Vordergrund einheitlich in gedeckten Farben gehaltene Kleidung – Kniebundhosen mit gegürtetem Wams, Spitzenkragen und breitkrempigen Hüten – macht klar, dass hier nicht, wie Weller meint, eine Bauernschule zu sehen ist.719 Dafür ist auch der Raum zu gut ausgestattet. Vor allem der Dielenfußboden und die aufwändige Landkarte über der Tür deuten auf ein gehobenes Umfeld hin. Selbst wenn sich die Karte im übertragenen Sinne auf die Weltgewandtheit des Patrizierpaares beziehen sollte,720 wäre sie in einer Dorfschule fehl am Platz. Zwar gibt es auch fast schon zerlumpt gekleidete Schüler, bei denen es sich um Bauernkinder handeln könnte, etwa die beiden Knaben, die links an der Eingangstür stehen und so in ihre Diskussion versunken sind, dass sie den eintretenden Familienvater gar nicht bemerken. Will man aber so weit gehen, die Einrichtung konkret zu lokalisieren, handelt es sich wohl um eine städtische Schule, die auch von Kindern armer Leute besucht wird. Solche Abgrenzungen aber waren für den zeitgenössischen Betrachter vermutlich nebensächlich. Für ihn stand der Kontrast zwischen tugendhaftem und flegelhaftem Betragen im Vordergrund. Ob aber die Konstruktion dieser Gegenüberstellung auf realen Begebenheiten beruhte oder schlicht erfunden war, wird für das Publikum des 17. Jahrhunderts weniger interessant gewesen sein. Obschon Molenaer die Begebenheit konstruiert, sind auf dem Bild zahlreiche Dinge zu sehen, die 718

Jan Miense Molenaer: Bürgerfamilie, eine Schule besuchend, 1634, Holz, 49.0 x 87.0 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, Inv.-Nr. GK 1210; Weller 1992, S. 102, Abb. 35 auf S. 376; Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 231, Abb. 1, S. 234, Anm. 3; Weller 2002, S. 14, Abb. 7; Hamburg 2004, S. 17 f., Abb. 11; Kassel 2004, S. 66 f., mit Abb. 719 Weller 1992, S. 102, bzw. Weller 2002, S. 14, spricht von „village“ oder „peasant school“ und „peasant children“. 720 Weller 1992, S. 240.

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zum damaligen Schulalltag gehörten: Rechts im Vordergrund liegt der Inhalt eines hölzernen Tafelkastens auf dem Boden, Schreibzeug und Papier, aber auch Murmeln. Über dem Durchgang zum Nebenraum hängt eine große Tafel, auf der das Alphabet in drei verschiedenen Schriften zu lesen ist. An der Wand hinter dem Lehrer ist zudem eine Rute befestigt, in einem Fass daneben stehen Federkiele, die die Lehrkräfte an die Kinder verteilten. Eine im Detail wirklichkeitsnahe Inszenierung war natürlich wichtig für die überzeugende Wirkung der Szene. Am Pult des langbärtigen, in einen einfachen braunen Kittel gekleideten Lehrers hat sich, neben zwei Jungen, auch ein Mädchen eingefunden. Es wendet sich um und blickt den Betrachter verschwörerisch an. Der Junge neben ihr wird vom Lehrer mit der plak bestraft. Furchtsam weicht er zurück, sein heruntergerutschter Beinling charakterisiert ihn als unordentlichen Tunichtgut. Offenbar hat er einen Mitschüler verhauen bzw. sich mit ihm geprügelt. Dieser steht mit etwas Abstand heulend links, mit dem ausgestreckten Arm deutet er entweder auf den Verantwortlichen oder auf dessen Gegenbild, einen ordentlich gekleideten Knaben, der mit dem Rücken zum Betrachter darauf wartet, dass der Lehrer sich ihm zuwendet. Die Nase des anderen Jungen blutet, auf dem Boden vor ihm liegen ebenfalls in Mitleidenschaft gezogene Schulsachen. Ein Knabe hinter dem verletzten Schüler wiederum zeigt auf einen Jungen mit einer blauen Fellkappe, der scheinbar brav auf der Bank hockt und mit einem vor ihm knienden Mädchen Lesen übt. Die Zeige-Gesten sind Lesehilfen für den Betrachter, zugleich wirken sie naseweis-kindlich. Der müde-resignierte Gesichtsausdruck des Schulmeisters lässt vermuten, dass er es aufgegeben hat, die Rangen zu Ruhe und Disziplin anzuhalten. Im Hintergrund steigt ein großer Junge über Tisch und Bänke, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Die Szene an der Leiter spielt sich praktisch vor den Augen des Lehrers ab, trotzdem reagiert er nicht. Dass dem Betrachter die Flucht der beiden nicht entgeht, dafür sorgt der Zeigefinger eines Jungen mit roter Mütze auf der Bank im Vordergrund.721 Ein Motto des 16. Jahrhunderts lässt vermuten, wieso sie nicht einfach durch die offene Tür im Hintergrund verschwinden: „Je höher ein Narr kommt, desto sicherer ist seine Schmach.“722 Allerdings wird der Sinnspruch durch Affen auf einem Baum verbildlicht, so dass diese inhaltliche Verbindung möglicherweise zu weit hergeholt ist. Dass sich die herumtobenden Schüler ungebührlich benehmen, ist aber jedem Beobachter klar.723 Dass die Ankunft der Familie unbemerkt bleibt, ist ebenfalls bezeichnend für den Zustand der Schule. Im Gegensatz zu den Schülern sind die Patrizierkinder standesgemäß wohlerzogen, sie bleiben nah bei der Mutter. Der Junge hat beim Eintreten den Hut abgenommen – eine erstaunliche Geste für ein so kleines Kind. Der Blick, mit dem die hoch gewachsene Frau auf die beiden herabschaut, wirkt streng. Ihr schwarzes Gewand bildet wie bei einer Schutzmantelmadonna den Hintergrund für die Kinderfiguren, so dass die Dreiergruppe eine kompositorische Einheit bildet, der der etwas abseits positionierte Vater nur farblich zugeordnet ist. Diese Aufteilung betont wiederum die zuletzt in Kapitel V.6 schon hinlänglich erörterte Bedeutung der Mutter für das Aufwachsen der Kinder. Gemäß ihrer Rolle als Nährerin reicht sie dem größeren Mädchen ein Stück Brot. Es mag auch ein Federmäppchen oder ein anderes Utensil sein, selbst vor dem Original ist nicht zweifelsfrei zu klären, worum genau es sich handelt. Da aber sicher ein Gegenstand mit symbolischem Gehalt gemeint ist, scheint mir Brot am wahrscheinlichsten.724 Das kleinere Kind hält seines in der Hand. In ihrem würdevollen Habitus wirken die Familienmitglieder wie Stifter auf Andachtsbildern. Es ist denkbar, dass es sich um Porträts von Patriziern handelt, die sich in dieser Form als redliche Familie inszenieren, die die Erziehung ihrer Kinder eng an den moralischen Konventionen von Ordnung und Gehorsam ausrichtet. 725 Da ihr mustergültiges Verhalten den verfehlten Disziplinierungsmaßnahmen des Lehrers auch kompositorisch entgegengesetzt ist, tritt ihre Tugend in dem liederlichen Treiben um sie herum umso deutlicher hervor. Weller vermutet, jedoch ohne dies zu erläutern, Molenaer sei durch Bruegels in Kapitel IV.1 schon 721

Westermann 2002, S. 57, meint, dass er den Lehrer nachäfft. Auch wenn das nicht unbedingt zutrifft, ist die Autorität des Lehrers dadurch, dass der Schüler mehr sieht als er, in Frage gestellt. 722 Übersetzung aus der relativ freien Übertragung ins Englische bei: Bagley 1992, S. 121: „Stultorum quanto status sublimior, tanto manifestor turpitudo.“ Aus: Barthélemy Aneau: Picta Poesis. Lyon 1552, S. 84. 723 In Jan van Waesberghes Manierlijcke Zeden (erschienen u. a. 1647 in Antwerpen) zählt das Klettern zu den verbotenen Spielen. Zitiert bei de Planque 1926, S. 165. 724 Ein Stück davon hält z. B. auch Brekelenkams kleiner Schüler [Abb. 102]. 725 Kassel 2004, S. 67.

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erwähnte Bauernhochzeit zu einer solchen Gegenüberstellung animiert worden.726 Da über die Identität der eindeutig nicht als Bauern zu klassifizierenden Männer rechts am Tisch auf Bruegels Gemälde keine Einigkeit besteht und die Bauern sich ja – anders als Molenaers Schüler – nicht ungebührlich gebärden, ist Wellers Schluss kaum nachzuvollziehen. Zwar könnte der dunkel gekleidete Herr mit Schwert ein Pachtherr sein,727 doch selbst wenn das zutrifft, ist er in seiner eher passiven Neben-Rolle kaum mit den dominant auftretenden Bürgern auf dem Kasseler Bild zu vergleichen. Es gibt aber eine andere, ebenfalls durch Pieter Bruegel d. Ä. geprägte Bildtradition, der das Kasseler Gemälde deutlich näher steht: Beim Besuch auf dem Pachthof728 ist ebenfalls das Zusammentreffen zweier Gesellschaftsklassen in Szene gesetzt. So sehen die Eltern bei Molenaer in ihrer hochgewachsenen Gestalt und der dunklen Kleidung den reichen flämischen Herrschaften, die in dem schäbigen Interieur ähnlich deplatziert wirken wie die feinen Patrizier in der chaotischen Schule, sehr ähnlich. Die Bauern jedoch werden, obschon ihre Behausung armselig ist, als redliche Leute charakterisiert, die sich die von dem Grundbesitzer überbrachten Almosen durch Fleiß und Demut verdient haben. Bruegels Gegenüberstellung ist also bei weitem nicht so extrem wie die Molenaers, der mit seiner Darstellung nicht die Auswirkungen sozialen Handelns zeigen, sondern das Fehlverhalten des unfähigen Lehrers und der nichtsnutzigen Schüler möglichst abschreckend schildern will. Folglich beschränken sich auch die Analogien zu den eben schon angesprochenen Darstellungen der Förderer von Waisenhäusern oder Armenschulen auf die Ebene des Kontakts von Arm und Reich.729 Auch in diesen Bildern wird der Kontrast nicht zum Nachteil der sozial untergeordneten Protagonisten überzeichnet, denn die braven Waisen erweisen sich stets dankbar für die von den ebenso wohlhabenden wie wohlmeinenden Patriziern ermöglichte Ausstattung oder Unterbringung. Denn die reichen Gönner inmitten ungezogener Schüler zu zeigen würde ja suggerieren, dass deren Engagement keine positiven Auswirkungen hat. Dazu kommt, dass Molenaer auch in anderen Fällen auf die Gegenüberstellung von vorbildlichem und verwerflichem Verhalten durch Protagonisten aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten als Methode zur Vermittlung moralischer Inhalte zurückgreift,730 etwa bei der Verspottung der Zwerge [Abb. 16] oder einem Familienporträt mit spielender Gesellschaft.731 Dieses Bild ist durch sein langrechteckiges Format und den links an einer geöffneten Tür stehenden Vater mit der Kasseler Szene vergleichbar. Über die Identität der Dargestellten ist aber in keinem Fall etwas bekannt. Die sittsame Seite wird selbstredend stets durch brave Bürger verkörpert. Ihnen rät der zeitgenössische Moralist Bredero unter anderem, sich von den Festen der pöbelhaften Bauern fernzuhalten.732 Bredero, mit dessen Texten Molenaer vertraut war,733 greift also wieder auf das Stereotyp des Bauern zurück, dessen vermeintlich ausgelassene Feste durch ihren temporären, unverbindlichen und auch öffentlichen Charakter für die städtische Elite womöglich eine Verlockung darstellten, die in der einen oder anderen Bürgerseele den wenig frommen Wunsch keimen ließ, die vornehme Zurückhaltung für kurze Zeit vergessen und sich unter das fröhliche Volk mischen zu können. Dass das bei der Auswahl einer Bildungseinrichtung allerdings anders ist, liegt auf der Hand: Hatte doch die Inobhutgabe der Nachkommen an einen ungeeigneten Lehrer weitreichendere Konse726

Weller 1992, S. 102. Sellink 2007, S. 245. 728 Jan Brueghel d. Ä.: Besuch auf dem Pachthof, um 1597, Kupfer, 27.0 x 36.0 cm, Kunsthistorisches Museum – Gemäldegalerie, Wien, Inv.-Nr. GG_674. Essen/Wien/Antwerpen 1997/1998, S. 117 ff., Kat.-Nr. 17. Auf S. 115 ff., Kat.-Nr. 15 f., werden zwei thematisch ganz ähnliche Szenen der Bruegel-Söhne besprochen, auf S. 120, Abb. 1, ist das fragliche Vorbild abgebildet: Pieter Bruegel d. Ä. (?): Besuch auf dem Pachthof, Grisaille, Holz, 28.5 x 42.7 cm, Frits Lugt Collection – Fondation Custodia, Paris, Inv. Nr. 431. Dazu siehe auch: Sellink 2007, S. 274, Nr. X6 (als zweifelhafte Zuschreibung). 729 Vgl. dazu hier Kapitel VI.1.1.2. Ein mit dem Gemälde Molenaers auch thematisch vergleichbares Beispiel ist Werner van den Valckerts Almosengeber beim Hausbesuch, 1625–1630, Holz, 149.0 x 151.5 cm, Amsterdam Museum, Inv.-Nr. SA 1758 [Abb. 111]; Middelkoop/Reichwein/Gent 2008, S. 86 ff., mit Abb. (und weiteren, ähnlichen Bildern Valckerts). 730 Weller 2002, S. 19 f., 82 f. 731 Jan Miense Molenaer: Familienporträt mit spielender Gesellschaft, um 1635–1640, Leinwand, 48.5 x 66.5 cm, Verbleib unbekannt; Weller 2002, S. 19 f., Abb. 12. Weitere Beispiele nennt Weller 1992, S. 150 ff. Vgl. auch Raupp 1996, S. 168–171, Kat.-Nr. 40, mit Abb. auf S. 169 (ein weniger leicht deutbares Beispiel, auf dem ebenfalls ein Zwerg zu sehen ist). 732 „Ghy Heeren, ghy Burgers, vroom en wel gemoet, [/] Mydt der Boeren Feesten, sy zijn selden soo soet“; Bredero 1622, S. 49, Vers 51; Weller 2002, S. 19 ff. 733 Zur Beschäftigung Molenaers mit Bredero siehe S. 176 f. 727

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quenzen als der kurze gesellschaftliche „Ausbruch“ eines Erwachsenen. Das zeigt Molenaer mit dem Verhalten des, nach seiner Kleidung zu urteilen, gleichfalls aus einer gehobenen Schicht stammenden Schülers im Hintergrund, dessen Manieren in dieser Schule offensichtlich so verdorben wurden, dass er auf dem Mobiliar herumklettert. Trotz vieler realistischer Details handelt es sich um eine Inszenierung, wobei die Szene so sicher nicht stattgefunden hat734 – auch wenn das Bild den Eindruck erweckt, die Kinder der Patrizier sollten zum Unterricht angemeldet werden. Ihre Eltern konnten es sich schließlich leisten, Privatlehrer zu engagieren. Es ist höchst unwahrscheinlich (und in den mir bekannten Quellen lässt sich etwas in der Art auch nicht nachweisen), dass Vertreter dieses Standes erwogen hätten, ihre Sprösslinge in einer Schule unterzubringen, wo auch Kinder niederer sozialer Schichten unterrichtet wurden – geschweige denn, dass sie eine solche wirklich betreten hätten. Ihre Anwesenheit in der Schule hat vielmehr eine rhetorische Funktion: Sie veranschaulicht den „Sinn frühzeitiger Zucht und Ordnung sowie guter Ausbildung als Grundlage eines erfolgreichen bürgerlichen Lebenswegs“.735 Wie wichtig Molenaer diese Botschaft war, zeigt im wahrsten Sinne des Wortes auch der von ihm fast schon inflationär verwendete Gestus des ausgestreckten Zeigefingers, mit dem Schüler den Betrachter auf die Missetaten, aber auch auf das Wohlverhalten der anderen hinweisen.736 Vor allem mit Blick auf die Gestik der Figuren ist der Vergleich Mariët Westermanns, die Molenaers zentralperspektivisch konstruierte Interieurs an Bühnenräume erinnern, sehr treffend. Dass dabei Theaterbesuche des Künstlers eine Rolle gespielt haben,737 ist ohne Weiteres denkbar – und das nicht nur, weil Molenaer zum Teil Dramen als Bildvorlage wählte.738 Für eine bildliche Umsetzung wäre die Textvorlage im Grunde ausreichend gewesen, denn wie eine Schule aussah, wußte ja – im Unterschied zum mythischen Arkadien oder anderen Dramenschauplätzen – jeder. Dennoch erinnern die überdeutlichen, den Zuschauer vielfach direkt ansprechenden Gesten der Dargestellten wie auch ihre eindeutige, zum Teil fast grimassenartige Mimik durchaus an das affektierte Gebaren von Schauspielern. Das Gemälde ist ein anschauliches Beispiel für die kompilative Vorgehensweise der Künstler, die bei der Formulierung bestimmter Bildbotschaften ungeachtet der auf den ersten Blick hohen Wirklichkeitsnähe im Detail nur bedingt auf soziologische Korrektheit achteten: Hier werden soziale Schichten bzw. Ebenen zueinander in Bezug gesetzt, die in der Realität kaum miteinander in Berührung kamen. Wohl um die Darstellung dieser Situation nicht komplett unrealistisch erscheinen zu lassen, hat Molenaer den Raum so ausgestattet, dass man ihn sich trotz der bäuerlich wirkenden Kinder auch in der Stadt vorstellen kann, so dass der Besuch der feinen Herrschaften nicht völlig realitätsfern erscheint. Etwas unbeholfen wirkt die selektive Gruppierung der Schüler: Die einfach, aber sehr farbenfroh gekleideten Kinder finden sich ausschließlich in Vordergrund, wohingegen die Kleidung der Jungen im Hintergrund links wie auch die der Mädchen in dem angrenzenden Raum rechts einheitlich in gedeckten Tönen gehalten ist und sich so kaum von der hellbraunen Wand abhebt. Die Figuren im Vordergrund sind zudem unnatürlich klein, damit sie den Blick in den Hintergrund nicht versperren, wodurch aber zugleich in der Mitte des Raumes eine auffällige Lücke entsteht. Die Positionierung der Figuren ist eng an den den Bildraum gliedernden Diagonalen orientiert und wirkt dadurch steif und bemüht. Gruppen und Personen scheinen vereinzelt zu agieren, obwohl ihr Verhalten erst im Kontext seine beabsichtigte Wirkung erzielen würde: Was erstaunt beispielsweise das Mädchen in der Bildmitte, das mit offenem Mund und ausgestreckten Armen geradezu zur Salzsäule erstarrt scheint? Sieht sie die eintretende Familie? Oder schockiert sie der über den Tisch steigende Flegel links im Hintergrund? Weller stellt zwar richtig fest, dass für die Szene weder Bilder Adriaen Brouwers (1605/1606– vor Februar 1638) noch Arbeiten Adriaen van Ostades vorbildhaft gewesen sein können – aber auch

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Für allgemeine Überlegungen zur Plausibilität solcher Szenen siehe auch: Weller 2002, S. 19 f. Kassel 2004, S. 67. 736 Westermann 2002, S. 57. 737 Westermann 2002, S. 55 f. 738 Z. B. Jan Molenaer: Szene aus Brederos „Lucelle“, 1639, Leinwand, 81.2 x 100.3 cm, Theater Museum Amsterdam, Inv.-Nr. A 1978-6; Raleigh 2002, S. 153 ff., Kat.-Nr. 29 f., mit Abb. Das von Bredero übersetzte Stück stammt aus der Feder des Franzosen Louis Le Jars und wurde ab 1613 in den Niederlanden aufgeführt. 735

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sein Hinweis auf Bruegels Esel in der Schule [Abb. 34] ist nicht überzeugend,739 da diese Szene in stärkerer Aufsicht gezeigt ist und die Dargestellten sich eher kreisförmig um den Lehrer gruppieren, ähnlich wie bei Molenaers Szene bei Heininger [Abb. 108]. Bei dem Kasseler Bild dagegen sind sie gruppenweise auf größerem Raum verteilt. Kompositorische Parallelen gibt es aber zur Affenschule Pieter van der Borchts [Abb. 29 und 30], und das sowohl hinsichtlich des guckkastenartigen Blicks in die Klasse als auch in der Art und Weise, wie die Schüler nebeneinander auf parallel zum Vordergrund oder diagonal in den Raum gestellten Bänken sitzen. Und auch, dass ein Lehrer und eine Lehrerin gleichzeitig unterrichten, haben die Bilder gemein. Dass Molenaer den sicher verbreiteten Kupferstich gekannt hat, liegt nahe. Denkbar ist auch die Orientierung an einer weiteren druckgraphischen Darstellung des 16. Jahrhunderts: Der 1526 entstandene Holzschnitt Dirk Vellerts [Abb. 9] weist eine ähnliche zentralperspektivische Komposition auf. Vergleichbar sind auch die parallel zum vorderen Bildrand angeordneten Bänke und die Art und Weise, wie die Schüler entlang von Geraden oder Diagonalen nebeneinander geradezu aufgereiht sind. Im Hintergrund führt links eine Treppe nach oben. Dass allerdings Molenaer durch sie angeregt wurde, Leitern als Requisit in seinen Schulbildern zu verwenden, ist eher unwahrscheinlich, denn die Schulszene, in der die Leiter vermutlich erstmals zu sehen ist [Abb. 108], hat mit der Graphik nichts gemein. Und dass der Knabe wirklich entwischen will und nicht – wie bei Vellert – in einen Raum steigt, in dem ebenfalls Unterricht abgehalten wird, zeigt das auffällige Verhalten der Kinder um ihn herum. Wie also Molenaer auf die Idee mit dem flüchtenden Knaben gekommen ist, muss offen bleiben. Die möglicherweise ungefähr zeitgleich mit dem Holzschnitt entstandene Zeichnung Jan Martsen d. J. [Abb. 10], von der ebenfalls in Kapitel II.5 zu den Unterrichtsformen in den Niederlanden bereits die Rede war, stellt ein kompositorisch vergleichbares Gegenbild dar: Auch dort unterrichten Mann und Frau in einem Raum. Das führt jedoch keinesfalls zu Unruhe oder gar Chaos, die Kinder sitzen, nach Geschlechtern getrennt, gesittet auf ihren Plätzen an langen Tischen, beschäftigen sich mit Schreiben, Lesen oder (wie ein Mädchen vor dem Pult der Lehrerin) mit Handarbeit. In der Klasse herrscht eine Ruhe, die im Vergleich zu den turbulenten Schulszenen eher wie ein lebloses Schema wirkt. Da das Monogramm spiegelverkehrt ist und die Kinder ihre Stifte mit links halten, war die Zeichnung möglicherweise zur Übertragung auf eine Druckplatte gedacht. Auch diese eher beschreibenden als erzählenden oder belehrenden Szenen fanden also einige Verbreitung und boten für andere Künstler – vielleicht auch Molenaer – eine willkommene Anregung, das dargestellte Ideal zu karikieren. Auf den Betrachter, der beim Anblick einer Schulszene Jan Molenaers oder auch der in dieser Hinsicht sehr ähnlichen Beispiele seiner Kollegen des Haarlemer Kreises ein solches Musterbild vor seinem inneren Auge hatte, werden die Darstellungen in der Haarlemer Tradition umso chaotischer gewirkt haben. Die Unordnung, die nicht nur durch die Schilderung unaufgeräumter Klassen, sondern auch durch das lebhafte Gebaren der ungezogenen Kinder sehr eindrücklich illustriert wird, ist ein zentrales Mittel, die real wirkende Eindringlichkeit der Bilder zu steigern.740 Im Falle des Kasseler Beispiels verkörpert ja die sozusagen in Formation eintretende Patrizierfamilie die Ordnung. Aber auch bei den Szenen, in denen das positiv besetzte Gegenbild nur indirekt präsent ist, war den Betrachtern sicher bewusst, wie wenig der dort herrschende Trubel dem konzentrierten Lernen zuträglich ist. Ein solches Beispiel ist Thema des nächsten Kapitels. VI.1.1.4 Schulszene (1636) Eine weitere Schulszene Molenaers [Abb. 112]741 ist in ihrer Grundkomposition trotz gegenläufig angeordneter Figuren mit dem Kasseler Bild gut vergleichbar, allerdings fehlt die Bürgerfamilie und es sind ausschließlich Kinder einfacher Herkunft zu sehen. Wäre das Gemälde nicht zwei Jahre später als die Kasseler Szene datiert, würde man aufgrund der einfacheren Szenerie eine frühere Ent739

Weller 1992, S. 104. Westermann 2002, S. 54. Sie zitiert die Vorschläge des Amsterdamer Dramatikers Jan Vos, der 1667 die Unordnung als wichtiges Merkmal möglichst überzeugender Theaterstücke hervorhebt. 741 Jan Miense Molenaer: Schulszene, 1636, Holz, 50.5 x 83.0 cm, Verbleib unbekannt (Christie’s London, Auktion 7962, 14.04.2011, Lot 13); Hartford 1950/1951, S. 20, Kat.-Nr. 50, mit Abb. im unpaginierten Tafelteil; Weller 1992, S. 358, Abb. 17. Dr. Dennis P. Weller verdanke ich auch den Hinweis auf die Auktion. 740

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stehung oder die Arbeit eines Schülers vermuten. Erzählerisch ist sie nämlich gerade im Vergleich zu der eben beschriebenen Komposition wenig innovativ. Die überzeugende Figurenschilderung sowie die gekonnte Malweise aber sprechen für ein Werk von Molenaers Hand.742 Auch hier blicken wir in einen Raum mit flacher Decke, deren Streben parallel zu den Blickachsen nach hinten verlaufen. Hier ist die linke Seitenwand durchbrochen. Die Öffnung reicht, anders als bei dem Beispiel in Kassel, nicht bis zum Boden und macht so eher einen fensterartigen Eindruck. Durch ihn sind schemenhafte Figuren zu erkennen, offenbar einige Mädchen, die von der erhobenen Rute einer Lehrerin diszipliniert werden. In der vom Lehrer betreuten Klasse ist es mit der Disziplin wiederum nicht weit her: Wie auf dem 1634 datierten Gemälde soll hier ein Junge gezüchtigt werden. Seine Haltung – und auch die des Lehrers – ist im Prinzip dieselbe wie auf dem Bild in Kassel, obschon der Junge dort als Rückenfigur dargestellt ist. Zwischen den beiden, am Fuß des Pults, liegt nun aber ein zusammengerollter Hund, dessen Gelassenheit der Szene jegliche Dramatik nimmt. Stünde das Tier kläffend daneben, wie das bei einem noch zu erörternden Bild [Abb. 118] neben einer Keilerei zu sehen ist, wäre die Atmosphäre eine ganz andere. So wirkt der bärtige Lehrer bestenfalls harmlos. Unter seinem fellbesetzten Hut trägt er eine Stoffhaube mit Ohrenklappen, die wohl gegen die Kälte in dem großen Raum schützen soll, ihn aber vor allem lächerlich aussehen lässt. Die am Pult stehenden Kinder grinsen, haben sie doch von ihm nichts zu befürchten. Passend dazu hängt über dem Schrank, der bei dem grob gezimmerten Pult steht, wie eine Karikatur der akkuraten und zudem gerahmten Schrifttafel des Kasseler Bildes, ein großes Blatt, auf dem das schlaufig geschriebene Alphabet zu erkennen ist. Dass am unteren Rand Künstlersignatur und Datierung zu sehen sind, wirkt wie ein augenzwinkernder Verweis des Künstlers auf die eigene Ausbildung oder wie eine an die frechen Schüler adressierte Solidaritätsbezeugung. Wie ernst es Molenaer aber mit dem wirtschaftlichen Erfolg seiner Arbeit gewesen sein muss, verdeutlicht die Wiederholung der Bezeichnung am Sockel des Pults. Die Kinder an der Bank vorne rechts sind ähnlich ärmlich und bunt gekleidet wie die Schüler im Vordergrund des Kasseler Bildes. Sie amüsieren sich über einen Jungen, der sich an dem Strumpf seines rechten, auf die Bank gestützten Beines zu schaffen macht. Dabei zeigt er selbst lachend auf die Bestrafungsszene. Es ist unklar, was für eine Anspielung sich dahinter verbirgt. Es mag eine Art Spiel sein,743 diese Deutung passt aber nicht bei den Szenen, wo einzelne Kinder mit entblößtem Unterschenkel zu sehen sind [Abb. 108, 110, 117]. Der mit einem bestrumpften Bein illustrierte Sinnspruch Al safjens soetjens Roemer Visschers,744 der die Notwendigkeit eines sorgfältigen Vorgehens in allen Dingen betont, scheint nicht recht passend – obschon mehreren ungezogene Schülern Molenaers die Strümpfe heruntergerutscht sind. Visscher veranschaulicht seine Botschaft mit einem nicht richtig sitzenden, weil zu hastig angezogenen Strumpf, und so mag auch in diesen Fällen gemeint sein, dass die Knaben nicht mit dem nötigen Ernst bei der Sache sind. Denn dass sie wie der Schüler auf dem späteren Bild Verelsts [Abb. 85] etwas Verbotenes tun, ist weder hier noch auf der anderen Szene Molenaers, die ein übereinstimmendes Motiv zeigt [Abb. 108], eindeutig auszumachen. Auch wenn die Botschaft nicht zu entschlüsseln ist: Dass der verrutschte Strumpf inhaltlich bedeutsam ist, beweisen die Gesten und Blicke der umstehenden Kinder, die dem Betrachter gar keine andere Wahl lassen, als auf das nackte Knie zu schauen. Im Hintergrund haben sich ein paar größere Jungen an einem Tisch versammelt, sie scheinen zu arbeiten. Ein etwa mittig stehender Knabe versucht mit seinem ausgestreckten Arm ein kleines Mädchen daran zu hindern, den Raum durch die Tür in der Rückwand zu verlassen. Mit erhobenem Zeigefinger bedeutet er dem Beobachter, dass dies eigentlich Aufgabe des Lehrers wäre. Das klamaukhafte Potential des Motivs allerdings bleibt hier unausgeschöpft, denn die rechts lehnende Leiter nutzt niemand zur Flucht. Dahinter erkennt man im Dunkel des sich anschließenden Raumes Heu und landwirtschaftliches Gerät – diese Schule ist also tatsächlich eine Bauernschule. 742

Weller, der den Höhepunkt von Molenaers Schaffen um 1636 ansetzt, rechnet es ebenfalls zu den authentischen Gemälden Molenaers. Weller 2002, S. 14, 17. 743 In Hartford 1950/1951, S. 20, Kat.-Nr. 50, wird vermutet, es handle sich um ein Spiel, bei dem eine Münze versteckt wird, allerdings bleibt unerwähnt, worauf diese Beobachtung gründet, denn ein Geldstück ist auf dem Bild nicht zu sehen. 744 Visscher 1614, Teil III, S. 126, Nr. IV .

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Die im Vergleich zu dem zwei Jahre eher entstandenen Kasseler Gemälde geringere erzählerische Virtuosität widerspricht zunächst der gängigen Einschätzung, nach der Künstler das einmal erreichte Niveau über längere Zeit halten. Womöglich erklären sich diese Unterschiede aus dem Bedürfnis des Künstlers, ökonomisch zu arbeiten und Kunst für nahezu „jeden Geldbeutel“ anzubieten.745 Das Bild spricht in seiner vergleichsweise anspruchslosen Argumentation eine andere Käuferschicht an als die zuvor beschriebene Szene [Abb. 110]. Diese wirtschaftlich orientierte Arbeitsweise lässt sich auch bei anderen Werken Molenaers feststellen, und so ist es denkbar, dass – etwa am undefiniert wirkenden Hintergrund des Bildes – Schüler des Meisters beteiligt waren. Gerade 1636 war für Molenaer ein Jahr, in dem er die Hilfe seiner Lehrlinge vermutlich häufig in Anspruch nehmen musste: In dieser Zeit starb sein Vater, und der Künstler erlitt einen finanziellen Bankrott, aber er heiratete auch. Im folgenden Jahr zog er mit seiner Frau nach Amsterdam, wo er sich lukrativere Aufträge erhoffte – und das, wie sich zeigen sollte, zu Recht.746 Es ist denkbar, dass die folgende Szene schon dort gemalt wurde. VI.1.1.5 Schulszene in Innsbruck In einer weiteren Unterrichtsdarstellung Jan Molenaers ist der unter den Kindern herrschende Aufruhr deutlich gesteigert [Abb. 113]:747 Ihre Gesten und Blicke sind lebhaft und machen den in der Schule herrschenden Lärm regelrecht spürbar. Die Szene am Pult rechts ist im Prinzip dieselbe wie auf den beiden zuvor beschriebenen Bildern: Dort haben sich mehrere Kinder versammelt, um ihre Lektion vorzutragen. Der Lehrer, der eigentlich einem von einem Blatt vorlesenden Jungen zuhören sollte, holt aus, um einem Knaben mit der plak einen Schlag auf die Handfläche seiner Rechten zu versetzen. Bis auf die Kinder in unmittelbarer Nähe und zwei Buben, die sich etwas abseits rechts vom Pult befinden, nimmt kaum einer der insgesamt 44 Schüler die Bestrafung wahr. Nur ein Mädchen, das vorne etwa in der Mitte steht, versucht drei sich prügelnde Mitschüler darauf aufmerksam zu machen. Vermutlich will sie ihnen bedeuten, dass es ihnen genauso ergehen könnte, wenn sie nicht aufhören. Die beiden Jungs und das kleine Mädchen lassen aber nicht voneinander ab. Das verwundert nicht, denn die Figur des Lehrers ist kaum geeignet, den Streithähnen Respekt einzuflößen: Er ist ein alter, geradezu gramgebeugter Mann in einem abgetragenen, grünlichen Gewand, braunen Hosen und dunklen Schlappen. Auch die weibisch wirkende helle Haube unter dem Hut fehlt nicht. Die markante Hakennase und der weiße Ziegenbart könnten seinem Gesicht Charakter verleihen, sein in sich gekehrter, fast schon trauriger Blick macht aber jeden Anflug von Autorität zunichte. Daran ändert auch die Rute nichts, die seitlich am Pult hängt. Die Schülerschar ist, von den Kindern am Pult einmal abgesehen, in drei Gruppen zusammengefasst, die – anders als bei den anderen Szenen [besonders Abb. 110 und 112] – zu einer stimmigen Komposition zusammengefügt sind: Im unmittelbaren Vordergrund sind mit den Streitenden acht Kinder um eine parallel zum Bildrand stehende Bank versammelt. Alle gebärden sich auffällig: Ein Junge hat seinen bloßen linken Fuß auf die Bank gestellt und die rechte Hand in Richtung des Lehrers über den Kopf erhoben. Der rechts neben ihm Sitzende ruft etwas in Richtung der Raufenden. Der Krug, den er am Gurt um seine Hüfte trägt, lässt ahnen, was die Gruppe so in Rage bringt. Sicher enthält er Wein oder Bier, ein harmloseres Getränk würde in diesem Kontext wenig Sinn machen. Nicht umsonst erinnert der Aufbau der linken Gruppe mit den raufenden Buben an eine wohl in einem Wirtshaus lokalisierte Prügelszene Adriaen Brouwers, die zur selben Zeit entstanden ist.748 Eine größere Gruppe von Jungen und Mädchen drängt sich am linken Bildrand, sie stecken die Köpfe zusammen, ihre Mienen und Gesten machen einen aufgeregten Eindruck. Ganz vorne sitzt ein barfüßiger Junge vor einem etwa gleichaltrigen Mädchen auf dem Boden. Er blickt in ein Buch, das in ihrem Schoß liegt, und auch sie fährt mit ihrem rechten Zeigefinger die Zeilen entlang – hilft ihm also offensichtlich beim Lesenlernen. Da ihr Blick aber gedankenverloren nach oben schweift 745

Haarlem/Worcester 1993, S. 87. Raleigh 2002, S. 3 f. 747 Jan Miense Molenaer: Schulszene, um 1630–1636, Holz, 35.7 x 55.4 cm, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck, Inv.-Nr. Gem 617; Innsbruck 1886, S. 55 f.; Innsbruck 1928, S. 90, Kat.-Nr. 617. 748 Adriaen Brouwer: Raufende Kartenspieler in einer Schänke, um 1632/1633, Holz, 33.3 x 49.7 cm, Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Alte Pinakothek, München, Inv.-Nr. 562; München 2009, S. 54–57, mit Abb. 746

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und ihre linke Hand vage auf die sich prügelnden Schüler weist, ist sie abgelenkt und damit keine gute Lehrerin. Kurz davor, außer Rand und Band zu geraten, scheint die Gruppe von großen Jungen an dem Tisch im Hintergrund, eigentlich sind es fast schon junge Männer. Einer von ihnen ist auf den Tisch geklettert, ein anderer greift ihm ans Hinterteil und blickt den Betrachter dabei mit unbewegter Miene an. Zwei Schüler links scheinen sich anzuschreien, zwei weitere auf der anderen Seite des Tisches beschäftigen sich mit einem Blatt Papier, dass diese Bemühungen aber zu nichts weiter führen werden, lässt die allgemeine Unruhe vermuten. Besonders an diesem Bild ist – wie an vielen Beispielen der Haarlemer Schule – abzulesen, dass die in Schulordnungen geforderten festen Plätze in den ärmlichen Klassen kaum vorhanden waren. Dadurch sollte, wie Valcooch es ausdrückt, „Unehrbarkeit“ verhindert werden, wenn die Kinder wie „Hengste“ herumtobten.749 Tatsächlich unterscheidet sich das Treiben in diesem Raum nur wenig von dem einer Pferdekoppel. Sicher waren die gerade nicht als solche erkennbare Sitzordnung der Schüler auf Bruegels Kupferstich [Abb. 34] oder die turbulente Komposition der Allemode School [Abb. 40] eine wichtige Inspiration hierfür. Auch Tavernenszenen mögen für das sorgsam arrangierte Chaos vorbildhaft gewesen sein. So steht auf dem Schrank hinter dem Lehrer ein irdener Krug, der wohl flüssigen Trostspender für den geplagten Mann enthält. Zudem unterscheidet der Raum sich nicht wesentlich von Schänkenszenen Molenaers [Abb. 115].750 Die gegenüberliegende Wand wird von einem großen, rhombenförmig verglasten Fenster durchbrochen. Das ist auffällig, denn die anderen Schulräume des Künstlers sind fensterlos. Am Fensterrahmen hängt etwas Heu herab. Rechts befindet sich ein Wanddurchbruch zu einem helleren, hier allerdings offenbar leerstehenden Bereich. Bemerkenswert ist auch der Junge ganz rechts neben dem Pult, der mit der Hand aus dem Bild zeigt. Es scheint, als habe er mit Blick auf die Situation in der Klasse beschlossen, sich davonzumachen. Sein farblich zweigeteiltes Hemd erinnert an die uniforme Kleidung der Schüler im Waisenhaus [Abb. 109]. Deutet seine Geste also an, dass der Unterricht im Waisenhaus dem Tohuwabohu dieser Schule vorzuziehen ist? Gleichermaßen nur vage deutbar ist das Verhalten des mürrisch blickenden Jungen neben ihm. Dieser reibt sich den möglicherweise von Hieben (des Lehrers?) schmerzenden Kopf. Ist er bereit, seinem Kameraden dorthin zu folgen, wo es ihm besser ergeht? Obschon nicht alle Details definitiv einzuordnen sind, ist die Darstellung insgesamt stimmig und wirkt damit überzeugender als die meisten der bisher beschriebenen Arbeiten Molenaers. Auch malerisch ist die Szene gekonnt ausgeführt. Die Figuren wirken natürlich, ihre Bewegungen auch im Gesamtkontext schlüssig. Im Vordergrund verwendet Molenaer helle, deckend aufgetragene Farbtöne wie Rot, Blau und Gelb sowie einige blasse Grüntöne. Der Hintergrund dagegen wird von skizzenhaft eingesetzten Brauntönen dominiert. Die im Vordergrund fast fröhlich wirkende Farbigkeit ist gut mit dem Kasseler Bild und dem Beispiel im Kunsthandel [Abb. 110, 112] zu vergleichen. Da ihm bei dem Innsbrucker Gemälde flüssigere Übergänge gelingen und das gestische Zusammenspiel der Figuren überzeugender ist, liegt es nahe, die Szene zeitlich etwas später anzusetzen als die vorherigen. VI.1.2 Zur chronologischen Ordnung der Werke Molenaers Trotz dieser Anhaltspunkte kann eine tragfähige, auf stilistischen Beobachtungen basierende Chronologie im Rahmen dieser Untersuchung nicht vorgenommen werden. Es ist zum Beispiel aufgrund seiner souveränen Malweise und der insgesamt stimmigen Komposition auch denkbar, dass das Innsbrucker Bild früher entstanden ist als die davor besprochenen Arbeiten [Abb. 110 und 112], da die vielschichtige didaktische Konstruktion der 1634 datierten Kasseler Darstellung einige Meisterschaft voraussetzt. Diese wiederum ist zwar ikonographisch sehr klar und malerisch ebenfalls von hoher Güte, die Bewegungen der Dargestellten jedoch wirken zum Teil hölzern, und auch die Komposition ist in ihrer Gesamtheit weniger stimmig. Diese Entwicklung setzt sich in der zwei Jahre später entstandenen Darstellung [Abb. 112] fort, denn auch diesem Gemälde fehlt 749

Valcooch 1597, Regel 291 f.; de Planque 1926, S. 23 f. (Zitat Valcooch S. 183); de Booy 1981, S. 434. Jan Miense Molenaer: Die Dorfschänke, um 1659, Eichenholz, 65.0 x 68.0 cm, Staatliche Museen zu Berlin – Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 949; Berlin 1996, S. 85, Kat.-Nr. 949, Abb. 145 auf S. 365; Raleigh 2002, S. 172, Abb. 1.

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(noch?) die kompositorische Virtuosität, die das Innsbrucker Beispiel auszeichnet. Dessen im Gegensatz zu der Kasseler Szene wenig komplexe Botschaft ist allerdings gut mit dem ebenfalls eher schlichten Inhalt der Arbeit im Kunsthandel [Abb. 112] vergleichbar. Die im Folgenden zu behandelnden Werke Molenaers unterscheiden sich vor allem in zwei Punkten von den zuvor erörterten Bildern: Zunächst fällt auf, dass die bisher meist flache Decke des Raumes durch einen offenen, hohen Dachstuhl ersetzt ist – der für manche der Schulszenen der Brüder van Ostade [Abb. 126 und 138] typisch ist und der auch schon die zuletzt erörterte Szene [Abb. 113] überwölbt. Da Molenaer in Amsterdam mit bäuerlichen Szenen reüssierte,751 ist dieses auf einen ländlichen Kontext hinweisende Detail ein Indiz für die Datierung der Bilder. Beispielhaft für diese Spezialisierung ist etwa die 1637 datierte Fette Küche [Abb. 114],752 die in ihrer im Detail fast schon knalligen Farbigkeit in einem insgesamt tonig gestaltetem Umfeld einige Parallelen zu der Innsbrucker Schulszene [Abb. 113] aufweist – was ebenfalls ein Indiz für die Datierung des Bildes nach 1636 ist. Bei den späteren Beispielen lässt eine größere Distanz zum Zuschauer die Szenen weniger eindringlich und lebhaft wirken.753 Zugleich geht es dort meist nicht so turbulent zu und Molenaer legt weniger Wert auf die individuelle Charakterisierung der Schüler. Die Figuren sind im Verhältnis zum Bildraum zum Teil deutlich kleiner, so dass der Eindruck von Unordnung durch die Kleinteiligkeit der Szenen zwar einerseits gesteigert ist, das Chaos durch die Entfernung zwischen Betrachter und Bild jedoch nicht mehr so unmittelbar und heftig wirkt. Diese Distanzierung ist zwar schon an der Kasseler und der Innsbrucker Szene [Abb. 110 und 113] zu beobachten, dort ist aber Molenaers Bemühen um eine abwechslungsreiche Gestaltung der kindlichen Protagonisten eher spürbar, während auf den im Anschluss zu diskutierenden Bildern größtenteils ältere Jungen in einfacher Kleidung zu sehen sind. Einschränkend ist zu sagen, dass diese Einschätzung754 bis zu einem gewissen Grad auch durch die mindere Qualität der verfügbaren Bildvorlagen bedingt sein mag.755 Anhand der Reproduktionen ist kaum zu entscheiden, ob es sich wirklich um weniger ambitionierte Arbeiten Molenaers oder vielleicht doch um Werke von Nachfolgern bzw. Nachahmern handelt.756 Entsprechend werden die Bilder hier nur summarisch besprochen. Zweifelsfreie Beispiele aus Molenaers reifer Zeit [Abb. 115 und 116757] deuten eher auf einen Kreativitätsschub gegen Ende seines Schaffens hin und sprechen gegen die Annahme, dass die weniger gekonnten Unterrichtsdarstellungen ebenfalls von seiner Hand stammen. Zwar gibt es Ähnlichkeiten – etwa den im Vergleich zur Personage sehr hoch wirkenden Raum mit dem freiliegenden, zum Teil verschachtelten Dachstuhl. Doch bemüht der Künstler sich darin mehr um eine differenzierte Beschreibung der sich lebhaft bewegenden Dargestellten und eine Betrachterperspektive, die auch das Geschehen im hinteren Teil des Raumes erkennen lässt – was bei den im Folgenden erörterten Szenen immer weniger der Fall ist. Da sich aber bei allen deutliche motivische und auch stilistische Parallelen zu Werken Molenaers finden, kann davon ausgegangen werden, dass sie zumindest in seinem engere Umkreis oder seiner Nachfolge entstanden sind.

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Raleigh 2002, S. 17 ff. Jan Miense Molenaer: Die Fette Küche, 1637, 181.4 x 102.5 cm, Privatsammlung Großbritannien; Raleigh 2002, S. 139 ff., Kat.-Nr. 25, mit Abb. 753 Weller 2002, S. 21, notiert dies als ein Merkmal der Bilder in der Zeit um 1640–1648. 754 Sie wird für die Zeit nach ungefähr 1640 von Weller in Raleigh 2002, S. 4, folgendermaßen zusammengefasst: „Covering some thirty years of work and resulting in a largely undistinguished body of work, this phase of his career pales in comparison to the production of his youth.“ 755 Für seinen – wenn auch ergebnislosen – Einsatz, mir die Bildvorlagen der in den 1980er Jahren beim Kölner Kunsthaus Lempertz angebotenen Bilder [Abb. 118 und 119] zugänglich zu machen, danke ich Dr. Takuro Ito. 756 Ein solcher Kandidat ist z. B. Jan Jacobsz. Molenaer (gest. 1685), vgl. Raleigh 2002, S. 21 f. Dessen dort als Abb. 16 abgedruckte Tavernenszene weist mit den eben erwähnten Kompositionen Jan Miense Molenaers zahlreiche Übereinstimmungen auf. 757 Jan Miense Molenaer: In der Taverne, 1662, Leinwand, 109.0 x 162.0 cm, Museum of Fine Arts, Boston, Inv.-Nr. 07.500 [Abb. 116]; Raleigh 2002, S. 174 ff., Kat.-Nr. 36, mit Abb., oder Jan Miense Molenaer: Die Bauernhochzeit, um 1659–1660, Leinwand, 93.0 x 133.0 cm, Privatsammlung; Raleigh 2002, S. 171 ff., Kat.-Nr. 35, mit Abb. 752

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VI.1.3 Wohl nach 1636 entstandene Schulszenen Molenaers Auf einer dieser Darstellungen [Abb. 117]758 sind die Kinder in Geschlecht und Kleidung noch verhältnismäßig differenziert, ihre Bewegungen sind lebhaft und zum Teil ähnlich theatralisch wie auf dem Kasseler Beispiel [Abb. 110]. Unter der hohen Dachwölbung nehmen die Protagonisten aber lediglich das untere Drittel des Raumes ein. Zu sehen ist eigentlich auch nur die vorderste FigurenReihe. Was dahinter vor sich geht, bleibt größtenteils verborgen, denn in den dunklen Bereichen des Raumes sind die Gestalten zum Teil mit nur wenigen Pinselstrichen hingeworfen. Aber auch die Gesichter einiger Schüler vorn – etwa das des direkt vor dem Pult Stehenden – sind flüchtig gemalt, fast so, als sei das Bild unvollendet geblieben. Der auf der rechten Seite gegenüber der Tür platzierte bärtige Lehrer richtet seinen kritischen Blick auf den Kiel einer Schreibfeder, anstatt auf die sich wild gebärdenden Kinder zu achten. In der Rechten hält er zwar die plak, und in seinem Gürtel steckt eine Reisigrute, trotzdem gelingt es ihm nicht, die Rabauken in Schach zu halten. Entsprechend wirkt die verzerrte Miene des am Pult auf die Knie gesunkenen Knaben eher wie ein Hohnlachen als wie eine Schmerzensgeste. Auf der anderen Seite des Raumes ist eine Schlägerei im Gange: Ein Schüler ist einem anderen an die Gurgel gegangen und hat diesen auf die Bank gedrückt, ein weiterer versucht, den Jungen in seiner Rage zurückzuhalten, und ein dritter ruft, auf die Streithähne deutend, nach dem Lehrer – ohne Erfolg. Scheinbar ist der Schüler, der ungefähr in der Bildmitte auf das Pult zuwankt, ebenfalls ein Opfer des Schlägers. Er zeigt auf sein wohl lädiertes Gesicht – ganz ähnlich wie der weinende Junge im Vordergrund des Kasseler Bildes [Abb. 110]. Neben der Schlägerei nestelt ein Schüler an den Rockschößen seines Nebenmanns. Er kippt aus einem Krug am Gürtel des anderen wohl Wein oder Bier in seinen eigenen. Dieses Motiv findet auch in den verlotterten Schulen der Gebrüder Ostade [gut zu sehen beispielsweise auf Abb. 133] Verwendung. Mag sein, dass Alkohol die Gemüter der Streithähne so erhitzt hat. Und es ist gut möglich, dass auch der Schüler in der Gruppe am Pult, der mit einem Strohhalm aus einem Krug trinkt, sich ein ermutigendes Schlückchen genehmigt, bevor er an der Reihe ist. Weitere kleine Einzeldramen illustrieren die desolate Situation dieser Schule: Ein Mädchen vor dem Pult trocknet sich mit ihrer Schürze die Tränen. Vermutlich hat sie der blonde Bursche neben ihr zum Weinen gebracht. Auf der Bildvorlage sieht es so aus, als streue er ihr Heu auf den Kopf. Auch diese Szene spielt sich unmittelbar vor den Augen des Lehrers ab, ohne von ihm geahndet zu werden. Vor allem die Jungen wirken fast schon wie junge Männer. Derjenige, dessen Krug „angezapft“ wird, scheint mit seinem breitkrempigen Hut deplatziert, da die Kopfbedeckung nicht zur üblichen Schulkleidung gehört, sondern eher zu einem Gast in einer Schänke oder einer fröhlichen Gesellschaft passt [vgl. Abb. 115 und 116]. Sein bedeutungsvoller Blick wirft die Frage auf, ob sich die Anspielungen auf Alkoholkonsum in jungen Jahren ausschließlich auf die mangelnde Vorbildfunktion und Autorität des Lehrers beziehen. Auch neben ihm steht schließlich ein Krug. Oder kannte Molenaer die zeitgenössischen Klagen, die schlecht entlohnten Lehrer würden um eines Zubrots willen neben dem Schulbetrieb Tavernen betreiben?759 Da nicht auszumachen ist, was genau sich im Hintergrund abspielt, ist nicht auszuschließen, dass dort Zecher sitzen. Ähnliche Andeutungen einthält eine Szene, von der zu einem späteren Zeitpunkt noch die Rede sein wird [Abb. 169].760 Wie das rechts gehäufte Heu vermuten lässt, befindet der Raum sich in einer ländlichen Gegend. Und dass gerade die in ärmlichen Milieus oder auf dem Land tätigen Schulmeister einen besonders schweren Stand hatten und infolgedessen besonders leichte Beute des Alkohols waren, ist auch schon hinlänglich erläutert worden. Für den zeitgenössischen Betrachter bietet auch diese Szene zahlreiche einerseits schockierende, anderseits belustigende Motive, die – obschon die Darstellung insgesamt weniger beziehungsreich konstruiert ist als andere Bilder Molenaers – ein insgesamt amüsant-aufschlussreich komponiertes und malerisch gekonntes Szenario ergeben. 758

Jan Miense Molenaer: Schulszene, wohl nach 1636, Holz, 55.0 x 74.0 cm, Nationalmuseum Stockholm, Inv.-Nr. NM 680; Stockholm 1958, S. 128, Nr. 680; Stockholm 1990, S. 227, mit Abb.; Stockholm 2005, S. 327, Kat.-Nr. 339, mit Abb. Durantini 1983, S. 158, erwähnt noch eine Schulszene Molenaers, in der ein Schulmeister seine Feder schärft, die bei Lepke Berlin 1935 zum Verkauf stand. In den mir zugänglichen Katalogen des fraglichen Jahres habe ich keinen Hinweis auf ein solches Bild finden können. 759 Durantini 1983, S. 167; Boekholt/de Booy 1987, S. 70 f. 760 Vgl. hier Kapitel VI.4.4.

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Im Aufbau ähneln dieser drei weitere Schuldarstellungen [Abb. 118,761 119,762 120763]: Auch sie zeigen jeweils eine große Zahl zumeist unruhiger Schüler, die in einem dunklen Raum mit weiträumigem Dachstuhl versammelt sind. Ein Blick auf die in farbiger Reproduktion vorliegende Warschauer Szene lässt vermuten, dass die Bilder möglicherweise in gedämpfteren Tönen gehalten sind als die mutmaßlich früheren Arbeiten des Künstlers. Andererseits verhalten sich die Kinder in dieser Schule ungewöhnlich friedlich, so dass dieses Beispiel vielleicht nicht unbedingt typisch bzw. – wie gleich anhand eines letzten Bildes von Molenaer [Abb. 121] erörtert werden wird – unter Umständen das letzte in dieser Reihe ist. Eine bei Lempertz versteigerte Szene [Abb. 118] ist noch vergleichsweise abwechslungsreich gestaltet – allerdings könnten die Unterschiede zu den anderen Arbeiten auch dafür sprechen, dass dieses Werk nicht von der Hand Molenaers stammt. Der Lehrer hat seinen Platz vor dem wärmenden Kaminfeuer rechts verlassen und steht im Hintergrund in der Nähe der geöffneten Tür. Durch diese ist eine Mutter mit ihrem Kind eingetreten. Der Schulmeister aber, eine Figur desselben Typs wie auf dem Stockholmer Bild und der anderen bei Lempertz angebotenen Schulszene [Abb. 117 und 119], wird von einem kleinen Jungen abgelenkt, der mit heruntergelassenen Hosen, den vermutlich blanken Hintern von seinem Hemd verdeckt, vor ihm steht. Offensichtlich ist der Schulmeister bei der Bestrafung des Buben, der seine Hände wie um Gnade bittend erhoben hat, unterbrochen worden. So überrascht es nicht, dass auch der Junge an der Hand der Mutter Fluchtreflexe zeigt. Ob sie sich, wie zeitgenössische Quellen berichten, bei dem Lehrer über seine Grausamkeiten beklagen oder das Kind in seine Obhut geben will, ist nicht erkennbar. Ihre Skepsis ist aber zu erahnen. Bestätigt wird sie wohl von einer Szene im Vordergrund links, wo sich zwei ältere Schüler prügeln. Genau genommen drischt der eine mit der Faust auf seinen Mitschüler ein, während er ihn mit der Rechten hinunterdrückt – eine brutal wirkende Szene. Die meisten Schüler sind anderweitig beschäftigt. Viele unterhalten sich, zwei Jungen im Hintergrund links ringen miteinander, einer spaziert demonstrativ über die Bänke, ein anderer am linken Rand scheint ihm folgen zu wollen. Bücher oder Hefte sind kaum zu sehen, und so kann der Betrachter sich einerseits über die frechen Späße der Kinder amüsieren, zugleich aber den intellektuellen Erfolg dieser Schule als absolut ungenügend erkennen. Ganz anders als bei dem Bild in Stockholm aber wirken die Figuren in dem geradezu riesigen Raum verloren, die Wirkung des Bildes ist so weit weniger intensiv respektive abschreckend. Bei zwei weiteren Beispielen [Abb. 119 und 120] dagegen ist die Perspektive so angelegt, dass von den Schülern im Hintergrund kaum mehr zu sehen ist als die Köpfe. Bei seinen anderen Arbeiten [vor allem Abb. 108 und 110, aber auch 113] fügte Molenaer die Dargestellten zu interagierenden Gruppen in ein spannungsvolles und zugleich vollständig zu überblickendes Arrangement. Von dieser Fähigkeit ist bei beiden Bildern kaum mehr etwas zu spüren: Bei dem Beispiel im Kunsthandel gibt es zwar noch Kinder, die durch ihre Bewegungen an das Chaos der früheren Szenen erinnern, etwa der Junge am Pult, der mit verzerrtem Gesicht seine schmerzende Hand vorzeigt, oder der Klassenkamerad links, der in seine Richtung zeigt. Da diese Aktionen aber isoliert sind, in keinem größeren Bewegungszusammenhang stehen, wirken sie schematisch, wie erstarrt. Bei dem Warschauer Gemälde sind kaum noch Bewegungen erkennbar, die Klasse wirkt wie ein monolithischer Block vor dem Pult. Nur die nun schon mehrfach beschriebene Szene auf der Bank gemahnt entfernt an die Streiche der früheren Bilder – da hier aber weder ein Krug noch der Vorgang des Umfüllens zu sehen sind, ist das Motiv nicht mehr als ein schematisches Repoussoir. Auch der kleine Hund, der der Szenerie Lebendigkeit verleihen könnte, steht einfach nur da und trägt so eher zum Eindruck von Erstarrung bei. Diese nahezu völlige Reglosigkeit der ehemals so turbulenten Kompositionen verbindet das Bild in Warschau mit einer letzten Arbeit Molenaers zu diesem Thema. 761

Jan Miense Molenaer (?): Schulszene, wohl nach 1636, Eichenholz, 82.0 x 107.0 cm, Verbleib unbekannt (Lempertz, 12.–14.06.1980, Lot 129). Die Zuschreibung erfolgte aufgrund eines Gutachtens von Walther Bernt. 762 Jan Miense Molenaer: Schulszene, wohl nach 1636, Holz, 36.0 x 53.0 cm, Verbleib unbekannt (Lempertz, 23.– 26.11.1983, Lot 1575, bezeichnet als „Beim Schiedsmann“ und entsprechend gedeutet als mit Hammer sein Urteil fällender Richter am Pult, „streitende Bauern“ und „diskutierende Männer“.) 763 Jan Miense Molenaer: Schulszene, wohl nach 1636, Holz, 31.5 x 44.0 cm, Nationalmuseum Warschau, Inv.-Nr. 129055; Warschau 1969/1970, Bd. I, S. 278, Nr. 828, mit Abb. Das Bild ist nach freundlicher Auskunft des Kurators Maciej Monkiewicz neuerdings als „Steuereintreiber“ identifiziert. Das scheint mir angesichts der kompositorischen Parallelen zu den Schulszenen und vor allem wegen der seitlich am Pult befestigten plak nicht glaubhaft.

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VI.1.4 Molenaers Abkehr von den turbulenten Schulszenen Die Darstellung unterscheidet sich in Format und Komposition deutlich von den bisher beschriebenen Werken Molenaers [Abb. 121]:764 Der Raumausschnitt ist wesentlich kleiner, zudem ist es das einzige Hochformat dieser Art. Rechts sitzt der alte Lehrer am Pult, er ergreift die Hand eines kleinen Jungen, um diesem einen Schlag mit der plak zu versetzen. Der Typus des Mannes entspricht Schulmeistern auf zwei der eben besprochenen Bilder [Abb. 117 und 119]. Die Haltung des Jungen gleicht Figuren auf den Gemälden in Kassel und Innsbruck [Abb. 110 und 113]. Wie auf dem aus der Sammlung Oberländer stammenden Werk [Abb. 112] schlummert neben dem Pult ein Hund. Ähnlich friedlich verhalten sich die anderen Schüler, Buben und einige Mädchen. Die meisten stehen am Pult, andere sitzen auf einer Bank, die diesem gegenüber steht. Einige Gestalten füllen den Hintergrund, wo sich eine helle Türöffnung abzeichnet. Durch sie tritt eine Frau mit einem Jungen. Zwar blickt dieser wie fragend zu ihr auf, doch gibt es in dieser Schule, im Gegensatz zu der wohl früheren Szene [Abb. 118], die dieselbe Begebenheit zeigt, keinen Grund, sich zu fürchten – vorausgesetzt, man ist brav. Die anderen Kinder scheinen die Bestrafung ihres Mitschülers hämisch zu beäugen. Wie auf anderen Bildern Molenaers deutet ein Junge von links auf die Szene. Die vielfach leicht gebückte Haltung mit dem Kopf zwischen den Schultern, die typisch für viele Schülerfiguren Molenaers ist, scheint zugleich ein gewisses Schuldbewusstsein auszudrücken. Anders als auf den wohl in den 1630er Jahren geschaffenen Bildern sind hier keine Raufereien zu sehen. Dieser vergleichsweise zurückhaltende Ton schlägt sich auch in der Farbgebung in Braunund Rottönen nieder, die der des motivisch ebenfalls beruhigten Warschauer Bildes [Abb. 120] nahe steht. Obschon mir Szenen, die die späte zeitliche Einordnung der Darstellung stützen könnten, nicht bekannt sind, lassen die deutlichen Unterschiede zu den datierten Unterrichtsdarstellungen vermuten, dass es sich um ein Werk aus einer anderen, sehr wahrscheinlich späteren Werkphase Jan Molenaers handeln muss. Darüber, was den Künstler zu dieser Veränderung bewogen hat, kann nur spekuliert werden. Naheliegend wäre die wirtschaftliche Motivation, seine Arbeiten dem sich wandelnden Publiku*msgeschmack anzupassen,765 denn auch in anderer Hinsicht scheint Molenaer marktorientiert gehandelt zu haben: Vor allem für um die Mitte der 1630er Jahre entstandenen Darstellungen Molenaers sind Parallelen zu Arbeiten Adriaen Brouwers festzustellen.766 Da dieser Haarlem vermutlich 1631/1632 verlassen hat, ist es nicht unwahrscheinlich, dass der etwas jüngere Künstler seinen Platz als Schilderer derb-bewegter Szenen bewusst und wohl auch mit einigem Erfolg eingenommen hat.767 Von Brouwer selbst sind keine Schulszenen erhalten. Dass allerdings Molenaer gleich mehrere vor allem in der rüpelhaften Charakterisierung der Dargestellten an Brouwer angelehnte Schulszenen geschaffen hat, lässt vermuten, dass diese drastischen Darstellungen gefragt waren. In dieser Hinsicht unterscheiden sich Molenaers Werke von den etwa gleichzeitigen Darstellungen des gleichfalls von Brouwer beeinflussten Adriaen van Ostade, dessen Lehrer nur selten eine physische Reaktion auf die nur latent spürbaren Frechheiten ihrer Schüler zeigen. Diese wirken im Vergleich zu den quirligen Kindern Molenaers geradezu paralysiert, ein komplizenhaftes Grinsen ist meist der Gipfel anmaßenden Verhaltens. Im Gegensatz zu den bruegelesk-gedrungenen Protagonisten van Ostades ist Molenaers Figuren eine natürliche Körperlichkeit eigen. Sein Gespür für das komische Potential zwischenmenschlicher Interaktion, das in den Szenen der 1630er Jahre zutage tritt, nimmt die wesentlichen Merkmale der in Kapitel VIII behandelten Schulbilder des vermutlichen Ostade-Schülers Jan Steen vorweg.768 764

Jan Miense Molenaer: Schulszene, nach 1650 (?), Holz, 42.0 x 37.5 cm, Verbleib unbekannt (Phillips Son & Neale London, 04.07.2000, Lot 131), RKD-Nr. 69091. Die Autorschaft bestätigt laut Auktionskatalog ein Schreiben Walther Bernts aus dem Jahr 1970. 765 Vgl. für eine ausführliche Diskussion dieser Veränderungen besonders Kapitel VI.3. 766 Molenaer hat selbst Werke Brouwers besessen. Raleigh 2002, S. 6, 51, S. 184–187 (Abschrift des Inventars). 767 Zumindest stellt sich das aus der Perspektive des späteren 17. Jh.s so dar, wenn Molenaer von Samuel van Hoogstraten im Zusammenhang mit der Charakterisierung der Genre-Malerei mit Brouwer gewissermaßen „in einem Atemzug“ genannt wird: Tot den tweeden graed behooren alle kodderyen, bambootserytjes, Brouwers poetsen, hedendaegse speeltjes, molenaers kroegjes […]. Hoogstraten 1678, S. 87, zitiert auch in Raleigh 2002, S. 50. 768 Zur Belustigung als Bildmittel bei Steen und Molenaer siehe: Westermann 1997, und Westermann 2002; einige Berührungspunkte zwischen den beiden Malern nennt zusammenfassend: Westermann 2002, S. 60, Anm. 38.

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Die Wirkung von Molenaers großen Schulräumen, in der eine Vielzahl von sich auf verschiedenste Weise lebhaft bis hin zu überaus rüde gebärdenden Figuren zu beobachten sind, war dennoch vergleichsweise begrenzt.769 Einzelne Motivideen allerdings werden, wie im Folgenden noch gezeigt wird, von anderen Künstlern häufig übernommen. Allerdings ist anhand der vermutlich frühesten Szenen [Abb. 107, 108 und 110] gut nachvollziehbar, wie Molenaer zu der Komposition findet, die für die späteren vielfigurigen Unterrichtsdarstellungen kanonisch werden wird: Der Lehrer ist fast immer seitlich am hölzernen Pult positioniert, die Kinder sitzen oder stehen im Raum verteilt. So gestalten auch die Künstler nach Molenaer ihre Schulszenen, und entsprechend kann man ihn gewissermaßen als den Wiederentdecker der in den Graphiken des 16. Jahrhunderts manifestierten Bildform bezeichnen, denn auch wenn die Szenen nicht datiert sind, handelt es sich dabei vermutlich um die frühesten Beispiele dieser Art. Fast allen etwa gleichzeitig oder später entstehenden Szenen, die diesen Aufbau übernehmen – darunter sind auch die im Anschluss zu besprechenden Bilder der Gebrüder van Ostade – fehlt die dynamische Interaktion, die den Reiz von Molenaers Darstellungen ausmacht. Zwar weisen die Schulszenen des ebenfalls in Haarlem ausgebildeten Egbert van Heemskerck einige Parallelen zu Molenaers vielfigurigen Szenen auf, ihm fehlt aber die Fähigkeit, seine Protagonisten so überzeugend als frech, grausam oder erschrocken zu charakterisieren.770 Erst Jan Steen belebt den Typus des lebhaften „Schulpanoramas“ [Abb. 221] zu Beginn der 1670er Jahre neu und findet in dieser Hinsicht auch Nachfolger [Abb. 231, 234–237]. Besonders beeindruckt zu haben scheint ihn aber, wie schon angedeutet, Molenaers expressive Darstellung von Schülern, die Angst, Schmerz oder Belustigung empfinden. Dieser Einfluss ist bereits ab etwa 1650 spürbar und ist in den entsprechenden Kapiteln (vor allem Kapitel VIII.3 und VIII.4) näher beschrieben. Zur Zeit respektive in der direkten Nachfolge Molenaers, also etwa um 1650, findet das vielfigurige und zugleich mit Blick auf einzelne Protagonisten sehr bewegt gestaltete Kompositionsschema kaum Nachhall. Auch diese erst verzögerte Rezeption ist – wie im Verlauf noch dargelegt wird – vermutlich vor allem im eher klassizistisch orientierten Geschmack der Käuferschaft um die Jahrhundertmitte begründet, die nunmehr wenig Gefallen an allzu derben Darstellungen fand. Ebenfalls ohne Wirkung bleibt – sieht man einmal von dem Gemälde Verelsts ab, dessen Inspiration durch Molenaer allerdings nicht nachzuweisen ist [Abb. 85] – dessen originelle Idee, in den Schulräumen Protagonisten verschiedener sozialer Klassen aufeinander treffen zu lassen [Abb. 108 und 110] –, vermutlich letztlich auch, weil das Konfliktpotential dieser Begegnungen der aufkommenden Beliebtheit gemäßigter Darstellungen entgegensteht. Dass aber auch spätere Künstler in ihren durchaus drastischen Bildern sich diese Erfindung nicht zunutze machen, ist bemerkenswert. Für manche, etwa Egbert van Heemskerck, mag die Komplexität solcher Sujets ein Hindernis gewesen sein. Das gilt für den virtuosen Jan Steen sicher nicht, dieser macht sich aber – wie noch ausführlich erörtert wird – eine andere, weniger intellektuell-ernste Art der Argumentation zu eigen. Deutlich mehr direkte Nachahmer finden, wie im Folgenden dargelegt, die vergleichsweise beruhigten Schulszenen Adriaen van Ostades. Zunächst führt uns die Betrachtung also zurück in das Haarlem der 1630er Jahre, wo gleichzeitig mit Jan Molenaer zunächst Adriaen und etwas später sein jüngerer Bruder Isack van Ostade ihre Karriere als Maler beginnen. VI.2

Die Schulszenen der Gebrüder van Ostade

Über das Leben der beiden Brüder ist wenig bekannt, das für ihr Werk und damit für den hier untersuchten Themenkomplex aufschlussreich sein könnte. Beide waren fleißige, anerkannte Meister, deren Leben offenbar ihrer Arbeit gewidmet war.771 Adriaen van Ostade (1610–1685) war ein wohlhabender, gebildeter Mann, Mitglied der Haarlemer Bürgerwehr sowie in den Jahren 1661 und 1662 Kommissar und Dekan der Haarlemer St. Lukas-Gilde. Als Schüler von Frans Hals erhielt er seine malerische Prägung sehr wahrscheinlich unter anderem gemeinsam mit Jan Molenaer – eine Vermutung, die unter anderem durch die Parallelen zu dessen Schulszenen gestützt wird. 769

Eine offensichtlich von Molenaer beeinflusste Arbeit [Abb. 169] setzt zugleich die Kenntnis der Arbeiten Adriaen und Isack van Ostades voraus und wird deswegen erst in Kapitel VI.4.4 behandelt. 770 Vgl. dazu hier Kapitel VI.4.7. 771 Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 22.

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Pelletier vermutet, Adriaen sei früh klar geworden, dass er die lebensnahen Bildnisse seines Lehrers niemals würde übertreffen können, so dass er sich – von dem zwischen 1625/1626 und 1631/1632 in Haarlem tätigen Adriaen Brouwer beeinflusst – auf Alltagsdarstellungen spezialisiert habe.772 Schnackenburg hält Adriaen van Ostade für den „Schöpfer des holländischen Bauernbildes“, dessen Arbeiten sich „von den früheren, mehr oder weniger aus flämischen und manieristischen Traditionen lebenden Bauerndarstellungen deutlich“ unterscheiden. Seine ersten Werke aus den 30er Jahren des 17. Jahrhunderts seien „bescheidene kleine Bilder mit anfängerhaften Zügen“ und zeigten „keine schülerhafte Abhängigkeit von einem bestimmten Vorbild.“773 Für die vergleichsweise originellen Unterrichtsdarstellungen trifft dies allerdings, wie zu sehen sein wird, nur bedingt zu. Es ist zwar nicht nachweisbar, dass Brouwer gleichzeitig mit van Ostade Schüler von Frans Hals war, dass aber dieser seine Arbeiten gekannt hat, legen motivische Ähnlichkeiten nahe:774 Die Protagonisten von Ostades in den 30er Jahren des Jahrhunderts entstehenden Wirtshausszenen [Abb. 122]775 beispielsweise haben wie die Brouwers [Abb. 123]776 wenig intelligent wirkende Gesichter, sie tragen abgerissene Kleider und zerbeulte Hüte. Doch haben seine Figuren nicht die rohen, fast brutal wirkenden Züge, die viele der Gestalten Brouwers charakterisieren. Dieser konzentriert sich vielfach auf den menschlichen Ausdruck, während für van Ostade stets auch die Lokalisierung der Personen im Raum und die Schilderung des Interieurs wichtig sind. Er arbeitet dabei deutlicher mit Licht-Schatten-Effekten, wodurch die Darstellungen plastischer wirken. Und nicht zuletzt mildern die von van Ostade vielfach verwendeten Pastelltöne die Drastik seiner Darstellungen.777 Obschon von Brouwer keine Schulszenen überliefert sind, gibt es einige Beispiele, die stilistisch mit ihm in Verbindung zu bringen sind [beispielsweise Abb. 192 oder 195]. Motivisch sind bei diesen Bildern auch Parallelen zu den Unterrichtsdarstellungen van Ostades zu beobachten, so dass vermutet werden kann, dass sie ebenfalls im Haarlem der späten 1620er bzw. 1630er Jahre entstanden sind. Davon wird in Kapitel VII die Rede sein. Anders als die Bilder Brouwers zeichnen besonders Adriaen van Ostades späte Arbeiten – und das gilt auch für die Schulszenen – das Leben der einfachen Leute als friedliches Idyll. Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts verschwinden Säufer, Streithähne und ungezogene Kinder ganz aus Ostades Bildern. Bei den von ihm bevorzugt geschilderten geselligen Runden in oder vor behaglich wirkenden Behausungen herrscht eine heitere Stimmung. Doch auch seine frühen Darstellungen sind, anders als die Brouwers,778 selten auf ein motivisches oder inhaltliches Extrem zugespitzt, die Stimmung wirkt häufig ambivalent. Das liegt daran, dass Ostade zwar noch negativ konnotierte Motive verwendet. Meist aber bilden sanftes Licht und freundliche Farben ein die Drastik der Szenen entschärfendes Gegengewicht zu den ungehobelt wirkenden Personen und verkommenen Räumen. Zugleich wirken vor allem die zwergenhaft-rundlichen Kinder so niedlich, so dass man ihnen die groben Unverschämtheiten, die sich Molenaers robust gebaute Schüler erlauben, gar nicht zutraut. Schnackenburg meint zwar, Molenaers „harmlos-gutmütige Landleute“ stünden „den Bauern Ostades näher als die Triebwesen Brouwers“,779 aber auf die hämisch ihre Mitschüler verlachenden oder verprügelnden Schulbuben trifft das gerade nicht zu [etwa Abb. 110 und 117]. Der elf Jahre jüngere Isack van Ostade (1621–1649)780 war einer der ersten Schüler seines Bru772

Pelletier 1998, S. 7. Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 28. Dennoch meint er auf S. 29, die Werkstatt Frans Hals’ hätte den geeigneten Nährboden für van Ostades Œuvre geboten. 774 Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 29 f.; New York/Maastricht 1982, S. 9; Franits 1996, S. 3; van der Coelen 1998, S. 21; Franits 2004, S. 41 f.; zur Zeit Brouwers in Haarlem vgl. auch: Höhne 1960, S. 11 ff. 775 Adriaen van Ostade: Wirtshausszene, um 1635, Eichenholz, 28.8 x 36.3 cm, Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Alte Pinakothek, München, Inv.-Nr. 864; München 2006, S. 140 ff., Abb. auf S. 141. 776 Ein Beispiel sind die Raufenden Männer, um 1633, Eichenholz, 15.5 x 14.2 cm, Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Alte Pinakothek, München, Inv.-Nr. 2112; München 2009, S. 60 f., Abb. auf S. 61, auf den folgenden Seiten weitere Werke Brouwers, an denen die hier angeführten Charakteristika gut nachzuvollziehen sind. 777 Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 30 f., erörtert den Einfluss der frühen Leidener Gemälde Rembrandts, der sich in der für die Haarlemer Malerei ungewöhnlichen Farbgebung niederschlägt. Dazu ausführlicher: Gerson 1969, S. 140 f. 778 Van der Coelen 1998, S. 18, 20: Der Aufsatz bietet einen detaillierten Vergleich der Werke van Ostades mit anderen bäuerlichen Genreszenen der Zeit. 779 Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 30. 780 Für die Schreibweise des Vornamens gibt es verschiedene Varianten (auch „Isack“, „Isaac“ oder gar „Isackk“), da er selbst aber stets mit „Isack“ signierte, übernehme ich diese Version. Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 16. 773

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ders. Er lernte neben Richard Brakenburgh, Cornelis Dusart, Cornelis Bega781 und Jan Steen – Malern, die sich ebenfalls mit dem Thema Schule beschäftigten sollten. 1643 wurde er Mitglied der Haarlemer Künstlergilde, starb jedoch bereits sechs Jahre später. Infolge seines frühen Todes ist sein Schaffen weniger scharf konturiert als das seines Bruders, der bis in die 80er Jahre des 17. Jahrhunderts tätig war. Zwar gibt es auch für die zahlreichen Gemälde Adriaens kein Werkverzeichnis, das durch eine chronologische oder motivische Einordnung der Bilder die Verortung der Schuldarstellungen im Gesamtwerk erleichtern würde, aber immerhin kann anhand von Teilbereiche seines Werks behandelnden Publikationen782 ein relativ umfassender Überblick gewonnen werden. Für Isack fehlen – bis auf Schnackenburgs Katalog der Zeichnungen der Brüder – diese Veröffentlichungen. Auf den ersten Blick viel versprechend, doch aufgrund der zum Teil nicht näher beschriebenen „Schulen“, „Dorfschulen“ oder „Schulmeister“ und anderen mehr nur bedingt hilfreich ist das Verzeichnis Hofstede de Groots, das die beeindruckende Zahl von 38 Schulszenen Adriaens und 18 Beispiele Isack van Ostades aufzählt. Eine Identifikation mit im RKD verzeichneten oder publizierten Unterrichtsdarstellungen ist jedoch nur für einen geringen Teil dieser Bilder (elf für Adriaen und vier für Isack respektive vermutliche Nachfolger/Nachahmer) gelungen, da ihre Katalogisierung nicht selten lediglich auf knappen Vermerken in Versteigerungskatalogen des 18. Jahrhunderts beruht.783 Es erklärt sich natürlich vor allem aus dem Lehrer-Schüler-Verhältnis, dass die nur zum Teil signierten Bilder Isacks von den frühen Arbeiten Adriaens oder den Werken anderer Schüler und Nachahmer schwer abzugrenzen sind.784 Die Schuldarstellungen der Brüder werden infolgedessen gemeinsam behandelt, wobei die Abfolge sich an der ungefähren chronologischen, vor allem aber an der motivischen Einordnung der Darstellungen orientiert. Besonders die frühen Schulszenen des Älteren finden vergleichsweise viele Nachahmer. Dabei ist häufig kaum zu beurteilen, ob es sich um die Arbeit eines späteren oder um die eines gleichzeitig tätigen Künstlers handelt. Weitere Schwierigkeiten ergeben sich aus der Entwicklung, die Adriaens frühe Werke von den ab etwa 1640 entstehenden Bildern absetzt. Im Grunde müsste die Besprechung der Darstellungen von Schülern oder gleichaltrigen Kollegen unmittelbar nach der der Bilder aus den 1630er Jahren angesetzt werden, um die zumindest theoretisch denkbare zeitliche Parallelität anschaulich zu machen. Um die Wandlung von Adriaen van Ostades Auffassung des Themas nachvollziehbar darzustellen, werden seine Arbeiten jedoch zusammen erörtert. Entsprechend werden die Bilder, die sehr wahrscheinlich nicht von der Hand Adriaen oder Isack van Ostades stammen, jedoch eng mit deren Werken verwandt sind, erst nach den späten, in den 1670er Jahren entstandenen Arbeiten Adriaens besprochen – unabhängig davon, ob sie nun ebenfalls in den 1630er Jahren in Haarlem oder erst später entstanden sind. Zunächst folgt die Vorstellung der ersten datierten Unterrichtsszene Adriaens. Sie trägt das Datum 1634 und ist damit im selben Jahr entstanden wie Molenaers wichtiges Kasseler Bild [Abb. 110]. Zwar ist es gut denkbar, dass motivisch nur wenig abweichende Darstellungen ohne Datierung gleichzeitig oder auch etwas früher gemalt worden sind. Dennoch soll die früheste nachweisbare Entstehungszeit als Anhaltspunkt zur zeitlichen Einordnung der Beispiele, deren Entstehungsjahr nicht bekannt ist, vorangestellt werden.

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Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 33; van Thiel 2006, S. 29. Etwa die Aufsätze in Phagan 1994, und Coelen 1998, oder eben die Publikationen Schnackenburgs. 783 Zu deren Verlässlichkeit vgl. die Einschätzung des Autors selbst: Hofstede de Groot 1907, Bd. I, S. IV ff. 784 Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 22, zur Problematik der Händescheidung kurz zusammenfassend auf S. 24 f. 782

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VI.2.1

Die Szenen der 1630er Jahre

VI.2.1.1 Adriaen van Ostades früheste datierte Schulszene Die 1634 datierte Schulszene Adriaen van Ostades [Abb. 124]785 gehört zum Frühwerk des Künstlers.786 Der Blick fällt in die Ecke eines hohen, heruntergekommenen Raumes. Rechts überragt in einem hölzernen Lehnstuhl mit mürrischer Miene der Lehrer das um ihn gescharte Völkchen von rundlich-plumpen Schülern. Er trägt eine Filzkappe, die seine Augen fast bedeckt. Die seitlich daran befestigte plak – so zum ersten Mal bei Bruegels Esel in der Schule [Abb. 34] zu sehen – verleiht ihm einen verwegenen Eindruck, der durch das unter der Mütze um den Kopf gewickelte weiße Tuch eine seltsam feminine Note erhält. Seine weite Hose und die darüber geknüpfte helle Schürze verstärken diesen Eindruck noch. Der seltsame Schulmeister betreut zwölf Jungen und Mädchen. Vor allem die Buben, bekleidet mit runden Filzhüten, gegürteten Hemden und engen Hosen, haben mit den Bauernfiguren Bruegels viel gemein.787 Und besonders die auf Hockern bzw. auf dem Boden sitzenden und kauernden Kinder erinnern in ihrer Haltung an die Schülerschar Bruegels. Einige von ihnen haben sich vor dem Lehrer versammelt, dessen Anblick sie offenbar nicht wenig amüsiert. Ein Junge, der rechts zu Füßen des Lehrers kauert, verliert, von Gelächter übermannt, scheinbar fast das Gleichgewicht. Selbst auf den heutigen Beobachter wirkt dieses Verhalten frech, und zu van Ostades Zeit wurde unkontrolliertes Lachen erst recht als grobe Unziemlichkeit empfunden.788 Aufschluss über den Anlass zur Heiterkeit könnte die Notiz geben, die ein kleiner Kerl im Bildvordergrund hochhält. Mit etwas Phantasie erkennt man in ihm die Figur des bei Bruegel [Abb. 34] rechts im Vordergrund sitzenden Männleins mit riesigem Schlapphut wieder. Anders als dieser dreht sich Ostades Schüler, an dessen Hütchen eine kesse Feder steckt, komplizenhaft lachend zum Betrachter um. Worum es dabei geht, bleibt unklar, denn die Schrift ist weder auf der Detailaufnahme noch im Original zu entziffern.789 Manche Mitschüler aber scheinen eingeweiht zu sein: Noch ein großer Junge am Pult lacht laut heraus, während sich die anderen eher bedeckt halten, womöglich, weil sie den Zorn des Lehrers fürchten. Eine Gruppe am Tisch im Hintergrund wirkt unbeteiligt, die Kinder scheinen zu arbeiten. Über ihnen hängen die üblichen Blätter an der Wand. Weitere Utensilien sind eine Leiter, ein aus Brettern gezimmerter Raumteiler,790 Krüge und ein Regal, darauf ein kaum zu identifizierendes Gefäß und wohl ein Buch – alles Requisiten, die ähnlich bei Bruegel und Molenaer zu finden sind und die auch auf anderen Schulszenen der Brüder verwendet werden. Vor allem die verschiedenen Schülertypen tauchen, teils kaum variiert, immer wieder auf. Auch die an landwirtschaftliche Nutzräume gemahnende Ausstattung des Raumes mit unverkleidetem Dachstuhl und daraus hervorhängendem Heu ist ähnlich wie bei Molenaer. Zwar ist die Gesamtkomposition eine ganz andere, denn dort sind meist ein deutlich größerer Raumausschnitt und zugleich viel mehr Schüler zu sehen.791 Doch der markante Stützbalken hinter dem Platz des Lehrers, der dessen Figur kompositorisch hervorhebt, findet sich auch dort häufig [zum Beispiel auf Abb. 110, 113, 118, 119 und 120]. Während bei Molenaer vor allem im Vordergrund häufig leuchtende Farben dominieren, ist das Bild van Ostades in gedeckten Tönen gehalten. Das weiche Licht, das auch viele andere seiner 785

Adriaen van Ostade: Dorfschule, 1634, Holz, Dm. 19.5 cm, Landesmuseum Mainz, Inv.-Nr. 176; Hofstede de Groot 1910, Bd. III, S. 259, Nr. 382; Mainz 1997, S. 385 ff. mit Abb. Eine motivisch identische Version der Szene auf einer rechteckigen Tafel mit den Maßen 19.3 x 22.2 cm existiert in der Kelvingrove Art Gallery, Glasgow, Inv.-Nr. 14. Dabei handelt es sich vermutlich um die Kopie eines späteren Meisters, auch wenn der Zustand des Bildes die Beurteilung erschwert. Hofstede de Groot 1910, Bd. III, S. 258, Nr. 380; Glasgow 1961, Bd. I, S. 104, Kat.-Nr. 14, Bd. II, S. 66, Abb. Nr. 14; Mainz 1997, S. 387, Anm. 2. 786 Zu den Anfängen Adriaens als Maler allgemein siehe Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 28 ff. 787 Zur Inspiration Adriaen van Ostades durch andere Werke Pieter Bruegels vgl. Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 25. 788 Dekker 2001, bes. S. 9 ff. 789 Mainz 1997, Abb. auf S. 385. 790 Eventuell verbirgt sich hinter diesem die Schlafstatt des Schulmeisters. Alt 1960, Bd. I, S. 453. 791 Laut Schnackenburg 1970, S. 160, Anm. 12, stellt die Arbeit eine „wichtige Zwischenstufe“ bei der Entstehung der weiträumigen Scheuneninterieurs der Brüder dar.

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Interieurs [vgl. Abb. 138 und 139] mehr vor dem Auge des Betrachters verschwimmen lässt, als dass es sie erhellt, lässt den Raum diesig und stickig wirken, ganz wie es Erasmus in der im Zusammenhang mit Bruegels Esel in der Schule zitierten Passage ausmalt. Anders als der Kollege bei Bruegel bzw. die von Erasmus verspotteten Schulmeister scheint dieser gebeugt sitzende, ob der Mühen seines Dienstes scheinbar tatsächlich vorzeitig gealterte Lehrer sich seines Elends bewusst zu sein. Damit ist natürlich nicht gesagt, dass van Ostade die Stelle im Lob der Torheit kannte und sich explizit darauf bezieht, auch für Bruegel kann das ja nicht definitiv vorausgesetzt werden. Die Parallelen zeigen aber, dass auch zur Zeit van Ostades die von Erasmus und anderen Kritikern geprägten Spottmotive der ärmlichen Schulen und der diesen vorstehenden Witzfiguren gängig waren. Zwar lässt die Szene Fragen offen, sie verbildlicht aber eine merkliche psychologische Spannung, die den Betrachter einbezieht und den Lehrer als gemeinsames Ziel des Hohns von kindlichen Protagonisten und Zuschauer ausgrenzt. Nach derzeitigem Forschungsstand handelt es sich um die früheste datierte Unterrichtsdarstellung Adriaen van Ostades, und es gibt keinen Hinweis darauf, dass manche der nicht datierten Bilder vorher entstanden sind. Ohnehin ist darunter lediglich eine Zeichnung, die dem Künstler zweifelsfrei zugewiesen werden kann [Abb. 131], die meisten anderen Bilder stammen vermutlich eher von Isack oder anderen Zeitgenossen sowie Nachfolgern [Abb. 126, 129, 130]. Zwar liegt ihnen zum Teil ein erweitertes Motivrepertoire zugrunde. Letztendlich haben sie jedoch, neben der schäbigen Ausstattung und den versatzstückartig eingesetzten typischen Gestalten und Requisiten, mit dem Tondo eines gemeinsam: Eine Reaktion des Lehrers auf das Verhalten der frechen Schüler ist darauf kaum auszumachen, was umso irritierender wirkt, je mehr die Kinder lächeln, die Köpfe zusammenstecken, sich vieldeutig dem Betrachter zuwenden oder gar – wie auf Molenaers Kasseler Bild [Abb. 110] – im Begriff sind, zu flüchten [Abb. 133, 137]. Hierin also unterscheidet sich van Ostades Idee des Schulunterrichts von Erasmus’ Satire und den Szenen des Zeitgenossen Molenaer: Der Lehrer ergibt sich offenbar klaglos in sein Schicksal, was ihn aber kaum intelligenter wirken lässt. Lediglich auf einem 1662 entstandenen Bild [Abb. 145] van Ostades erhebt der Schulmeister die plak gegen eines der Kinder. Doch dazu später. Zwar gibt es eine Schulszene [Abb. 125a],792 die eine mit der des Mainzer Bildes nahezu identische Personage mit einem strafendem Lehrer zeigt: Der ebenfalls mit Filzhut und Kopftuch bekleidete Mann versohlt einem über seine Knie gebeugten Kind den blanken Podex. Doch auch das Verhalten dieser Kinder wirkt neutral bis belustigt, es sind keine furchtsamen Reaktionen auf das Durchgreifen des Schulmeisters festzustellen. Im Falle einer authentischen Arbeit ist die Datierung in beziehungsweise um das Jahr 1634 natürlich sehr wahrscheinlich und das Bild wäre ein Indiz für einen frühen Versuch van Ostades, dem Betrachter eindeutige Hinweise zur Deutung der Szene zu geben. Denn dass der grotesk wirkende Schulmeister die Kinder auch mit harten Strafen nicht zu Gehorsam erziehen wird, war für jeden Zeitgenossen offensichtlich. Neben der eher handwerklichen Malweise sprechen verschiedene Unstimmigkeiten gegen die Autorschaft Adriaens: Der charakteristische, hinter dem Lehrer aufragende Stützbalken wirkt instabil. Die zumeist in geduckter Haltung auf dem Boden hockende Schülerschar ist van Ostades Knirpsen sehr ähnlich, der Junge im Vordergrund etwa ist nahezu derselbe, auch wenn er sich abgewandt hat. Es gibt aber auch Physiognomien, etwa die des Buben im Profil rechts mit ausgesprochen dicker Nase, die bei van Ostade nicht vorkommen. Vermutlich sind diese Unterschiede auf einen weniger geübten Maler zurückzuführen, der sich bemühte, der Darstellung eine eigene „Handschrift“ zu geben.793 Natürlich liegt der Gedanke nahe, das Werk sei eine Arbeit des jüngeren Bruders, denn dieser orientiert sich vor allem zu Beginn seiner Laufbahn eng an den Bildern des Älteren. Der Blick auf 792

Umkreis Adriaen van Ostade (?): Schulszene mit strafendem Lehrer, um 1635–1640 (?), Holz, 26.5 x 37.5 cm (ovaler Bildträger), Verbleib unbekannt (Kunsthandel Fred Muller, Amsterdam, 21.11.1933, Lot 45); Ausschnitt aus dem Auktionskatalog mit Abb. im RKD BD/800/A. v. Ostade. 793 Es gibt ein weiteres Bild mit der Signatur Adriaen van Ostades [Abb. 125b], das die Reihe seiner Arbeiten, in denen der Spott der Schüler ohne disziplinarische Konsequenzen bleibt, durchbricht. Da es sich kompositorisch allerdings an Werken orientiert, die nach 1640 entstanden sind [Abb. 138, 143, 148], liegt die Vermutung nahe, es handle sich nicht um die Arbeit eines Zeitgenossen, die mit der den Wert des Bildes steigernden Bezeichnung versehen wurde, sondern um eine spätere Fälschung: Unbekannt (Umkreis/Nachfolge Adriaen van Ostade?): Schulszene mit strafendem Lehrer, 1635, Holz, 20.0 x 24.0 cm, Verbleib unbekannt (1972 Kunsthandel J. O. Leegenhoek, Paris); RKD-Nr. 241877; Moskau 2009, S. 286.

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eine weitere, der Mainzer Szene nahe stehende Darstellung [Abb. 126]794 jedoch, die sehr wahrscheinlich von Isack gemalt wurde, spricht dagegen. Dieses Bild zeigt bereits einen eigenen Stil, der sich deutlich von dem des Bildes bei Muller [Abb. 125a] unterscheidet. Die Zuschreibung an Isack wiederum macht der Vergleich mit seinem 1645 entstandenen Gemälde Das geschlachtete Schwein [Abb. 127]795 wahrscheinlich. Zwar lässt sich an der plastischeren, natürlicher wirkenden Modellierung der Figuren und dem gekonnten Umgang mit dem Licht unschwer erkennen, dass es sich um ein reiferes Werk des jungen Ostade handelt – doch die Vorliebe für die ausführliche Schilderung von komplizierten, verfallenden Dachkonstruktionen hat er offensichtlich beibehalten. Das Bild unterscheidet sich zwar ebenfalls in verschiedenen Punkten vom Werk Adriaens [Abb. 124], die Szenen verbindet jedoch ihre rätselhafte Unbewegtheit. Beide Szenen spielen sich in einem scheunenartigen Raum ab, wobei das Gebälk des Hochformats mit mehr Detailfreude geschildert ist. Auf beide fällt ein milchig-sanftes Licht, dessen Quelle nicht auszumachen ist. Noch stärker als das Rundbild ist das Gemälde der Hammer Collection durch die Lichtführung kompositorisch in zwei Bereiche geteilt: Die zentrale Szene ist in einem Lichtkegel zusammengefasst, der Rest nur schemenhaft angedeutet. Anders als bei dem Mainzer Gemälde ist bei diesem Bild der skizzenhafte Pinselduktus durchweg deutlicher zu erkennen – vor allem im Bereich des Dachstuhls, aber auch bei den Figuren. Die übereinstimmende Haltung mancher Protagonisten lässt auf eine Nachahmung schließen: Der auf dem Tondo rechts hockende Bub lagert in derselben Stellung etwa mittig vor dem Pult. Ihm gegenüber sitzt als verschattete Repoussoirfigur sein Spiegelbild, die Figur wurde also gleich zweifach verwendet. Auch der Junge gleich neben dem Lehrer ist fast derselbe, hier verdeckt aber ein Hut den größten Teil des Gesichts, so dass er weniger individuell wirkt als sein unverschämt lachendes Vorbild [Abb. 124]. Bei beiden Bildern ist links im Hintergrund dieselbe Gruppe von fünf Schülern auszumachen. Das in der Haltung souveräner wirkende mögliche Vorbild des Schulmeisters findet sich auf einer wohl nach 1636 entstandenen Zeichnung Adriaens [Abb. 131]. Ein weiterer Punkt, der für die Autorschaft Isacks spricht, ist der hohe Hut des Lehrers, der besonders gut auf der vermutlich von Isack angefertigten Weimarer Zeichnung zu sehen ist [Abb. 132]. Die Körper der Dargestellten des Bildes der Hammer Collection allerdings wirken zweidimensional, schablonenartig. Die Beine des vorne auf dem Boden sitzenden Knaben beispielsweise sind im Verhältnis zum Rumpf zu kurz. Auch der Kopf des vorlauten Jungen neben dem Lehrer ist für seine Körpergröße zu klein.796 Diese wohl auf Unsicherheiten des jungen Künstlers zurückzuführenden inhaltlichen Unterschiede zur Mainzer Szene [Abb. 124] haben eine Verunklärung der Bildaussage zur Folge: Der bei dem Rundbild so deutliche Spott über den Lehrer ist hier nicht zu erkennen: Die mimische Bewegung der Kinder, vor allem des rechts neben dem Schulmeister stehenden Knaben, der auf dem Rundbild so unverschämt lacht, ist stark zurückgenommen. Der Schüler, der sich im Vordergrund des Tondos grinsend zum Betrachter umdreht, beugt sich hier über ein Blatt, so dass sein Gemütszustand nicht nur verborgen bleibt, er sogar geradezu fleißig wirkt. Motive, die einen Anhaltspunkt für eine kritische Sicht auf den hier dargestellten Unterricht bieten könnten, sind lediglich der umgestürzte Stuhl im Vordergrund und der insgesamt schäbige Zustand des Raumes. Da jedoch die Anzeichen von Chaos oder mangelnder Strenge weder unter den Schülern noch am Verhalten des Lehrers festzustellen sind, fehlen Anhaltspunkte zur zweifelsfreien Deutung der Szene. Dies ist allerdings, wie schon angesprochen, nicht nur bei einem später entstandenen, sich motivisch deutlicher von den Darstellungen des Bruders absetzenden Schulbild des Jüngeren [Abb. 137] der Fall, sondern auch bei späteren Arbeiten Adriaens. Demnach ist die Ambivalenz der Darstellungen nicht unbedingt ein Zeichen mangelnden Könnens, sondern hat zum Teil möglicherweise andere, im entsprechenden Kontext zu erörternde Gründe. 794

Isack van Ostade (?): Dorfschule, um 1635–1639, Leinwand, 24.7 x 19.7 cm, Hammer Museum – Armand Hammer Collection, Los Angeles; vgl. Greenville 1957, S. 37, mit Abb. 795 Isack van Ostade: Das geschlachtete Schwein, 1645, Holz, 57.0 x 50.0 cm, Palais des Beaux-Arts Lille, Inv.-Nr. P.277. 796 Im Moskauer Puschkin Museum wird eine Adriaen zugeschriebene Schulszene (Leinwand, 24.0 x 19.0 cm, Inv.Nr. 1681) bewahrt, die eine seitenverkehrte Variante des Bildes zu sein scheint und deren Figuren ähnlich ungelenk wirken. Unter dem Vorbehalt der mäßigen Abbildungsqualität ist es nicht ausgeschlossen, dass das Bild ebenfalls eine Arbeit Isacks ist. Hofstede de Groot 1910, Bd. III, S. 509, Nr. 163; Moskau 2009, S. 286 f., mit Abb.

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VI.2.1.2 Die spottenden Schüler Bildete der Lehrer in allen bisher diskutierten Szenen – sei es nun aufgrund seiner Größe oder durch tatsächliche Autorität – das Zentrum des Geschehens, ist er auf zwei weiteren, zwei Jahre nach dem Mainzer Tondo [Abb. 124] datierten Szenen deutlich an den Rand gerückt [Abb. 128797 und Abb. 129798 (respektive die Version Abb. 130)799]. Hier sei nur eine von beiden ausführlich beschrieben, da für das andere Beispiel [Abb. 128] kein adäquates Bildmaterial zugänglich war. Die Figur des Schulmeisters rechts der Bildmitte ist im Dunkel regelrecht verborgen. Durch das von links kommende Licht bzw. entsprechende Weißhöhungen zusätzlich hervorgehoben, bilden sieben fröhlich grinsende Schüler den Mittelpunkt der Szene. Zwar sind auf dem Bild noch weitere auf dem Boden und auf Bänken hockende oder stehende Kinder zu sehen, sie bleiben aber wie der Lehrer im dunklen Hintergrund. Die Knaben tragen dieselben schüsselartigen, teils tief in die Stirn gerutschten Hüte und gegürtete Kittel wie die des Mainzer Bildes, die Mädchen die gleichen weißen Tücher, die ihre Köpfe kugelrund wirken lassen. Die links auf dem Boden sitzende Figur, die in der einen Hand eine Tafel hochhält und sich mit der anderen auf den Boden stützt, ist auf nahezu allen Schulbildern van Ostades zu sehen – in diesem Fall ist es ein Mädchen. Etwas anders charakterisiert ist dagegen die periphere Figur des Schulmeisters, auf dessen Kopf, wie an der vermutlichen Kopie [Abb. 129] zu sehen ist, ein seltsam hoher Hut sitzt. Dieser erinnert an die Kopfbedeckung von Schulmeistern auf wohl später entstandenen Zeichnungen Isacks [Abb. 132 und 133]. Dass der Lehrer zur Randfigur wird, ist – wie eingangs angedeutet – ungewöhnlich. Zwar ist er bei dem signierten Bild [Abb. 129] noch vollständig zu sehen, während bei der Version in Göttingen [Abb. 130] gerade noch Kopf und Schultern ins Bild ragen und die Figur auch malerisch ganz zurückgenommen ist. Bemerkenswert ist aber auch bei dem wohl originalen Vorbild [Abb. 129] der den die Szenen sonst stets dominierenden Schulmeister ausgrenzende Einsatz des Lichts. Wie auf einer Bühne wird eine Gruppe Schüler angestrahlt, der Lehrer dagegen regelrecht ausgelöscht. Zugleich ist der stehende Junge im Vordergrund mindestens genauso groß wie der sitzende Mann. Da seine Gestalt zusätzlich durch das Licht hervorgehoben ist, liegt der kompositorische Schwerpunkt nicht auf dem Lehrer, sondern auf der Figur des stehenden Schülers bzw. auf der offenbar von ihm verursachten Unruhe unter den um ihn herum platzierten Kindern. So wird bei diesem Bild ein Aspekt besonders betont, der für die in den 30er Jahren des 17. Jahrhunderts entstehenden Schulbilder der Brüder typisch ist: Die Kinder – und das ist auf der Göttinger Version [Abb. 130] auch gut zu erkennen – amüsieren sich über etwas, das dem Lehrer, der ja eigentlich für Ruhe und Ordnung im Klassenraum sorgen sollte, entweder entgeht oder gleichgültig ist. So oder so: Seiner Pflicht kommt er nicht nach, und es ist offensichtlich, dass er es ist, über den die Schüler spotten. Und der Betrachter wird durch den verschmitzten Blick so mancher Kinder, zum Beispiel des sich umwendenden Jungen im Vordergrund genau in der Mitte der Szene, zum Komplizen dieses Spotts gemacht. Das Bild unterscheidet sich durch seine grünlich-braune Farbgebung deutlich von der Mainzer Szene [Abb. 124], die wie andere frühere Gemälde Adriaen van Ostades in eher kühlen Pastelltönen 797

Adriaen van Ostade (?): Schulszene, 1636, Holz, 19.0 x 24.0 cm, ehemals Slg. Strauss, Wien, Verbleib unbekannt (Strauss, Wien, 22.03.1926, Lot 27, Abbildung im RKD BD/800/A. v. Ostade); Hofstede de Groot 1910, Bd. III, S. 260, Nr. 386 (hier stimmen Provenienz und Maße mit den Angaben des RKD überein, nicht jedoch die Beschränkung auf acht Figuren), oder S. 262, Nr. 390 (Maße und Beschreibung entsprechen den Unterlagen des RKD, nicht jedoch die Provenienz). 798 Adriaen van Ostade: Schulszene, 1636, Holz, 23.7 x 35.1 cm, ehemals Slg. Jaffé, Berlin, Verbleib unbekannt (Christie’s Amsterdam, 06.05.1998, Lot 127). 799 Unbekannt (nach Adriaen oder Isack van Ostade): Schulszene, 17. Jh. (?), Holz, 19.0 x 24.5 cm, Kunstsammlung der Universität Göttingen, Inv.-Nr. 63; Hofstede de Groot 1910, Bd. III, S. 509, Nr. 162 (als Isack van Ostade); in Göttingen 1926, S. 59, Nr. 185, ist das Bild Anthonie Victorijns zugeschrieben, zu dessen Darstellung in Kopenhagener Privatbesitz enge Bezüge vermerkt werden, letzteres gehöre aber zu den „flüchtigen Bildern des Malers“. Parallelen werden auch zu der im Brouwer-Umkreis entstandenen, noch zu erörternden Berliner Szene [Abb. 192] festgestellt, ebenso zu einem von mir nicht identifizierten Bild Bartholomeus Molenaers in „Coblenz“. Göttingen 1987, S. 108, Nr. 63, mit Abb., ordnet das Werk aufgrund der Parallelen zu Isack van Ostades Warschauer Gemälde [Abb. 137] einem seiner Nachfolger zu. Bei dieser – möglicherweise zeitgenössischen – Version ist der Lehrer ganz am rechten Rand platziert, so dass die Kinder noch mehr in den Vorder- bzw. Mittelpunkt gerückt sind. Diese kompositorische Zuspitzung wäre auch durch eine spätere Beschneidung des Bildträgers zu erklären. Die ist aber ohne restauratorischen Befund nicht nachweisbar, auch wenn die rückseitig umlaufende Abfasung einen Hinweis darauf liefern könnte. Für diesen Hinweis danke ich der Kuratorin Dr. Anne-Katrin Sors.

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gehalten ist. Der Verlauf dieser stilistischen Entwicklung800 ist im Falle der Schulszenen – wie an späterer Stelle zu zeigen sein wird – erst anhand einer nach 1640 entstandenen, ebenfalls in eher monochromer Farbigkeit gemalten Szene [Abb. 138] festzustellen. Zunächst aber gibt es zwei Zeichnungen von Schulen, die vermutlich in der zweiten Hälfte der 1630er Jahre entstanden sind, und deren Besprechung sich demnach hier anschließt. Das erste Blatt stammt von Adriaen van Ostade, das zweite wohl von der Hand des Bruders, der sich in einigen Punkten an der Skizze des Älteren orientiert. VI.2.1.3 Schulszene mit seine Feder spitzendem Schulmeister Die Entstehung der ersten Skizze [Abb. 131]801 wird von Schnackenburg nach 1636 angesetzt.802 Das Blatt steht vor allem durch die Figur des grobschlächtig wirkenden Schulmeisters den bisher besprochenen Szenen nahe, andererseits ist darin eine motivische Neuerung zu sehen, die aus noch zu erläuternden Gründen erst gegen Ende der 1630er Jahre denkbar ist: Von rechts fällt durch ein großes Fenster Licht herein, wodurch der Raum sich wesentlich von den bisherigen, eher wie düstere Schuppen wirkenden Interieurs unterscheidet. Auch die von einer flachen Holzverkleidung gebildete Decke setzt den Raum von den anderen Schulzimmern ab, wo der Dachstuhl stets freilag. Der Schulmeister, ein großer Mann, der mit mürrischem Gesichtsausdruck und wichtigtuerisch ausholender Geste seine Feder spitzt – auch dies ein für Ostade neues Motiv – sitzt rechts mit dem Rücken zu diesem Fenster, vor einer schräg in den Hintergrund führenden Wand. Diese wird etwa in der Mitte von dem auch auf dem Mainzer Bild [Abb. 124] gesehenen, sehr flüchtig gezeichneten und deswegen nur auf den zweiten Blick erkennbaren Bretterverband unterbrochen. Dahinter sitzt ein Teil der Klasse an einem Tisch, eine Leiter lehnt in der Ecke des Raumes. Anders als bei dem Mainzer Beispiel hat diese ein Schüler erklommen, wohl um eines der an der Rückwand aufgereihten Blätter herunterzuholen. Die Szene lässt unwillkürlich an das Motiv von Molenaers 1634 datiertem Bild [Abb. 110] denken, und auch die an der Wand aufgehängten Blätter sind wohl dessen Erfindung [Abb. 112 und 113] doch da die Skizze ungefähr zeitgleich entstanden ist, ist nicht sicher zu rekonstruieren, welcher der beiden Künstler der Impulsgeber war. Die Schüler am Katheder scheinen den Lehrer eher spöttisch zu beobachten, als dass sie sich darauf konzentrieren, ihre Lektion fehlerfrei vorzutragen. Ein Mädchen lehnt am Pult, es hat den Kopf auf die Arme gelegt und blickt schmunzelnd zu dem Mann hoch. Ein Kind am Boden ist in seine Aufzeichnungen vertieft, andere haben sich in Grüppchen zusammengefunden, und scheinen zu lernen, so etwa ein Paar unterhalb des Fensters hinter dem Lehrer. Einige der Figuren sind mit denen des Tondos [Abb. 124] vergleichbar: Vor dem Pult des Blattes in Privatbesitz hockt das kichernde Kerlchen, das auf dem Rundbild rechts zu Füßen des Lehrers sitzt. Der die Nase scheinbar in seine Aufzeichnungen vergrabende Junge hinter ihm steht auf beiden Bildern an derselben Stelle, doch nur auf dem Gemälde erkennt man sein spöttisches Grinsen. Auch die Häme des großen Schülers neben bzw. hinter ihm ist dort gut sichtbar, auf der Zeichnung hingegen ist seine Mimik verwischt. An den Wänden des Raumes hängen allerlei Gerätschaften, und der unruhig fahrige Duktus der Zeichnung verstärkt den Eindruck, der Unterricht finde in einer chaotischen Gerümpelkammer statt. Anders als bei den bisher besprochenen Darstellungen sind die Schlagschatten der Figuren im Vordergrund durch den Lichteinfall deutlich konturiert, im Hintergrund verschwimmt die Zeichnung durch die Lavierung. Es ist nicht anzunehmen, dass das Licht, dessen Quelle van Ostade in dieser Unterrichtsdarstellung wohl erstmals zeigt, wie bei Dou symbolisch zu verstehen ist. Einerseits handelt es sich bei Ostade um Tageslicht, während bei Dou Kerzenlicht die Erhellung des Geistes versinnbildlicht. Auch die beschriebene Unordnung korrespondiert kaum mit der Absicht, einen patenten Lehrer mit seiner geistig wachen Schulklasse zu zeigen. Und doch verbindet die Tätigkeit des Mannes wie 800

Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 31 nennt auch weitere Beispiele für diese neuartige Farbgebung. Adriaen van Ostade: Schulszene, nach 1636, Mischtechnik, 17.5 x 21.7 cm, Privatsammlung Paris; Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 82, Nr. 15, Bd. II, Abb. 15, Taf. 9. 802 Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 38. 801

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auch das hier erstmals in einer Schulszene van Ostades verwendete Fenster die Darstellung mit einem schon kurz erwähnten, zu Beginn der 40er Jahre des 17. Jahrhunderts entstandenen Gemälde des Künstlers [Abb. 138], das sich von dessen in den 30er Jahren geschaffenen Schulräumen vor allem durch die klarere Farbgebung unterscheidet. Da Ostade das Schärfen der Feder auch in zwei eigenständigen Darstellungen behandelt, wird im Zusammenhang mit dem fraglichen Bild davon noch die Rede sein. Aufgrund der kompositorischen Unterschiede ist zwar auszuschließen, dass die Zeichnung dieses Gemälde vorbereitete. Dass jedoch die Skizze – wie ein Beispiel des Bruders Isack [Abb. 133], das an späterer Stelle ausführlich beschrieben werden wird – zur Vorbereitung eines Werkes diente, ist sehr wahrscheinlich.803 Anhand späterer Beispiele wird noch deutlich werden, dass die beiden Haarlemer auch im Fall ihrer Unterrichtsdarstellungen einzelne Motive und ganze Kompositionen in Zeichnungen vorbereiteten. Und es ist reizvoll zu vermuten, dass wir auf Adriaens 1663 entstandenem Atelierbild in Dresden [Abb. 157]804 sehen können, wie das in der Realität vor sich ging: Dort hat der Künstler eine figürliche Studie neben die Leinwand an die Staffelei geheftet, an der er sich nun bei der Ausarbeitung des Gemäldes orientiert. VI.2.1.4 Schulszene in Weimar Die Zeichnung, deren Aufbau eng an den eben beschriebenen Entwurf angelehnt ist, ist zwar mit „A. V. Ostade“ signiert, wird jedoch von der jüngeren Forschung Isack zugeschrieben [Abb. 132].805 Der Raumausschnitt und die Gruppierung der Schüler um den Lehrer sind ähnlich, wenn auch der Raum etwas anders ausgestattet ist: So fehlt zum Beispiel das Fenster, stattdessen ist rechts vom Lehrer, wo auf dem Pariser Blatt [Abb. 131] der zaunartige Raumteiler zu sehen ist, eine Tür. In beiden Fällen ist die Decke mit Holz verkleidet. Der Schulmeister ist, wie die anderen Lehrer van Ostades, von mächtiger Gestalt und hat wie sein Mainzer Kollege [Abb. 124] die plak an die Mütze gesteckt. Deren Form erinnert am ehesten an die hohe Kopfbedeckung des Lehrers auf dem Bild in Göttingen [Abb. 130]. Das Blatt ist deutlich von Adriaens Zeichenstil beeinflusst: Raum und Figuren sind flüchtig umrissen und durch Hell-Dunkel-Kontraste modelliert, so dass die Darstellung einen sehr lebhaften Eindruck macht. Die Federführung ist allerdings weniger gekonnt, die Zeichnung wirkt fahrig und etwas ungeschickt, zumal die Schatten weniger pointiert, sondern eher wahllos eingesetzt erscheinen. War der Wechsel zwischen sehr hellen und stark verschatteten Partien bei dem Blatt in Privatbesitz [Abb. 131] noch durch das von rechts durch das große Fenster einfallende Licht zu erklären, wirkt er hier unnatürlich. Auch in der Motivik sind Unsicherheiten zu beobachten: Die Schülerfiguren sind weniger gekonnt gezeichnet als die der Kinder auf anderen Bildern, deren Rundlichkeit und vor allem ihr freches oder gelangweiltes Mienenspiel überzeugender wirken. Hier sind die Gesichter nur angedeutet, so dass die Atmosphäre unbestimmt bleibt. Unklar ist auch, was der Junge im verschatteten Vordergrund links tut: Er macht sich an einem rechteckigen Kasten zu schaffen, der dort in den Raum ragt. Was genau das ist, ist schwer zu sagen. Mag sein, dass es einer der halbhohen, zweitürigen Schränke ist, wie er auf einem Schulbild aus dem Ostade-Umkreis [Abb. 158/159] zu sehen ist. Völlig überzeugend ist der Vergleich aber nicht, denn auch wenn das rechteckige Gebilde ebenfalls zwei Türen hat, steht es – statt an der Wand – mitten im Raum. Zudem fehlen dem vermeintlichen Möbel die Füße, wodurch es wie eine überdimensionierte Kiste wirkt. Eine solche findet sich im Hintergrund von Adriaens Zeichnung Muschelessende Bauern806 oder auf einem ähnlichen, 803

Laut Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 37, entstehen die mehrfigurigen Zeichnungen dieser Zeit meistens als Vorbereitungen für Gemälde. 804 Adriaen van Ostade: Der Maler in seiner Werkstatt, 1663, Öl/Eichenholz, 38.0 x 35.5 cm, Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden, Inv.-Nr. MdK 38/1990-3; Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 21; Dresden 2005, Bd. I, S. 440 f., mit Abb. 805 Adriaen oder Isack van Ostade: Schulszene, um 1635–1639, Mischtechnik, 18.7 x 25.2 cm, Klassik Stiftung Weimar – Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 5059; Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 48, S. 159, Kat.-Nr. 414, Bd. II, Taf. 171; Amsterdam 1999, S. 76 f., mit Abb.; in London/Paris/Cambridge 2002/2003, S. 194 bzw. S. 266, Anm. 4 als Arbeit Adriaens angesprochen. 806 Adriaen van Ostade: Muschelessende Bauern, um 1636, Mischtechnik, 21.7 x 32.2 cm, Hamburger Kunsthalle, Inv.Nr. 22305; Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 25, S. 81, Kat.-Nr. 9, Bd. II, Taf. 6, Abb. 9.

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Isack zugeschriebenen Blatt807 sowie einer wohl von einem Schüler oder Kollegen gezeichneten Schulszene [Abb. 161] – und obschon man auch dort nicht sehen kann, was genau es ist, ist ein Schrank am wahrscheinlichsten. Diese Unausgewogenheiten sprechen dafür, dass es sich bei der Arbeit um einen Versuch Isacks handelt, die frühen Schuldarstellungen seines Bruders zu adaptieren und durch die Zutat eigener Motive zu neuen Bildfindungen zu gelangen. Nach dem unausgereift wirkenden Zeichenstil zu urteilen, ist die Darstellung womöglich – wie das zuvor beschriebene Gemälde [Abb. 126] – in der Lehrzeit des Jüngeren, also vor 1639/1640 entstanden.808 VI.2.1.5 Schulszene in der Abrams Collection Eine im Gegensatz dazu sorgfältig ausgeführte Zeichnung [Abb. 133],809 die unten links die Signatur Isack van Ostades trägt, ist wohl frühestens in den späten 1630er Jahren entstanden. Stilistisch ist das Blatt als vorbereitende Studie für ein Gemälde [Abb. 137] zwar kaum mit der hastig gezeichneten Szene in Weimar [Abb. 132] zu vergleichen. Anders als dieses kommt das Blatt nahezu ohne die lebhaften Licht-Schatten-Effekte aus, die für die Zeichnungen in Paris und Weimar [Abb. 131 und 132] kennzeichnend sind. Doch wirkt die Komposition deutlich stimmiger als das andere Isack zugeschriebene Blatt, weil der Künstler das Erlernte hier vermutlich schon zielstrebiger umsetzen konnte als bei den bisher betrachteten, inhaltlich noch eher beliebigen Arbeiten.810 Der Lehrer, in Kleidung und Statur das Ebenbild des Schulmeisters in Weimar [Abb. 132], hockt links der Mitte an einem Tischchen. Das Möbel reicht ihm wie dort gerade bis zu den Knien. Auf der wohl späteren Vorzeichnung ist das besser zu erkennen, da der Bereich nicht so verschattet ist, so dass man das zwischen Stuhllehne und Pult vorbei gezwängte Bein des Mannes gut sehen kann. Er korrigiert mit dem Stift in seiner Rechten die Arbeiten zweier Kinder, die vor ihm stehen. Zwei ältere Kinder hinter dem Stuhl des Lehrers scheinen mit Lernen beschäftigt, ein Junge schaut ihnen über die Schulter. Der Rest der im Raum verstreuten Schüler ist deutlich weniger eifrig bei der Sache. Vorne rechts ist eine Szene zu sehen, wie sie ganz ähnlich auf dem wohl nach 1640 entstandenen Stockholmer Schulbild Jan Molenaers dargestellt ist [Abb. 117]: Auf einer Bank im Vordergrund trinkt ein Schüler mit einem Strohhalm aus einem Krug, der am Gürtel des neben ihm Sitzenden befestigt ist. Auch dabei geht es also vermutlich nicht nur um Diebstahl, sondern auch um den Genuss von Alkohol. Der groß und plump wirkende Bestohlene merkt scheinbar nichts, das Buch in seinen Händen scheint seine Aufmerksamkeit zu fesseln. Nur ist der seinen Kopf fast völlig bedeckende, schüsselartige Hut beim Lesen sicher wenig hilfreich. Zudem hält er das Buch so weit von sich weg, dass er darin wohl ohnehin nichts erkennen kann. Zwar vermitteln diese Parallelen einen Eindruck vom Ideenaustausch der Haarlemer Künstler – wer jedoch der Urheber des Motivs war, ist aufgrund der nur lückenhaft zu rekonstruierenden Chronologie der fraglichen Bilder auch in diesem Fall nicht zu klären. Ebenso verhält es sich mit der Szene an der Leiter, die an der rückwärtigen Wand lehnt und die wohl zu einer Dachluke führt, auch wenn diese auf der Zeichnung – anders als auf dem Gemälde [Abb. 137] – nicht recht zu erkennen ist. Einer der Schüler hat die Öffnung schon fast erreicht, ein anderer versucht ihn mit aufgeregt emporgereckten Armen zurückzuhalten oder vielleicht auch ihm zu folgen. Dieses Flucht-Motiv findet sich auch auf der wohl einige Jahre früher entstandenen Schulklasse Molenaers in Kassel [Abb. 110], so dass dieser vermutlich der Ideengeber ist. Es ist aber auch denkbar, dass Isack das Motiv von einem Bild seines Bruders kannte, wo – wie Hofstede de Groot es beschreibt – „im Schatten des Hintergrundes […] ein Junge auf eine Leiter“ steigt.811 Und 807

Isack van Ostade: Bauern bei einer Mahlzeit, um 1639, Feder in Schwarz und Dunkelbraun über Bleigriffel oder schwarzer Kreide, 23.3 x 36.9 cm, Prentenkabinet der Rijksuniversiteit Leiden, Inv.-Nr. 1715 (als Arbeit Adriaen van Ostades); Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 159, Kat.-Nr. 413, Bd. II, Taf. 170, Abb. 413. 808 Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 47 f. 809 Isack van Ostade: Schulszene, um 1639, Mischtechnik, 16.9 x 23.6 cm, Maida and George Abrams Collection, Boston; Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 47 f., S. 157, Kat.-Nr. 406, Bd. II, Taf. 166; London/Paris/Cambridge 2002/2003, S. 194 f. mit Abb. 810 Anders Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 47 f., der beide Blätter als „schülerhaft“ charakterisiert. 811 Hofstede de Groot 1910, Bd. III, S. 262, Nr. 392: Adriaen van Ostade: Schulszene, 1630er Jahre, Holz, 19.0 x 25.0 cm, Verbleib unbekannt (Galliéra Paris, 21.06.1963, Lot 7).

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auch auf der Zeichnung in Pariser Privatbesitz [Abb. 131] klettert ja ein Schüler an der Rückwand des Raumes empor, das jedoch ohne spitzbübische Absicht. Obschon eine Leiter, allerdings ohne Schüler, auch auf Adriaens 1634 datiertem Tondo [Abb. 124] zu sehen ist, scheint es, wie in diesem Zusammenhang erörtert, wahrscheinlicher, dass Molenaer auf den Gedanken gekommen ist, vorwitzige Buben auf originelle Weise aus den Schulräumen flüchten zu lassen. Und so mag er auch der Urheber des diebischen Schülers auf der Bank sein. Trotz dieser Neuerungen bleibt Isack van Ostade dem von seinem Bruder geprägten Darstellungsmuster, dessen besondere Komik in der praktisch regungslosen Gegenüberstellung eines riesenhaften Schulmeisters und gnomartiger Schülerchen liegt, treu: Rechts im Hintergrund sitzt ein Schüler, der eine Art Topf auf dem Kopf trägt und damit ausgesprochen dämlich aussieht. Links von ihm sind einige Gestalten skizziert, die wiederum so klein sind, dass die Entfernung zu den beiden Fenstern über ihnen unwahrscheinlich groß erscheint. Im Gegensatz dazu ist die Rückenfigur vorne auf der Bank regelrecht überdimensioniert. Diese Unstimmigkeiten sind womöglich auf den nicht in allen Punkten gelungenen Versuch, Adriaens Komposition zu verändern, zurückzuführen: Anders als bei den bisherigen Schulszenen, bei denen der Lehrer zumeist mit dem Rücken zur rechten Seitenwand des Raumes sitzt, ist die zentrale Szene um das Pult frei im Raum positioniert. Auch der Schulmeister wirkt im Vergleich zu den Gestalten rechts, aber auch im Verhältnis zu dem Knirps vor seinem Pult übergroß, seine ungeschlachte Gestalt erweckt den Eindruck geballter Unfähigkeit. Dies bestätigt der hinter seinem buckligen Rücken sitzende Vogel, eine Eule oder ein Käuzchen.812 Die Eigenschaft der Eule als Symbol der Gelehrtheit wird hier ins Gegenteil verkehrt.813 Sie starrt den Betrachter durchdringend an und erinnert manchen sicher auch an das schon mehrfach erwähnte Sprichwort. Auch Adriaen Brouwers Eingeschlafenem Wirt [Abb. 134]814 beispielsweise ist ein solches Tier als Attribut beigegeben, es sitzt auf dem Fensterladen über ihm. In diesen Fällen symbolisiert die tagsüber schlafende Eule folglich sündhaftes Verhalten.815 Als ikonographische Parallele aus dem schulischen Bereich findet sich auf frühen Holzschnitten, die Thomas von Aquin mit Schülern zeigen, auf der Schulter des Kirchenvaters die Taube als Symbol des Heiligen Geistes [Abb. 135].816 Ein anderer Holzschnitt [Abb. 136]817 verdeutlicht die Unterscheidung zwischen weise und dumm – allerdings für die Schüler – durch nimbierte weiße Tauben über den Köpfen der vorderen klugen Schüler und Raben als Sinnbilder Satans über den hinteren, offenbar nicht lernwilligen Eleven. Die Vermutung, es handle sich um eine Parodie dieses Motivs, ist – obschon reizvoll – nicht nachweisbar, da nicht vorausgesetzt werden kann, dass der Künstler die Darstellungen kannte. Und so geht der Vogel vermutlich auf Brouwer oder ein anderes zeitgenössisches Beispiel zurück. Anders als bei Brouwer jedoch und auch anders als bei den anderen Schulszenen der Brüder ist durch die Fenster, vor allem durch das linke, ein in leichter Lavierung aufgetragener blauer Schimmer zu sehen. Es geht sicher zu weit, darin die Andeutung einer lichten Zukunft für die Schüler erahnen zu wollen – zumal dieser Aspekt in dem nach der Zeichnung ausgeführten Gemälde [Abb. 137] wieder zurückgenommen ist. Dennoch ergibt sich aus diesem Detail eine die zeitliche Einordnung der Studie bestätigende Parallele zu einer zu Beginn der 1640er Jahre entstandenen Unterrichtsdarstellung Adriaen van Ostades [Abb. 138], wo der Ausblick auf ein den leuchtend blauen Himmel und etwas Grün die Atmosphäre des Raumes im Unterschied zu den früheren Schulzimmern ganz anders wirken lässt. Doch bei der Zeichnung ist das Licht nicht mehr als ein Farbtupfer, der auf die Atmosphäre der 812

In Mainz 1997, S. 386, fälschlich als Affe bezeichnet; Durantini 1983, S. 139–151, zu Affe und Esel als Symbol menschlicher Dummheit, zur Eule mit gleicher Bedeutung S. 149. 813 Vgl. z. B. das im Kontext von Gerrit Dous Abendschulen bereits beschriebene Emblem Studio et Vigilantia Gabriel Rollenhagens [Abb. 78a], auf dem eine Eule auf einem aufgeschlagenen Buch thront. Übersetzt lautet die Inschrift: „Nur wer wachend mit Eifer die Schriften durchforscht, verdient es, ein Gelehrter genannt zu werden“, zitiert nach Frankfurt 1993, S. 43, Abb. 34. Zur Eule als Sinnbild der Weisheit vgl.: Dittrich 2004, S. 109 f., 113 f. 814 Adriaen Brouwer: Der eingeschlafene Wirt (Phlegmaticus), um 1633, Kupfer, 31.0 x 24.2 cm, Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Alte Pinakothek, München, Inv.-Nr. 2014; München 2002, S. 58 f., mit Abb.; Karlsruhe 2006, S. 124 f., Kat.-Nr. 17, mit Abb.; München 2009, S. 58 f., mit Abb. 815 München 2002, S. 58. Zu den negativen Konnotationen der Eule allgemein siehe: Dittrich 2004, S. 109 ff. 816 Schreiber/Heitz 1908, S. 21 ff., z. B. Taf. 49 (für Petrus Hispanus: Copulata. Hg.: Heinrich Quentell, Köln 1496), sowie Taf. 18–28, 45, 54; Kirk 1988, S. 145, 147. 817 Schreiber/Heitz, 1908, S. 51, Taf. 61 (für: Cato teutonice expositus. Hg.: Johann Otmar, Reutlingen 1491).

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Szene keinen nennenswerten Einfluss hat. So wird jedem Beobachter auf den ersten Blick klar gewesen sein, inwieweit sich diese Unterrichtsdarstellung vom Ideal unterscheidet. Dass der hünenhafte Schulmeister mit der an seinem Stuhl befestigten Rute für Disziplin sorgt, ist wenig wahrscheinlich, schließlich schmückt ja auch die plak seine Mütze, anstatt Kinder zu maßregeln. Das Wandbord über seinem Lehnstuhl ist unaufgeräumt, einige der Bücher sind umgefallen. Auf dem Boden liegen Gegenstände, mittig wohl ein Tafelkasten. Die ungeordnete Atmosphäre des Raumes, die durch die nervöse Federführung noch verstärkt wird, suggeriert, dass hier nicht mit Lernerfolgen zu rechnen ist. VI.2.1.6 Schulszene in Warschau Das nach der Zeichnung ausgeführte Gemälde [Abb. 137],818 das einerseits weitere motivische Neuerungen enthält, in seiner beruhigten Malweise aber immer noch in der Tradition des Tondos aus dem Jahr 1624 steht, ist wiederum weniger eindeutig. Allerdings beruht diese Beobachtung auf dafür im Grunde unzureichenden Schwarz-Weiß-Abbildungen und ist entsprechend unter Vorbehalt zu betrachten.819 Die kompositorischen Unstimmigkeiten der Skizze sind in der Gemäldefassung weitgehend getilgt: Der Schulmeister ist aus der Bildmitte etwas nach links und näher an die Rückwand gerückt, die Leiter steht hinter ihm in der Ecke. Insgesamt wurde der Aufbau komprimiert, die einzelnen Figurengruppen sind näher beieinander positioniert, wodurch die Größenverhältnisse stimmiger wirken. Die Kinder rechts im Hintergrund erscheinen nicht mehr so winzig, die Gestalt des Lehrers dagegen ist weniger riesig als auf der Zeichnung, wodurch sein Pult nicht mehr so viel zu klein und der Raum insgesamt höher wirkt. Auffallend verändert ist das am rechten Bildrand auf dem Boden kauernde Mädchen – eine Figur, die beinahe genauso im Gegensinn auf der 1636 datierten Szene im Kunsthandel [Abb. 129] und ähnlich auf dem Mainzer Bild [Abb. 124] zu sehen ist. Auf der vorbereitenden Zeichnung sitzt das Kind an derselben Stelle, blickt aber unbewegt aus dem Bild heraus, während es in der Gemäldefassung demonstrativ einen Zettel hochhält und schelmisch in Richtung des Lehrers schaut. Worüber es sich amüsiert, würde vielleicht die Inschrift auf dem Zettel verraten – sie ist aber ebenso wenig lesbar wie auf den anderen Bildern. Der Lehrer nimmt davon wie üblich keine Notiz. Die restliche Schülerschar scheint sich ruhig zu verhalten. Selbst die Gesten der Kinder an der Leiter sind im Gegensatz zur Zeichnung zurückgenommen. Da sich das Ganze hier hinter dem Rücken des Lehrers abspielt, wirkt es wesentlich realistischer: Klettern die beiden nämlich leise genug, wird dieser sicher nichts davon bemerken. Statt zweien ist hier nur ein geschlossenes Fenster in der hölzernen Wand rechts zu sehen, die mit dem vergleichsweise unauffällig positionierten Stützpfeiler nur noch vage an die typischen „Schulschuppen“ erinnert. Die Lichtverhältnisse und die offenbar gedämpfte Farbigkeit jedoch sind mit anderen der beschriebenen gemalten Unterrichtsdarstellungen van Ostades gut vergleichbar. Die von links einfallende Helligkeit beleuchtet – anders als auf der Zeichnung – die Gruppe um das Pult und lässt die Figuren und Möbel im Vordergrund die Szene als dunkle Silhouetten rahmen. Auch hier ist das Geschehen mit einer Art harmonisierendem Weichzeichner überzogen. Schnackenburg bezeichnet diesen vor allem für den älteren Ostade charakteristischen Effekt als „unbestimmtes Dämmern“820 – ein Ausdruck, der auch das Verhalten des Lehrers treffend beschreibt: Dieser hat den Kopf offenbar auf seine linke Hand gestützt, die Haltung ist nicht eindeutig zu erkennen. Auf der Zeichnung hält er die Hand vor die Brust. Ob er zuhört oder vor sich hin döst, ist nicht auszumachen. Letzteres scheint aber nicht völlig ausgeschlossen.821 Man könnte angesichts der friedlichen Atmosphäre fast glauben, das Käuzchen auf seiner Stuhl818

Isack van Ostade (zugeschrieben): Schulszene, um/nach 1639, Holz, 24.0 x 31.5 cm, Privatbesitz Warschau (ehemals Nationalmuseum Warschau, Inv.-Nr. 184855). Nach Angaben des Kurators war das Bild nur als Leihgabe im Museum, es wurde inzwischen an den Besitzer zurückgegeben. 819 Warschau 1969/1970, S. 24, Nr. 923, mit Abb. (als Arbeit Adriaen van Ostades); Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 34, 269, Abb. 48.; Durantini 1983, S. 134, Abb. 67 (als Arbeit Adriaen van Ostades); London/Paris/Cambridge 2002/2003, S. 194, mit Abb. 820 Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 29. 821 London/Paris/Cambridge 2002/2003, S. 194.

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lehne symbolisiere in diesem Fall die Klugheit des Schulmeisters, der sich – anders als die regelrecht hilflos wirkenden Kollegen auf den Bildern Jan Molenaers – über die Torheiten der Kinder nicht mehr aufregt. Korrespondierend könnte man den aufgestützten Kopf, wie unter anderem in Kapitel V.1.1 ausgeführt, als Geste eines melancholischen Geistesmenschen deuten. Obwohl diese Lesart mit den immer noch in erster Linie streng didaktisch angelegten Darstellungen der Zeit nur schwer vereinbar ist, scheint sie doch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass diese in Verbindung mit den lächerlichen Protagonisten in schäbigen Schulräumen so unpassend wirkende harmonische Stimmung in van Ostades Schulszenen der 1640er Jahre mit einer positiven Veränderung dieser Motive einhergeht, nicht völlig ausgeschlossen. VI.2.2

Nach 1640 entstandene Schulszenen

VI.2.2.1 Schulszene in Paris (1641 (?)) Auch einer möglicherweise 1641 datierten Schuldarstellung des Künstlers [Abb. 138]822 ist die Unentschiedenheit der Bilder aus den 30er Jahren noch zu eigen. Die Datierung ist zwar schwer lesbar, eine Einordnung in die frühen 40er Jahre des 17. Jahrhunderts erscheint aber mit Blick auf die relative Chronologie plausibel. Hofstede de Groot weist zudem auf das 1642 datierte Interieur eines Bauernhauses hin [Abb. 139],823 das stilistisch sehr gut mit der Szene vergleichbar ist. In ihrer diesig wirkenden Atmosphäre steht diese den früheren Gemälden nahe. Das rustikale Inventar des hohen, scheunenähnlichen Raumes stimmt mit dem früherer Arbeiten [etwa Abb. 124 oder 126] überein. Und doch ist ein wesentlicher Unterschied festzustellen: Links öffnet sich ein relativ großes Fenster, wodurch der Raum regelrecht lichtdurchflutet ist. Fenster gibt es zwar auch auf den beiden schon beschriebenen Zeichnungen [Abb. 131 und 133], doch ist die Wirkung – wohl nicht nur durch die weitgehend monochrome Ausführung bedingt – nicht die das Gemälde auszeichnende Stimmungsänderung. Zwar macht der Raum durch das offen liegende Gebälk und das teils unverputzte Mauerwerk immer noch einen ärmlichen Eindruck, das einfallende Licht verleiht ihm jedoch einen völlig anderen Charakter. Zudem erlaubt das Fenster den Blick nach draußen, wo frisches Grün und strahlendes Blau der Szene einen Anflug von Lebhaftigkeit verleihen, die den in ihren pastellfarbenen Tönen schläfrig wirkenden früheren Darstellungen fehlt. Und es scheint nicht ausgeschlossen, dass das Licht, das auf die am Boden kauernden Schüler fällt, in diesem Fall auch im übertragenen Sinn – wie im Zusammenhang mit den Abendschulen Gerrit Dous erläutert – geistige Erhellung verbildlicht. Und selbst wenn Ostade diese Bedeutung nicht intendiert haben sollte, ist es doch augenscheinlich, dass der Darstellung eine weniger skeptische Haltung zum Unterricht in den Schulen der einfachen Leute zugrunde liegt. Dazu passt, dass der Schulmeister, dessen Pult direkt am Fenster steht, mit dem Spitzen einer Feder beschäftigt ist. Es deutet jedoch einiges darauf hin, dass das Motiv wie auf dem Gemälde in der Hammer Collection oder der Pariser Zeichnung [Abb. 126 und 131] ironisch zu verstehen ist: Da der Schulmeister die Hände mit dem zu schärfenden Schreibinstrument dicht vor die Augen hält, hat er offenbar wenig Übung damit. Auch sein hoher, kegelförmiger Hut – der mehr oder weniger dem des dümmlichen Schulmeister auf dem Bild in der amerikanischen Sammlung [Abb. 126] entspricht – lässt darunter nicht allzu viel Esprit vermuten.824 Mit dem fast buckligen Rücken und den langen, unter dem kleinen Pult kaum unterzubringenden Beinen wirkt er ähnlich überdimensioniert wie seine früheren Kollegen. Auch die Schüler unterscheidet wenig von den kugeligen Knirpsen der anderen Bilder. Doch soweit das zu sehen ist, lernen die meisten von ihnen und niemand lacht über den unbeholfen wirkenden Lehrer. Zugleich prangt an dem Raumteiler aus Brettern, der dem Pult gegenübersteht, eine leuchtend rot gesiegelte Urkunde als Zeichen der schulmeisterlichen Befähigung. 822

Adriaen van Ostade: Schulszene, 1641, Holz, 19.7 x 20.3 cm, Musée du Louvre, Paris, Inv.-Nr. M.I. 948; Hofstede de Groot 1910, Bd. III, S. 259 f., Nr. 384; Paris 1979, S. 101, mit Abb.; Paris 2009, S. 198, mit Abb. und weiterer Literatur. 823 Adriaen van Ostade: Bäuerliches Interieur, 1642, Holz, 34.0 x 44.0 cm, Musée du Louvre, Paris, Inv.-Nr. 1682; Hofstede de Groot 1910, Bd. III, S. 290, Nr. 468. 824 Eine solche Kopfbedeckung trägt beispielsweise auch Adriaen van Ostades sein Publikum nicht nur durch das Vorgetragene, sondern auch durch seine krumme Gestalt amüsierender Komischer Vorleser, um 1635, Holz, 41.0 x 33.0 cm, Akademie der Künste Wien, Inv.-Nr. 732; Wien 1997, S. 136, mit Abb.

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Wie ernst diese zu nehmen ist, ist schwer zu sagen: Denn auch unter seiner Aufsicht scheint ein Junge dem anderen etwas aus der Tasche zu ziehen – zumindest erinnern die beiden Buben auf der Bank rechts, gegenüber vom Pult, an diesen Streich, der auf dem Warschauer Bild [Abb. 137] und besonders auf der vorbereitenden Zeichnung [Abb. 133] im Vordergrund zu sehen ist. Wie dort gibt es auch hier das Motiv des Jungen auf der Leiter, der aber nicht Reißaus nimmt, sondern wieder herabsteigt und entsprechend wie der Schüler auf der früheren Zeichnung [Abb. 131] möglicherweise nicht in böswilliger Absicht herumklettert. Während aber der unruhige Duktus der Zeichnung noch das übliche Chaos andeutet, ist die Stimmung des Gemäldes eine ganz andere. Möglicherweise handelt es sich bei diesem Bild also um ein Werk des von Ostade um die Mitte des 17. Jahrhunderts vollzogenen Übergangs zu in nachsichtigerem Ton geschilderten Darstellungen. Das Schärfen der Feder, das hier zum wiederholten Mal zu sehen ist, hat Adriaen van Ostade auch zum alleinigen Thema zweier Bilder gemacht, die diesen Wandel ebenfalls nachvollziehbar machen. Sie sind nicht datiert – und doch scheint es vor dem Hintergrund des bisher Erläuterten sehr wahrscheinlich, dass die eine Tafel [Abb. 140]825 in der ersten Hälfte, die zweite hingegen [Abb. 141]826 nach der Mitte des 17. Jahrhunderts entstanden ist. Der Karlsruher Federschneider [Abb. 140] ist ein gedrungener, scheinbar leise lächelnder Mann mit Hut, bei dem das Schärfen des Schreibinstruments nicht zweifelsfrei zu einer gleichzeitigen Schärfung des Verstandes führen wird. Sein Umfeld ist in seiner Schlichtheit und ohne das Licht der Erkenntnis für den Wissenserwerb eher ungeeignet, zudem liegen die Bücher, aus denen sich Weisheit gewinnen ließe, geschlossen auf dem Boden. Das Blatt vor ihm ist leer. Die angedeutete Sinnlosigkeit seines Bemühens findet in den im Kontext von Dous Triptychon bereits zitierten Sinnsprüchen wie „Nil penna, sed usus“ [Abb. 142] oder „Senza taglio non vaglio“ ihre Entsprechung. Und doch scheint schon das Bild den Dargestellten kaum scharf zu verurteilen, auch wenn mancher Betrachter die genannten Sinnsprüche im Hinterkopf gehabt haben mag. Obschon die Erfolgsaussichten seiner Bemühungen eher zweifelhaft scheinen, mag es sich dabei auch um einen subjektiven Eindruck handeln, schließlich wirkt der Schreiber in seiner Einfachheit nicht bemitleidenswert oder gar lächerlich, sondern so, als gehe er seiner Profession mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln konzentriert nach. Das zweite Bild [Abb. 141] führt den Beobachter näher an den Dargestellten heran und verhindert so schon räumlich die Distanz, die nötig ist, sich über ihn zu mokieren. Die Halbfigur des nachlässig gekleideten Mannes ist in warmen Brauntönen gehalten. Seine normal gewachsene Gestalt, die – trotz der weißen Haube unter dem Barett – kaum etwas mit den missgestalteten Schulmeistern der Bilder aus den 30er Jahren gemein hat, ist lebensnah erfasst. Er hält den Oberkörper schräg, sein Blick ist konzentriert auf den Kiel in seinen Händen gerichtet. Im Hintergrund sind rechts Bücher auf einem Bord zu sehen. Die offensichtliche Hingabe an seine Tätigkeit passt zwar nicht recht zu der wenig seriösen Erscheinung des Mannes, wirkt aber wesentlich authentischer als bei den anderen Figuren. So fügt sich auch dieses Bild in die im Folgenden fortzuführende Reihe von Beispielen, bei denen Adriaen van Ostade einfache Menschen in Darstellungsmustern zeigt, die ungefähr bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts dem gehobenen Bürgertum vorbehalten waren. Dabei verändern sich nach und nach auch die Räumlichkeiten: Ließen bislang bröckelnder Putz, morsches Holz und hier und da hervorlugende Heubündel die Lokalisierung des Unterrichts in Scheunen oder den Häusern einfacher Menschen vermuten, unterscheidet sich die Bauweise der späteren Schulen in bestimmten Punkten deutlich davon. Von Isack dagegen sind offenbar keine Unterrichtsszenen überliefert, an denen sich diese Veränderungen feststellen lässt – es sei denn, man deutet den blauen Schimmer am Fenster der Vorzeichnung für das Warschauer Gemälde [Abb. 133] entsprechend. Das mag daran liegen, dass sich das Interesse des Jüngeren ab etwa 1643 eher auf Landschaften bzw. figürliche Darstellungen im Freien konzentriert.827 Es gibt zwar eine Stilmerkmale Isacks zeigende Arbeit [Abb. 167], 825

Adriaen van Ostade: Federschneider, um 1645 (?), Eichenholz, 22.5 x 18.5 cm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv.Nr. 246; Hofstede de Groot 1910, Bd. III, S. 180, Nr. 112; Karlsruhe 1966, Bd. I, S. 233, Nr. 246, Bd. II, S. 393, Abb. 246; Frankfurt 1993, S. 248, Abb. 56.2. 826 Adriaen van Ostade: Federschneider, nach 1650 (?), Eichenholz, 33.2 x 26.7 cm, Museum der Bildenden Künste Budapest, Inv.-Nr. 286; Mozjer 1967, Kat.-Nr. 21, mit Abb.; Budapest 2000, S. 130, Nr. 286, mit Abb. 827 An diesen Beispielen beobachtet Schnackenburg etwa die romantisierenden Einflüsse der Italianisanten, so dass sich bei Isack der vom Bruder vollzogene Wandel darin wohl ebenfalls andeutet. Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 50, 52, 55.

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anhand derer eine solche Entwicklung auch für sein Œuvre zu rekonstruieren wäre, doch sprechen verschiedene, in Kapitel VI.4.4 zu erläuternde Gründe gegen dessen Autorschaft. Auch Adriaen vollzieht diese Wendung im Falle der Schulszenen, sofern die Überlieferung lückenlos ist, erst 15 Jahre nach dem eben erörterten Beispiel im Louvre [Abb. 138], an dem sich erstmals deutlichere Tendenzen für eine inhaltliche Neugewichtung beobachten lassen. VI.2.2.2 Schulszene (1656) Das Gemälde [Abb. 143],828 an dem dieser Blickwechsel manifest wird, hat mit dem Pariser Bild das nahezu quadratische Format und den Aufbau der Szene gemein, es ist allerdings etwas größer, zudem befinden sich in dem Raum mehr Kinder. Auch hier sitzt der Lehrer mit dem Rücken zum Betrachter im Dreiviertelprofil nach rechts gewandt am Fenster auf der linken Seite. Ihm gegenüber ist wieder der Junge auf der Leiter zu sehen. Vergleichbar ist auch, wie das Dach über dem Fenster in leichter Schräge ansetzt. Anders als bei dem Bild im Louvre liegt der Dachstuhl nicht frei, sondern ist durch eine hölzerne Decke abgetrennt. Dieses Detail deutet schon an, inwieweit sich die Bauweise dieses Interieurs von den heruntergekommenen Räumen früherer Szenen unterscheidet. Vor allem die verhältnismäßig aufwändige Schmuckverglasung des Fensters hebt diesen von den bisher beschriebenen Innenräumen ab. Zwar ist besonders vorne links, wo ein umgefallener Hocker liegt, auch Unordnung zu sehen, diese scheint aber eher in der Absicht inszeniert, dem Raum eine Art nachlässig-charmanter Authentizität zu verleihen. Wie genau das zu verstehen ist, wird bei der Betrachtung der späteren Szenen noch deutlicher werden. Bis auf ein paar Schüler im Vordergrund sitzen die meisten an Tischen oder auf Bänken, was – wie man sieht – der Konzentration und Disziplin zuträglich ist, denn der Großteil der Kinder ist tatsächlich über Blätter und Bücher gebeugt. Zugleich sind die Figuren nicht mehr so stereotyp plump gezeichnet. Obschon die Schüler immer noch recht klein sind und kindlich runde Gesichter haben, wirken sie aufgeweckter. Zudem war van Ostade bemüht, ihre Individualität anhand unterschiedlicher Kleidung und verschiedener Kopfbedeckungen hervorzuheben. Die Buben tragen fast alle den typisch breitkrempigen Hut der Schuljungen und nicht mehr die sie in Bruegel-Manier als tölpelhaft charakterisierenden Mützen. Auch die Kopfbedeckung des, anders als die Dorfschullehrer, in einen würdigen dunklen tabaard gewandeten Lehrers ist bemerkenswert: Er trägt eine der dunklen Kappen, die wir von den kanonisch gewordenen Porträts des großen Erasmus [Abb. 144]829 kennen. Stellt Ostade den Schulmeister tatsächlich bewusst – und vor allem frei von Ironie – in die Tradition des berühmten Rotterdamer Pädagogen? Jedenfalls schildert er keine schäbige Dorfschule mehr, in der sich ein dümmlicher Lehrer mit frechen Kindern herumschlagen muss, sondern eine Einrichtung, die zwar verglichen mit dem exklusiven Unterricht auf den Bildern Gerrit Dous immer noch schlicht wirkt, jedoch im Gegensatz zu den früheren Schulen des Haarlemers zumindest ein ähnliches Maß an ehrlichem Bemühen auf Seiten von Lehrern und Schülern erkennen lässt. VI.2.2.3 Schulszene in Paris (1662) Eine 1662 datierte Schulszene [Abb. 145]830 zeigt die Merkmale dieser neuen Auffassung einerseits deutlicher, andererseits ist das Bild nicht ausschließlich positiv zu verstehen. Es ist im Vergleich zu den früheren, in diffusem Licht fast verschwimmenden Gemälden klar konturiert und bis 828

Adriaen van Ostade: Schulszene, 1656, Holz, 36.3 x 34.2 cm, Verbleib unbekannt (Christie’s London, 08.07.1994, Lot 83); Hofstede de Groot 1910, Bd. III, S. 262, Nr. 389 (auch wenn die Maße etwas abweichen). 829 Z. B. Hans Holbein d. J.: Erasmus von Rotterdam, 1523, Papier auf Tannenholz, 37.0 x 30.5 cm, Kunstmuseum Basel, Amerbach-Kabinett 1662, Inv. 319, oder Erasmus von Rotterdam, um 1523, Holz, 42.0 x 33.0 cm, Musée du Louvre, Paris, Inv.-Nr. 1345 [Abb. 144]. Zu den Porträts allgemein siehe: Sander 2005, S. 167–190, zu den hier genannten auch S. 439 (Basel), S. 461 f. (Paris), Taf. 27 f. auf S. 376 f.; Winner 2006, S. 96–109. 830 Adriaen van Ostade: Schulszene, 1662, Holz, 40.0 x 32.5 cm, Musée du Louvre, Paris, Inv.-Nr. 1680; Hofstede de Groot 1910, Bd. III, S. 259, Nr. 383; Paris 1979, S. 100, mit Abb.; Paris o. J., S. 41 f., 51, Abb. 56; Durantini 1983, S. 135, Abb. 68 (seitenverkehrt abgebildet); Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 233, Abb. 3; erwähnt bei van der Coelen 1998, S. 111, Anm. 1; Paris 2009, S. 195, mit Abb. und weiterer Literatur. Im RKD (BD/560 - ONS/Genre 2: boerenleven/A.v.Ostade/Nr. 24) findet sich darüber hinaus Bildmaterial zu drei Kopien im Kunsthandel.

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ins Detail mit minutiöser Aufmerksamkeit gemalt, doch sind die kindlichen Protagonisten ähnlich gedrungen wie die Figuren der früheren Bilder van Ostades und wirken entsprechend geistig wenig rege. Neu ist allerdings das hochrechteckige Format, das die späten Schulszenen des Meisters [vgl. Abb. 143, 145 und 148] gemein haben. Der Schulmeister – hier ein älteres, gebrechlich wirkendes Männlein – sitzt wie üblich hinter seinem Pult, an dem sich einige Kinder versammelt haben. Dunkel gekleidet wirkt er finster. Irritierend ist der durchdringende, zugleich scheinbar ins Leere gehende Blick. Sein Kneifer liegt vor ihm auf dem Tisch. Durch den leicht geöffneten Mund und die auf die Stuhllehne gestützte Haltung macht er einen tattrigen Eindruck – alles in allem kein Vertrauen erweckendes Bild. Sinnigerweise hängt gleich hinter ihm eine Laterne, natürlich zonder licht. 831 Der Schulmeister, in seiner Geplagtheit eine weitere mögliche Verbildlichung des von Erasmus im Lob der Torheit gezeichneten Zerrbildes,832 hat die plak gezückt und offenbar einem kleinen Buben damit einen Hieb versetzt. Dieser ist vor Schmerz zusammengezuckt, er wischt sich die Tränen aus dem Gesicht. Sein Unglück zieht die Blicke der anderen auf sich: Ein Mitschüler neben ihm schaut ihn teilnahmsvoll an, ebenso ein kleines Kind zwischen den beiden. Dieses hat seinen Hut abgenommen, darunter trägt es eine braune Haube, die mit einem unter dem Kinn durchgeführten Tuch befestigt ist. Dieser seltsame Kopfputz ist wohl in Analogie zu den Hüten auf Bruegels Esel in der Schule oder die Kopfbedeckung des Lehrers auf dem Mainzer Tondo [Abb. 124] als Zeichen von Beschränktheit zu deuten. Drei Kinder, die links vom Pult auf einer Stufe sitzen, haben die Blicke von den Heften erhoben und schauen zum Pult. Anders als in manchen früheren Bildern lacht niemand. An der Wand im Hintergrund hocken weitere Schüler an einem langen Tisch über ihren Lektionen. Einer steht bei dem geöffneten Fenster oder ist gerade dabei, hinauszuklettern. Nicht ganz klar ist auch, was der Junge macht, der hinter dem Lehrer mit einem großen Korb die Treppe hinuntersteigt . Erledigt er einen Auftrag oder führt er etwas im Schilde? Er hat das leere Behältnis umgedreht und neckisch über den Kopf gezogen, hat also zumindest Unfug im Kopf. Ähnlich ist ein Bub auf Adriaens 1673 entstandener Darstellung einer Familie bei der Mahlzeit [Abb. 146]833 zu sehen, hier schleppt er aber beflissen etwas herbei. Den unsachgemäßen Gebrauch von Körben kennen wir im schulischen Zusammenhang vom Esel in der Schule, wo einer der Protagonisten einen auf dem Kopf balanciert, während er dem Lehrer eine freche Grimasse schneidet. Sollte auch hier ein Lausbubenstreich gemeint sein, wirkt er in der im Großen und Ganzen friedlichen Atmosphäre des Bildes harmlos, fast niedlich. Am linken Rand des Bildes lenkt ein Kleinkind ein älteres Mädchen von seinen Aufgaben ab. Sein Alter ist zwar schwer zu bestimmen, dass es aber schon lernen kann, scheint mir fraglich. Definitiv noch zu jung für die Schule ist der Winzling, der direkt neben dem Pult sitzt. Die Figur findet sich ähnlich auch auf anderen Bildern der Brüder [Abb. 129, 137]. In diesem Fall aber ist das Kind im Vergleich zu den anderen Schülern deutlich jünger, und seine Gestalt illustriert damit nicht nur die gängige Praxis, auch sehr kleine Kinder in die Schule zu geben – wodurch diese, wie Zeitgenossen kritisch anmerkten, eher Kinderverwahr- als Bildungsanstalten waren. Dass aber van Ostade genau dies meint, ist angesichts seiner sonst eher hintergründig formulierten Kritik unwahrscheinlich. Zudem richtet sich diese, sofern sie überhaupt als solche zu verstehen ist, weniger konkret auf schulische Missstände als auf allgemeine menschliche Wesenszüge. Spannend ist in meinen Augen ein anderer Aspekt des Motivs: Der Knirps hat offenbar einige vor ihm auf dem Boden liegende Blätter ins Auge gefasst. Wird er hinkrabbeln und sich darüber hermachen? Die Haltung des Lehrers deutet an, dass er im Begriff ist, einzuschreiten. Ist das tatsächlich der Fall, schafft van Ostade in dieser späten Szene einen konkreten Moment der Spannung, der, so wenig dramatisch er auch im Verhältnis zu den beispielsweise von Jan Molenaer imaginierten Vorfällen wirken mag, den früheren Szenen fehlt. Doch selbst wenn diese Beobachtung richtig ist, überwiegt aufgrund der immer noch kaum merklichen Bewegung der Protagonisten der für van Ostade typische Eindruck von Unentschiedenheit und Reglosigkeit. 831

Vgl. dazu die schon im Zusammenhang mit Dou zitierte Sentenz aus Theodor Roodenburghs Eglentiers Poëtens Borstweringh, Amsterdam 1619, S. 374, Nr. 67 (wiedergegeben bei Emmens 1963, S. 133, Anm. 18). 832 Erasmus 1560, fol. 76: „[…] oudt worden door arbeyt, ende doof door roepen, […].“ 833 Adriaen van Ostade: Familie bei der Mahlzeit, 1673, Feder in Braun, Aquarell und Deckfarben, 13.8 x 21.5 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. E. 1912; Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 125, Nr. 230, Bd. II, Taf. 107, Abb. 230.

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Ein wesentlicher Aspekt unterscheidet dieses Bild aber eindeutig von den anderen Gemälden des Haarlemers: Durch die klarere Malweise mit deutlichen Konturen und großer Genauigkeit im Detail wirkt das Schulzimmer weitaus realistischer als die früheren Szenen, die in dem diesigen Licht unwirklich erscheinen. Das alte Holz, der rissige Putz und die abgetragene Kleidung der Kinder sind liebevoll beobachtet. Besonders um den Lehrer arrangiert van Ostade regelrechte Stillleben aus schulischen Utensilien: Papier, Tafeln bzw. Hornbücher, Schwamm, Tintenfass, Federkiele. Zahlreiche pittoresk wirkende Einzelheiten verleihen der Szene einen anekdotischen Charakter mit realem Hintergrund, denn die Lehrer waren ja für die Verteilung des Materials zuständig.834 Auch wenn die Stimmung kaum leichter einzuordnen ist als die der in weichem Dämmer verschwimmenden Szenen der 1630er und 1640er Jahre, meint man, ein wirklichkeitstreu erfasstes Schulzimmer des 17. Jahrhunderts vor sich zu haben. Sicher war es so, dass die Ironie in der Verballhornung der edlen Figur der Grammatica durch den kläglich wirkenden Lehrer und das unordentliche Umfeld in diesen wie auch in den anderen Bildern der Brüder von den meisten zeitgenössischen Betrachtern erkannt wurde.835 Doch gerade bei diesem im Vergleich zu dem 1656 datierten Gemälde [Abb. 143] hinsichtlich des erzieherischen Potentials solcher Schulen wieder pessimistischer formulierten Beispiel stellt sich die Frage, ob die Kritik angesichts der virtuosen Ausführung nicht völlig in den Hintergrund getreten ist. Diese Überlegung wird in Kapitel VI.3 ausführlich diskutiert werden. VI.2.2.4 Der Schüler mit Bücherkasten und Hut – Detailstudie zu einem Gemälde Neben den flüchtigen, bis zu einem gewissen Grad abstrahierenden Schul-Zeichnungen der Brüder [Abb. 131 bis 133] hat sich auch die im Vergleich dazu naturnah ausgeführte Figurenstudie eines Schülers erhalten [Abb. 147],836 der sich auf einem 1666 datierten Gemälde Ostades [Abb. 148] wiederfindet. Der lockige Bub trägt die zeitgenössische Schulkleidung: Kniebundhose und Rock sowie in der Hand einen Hut mit breiter Krempe. Dazu hat er einen Bücherkasten unter den Arm geklemmt, wodurch er unmittelbar an den von Brekelenkam porträtierten Schüler [Abb. 102] erinnert. Sein Gesicht ist, anders als der Rest, der durch schnelle Schraffuren und ganz wenig Weiß stärker modelliert ist, nur durch wenige Striche und leichte Höhungen angedeutet. Es wirkt, im Gegensatz zu den bisher beschriebenen, eher derb-verschmitzten Kinderfiguren der Schulszenen van Ostades, aufgeweckt und flink. Die Figur scheint nach dem lebenden Modell gezeichnet, vielleicht hat van Ostade aber auch die Gestalt des zum Gehen gewandten Jungen aus zwei Abendschulen Gerrit Dous [Abb. 75 und 76] variiert. Übereinstimmungen bestehen in dem lockigen Haar, der Kleidung und dem hölzernen Bücherkasten, auch die Gesichtszüge sind nicht unähnlich. Da aber die Körperhaltung eine andere ist, hat sich der Künstler möglicherweise doch einen Schuljungen aus seinem unmittelbaren Umfeld zum Vorbild genommen. Wie den Schuljungen gibt es von der Hand Ostades zahlreiche in dieser Art ausgeführte Figurenstudien, anhand derer der Künstler die Haltung und Bewegung verschiedener Protagonisten für mehrfigurige Szenen entwirft. 837 Er signiert und datiert besonders seine vergleichsweise fein in Aquarell ausgeführten Blätter mit mehrfigurigen Szenen ab 1670, so dass man davon ausgehen kann, dass diese als Geschenke oder für den Verkauf gedacht waren. Auch seine ungelenk und wenig naturgetreu wirkenden Bauern bereitet er in Figurenstudien vor. Unter Umständen verkauften 834

Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 212. Durantini 1983, S. 139; Dekker 1996, S. 179. 836 Adriaen van Ostade: Studie für einen Schuljungen, um 1666, 15.0 x 8.3 cm, weiß gehöhte Kohle- und Kreidezeichnung auf blauem Papier, Slg. van Regteren Altena, Amsterdam; Rotterdam/Paris/Brüssel 1976/1977, S. 56 f., Kat.Nr. 97, Taf. 90; Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 114, Nr. 174, Bd. II, Taf. 84, Abb. 174. 837 Beispiele dafür sind u. a. zwei Skizzen männlicher Figuren, die auf einem 1663 datierten Gemälde in den Musées Royaux des Beaux-Arts Brüssel (Inv.-Nr. 341, Holz, 29.5 x 26.0 cm) Verwendung finden: Adriaen van Ostade: Stehender Bauer, um 1663, 16.1 x 8.5 cm, weiß gehöhte Kohle- oder Kreidezeichnung auf blauem Papier, Slg. van Regteren Altena, Amsterdam, und Sitzender Bauer, um 1663, 16.1 x 10.6 cm, weiß gehöhte Kohle- oder Kreidezeichnung auf blauem Papier, Rijksprentenkabinet, Amsterdam, Inv.-Nr. 1980/15; Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 114, Nr. 172 bzw. Nr. 172a, Bd. II, Taf. 84, Abb. 172, und Taf. 85, Abb. 172a. Das Gemälde, auf dem die Männer vorne links und rechts zu sehen sind, ist bei Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 264, Abb. 37, abgebildet. 835

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sich diese konstruierten Zeichnungen gut, weil sie beliebte van-Ostade-Typen zeigen und erschwinglicher waren als Gemälde oder mehrfigurige Skizzen. Schnackenburg rechnet diese Blätter ebenfalls zum Spätwerk nach 1670.838 Darauf, dass der Schuljunge nicht zu diesen für den Verkauf geschaffenen Zeichnungen zählte, lassen die Handstudien in der linken unteren Ecke schließen, die der Modifikation dieses Details in der Gemäldefassung dienten. Eine für den Verkauf angefertigte Zeichnung wäre sorgfältiger angelegt und wohl signiert worden [wie etwa Abb. 146]. Doch ist das Blatt in seiner Eigenschaft als Vorstudie zu einer einzelnen Figur, auf deren naturalistische Darstellung van Ostade nun mehr Sorgfalt und Mühe verwendet, ein Indiz für die Veränderungen seiner Arbeitsweise. Körperlich etwas gerundet findet sich der nun in ein rotes Wams gekleidete Knabe auf einer 1666 datierten Unterrichtsdarstellung van Ostades wieder [Abb. 148].839 Das Gemälde gehört ebenfalls zu der Gruppe der in der zweiten Jahrhunderthälfte entstandenen, hochrechteckigen Schulszenen. Auch hier ist die Farbigkeit im Gegensatz zu den Gemälden in Mainz und Paris [Abb. 124 und 138] weniger pastellartig und dadurch mit dem vier Jahre zuvor entstandenen Bild im Louvre [Abb. 145] gut vergleichbar. Neben dem dominierenden Braun der Wände, des Mobiliars und des Bodens setzt van Ostade im Fensterausschnitt und der Kleidung der Dargestellten mit Grün-, Blau- und Rottönen Akzente. Diese sind jedoch reiner, unvermischter als bei dem Pariser Gemälde, wo die Kleidung von Lehrer und Schülern dem insgesamt in Braun gehaltenen Umfeld tonal angepasst ist. Bei beiden Werken lässt die Konturierung der Details die Szenerie plastisch und naturnah wirken. Dieser Realismus zeigt sich auch an der Figur des Schulmeisters, ein in ein dunkles Wams mit passender Hose und Mütze sowie ein dunkelrotes Hemd gekleideter Mann, der mit den fragwürdigen Gestalten der früheren Schulszenen nichts gemein hat. Mit zum Betrachter geöffneten Beinen, die rechte Hand über die Stuhllehne gelegt, neigt er sich nach links zu einem kleinen Jungen, der mit dem Finger die Zeilen eines auf dem Pult liegenden Buches entlangfährt. Das Pult steht an einem großen Rundbogenfenster, und auch im Hintergrund ist eine recht große, allerdings verschattete Fensteröffnung zu sehen. Auf der Fensterbank neben dem Lehrer liegt zudem sein Schreibzeug – wird er gleich fortfahren, seine Feder zu spitzen? Die Tatsache, dass er dem vortragenden Schüler aufmerksam zu lauschen scheint, lässt vermuten, dass er trotz des eher schlichten Umfelds zu der Sorte Schulmeister gehört, die im Sinne des erzieherischen Dreiklangs um die Übung bzw. Schärfung geistiger Kapazitäten und somit auch um die erzieherische Formung der Kinder bemüht sind. Rechts sind zwei Knaben an einer Bank mit ihren Schulsachen beschäftigt, offenbar eine positive Variation des – etwa auf der Zeichnung Isacks [Abb. 133] – noch als Schülerstreich inszenierten Repoussoirmotivs. Vorne links sitzt wieder das Kind mit dem kleinen Schreibtäfelchen. Während es auf dem Mainzer und dem Warschauer Bild [Abb. 124 und 137] den Betrachter verschmitzt auf das Unvermögen des Lehrers aufmerksam macht, hat es hier als Rückenfigur keine vergleichbare Funktion. Es ist wohl, wie der Junge neben ihm, einfach ein lesendes Schulkind und damit ein weiteres Zeichen dafür, dass hier tatsächlich in erster Linie gelernt wird – wie auch an den Schülern an dem Tisch im Hintergrund zu sehen ist. Obschon der Boden mit Lehmbrocken, Papierschnipseln und anderem Unrat bedeckt ist, scheint die Erziehung dieser Kinder in guten Händen zu sein. VI.2.2.5 Der Schulmeister mit drei Schülern Das Gemälde nimmt wiederum einige Motive der Szene vorweg, die als Höhe- und zugleich Schlusspunkt dieser Entwicklung von einer kritisch-ironischen hin zu einer eher positivbeschreibenden Sichtweise des Gegenstandes bezeichnet werden kann [Abb. 149840 bzw. 150841]. 838

Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 38, 41, 122 ff., Nr. 217 ff., zu den Figurenstudien und der generellen Wertung der graphischen Arbeiten S. 44 f. Ein entsprechender Vermerk findet sich auch bei Houbraken 1718, Bd. I, S. 347; Horn 2000, Bd. I, S. 522. 839 Adriaen van Ostade: Schulszene, 1666, Holz, 22.5 x 19.0 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby's London, 17.12.1998, Lot 11); Hofstede de Groot 1910, Bd. III, S. 258, Nr. 378. 840 Adriaen van Ostade: Schulmeister mit drei Schülern, 1671–1679, 9.1 x 8.3 cm, Radierung, Rijksprentenkabinet Amsterdam, Inv.-Nr. RP-P-1957-656 (http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.38863 mit weiteren Angaben und Literatur, Aufruf 21.03.2015); Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 46 f., Nr. B17; van der Coelen 1998, S. 111 f., mit Abb.; Platte abgebildet bei: van der Coelen 1998, S. 56, Abb. 1.

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Sie zeigt in einem vergleichsweise kleinen Ausschnitt eines ordentlich wirkenden Raumes lediglich einen Lehrer mit drei Schülern. Von ihnen sind – und das unterscheidet die Szene wesentlich von allen Unterrichtsszenen Ostades – die Körper bis höchstens zu den Knien zu sehen. Das Blatt hat mit dem eben beschriebenen Bild einiges gemein: die dem Schüler zugewandte Haltung des Lehrers, die – auf dem Stich allerdings mehr ins Profil gewendete – Figur des Jungen, der geprüft wird, und auch das Fenster mit dekorativer Bleiverglasung sowie eine an der Holzwand hinter dem Pult des Lehrers angebrachte Graphik als Details, die schon auf den beiden davor entstandenen Szenen zu sehen sind [Abb. 143 und 145]. Der Schulmeister, auf einem Stuhl mit geschweifter Lehne sitzend, beugt sich leicht vor, während er mit einem Stift die vor ihm liegende Schülerarbeit korrigiert. Von der fehlenden Schürze einmal abgesehen ist dies dieselbe Figur wie die des Karlsruher Federschneiders [Abb. 140]: ein rundlich wirkender Mann mit gutmütigem Gesicht unter einem kegelförmigen Hut. Offenbar lauscht er dem Vortrag eines kleinen Jungen, der, dem Geschriebenen mit dem Finger folgend, aus einem Heft am Pult vorliest. Zwei seiner Klassenkameraden, das jüngere Kind ist wohl ein Mädchen, stehen neben ihm und hören ebenfalls aufmerksam zu. Die Komposition beschränkt sich fast vollständig auf die kleine Gruppe. Links erhebt sich der für van Ostade typische Raumteiler aus Brettern, der jedoch sorgfältiger gearbeitet ist als bei den anderen Beispielen [etwa Abb. 131]. Daran ist, direkt hinter dem Rücken des Schulmeisters, ein Druck angebracht. Diese Art des Wandschmucks ist auf einigen Genreszenen des Künstlers zu sehen, beispielsweise einem Blatt, von dem noch die Rede sein wird [Abb. 151].842 Auf der Vorzeichnung [Abb. 150] meint man zu erahnen, dass er zwei einander gegenüber sitzende Personen an einem Tisch zeigt, auf der Radierung entsteht eher der Eindruck einer Landschaft – etwa ein Seestück mit Schiffen? Darunter ist ein längerer Text abgedruckt, der den unabhängig vom Thema der figürlichen Darstellung belehrenden Charakter der Graphik ausmacht. Die andere Wand durchbricht ein vom rechten Bildrand angeschnittenes Fenster. Nicht zuletzt dessen schmückende Bleiverglasung zeigt an, dass hier keine der ärmlichen Dorfschulen gemeint ist. Auch durch die als Kreuzgratgewölbe gestaltete Decke ist die Architektur von der der bisher betrachteten Schulszenen abgesetzt. Rechts vom Fenster ist im Gegenlicht schemenhaft ein Wandbord zu sehen, darauf befinden sich ein kleines Gefäß und mehrere Blätter oder Federkiele. Darunter hängt ein Tafelkasten. Kleidung und Gebaren der Dargestellten vermitteln den Eindruck von Rechtschaffenheit.843 Ihre Haltung zeugt von einer konzentrierten Arbeitsatmosphäre. Der Hut des Lehrmeisters, in anderen Szenen ein Zeichen für Dummheit und Verblödung,844 sitzt gerade auf seinem Haupt und macht aus ihm beinahe eine Autoritätsperson. Der naturgemäß seitenverkehrte Aufbau der Vorzeichnung [Abb. 150] stimmt mit dem 1645 entstandenen Gemälde Gerrit Dous [Abb. 68] überein, von dem – wie in Kapitel VIII zu sehen sein wird – auch Schulszenen von Adriaens Schüler Jan Steen beeinflusst sind. Gerade in der Handhaltung von Lehrer und Schüler besteht zudem eine enge Verbindung zu Goltzius’ Grammatica [Abb. 23]. Van Ostade adaptiert die Komposition, passt aber die Kleidung der Dargestellten und deren Umfeld an das von ihm bevorzugt geschilderte einfache Milieu an. Statt eines ehrenhaft ergrauten Gelehrten mit modischem Barett bzw. der eleganten Allegorie unterrichtet hier ein behäbig wirkender Mann. Hinter ihm erheben sich nicht würdevolle Säulen, sondern ein Bretterverschlag, 841

Adriaen van Ostade: Vorzeichnung für den Schulmeister mit drei Schülern (recto: Halbfigur eines Bauern), wohl nach 1670, Mischtechnik, 8.8 x 8.0 cm, Staatliche Museen zu Berlin – Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. KdZ 3878; Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 120, Nr. 207, Bd. II, Taf. 97; van der Coelen 1998, S. 112. Den Entwurf verwendete laut Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 120, auch einer der Schüler van Ostades, Cornelis Dusart, in einer größeren Zeichnung einer Schulszene: Cornelis Dusart: Schulszene, 18.3 x 15.4 cm, Sotheby’s London (Versteigerung Slg. E. Utterson/Lady Roseberry?) 1974. Es ist mir nicht gelungen, die Zeichnung ausfindig zu machen. 842 Adriaen van Ostade: Das Frühstück (Tischgesellschaft), um 1647–1652, Radierung, 22.0 x 26.2 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. S.1537; van der Coelen 1998, S. 161 f., Nr. 50 mit Abb. Die gängige Benennung ist – wie im entsprechenden Zusammenhang noch dargelegt werden wird – in meinen Augen unzutreffend, wird hier jedoch der Einfachheit halber beibehalten. 843 Die von Houbraken für van Ostades Kunst verwendeten Adjektive „geestig“ und „natuurlyk“ erscheinen hier ausgesprochen passend. Houbraken 1718, Bd. I, S. 347; Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 22 f. 844 Vgl. dazu die zahlreichen Zecher van Ostades, deren verbeulte Kopfbedeckungen ihnen vielfach über die Augen gerutscht sind und ihnen so nicht nur den Blick vernebeln, sondern sie auch reichlich dämlich aussehen lassen: van der Coelen 1998, Kat.-Nr. 5, 13, 15, 25, 31.

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und auch sein Pult ist grob gezimmert. Doch obschon er, anders als sein Kollege und die ehrwürdige Grammatica, nicht mit Pritschholz oder Stock droht, wirken die Kinder konzentriert. So verbildlicht van Ostade, dass auch in einfachen Schulen strebsames Lernen und Disziplin möglich sind – eine Haltung, die seine früheren Bilder ausdrücklich verneinen. Das Blatt wird üblicherweise in die 70er Jahre des 17. Jahrhunderts datiert. Schnackenburgs überzeugender Vergleich mit dem Entwurf für eine 1673 datierte Zeichnung [Abb. 145] ist ein wichtiges Argument für die späte Datierung.845 Nicht nur die zeitliche Nähe zu der vergleichbaren Komposition Dous und vor allem zu der sehr ähnlich aufgebauten Schulszene Jan Steens vom Beginn der 1650er Jahre [Abb. 211] lässt aber auch eine frühere Entstehung zumindest der Bildidee denkbar erscheinen. Bei Hofstede de Groot findet sich die Beschreibung eines offenbar 1653 datierten Werkes Adriaens,846 das einen Schulmeister mit zwei Schülern zeigt. Die Konzentration auf einen Lehrer mit nur zwei Schülern und die Beschränkung auf Kniefiguren scheint im Wesentlichen diesem Blatt zu entsprechen, ebenso Details des Bildes: Der Lehrer sitzt mit Hut und Anzug in einem Lehnstuhl, er hält eine Feder und lässt einen der Schüler vorlesen. Im Hintergrund ist ein Fenster zu sehen. Dass die Seitenausrichtung des bei Hofstede de Groot angeführten Bildes mit der Vorzeichnung zur Radierung übereinstimmt, unterstreicht die Verwandtschaft der Szenen noch. Da eine Entstehung des Entwurfs für den Schulmeisters mit drei Schülern in der Mitte des 17. Jahrhunderts jedoch nicht nachgewiesen werden kann – van Ostade hätte die kompositorisch vergleichbaren Bilder schließlich auch erst deutlich nach deren Entstehung adaptieren können, zudem hat Hofstede de Groot die angebliche Komposition van Ostades nicht selbst gesehen, so dass seine Angaben nicht als ultimativ verlässlich gelten werden können –, wird des Weiteren von der in der Forschung akzeptierten Datierung der Radierung an das Ende von Adriaen van Ostades Schaffen ausgegangen. Und so bildet die Darstellung einen konsequenten Schlusspunkt der Entwicklung von chaotischen, ärmlichen Dorfschulen hin zur Darstellung ordentlicher Unterrichtsräume, in denen sich schlichte, aber redliche Protagonisten um Bildung bemühen. VI.3

Vom Schuppen zur Schulstube Weshalb verändert sich der Blick der Haarlemer Künstler auf die Schule?

Obschon die Szene keinerlei ironische Spitzen enthält, wird der Schulmeister in einem Gedicht, das den Nachstich in einem 1716 erschienenen Liederbuch ziert, ironisch als Fürst auf einem unbequemen Thron beschrieben.847 Eine derart sarkastische Deutung der Szene wirkt unangemessen, weil der Lehrer so erfolglos nicht zu sein scheint. Natürlich ist denkbar, dass der Hohn sich, wie im Lob der Torheit, gegen den Lehrerstand im Allgemeinen richtet. Doch dieser Spott funktioniert nur, wenn man dem bemühten Lehrer ungezogene und tölpelhafte Kinder gegenüberstellt, und das ist hier offensichtlich nicht der Fall. Es scheint aber, als habe van Ostades Ruf als Chronist des Bauernlebens für die Herausgeber des Buches ausgereicht, um die Szenen in der Gewissheit, die Leser würden diese schon richtig verstehen, mit bissigen Kommentaren zu versehen.848 Und so muss man sich fragen, welche Intention van Ostade mit der Darstellung eines anständigen, aber intellektuell kaum herausragenden Unterrichts verfolgt – stellen doch die meisten der anderen Szenen Extreme dar, illustriert durch bürgerlich-rechtschaffenes oder bäuerlich-primitives Personal. Letzteres zeigte bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts stets ein in irgendeiner Form unpassendes Benehmen. Wie kommt es, dass nun auch die einfachen Menschen in vergleichsweise ordentlichen Räumlichkeiten offensichtlich so aufrecht um Bildung bemüht sind? 845

Adriaen van Ostade: Bauernfamilie bei der Mahlzeit, wahrscheinlich kurz vor bzw. 1673, Feder in Braun über Bleigriffel, grau laviert, 13.3 x 21.0 cm, Staatliche Museen zu Berlin – Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. KdZ 2386; Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 47 (zum Vergleich), S. 125 f., Nr. 231, Bd. II, Taf. 107, Abb. 231. 846 Adriaen van Ostade: Schulmeister mit zwei Schülern, 1653, 21.8 x 18.7 cm, Verbleib unbekannt (1910 in der Slg. Marquis de Bute, London); Hofstede de Groot 1910, Bd. III, S. 258 f., Nr. 381. 847 Van der Coelen 1998, S. 112, Anm. 1: „Een Vorst die door zyn groot vermoogen, [/] Zyn Onderdaanen Wetten geeft [...] Zyn Troon, […] [/] Iis eene Krukstoel zonder mat.“ Jan van Elsland/J. Belle: Het vermaaklyk buitenleven of De zingende en speelende boerenvreugd (Haarlem 1716), S. 61, 1. + 2. Strophe. Siehe auch: Knaap 1996, S. 44 f. für den moralisierenden Kommentar zu einer Szene mit Trick-Track-Spielern in dem Buch. 848 Van Putten 2006/2007, S. 4, betont entsprechend, dass die Texte nicht als ernsthafte Deutungen der Bilder, sondern eher als spaßhafte, den Leser unterhaltende Begleittexte zu verstehen sind.

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Dass Darstellungen sich unzivilisiert gebärdender Bauern Heiterkeit erregten, überliefert unter anderem eine Äußerung van Manders, der bemerkt, dass kaum jemand sich Bilder Pieter Bruegels ansehen könne, ohne grinsen zu müssen.849 Die im Verhältnis zu Bruegels deftigen Bauernfesten oder Kirmesszenen gesitteten späten Szenen der Gebrüder van Ostade haben auf den Betrachter sicher nicht mehr im spöttischen Sinne amüsant gewirkt. Stattdessen wurden die scheinbaren Momentaufnahmen des friedlichen, ländlichen oder einfachen Lebens wohl als Idyll verstanden: „Innerhalb bestimmter Bildthemen vollziehen sich charakteristische Veränderungen. Auf die Verwandlung der Dorfkirmes von einer abstoßenden Orgie in ein friedliches und harmonisches Fest ist auch bereits hingewiesen worden. Eindrucksvoll ist auch die Veränderung des Themas Dorfschule. Frühe Darstellungen mit ihrem chaotischen Durcheinander sind noch in der Nachfolge Brueghels Sinnbilder der unbelehrbaren Dummheit; die Eule in Isacks Zeichnung Kat. Nr. 406 [hier Abb. 133] ist ein Symbol dafür. In Adriaens späten Zeichnungen Kat. Nr. 207 für die Radierung B. 17 [hier Abb. 149 und 150] sind Lehrer und Bauernkinder genauso aufmerksam bei der Sache wie es früher nur in Darstellungen bürgerlicher Schulen üblich war. [Anm. 157, S. 74: Vergl. die Jan Martsen de Jonghe zugeschriebene Zeichnung ‚Der Schulmeister‘ im Londoner British Museum, Katalog Hind 1926, S. 141, Tf. LXXV. Inv.-Nr. 1895.9.15.1206 – hier Abb. 10]. Ein negativer Sinn lässt sich darin nicht finden, eher ein positiver: ist die Tugend des Fleißes dargestellt?“850 Van der Coelen argumentiert dagegen mit Szenen, die immer noch eine kritisch-ironische Distanz zum Benehmen des Bauernvolkes vermuten lassen. Er nennt etwa eine als Radierung überlieferte Szenerie aus der Mitte des Jahrhunderts [Abb. 151],851 wo Erwachsene und Kinder um einen Tisch in einem unordentlichen Raum versammelt sind. Laut van der Coelen handelt es sich um eine Familie bei einem ausschweifenden Mahl, jedoch ist weder das verwandtschaftliche Verhältnis der Dargestellten erkennbar, noch sind Lebensmittel zu sehen.852 Und doch widersprechen diese Beobachtungen seiner These nicht. Der auf Tibulls Elegien zurückgehende Sinnspruch „Securae reddamus tempora mensae [/] venit post multos una serena dies“ („Widmen wir unsere Zeit der sorglosen Tafel [/] Kam doch nach so vielen Mühen endlich ein sorgloser Tag“),853 der den fünften Zustand des Blattes ziert,854 ist vermutlich ironisch gemeint. Am Tisch wird nämlich kräftig gebechert, selbst der kleine Junge hilft einem noch kleineren Mädchen, einen Krug an die Lippen zu heben.855 Recht eindeutig sind die Parallelen zu Boschs Verbildlichung der Völlerei,856 wo ein verwahrlostes Kleinkind einen Zecher regelrecht um einen Schluck aus dem Krug anzubetteln scheint. Geht man also davon aus, dass die Dargestellten ihr hart erarbeitetes Geld nicht nur hemmungslos versaufen, sondern zudem ihre Kinder zum Trinken verführen, bekommt der den maßvollen Genuss zur rechten Zeit preisende Spruch eine aberwitzige Bedeutung. Zudem ist es kaum vorstellbar, dass Menschen, die von Kindesbeinen an dem Trunk zusprechen, sich ihren Lohn hart erar849

„[…] om Boeren met den Pinceel nae te bootsen, […] en maeckte oock veel soodane spoockerijen, en drollen […]. Oock sietmen weynigh stucken van hem, die een aenschouwer wijslijck sonder lacchen can aensien, ja hoe stuer wijnbrouwigh en statigh hy oock is, hy moet ten minsten meese-muylen oft grinnicken.“ Van Mander 1604, fol. 233 r.; van der Coelen 1998, S. 20 f. 850 Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 59, S. 74, Anm. 157. Die von ihm genannte Szene [Abb. 10] ist in der Einleitung und im Kontext von Molenaers Kasseler Schulszene [Abb. 110] bereits beschrieben worden. 851 Adriaen van Ostade: Das Frühstück (Tischgesellschaft), um 1647–1652, Radierung, 20.2 x 25.9 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. S.1537; van der Coelen 1998, S. 161 f., Nr. 50, mit Abb. des 4. und 5. Zustandes. 852 Van der Coelen 1998, S. 21 f., anders die Deutung Slatkes’ im Katalogtext zu dem Blatt: Nr. 50, S. 161 f., Abb. 50 f.; große Abbildung bei Franits 1996, S. 8, Abb. 5, auf S. 7 seine abweichende Deutung der Szene; ebenso Salomon 1996, S. 47 f.: sie versteht diese – mit Berufung auf Parallelen zu Bruegels Darstellung der Fetten Küche und der Mageren Küche (1563) – als Verbildlichung der Freigiebigkeit, da die Dargestellten einander Getränke anbieten. 853 Übersetzung nach Schnackenburg 1984, S. 37, siehe auch: S. 59, Anm. 158 auf S. 74; ebenso: Ackermann 1994, S. 102 f., 160. 854 van der Coelen 1998, S. 162, Abb. 50.1. 855 Zur Bedeutung solcher Szenen bzw. der entsprechenden Emblemliteratur: Durantini 1983, S. 65. 856 Hieronymus Bosch: Gula (Völlerei) – Teil einer Darstellung der Sieben Todsünden und der vier letzten Dinge, um 1490–1500, Holz, 120.0 x 150.0 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid, Inv.-Nr. P02822; Marijnissen 1987, S. 329– 345, mit Detailabb. auf S. 341; Madrid 1995, S. 382 f., mit Abb.

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beiten. „Ebenso wenig überzeugt die Schilderung des Feiertages nach langen Mühen: Die Landarbeiter sitzen am helllichten Tage im sonnendurchfluteten Zimmer und zechen […].“857 Ein Übriges tut die verlotterte Umgebung: Hausrat liegt herum, im Vordergrund verstreute Karten deuten auf das Spiel als Laster858 hin. Zeigt das Bild im Hintergrund tatsächlich die biblische Geschichte Tobits beziehungsweise seines Sohnes Tobias, bedeutet auch dies dem Betrachter, dass nur durch gottgefälliges Leben Gerechtigkeit zu erlangen ist. Tobit, der trotz Blindheit und Verfolgung am Glauben festhält, erfährt letztendlich Gottes Gnade.859 Ähnlich auch die spöttische Beischrift auf dem Nachstich einer Zeichnung van Ostades, die einen seiner Frau bei der Handarbeit assistierenden Mann zeigt [Abb. 152]:860 „Seht, wie wir unser Werk in Süße vertun [/] im Schein von solchen wunderlichen Grillen [gemeint ist wohl das Spinnen als unmännliche Tätigkeit] [/] Doch lieben (verwöhnen) wir von Herzen [/] unser Kindchen, und dies nicht zu gering [/] So halten wir unsere schlechte Klause [/] für ein äußerst prachtvolles Haus.“861 Ein mit Frauenarbeit befasster Mann war an sich schon lächerlich, wäre er doch mit maskuliner Tatkraft für die Familie von weitaus größerem Nutzen. Müsste die Frau nicht ihren Mann bei der für ihn ungewohnten Handarbeit anleiten, wäre der Haushalt in besserem Zustand: Die schadhafte Holzverschalung wäre repariert, die Wäsche gewaschen und die Hose des Mannes geflickt. So aber verkommt das Haus, weil seine Bewohner nicht die Aufgaben verrichten, die ihnen zugedacht sind. Die inhaltliche Umgewichtung vom spöttischen Kommentar zum nahezu liebevollen Beobachten im Bereich der Genre-Darstellungen862 deutet sich aber schon im zweiten Teil des Kommentars zum spinnenden Bauern an: Ist es verwerflich, dass das Kind verwöhnt wird, oder herzerwärmend? Soll man sich darüber lustig machen, dass die Dargestellten ihre schäbige Unterkunft für ein prachtvolles Haus halten, oder sollte man sich ein Beispiel an ihrer Zufriedenheit nehmen?863 In diesem Fall wohl eher letzteres, denn van Ostades Charakterisierung des handarbeitenden Mannes wirkt nachsichtig. Ein weiteres Stadium dieser Entwicklung veranschaulicht der Pater Familias [Abb. 153].864 Dieser füttert sichtlich freudig unter den wohlwollenden Blicken seiner Frau und eines Sohnes sein kleines Kind. Der mütterliche Mann ist offenbar keiner der einst so beliebten satirischen Kommentare zu der Frage, wer wohl in diesem Haus die Hosen anhabe. Die vergleichsweise positive Wertung einer solchen Rollenumkehrung im 17. Jahrhundert ist bemerkenswert. Nur ein Jahr früher ist eine ähnliche Szene entstanden [Abb. 154]:865 Auch hier fällt der Blick auf die Herdstätte eines schäbigen Wohnraums. Wäschestücke und Geschirr liegen herum, das Bett ist nicht gemacht, und der Stoffbehang am Kaminsims hängt herunter. Die Hausfrau stillt, zum Betrachter gewandt, im Vordergrund einen Säugling. Hinter ihr schneidet der Vater Brot, und zwei größere Jungen nehmen im Stehen eine Mahlzeit ein. Der größere der beiden steckt einem begierig hochspringenden Hund einen Bissen zu, dem kleinen Bruder hängen die Hosen um die Knöchel. Das verlotterte Heim und das unziemliche Verhalten der Jungen lassen keinen Zweifel daran, dass dieser Haushalt liederlich geführt ist. Der 1648 entstandene Pater Familias hingegen steht einem geordneten Hauswesen vor: Zwar ist auch an dem Zustand seiner Wohnstatt einiges zu 857

Ackermann 1994, S. 103. Zur zeitgenössischen Haltung zum Kartenspiel bzw. Glücksspiel allgemein siehe: Durantini 1983, S. 256 ff. 859 „Lieber wenig, aber gerecht, als viel und ungerecht.“ Tobit 1 ff.; van der Coelen 1998, S. 163. 860 Johannes de Visscher (nach A. van Ostade): Der haspelnde Bauer, um 1670, Radierung und Kupferstich, 29.4 x 24.0 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. 1839,0413.407; Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 268, Abb. 46, Vorzeichnung: Der haspelnde Bauer, Feder in Braun über Bleigriffel, Städelsches Kunstinstitut Frankfurt/Main, Inv.-Nr. 901 auf S. 91 f., Nr. 55, Bd. II, Taf. 31; Salomon 1996, S. 58 ff., Abb. 16 f. (A. van Ostade: Der haspelnde Bauer, Mischtechnik, Szépmuvészeti Múzeum, Budapest, Inv.-Nr. 1555). 861 Die Beischrift ist auch in Niederländisch wiedergegeben bei Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 58. 862 So z. B. Knaap 1996, S. 31 ff.; Salomon 1996, 48 ff., bes. S. 54 ff.; ebenso beobachtet von Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 30, 55 ff. 863 Schnackenburg 1984, S. 39, auf S. 59 beschreibt er ein ähnlich ambivalent kommentiertes Beispiel. 864 Adriaen van Ostade: Pater Familias, 1648, Radierung, 12.7 x 9.4 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. S.1493; Ackermann 1994, S. 150 f., S. 203, Taf. IX; Salomon 1996, S. 43, Abb. 2, zur Deutung S. 56 f.; van der Coelen 1998, S. 137 f., Kat.-Nr. 34, mit Abb.; Salomon 2004, Abb. 76. 865 Adriaen van Ostade: Die Familie, 1647, 17.3 x 15.5 cm, Radierung, British Museum, London, Inv.-Nr. S.1527; van der Coelen 1996, S. 153 f., Nr. 46, mit Abb.; Salomon 2004, Abb. 75. 858

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bemängeln, doch kümmert sich seine Frau, ganz wie es sein soll, um die Wäsche und das Essen, auch das ältere Kind scheint brav zu sein. Abgesehen von Kritik an der Unordnung oder der Umkehrung des gängigen Rollenverständnisses kommentiert die Darstellung natürlich auch die Erziehung. Der Hund ist als Sinnbild der Folgsamkeit und gar der christlich geprägten Gelehrigkeit ein deutlicher Hinweis,866 ebenso das Bild des Vaters, der seine Kinder mit Nahrung versorgt. Der im Kapitel zu van Brekelenkams häuslichen Schulszenen kurz dargelegte etymologische Zusammenhang zwischen den holländischen Bezeichnungen der Begriffe „Füttern“ und „Aufziehen“ betont dies noch.867 Angesichts des chaotischen Umfelds ist zu bezweifeln, dass diesen Kindern die richtigen moralischen Werte vermittelt werden. Wie bewusst van Ostade seine Botschaft formuliert, zeigt eine Vorzeichnungen zum Pater Familias [Abb. 155].868 Dort sitzt dem Vater ein Mann mit einem Krug gegenüber und grinst, als mache er sich über dessen Häuslichkeit lustig. Jan de Wasser, die allen Holländern vertraute Karikatur des männlichen Rollenmodels, füttert – neben anderen hausfraulichen Tätigkeiten – ebenfalls einen Säugling und macht sich damit lächerlich.869 In der Radierung fehlt der Spötter, der zwar ein Gegenbild zum Familienvater darstellt, vielleicht aber auch eine Verlockung. Das Vermeiden dieser Gegenüberstellung mildert die Ironie der Szene. Das heißt natürlich nicht, dass van Ostade männliches Engagement im Haushalt propagiert. Die Darstellung des zärtlich sorgenden Vaters beweist aber, dass das Gesellschaftsgefüge, das Geschlechterrollen ebenso streng regelte wie die Unterscheidung sozialer Schichten, offenbar nicht mehr als unveränderlich begriffen und dass das Missachten traditioneller Kategorien nicht mehr automatisch scharf verurteilt wurde. So werden die einst zwielichtig wirkenden Bauern des inzwischen mit einer Frau aus einer reichen Amsterdamer Katholikenfamilie verheirateten Meisters zu ehrbaren Landleuten.870 Noch deutlicher ist diese Veränderung beim 1653 datierten Tischgebet [Abb. 156]:871 Eine Familie hat sich zur Mahlzeit versammelt. Der Vater spricht mit gefalteten Händen den Segen, seine Frau und die beiden Kinder haben demütig die Köpfe gesenkt. Die Protagonisten wirken in ihrer frommen Dankbarkeit anrührend, ihr Wohnraum ist karg, aber aufgeräumt.872 Hier ist nichts mehr von der teils beißenden Ironie früherer Bauerndarstellungen spürbar. Auch wenn die ursprüngliche Bildidee auf Isack zurückgeht,873 ist die Radierung in dieser Form eine Komposition Adriaens, die die veränderte Stimmung seiner bäuerlichen Szenen belegt. Es ist auch denkbar, dass der Jüngere das Thema auf Anregung des Bruders aufgegriffen hat. Obschon die Familie sich auf seiner früheren Zeichnung ebenfalls betend bei Tisch versammelt hat, wirkt ihr Umfeld doch schäbiger, weniger bescheiden, sondern schlicht unaufgeräumt. Bis auf wenige Ausnahmen sind die Protagonisten des jüngeren Bruders relativ ausgelassene, sorglose Charaktere. Den endgültigen, in der späten Radierung vollendet zu Tage tretenden „Gesinnungswandel“ Adriaens scheint der früh verstorbene Isack nicht mehr erlebt zu haben – auch wenn sich, wie oben angedeutet, in seinen Arbeiten ebenfalls eine Tendenz zur romantischen Idylle abzeichnet. Die beschriebene Entwicklung manifestiert sich auch in der veränderten Malweise, wie etwa an den Gemälden im Louvre [Abb. 138 und 145] und der 1666 datierten Tafel [Abb. 148] zu sehen ist. 866

Salomon 2004, S. 100. So ein Emblem, auf dem ein Mann einen Hund dressiert, der Text thematisiert die Überwindung der eigenen Natur; Johannes a Castro: Sinne-beelden, 1694, Bd. III, S. 7; Durantini 1983, S. 275 ff.; Bedaux 2000/2001, S. 19 f.; Haarlem/Antwerpen 2000/2001, S. 244; zur leerzuchtigkeit: Schama 1988, S. 579. 867 Salomon 2004, S. 100 f. 868 Adriaen van Ostade: Der Familienvater, um 1645 (?), lavierte Federzeichnung, 11.5 x 8.6 cm, Verbleib unbekannt (ehemals Brod Gallery, London); Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 90, Nr. 49 und 50 (letztendlich verwendete Vorzeichnung), Bd. II, Taf. 26. 869 Diese und ähnliche Figuren waren als didaktische Bildergeschichten sehr weit verbreitet. Vgl. z. B. Veen 1976, S. 14 ff.; Salomon 2004, S. 101, Abb. 86. 870 Philadelphia/Berlin/London 1984, S. XXXV. 871 Adriaen van Ostade: Tischgebet, 1653, Radierung, 15.3 x 12.8 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. 1980,U.1691; Franits 1996, S. 11, Abb. 8; van der Coelen 1998, S. 138 ff., Kat.-Nr. 35, mit Abb.; Salomon 2004, Abb. 77. 872 Aus Vernunftgründen eine schlichte, aber sichere Behausung einem angreifbaren Palast vorzuziehen, ist ein auf Horaz zurückgehendes literarisches Motiv, das im 15. Jh. erneut aufgegriffen wird: Raupp 1986, S. 24. Salomon 2004, S. 99, verweist in diesem Zusammenhang auf einen Text Luthers, der ausführt, inwieweit weltliche Güter für wahrhaftige Frömmigkeit unwichtig sind. 873 Isack van Ostade: Familie beim Tischgebet, 1644, aquarellierte Federzeichnung, 26.0 x 19.9 cm, Teylers Stichting, Haarlem; Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 177, Nr. 510, Bd. II, Taf. 215; Schnackenburg 1984, S. 39 f.; van der Coelen 1998, S. 138 f.

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Zu dieser Gruppe, für die deutlichere Licht- und Farbakzente in kühleren Tönen typisch sind, gehört auch das Atelierbild aus dem Jahr 1663 [Abb. 157]. Dabei ist, wie im Zusammenhang mit Ostades 1662 datierter Szene [Abb. 145] ausgeführt, auch die sorgfältigere Behandlung von Details ein Unterschied zu den eher summarisch gemalten Bildern der 1630er und 1640er Jahre. Die rouwe oder losse – raue oder flüchtige – Manier korrespondiert mit der „Niedrigkeit“ bäuerlicher Themen. Die Sujets ändern sich im Lauf der Zeit zwar nicht grundlegend, die Darstellungen werden jedoch gemäßigter und ihre Ausführung nähert sich der von Gerrit Dou perfektionierten minutiösen Malweise an, welche Philips Angel (um 1618–1664/1665) als netticheyt lobt.874 Van Ostade steigert durch die naturalistische Darstellung der Figuren und vor allem die minutiöse Abbildung der verschiedensten Gegenstände und Texturen die Authentizität seiner Arbeiten und stellt zugleich sein malerisches Können unter Beweis. Und da in feine Stoffe gewandete historische Figuren in luxuriöser oder exotischer Umgebung nicht zu seinem Repertoire gehören, demonstriert er seine Virtuosität mit der malerischen Nachbildung von abgetragenen Stoffen und verbeulten Hüten, von Lehm, Putz, Ziegeln, Holz oder knittrigem Papier. Wobei der Ausdruck „malerisch“ in diesem Zusammenhang nicht als Synonym für „gemalt“ zu verstehen ist, sondern vielmehr als Charakterisierung eines Sujets, das „schilderachtig“875 ist – also wert, gemalt zu werden. Zwar wird der Ausdruck im 17. Jahrhundert, wenn von Bildern die Rede ist, besonders im Zusammenhang mit Landschaften oder Darstellungen von Gebäuden verwendet. Doch vor allem bei letzteren waren gerade nicht neue, repräsentative Architekturen interessant, sondern ältere, ländliche Bauwerke, deren im nämlichen Sinne pittoreske Aura auf Maler wie auch Betrachter besonders charmant gewirkt zu haben scheint.876 Und auch bei Ostades Interieur liegt der Fokus häufig auf der altersbedingten „Patina“ des Raumes, der besonderen Struktur des Lehmbodens, der zum Teil schadhaften Wandverkleidung oder des rauen Holzes.877 Schnackenburg hebt hervor, dass sowohl Cornelis de Bie als auch Arnold Houbraken gerade diese Details im Zusammenhang mit Adriaen van Ostades Malerei für erwähnenswert hielten.878 Über diese Konzentration auf die stofflichen Eigenarten alltäglicher Gegenstände mokiert sich dagegen der in Amsterdam und Den Haag wirkende Graphiker und Kunstkritiker Jan de Bisschop (1628–1671), der die Vorliebe mancher – wie er meint: altmodischer – Zeitgenossen für derbe Figuren oder verfallene Bauwerke kritisiert: „Want het is claerlijck een verkeertheyt van oordeel te gelooven […] dat meer schilderachtich sij en voor de konst verkieselijck een mismaeckt, out, verrimpelt mensch, als een welgemaeckt, fris en jeugdigh; een vervallen of ongeschickt gebouw, als een nieuw en nae de konst getimmert; een bedelaer en boer, als een edelman of Coningh; […] Welcke verkeertheyt nochtans voor weynich jaren by vele en voorname fraeye geesten onses Vaderlants seer diep was ingewortelt, en geworden genoechsaem een gemeen gevoelen: soo dat by na alles dat voor het oogh verwerpelijck was, tot schilderen en teekenen verkoosen ja gesocht wiert als heilichdom en wat bisonders.“879 874

Angel 1642, S. 55 f. Van Mander 1604, fol. 48 (Beschreibung Tizians Spätstil) erachtet die rouwe Manier für geübte Künstler als angemessen, warnt aber weniger geübte Maler vor dieser Technik. Der rund 20 Jahre nach Angel publizierende Cornelis de Bie dagegen lobt die flüchtige Malweise von Ostades Lehrer Frans Hals ohne Einschränkung als „plaisant en gheestich“ – zumindest, wenn sie aus einer gewissen Distanz betrachtet werde: de Bie 1662, S. 281 f.; vgl. Emmens 1962, S. 125 f.; Broos 1978/1979, S. 121–123; Sluijter 1993, S. 57 f. 875 Bakker 1995, S. 147 ff., bes. S. 148–152, gibt einen Überblick über die Verwendung des Ausdrucks, der wohl 1604 durch van Manders Schilder-Boeck in die niederländische Kunsttheorie eingeführt wurde. 876 Houbraken 1718, Bd. I, S. 347: „Boere hutjes, […] stalletjes, […], met al hun bouwvalligen huisraad.“ 877 Gibson 2000, S. 141 ff., beschreibt die Mode der „rustic ruins“ in der holländischen Landschaftsmalerei des 17. Jh.s, S. 161 zieht er Parallelen zu den Werken van Ostades, wo der Putz von den Wänden bröckelt und Alltagsgegenstände auf dem Boden verstreut liegen. Er bezieht sich vor allem auf van Ostades so genanntes „Frühstück“ [Abb. 152]. Beispiele sind auch die sorgfältig ausgeführten, teils regelrecht verfallenen Gebäude auf den biblischen Szenen Abraham Bloemarts, die ab 1605/1610 entstehen, etwa Die Rast auf der Flucht nach Ägypten, um 1605–1610, Leinwand, 113.0 x 161.0 cm, Centraal Museum Utrecht, Inv.-Nr. 5570. Roethlisberger/Bok 1993, Bd. I, S. 37 (zum Gemälde S. 144 f., Kat.Nr. 101, Bd. II, Taf. 176); Knaap 1996, S. 34 f. 878 Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 55 f. 879 Jan de Bisschop: Paradigmata variorum artificum – Voor-beelden der teken-konst van verscheyde meesters (Den Haag 1671); das hier gekürzt wiedergegebene Zitat aus dem nicht paginierten Text findet sich bei Bakker 1995, S. 156, Anm. 31. Vgl. auch: Gaehtgens 2006, S. 211 f.

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In den Augen des Klassizisten de Bisschop sind demnach besonders Menschen von hohem Wuchs und vermeintlich tugendhaftem Charakter wie Edelleute oder Könige und nach den neuesten Regeln des Handwerks errichtete Bauten würdige, das Auge erfreuende Sujets. Dass Ostades Menschlein in ihren teils schäbigen Behausungen diesem Ideal diametral entgegenstehen, liegt auf der Hand. Die in Ansätzen nachgezeichnete Entwicklung des Haarlemers hin zu einem weniger karikaturhaften Blick auf einfache Menschen hängt sicher mit solchen Beurteilungen zusammen. De Bisschops Text ist zwar erst 1671, und damit nach der Entstehung von van Ostades Gemälde erschienen. Die klassizistischen Theorien, wonach die Kunst sich auf das zu konzentrieren habe, was ebenmäßig gewachsen oder symmetrisch gebaut ist und entsprechend als moralisch einwandfrei gelten konnte, zeigten jedoch schon etwa ab der Mitte des 17. Jahrhunderts ihre Wirkung.880 Und van Ostade bemühte sich offensichtlich darum, mit seiner Kunst auf der Höhe der Zeit zu bleiben. Diese Veränderung – die, wie in Kapitel VI.1.4 geschildert, auch bei Molenaer spürbar ist,881 ist sicher nicht auf eine grundlegend veränderte Sichtweise der Auftraggeberschaft auf die untergeordnete soziale Schicht zurückzuführen, sondern eher auf den verfeinerten Geschmack der Käufer. Das sich zunehmend an Umgangsformen des Adels orientierende Patriziertum882 empfand die derben Darstellungen offenbar immer mehr als unangemessen, gar abstoßend. Und so sollte nicht nur die fein gemalte Textur von Stoff, Fell, Glas und anderen Dingen dem Auge schmeicheln,883 auch die Themen durften die Empfindungen des kultivierten Betrachters möglichst nicht stören. Vielmehr sollten idealisierte Darstellungen den Geist über die Niederungen des Alltags erheben. Diese Tendenzen sind in den Ausführungen de Bisschops,884 aber auch schon in Philips Angels 1642 in Leiden erschienenem Lof der schilder-konst spürbar. Angel gibt der sorgfältigen Malweise den Vorzug, wobei er den „nicht genug zu preisenden“ Feinmaler Dou, der die perfekte, in der lebensnahen Beschreibung des Dargestellten genaue, aber nicht zu steife Handhabung des Pinsels beherrsche, als bestes Beispiel hervorhebt.885 Auf das Publikum in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts müssen die frühen Bilder van Ostades und Molenaers im Vergleich zu den eleganten Szenen Dous, van Mieris’ oder auch ter Borchs altmodisch und plump gewirkt haben. Der Geschmack des wohlhabenden Bürgertums verfeinerte sich ohne Rücksicht auf das Sujet, dessen Darstellung diesen Bedürfnissen aufgrund ökonomischer Überlegungen angepasst wurde886 – gewissermaßen vom Genre zum „genre noble“.887 Eine ähnliche Entwicklung lässt sich für das Theater beobachten: Wer Gefallen an den kluchten fand, die das Treiben des einfachen Volkes auf derb-burleske Weise thematisierten, galt im späteren 17. Jahrhundert in gewissen Kreisen als Ignorant.888 Entsprechend werden auch Molenaers wilde Buben immer weniger Abnehmer gefunden haben, so dass auch er seine späten Darstellungen [Abb. 120 und 121] weniger drastisch inszeniert. Maßgebend wurde die vermeintlich moralisch einwandfreie Kunstauffassung der Antike, die der klassizistische Maler und Kunsttheoretiker Gerard de Lairesse (1641–1711) propagierte und auch künstlerisch umsetzte. Jemand wie Adriaen Brouwer, mit dessen rasch hingeworfenen Darstellungen randalierender Rüpel [Abb. 123] – „Bedelaars, Bordeelen, Kroegen, Tabaktookers, Speelmans […] en wat noch vuilder en erger is“, wie es de Lairesse ausdrückt889 – die frühen Werke Jan Mo880

Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 31 f.; Bakker 1995, S. 157; Gaehtgens 2006, S. 212 f. Westermann 2002, S. 55. 882 Franits 1996, S. 14 f., 18; de Vries 1999, S. 35; Roodenburg 2004, S. 39 ff.; Gaehtgens 2006, S. 206 ff.; Hecht 2006/2007, S. 14 ff., 24. 883 Sluijter 1988, S. 19 ff., legt anhand zahlreicher Quellen dar, wie viel Wert die Zeitgenossen auf die das Auge verblüffende Nachahmung der Natur legten. Vgl. auch Sluijter 1993, S. 43 ff. 884 Das Aufkommen klassizistischer Kunsttheorien vor bzw. um 1670 fasst Mai 2006/2007, S. 37 f., zusammen. 885 Angel 1642, S. 55 f.; Vgl. dazu: Broos 1978/1979, S. 122 f.; Sluijter 1993, S. 57 f. 886 Schnackenburg 1984, S. 40 f.; Franits 2004, S. 138; Laabs 2000, verdeutlicht dies auf S. 6 auch anhand eines Preisvergleichs der Bilder Steens und Brouwers, die 1657 im Handel einen Bruchteil der für Bilder Dous oder van Mieris’ veranschlagten Summen erreichten. 887 Gaehtgens 2006, S. 206. Sie beschreibt die Entwicklung auf den folgenden Seiten anhand von Beispielen aus der Bildnis- und Genremalerei des bürgerlichen Milieus, etwa Werken Rembrandts und Nicolaes Maes’. 888 Vanhaelen 2003, S. 52 f., Anm. 100 auf S. 69. 889 Lairesse 1712, Bd. III, S. 171 (die Ausgabe von 1740 zitiert Hecht 2006/2007, S. 21, Anm. 17), auf S. 174 prangert er bestimmte Maler an, die „het zelve noch veel leelyker nabootsen, dan de natuur dat voortbrengt: […] Ostade, Brouwer, Molenaar en meer andere vertoond hebben, hoe meer ze by de geringe verstanden geacht worden.“ 881

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lenaers und Adriaen van Ostades einiges gemein haben, verkörperte für de Lairesse den Niedergang der Malkunst.890 Vor diesem Hintergrund ist auch die Stilisierung der Vita Brouwers zu verstehen, dessen Schänkenszenen zum Gröbsten gehören, das die niederländische Kunst des 17. Jahrhunderts zu bieten hat. Dennoch preisen ihn die frühen Biographen (etwa de Bie 1662) – anders als später Houbraken, der hinter seinem unvernünftigen Lebenswandel selten sittliche Beweggründe feststellt891 – als vornehm und besonders geistvoll. Seine Bilder, obschon sie „mismaeckte boetsen“ zeigten, trügen ihre moralische Botschaft „onder den deckmantel von spots-ghewijse“. Seine exzentrischen Wesenszüge – Eigensinn bei Verkaufsverhandlungen, ungewöhnlich hohe Preise, das Versaufen seines Verdienstes – werden auf reichlich gewundene Weise als Abkehr von irdischem Reichtum und als besondere Wertschätzung der Kunst positiv beurteilt.892 Dazu kommt das Lob seiner Späße und der Wirklichkeitsnähe seiner Bilder, die eben deswegen meist vor Ort in den Kneipen angefertigt worden seien – ausschließlich in der Absicht, möglichst nach dem Leben zu malen.893 All diese Merkmale hätten dem Künstler nachteilig ausgelegt werden können. Stattdessen bemühen die Biographen bestimmte Verhaltens- und Argumentationsmuster, die Brouwer analog zu griechischen Gelehrten als Vertreter einer geistigen Tradition, als moralistischen Satiriker erscheinen lassen. Ob der Maler selbst diese Bezüge konstruiert hat oder ob seine Biographen sie als apologetische Rhetorik instrumentalisierten, ist unklar.894 Weil die Mode, vermeintlich niedere Bildthemen auf gefällige Weise zu präsentieren, zu Brouwers Zeit noch nicht aktuell war, ist letzteres wahrscheinlicher. Die an klassischen Vorbildern orientierte Herangehensweise steigerte die Wertschätzung seiner Arbeiten, deren wenig elegante Malweise in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts unter Umständen weniger Bewunderer fand. Bezüge auf philosophische Denkmodelle rechtfertigten in den Augen klassizistisch orientierter Käufer wohl die anstößige Vulgarität der Bilder. Und dass vielen von ihnen der Kyniker Diogenes als Moralist ohne Manieren ein Begriff gewesen sein muss, zeigt seine Präsenz in Äußerungen der Zeitgenossen.895 Besonders am Œuvre Adriaen van Ostades ist abzulesen, wie er den veränderten Vorlieben potentieller Kunden entgegenkommt, indem er seine kümmerlichen Figuren in schäbigen Hütten zu aufrechten Menschen in behaglichen Häusern werden lässt. Inwieweit sich diese Anpassung fortsetzt, zeigt das Beispiel von Ostades Schüler Cornelis Dusart, dessen Bauernbilder sich an den späten Werken des Älteren orientieren. Dusart selbst besaß Schriften de Lairesses und andere Publikationen, in denen bereits Ansätze der klassizistischen Kunsttheorie zu finden sind – unter anderem Cornelis de Bies Gulden Cabinet oder Samuel van Hoogstratens Inleyding tot de Hooge Schoole der Schilderkonst.896 Für diese den Geschmack der Käufer betreffende Entwicklung gibt es neben dem kunsttheoretischen auch einen sozialökonomischen Hintergrund. Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts ist eine Veränderung der finanziellen Situation mancher Landbewohner zu beobachten.897 Die Bauern waren dank verbesserter landwirtschaftlicher Methoden und dem durch wachsende Bevölkerungszahlen steigenden Bedarf an Feldfrüchten mehr und mehr in der Lage, ihre Erträge gewinnbringend zu veräußern und ihre Lebensbedingungen so dem Wohlstand mancher Stadtbewohner zumindest anzunähern. Die zunehmende Erschließung des Landes führte dazu, dass auch Städter in Unternehmen wie Deich- oder Kanalbau investierten und dadurch in engeren Kontakt mit dem Landleben kamen. Nach und nach entwickelte sich eine Art eskapistische Vorstellung vom Leben in einer friedlicheren, regelrecht unschuldigen Umgebung. Wer es sich leisten konnte, erwarb ein Anwesen außerhalb der Stadt, andere machten Ausflüge, um die Luftveränderung zu genießen. Infolge dieser Entwicklung kam es möglicherweise auch zu einer Art „wissenschaftlich890

Franits 1996, S. 14 f., 18; de Vries 1999, S. 35; Gaehtgens 2006, S. 219; Weber 2006/2007, S. 55. Houbraken 1718, Bd. I, S. 318: „Potsig was zyn penceelkonst, potsig zyn leven […]“, oder S. 325: „Hy was van der jeugt aan tot boerteryen geneigt, en belust om allerhande potsen uit te voeren […]“, von denen auf den folgenden Seiten einige erzählt werden. Vgl. auch Horn 2000, Bd. I, S. 230, 312. 892 De Bie 1662, S. 91–94 (das Zitat auf S. 91); Raupp 1987, S. 228 ff. 893 Sandrart 1675, Bd. II, S. 305; Bullart 1682, Bd. II, S. 487 ff.; Raupp 1987, S. 230 f. 894 Raupp 1987, S. 233 f. 895 Zitiert bei Raupp 1987, S. 234 ff. 896 Anderson 2010, S. 134, 143. Zu de Bie und Hoogstraten vgl. hier besonders Kapitel VI.2.2.3, VIII.5.2 und IX. 897 Knaap 1996, S. 31 f. 891

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ethnographischem Interesse“898 am Leben der Bauern oder einfachen Handwerker.899 Dies mag auch eine Neubewertung der schlichten Charaktere zur Folge gehabt haben, die in der Genremalerei allerdings nicht durchweg aufgegriffen wird. Hier wird – wie im Folgenden noch zu sehen – weiterhin meist mit Stereotypen gearbeitet. Trotzdem: Gerade für die Gegend um Haarlem sind besonders viele Darstellungen bildlicher oder literarischer Art bezeugt, die die Schönheit der Landschaft und die Produktivität ihrer Bewohner hervorheben.900 Auch Texte, die den Bauern einerseits Eigenschaften wie Maßlosigkeit und Habgier zuschreiben und zugleich höheren Ständen den Fleiß und die Genügsamkeit der Landleute vorhalten sowie Klerus und Adel sittliche Verrohung vorwerfen, dienten letztlich – wie im Zusammenhang mit Bruegels Esel in der Schule [Abb. 34] erläutert – dazu, die bestehende Ordnung zu bestätigen und das Gleichgewicht von herrschender Klasse und im weitesten Sinne produzierenden Schichten zu sichern. In Predigten wurde der genügsame und demutsvolle Bauer, der die Erbsünde stellvertretend für die gesamte Menschheit auf seinen Schultern trägt, gar Königen gleichgestellt – eine Tendenz, die sich bis ins 18. Jahrhundert fortsetzt.901 Dieses geradezu hymnische Lob sollte vermutlich den Unmut über Ausbeutung und Missstände gering halten, selbstredend gibt es nicht die öffentliche Meinung über den Bauernstand wieder. Dieser erfährt weiterhin allgemeine Geringschätzung.902 Nanette Salomon führt aus, inwieweit das einfache Leben in den Augen der Zeitgenossen aber auch dem christlichen Ideal der Bescheidenheit entsprach – ein Aspekt, der sich etwa im Motiv des Tischgebets äußert.903 Diese Neubewertung des bäuerlichen Charakters kann natürlich ohne Weiteres mit der malerisch sorgfältigeren Schilderung der Protagonisten einhergehen. Es handelt sich dabei aber keinesfalls um die tatsächliche Infragestellung gesellschaftlicher Normen oder, etwa im Fall des Pater familias [Abb. 153], gar um einen Aufruf für mehr männlichen Einsatz in Sachen Kindererziehung. Zudem findet die Tendenz van Ostades, den Vater als braven Hausmann zu etablieren, keinen Nachhall in Bildern seiner Kollegen oder Schüler. Auch verständnisvolles Mitleid für das Schicksal von Menschen aus inferioren Gesellschaftsschichten ist eine moderne Sichtweise, die für das 17. Jahrhundert nicht denkbar ist.904 Der wohlwollende Blick auf die bescheidenen Freuden der Landbewohner gehört jedoch zum Bauernlob, das sich in der niederländischen Dichtkunst der Zeit großer Beliebtheit erfreute.905 In der christlichen Gesellschaftslehre kommt dem Bauern die Rolle des Nährers der ihm übergeordneten Schichten zu906 – und die ökonomische Entwicklung der Zeit steigert natürlich die Aktualität dieser Verortung. Womöglich klingt also in den in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts entstehenden Idyllen van Ostades das malerische Lob der braven Landleute nach, die durch ihren Eifer das Wohlergehen ihrer Mitmenschen gewährleisten und in ihrer Bescheidenheit ein Vorbild für andere sind. Sicher spielt auch eine Form des Eskapismus eine Rolle, schließlich werden die einfachen Menschen als sorglos und fröhlich geschildert. Zwar verfügen sie nicht über wertvolle Güter und leiblichen Luxus, doch müssen sie deswegen auch keine Verluste fürchten. Und das allerorten so eindringlich geforderte Maßhalten erledigt sich gewissermaßen von selbst.907 Allerdings scheint der allegorische Gehalt der Szenen zugunsten der feinen, genaueren Malweise in den Hintergrund zu treten. Die akkurate Malweise und pointierte Farbgebung der mit der Zeit detaillierter und wirklichkeitsgetreuer wiedergegebenen Szenen van Ostades war für Sammler sicher ein 898

Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 56. Antwerpen 1987, S. 96–101. De Vries 2004, S. 161 ff. stellt dies z. B. auch für die Berufsgruppe der Schuhmacher fest, die ja, wie im Zusammenhang mit der Allemode School [Abb. 40] in Kapitel IV.2 erwähnt, im 16. Jh. keinen sonderlich guten Ruf hatte. 900 Knaap 1996, S. 33 ff. 901 Die literarischen Quellen des 15. Jh.s bei Raupp 1986, S. 10 ff.; Antwerpen 1987, S. 63. 902 Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 56 f.; Westermann 2002, S. 44 ff. 903 Salomon 2004, S. 99; zum Tischgebet: Thiel 1987, S. 128 ff.; Schnackenburg 1984, S. 40 f. weist zudem auf den Einfluss von Darstellungen der Heiligen Familie beim Mahl bzw. Szenen der Kindheit Jesu allgemein hin, die sich ja ebenfalls in einem eher einfachen Milieu abspielen. 904 Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 58; Salomon 1996, S. 58; Salomon 2004, S. 105. 905 Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 59, nennt dazu verschiedene Beispiele antiker und zeitgenössischer Autoren. 906 Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 58, zitiert dazu ohne Angabe der genauen Textstelle „het Boeren Nut“, vom Nutzen des Bauern, als Wendung Cornelis de Bies. 907 Schnackenburg 1984, S. 35, 37. 899

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wichtiges Kriterium. Die inhaltliche Bedeutung des Dargestellten dagegen – und das gilt, wie gesehen, bis zu einem gewissen Grad auch für die Werke Molenaers – wird kaum noch zugespitzt betont.908 Das schließt jedoch nicht aus, dass die Betrachter die lange tradierten Motive weiterhin erkannt und entsprechend gedeutet haben. Als Nachklang dieser vielschichtigen Bedeutungsebenen mag das eher eindimensionale Urteil Arnold Houbrakens verstanden werden, der die Darstellungen des einfachen Lebens von der Hand van Ostades als „geestig en natuurlyk“ bezeichnet.909 Für van Ostades Schulszenen der 1630er und 1640er Jahre bedeutet dies, dass die entscheidende Komponente der für heutige Betrachter schwer bestimmbaren Bilder wohl in der Tatsache liegt, dass es sich um Dorfschulen handelt, in denen plumpe Kinder von tölpelhaft wirkenden Lehrern unterrichtet werden. Bode drückt es drastischer aus: „[...] unförmige Gnomen mit Wasserköpfen auf kleinen Körpern mit den Zügen alter Leute, in Tracht und Ausdruck karikiert, Kopien der Eltern [...].“910 Diese auch in den späten Arbeiten nachklingende Typisierung wurde von den Zeitgenossen wohl immer noch auf den schlichten (und demnach wenig tugendhaften) Charakter der Dargestellten bezogen. Bettler, Bauern und andere Mitglieder der unteren Gesellschaftsschichten mussten sich nicht mehr „danebenbenehmen“, um als niedere soziale Klasse gesehen zu werden. Sie wurden an ihrer Gestalt und an ihrem Umfeld erkannt und beurteilt. Die Figur des Bauern als ungeschlachtes Wesen, dessen Leben von seinen leiblichen Bedürfnissen bestimmt war und der demgemäß das Gegenbild des zivilisierten Bürgers war, hatte sich seit der Mitte des 16. Jahrhunderts manifestiert. Tradiert wurden diese Vorstellungen durch die zeitgenössische Literatur, Malerei und vor allem durch druckgraphische Erzeugnisse.911 Ihre massenhafte Verbreitung führte dazu, dass der Bauer noch lange als Inbegriff des begriffsstutzigen, faulen, triebgesteuerten und folglich moralisch nicht einwandfrei handelnden Menschen galt – ein Bild, das im 17. Jahrhundert noch gängig war. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Einschätzung Nanette Salomons, Darstellungen des Bauerngenres seien nicht als „per se“ negative oder positive Beispiele zu verstehen, sondern vielmehr als Teil eines Systems zur Vermittlung sozialer Hierarchien. Dieses System war in Bewegung geraten. Vertreter der niederen Stände, Bauern, Gaukler oder andere, fungierten nicht mehr ausschließlich als Mahnbilder. Ihr Umfeld und ihre Eigenarten schienen manchen durchaus interessant, vielleicht sogar reizvoll.912 Diese Veränderung lässt sich möglicherweise schon an den frühen Dorfschulen der Ostades ablesen: Letztlich kann man ja auch für diese Szenen nur vermuten, dass die Kinder dem Lehrer auf der Nase herumtanzen, wie es für ihren Stand als typisch galt – explizit gezeigt wie bei Molenaer wird das eigentlich nicht. Tatsächlich ist diese „gewisse Gleichgültigkeit Ostades gegenüber dem erzählten Inhalt“913 für sein gesamtes Werk kennzeichnend, so dass – wie Schnackenburg zusammenfasst – der allegorische Gehalt der Szenen gegenüber der atmosphärischen Schilderung nicht selten in den Hintergrund tritt. Und es ist auch bezeichnend, dass van Ostade von Anfang an andere Schwerpunkte setzt als der vermutlich in unmittelbarer Nachbarschaft arbeitende Molenaer, in dessen Schulen meist „so richtig was abgeht“. Eine Prügelei oder ein Elternbesuch sind bei van Ostade kaum vorstellbar.914 908

Knaap 1996, S. 43 ff. Houbraken 1718, Bd. I, S. 347; vgl. auch Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 55; Knaap 1996, S. 50. 910 Bode 1924, S. 34. 911 Miedema 1977, S. 211 ff.; Knaap 1996, S. 37 ff.; Antwerpen 1987, S. 63 ff. Auch das Gegenbild, der aufrecht stehende Mensch von edlem Charakter, war natürlich Gegenstand zahlreicher Handbücher und vor allem bildlicher Darstellungen: Roodenburg 2004, S. 15 ff., 78 f., S. 119 ff. (entsprechende Figurentwürfe in schilderboeken), S. 127 ff. (konträre Bildbeispiele). Entsprechend gibt es nur verhältnismäßig wenige Bilder, die Bauern bei ihrer ja durchweg positiv beurteilten, für das Gemeinwesen so wichtigen Arbeit zeigen: Antwerpen 1987, S. 106 ff. 912 Antwerpen 1987, S. 78–81; Salomon 1996, S. 45; Roodenburg 2004, S. 142 f.; ähnlich argumentiert auch Briels 1997, S. 107 f., am Beispiel der Darstellungen von Bauernfesten. 913 De Vries 1974/1975, S. 10, zitiert bei Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 57. 914 Es gibt zwar eine in zwei Fassungen überlieferte, vor allem in der Charakterisierung der Schüler und durch einzelne Motive an Bilder van Ostades erinnernde Schulszene, die eine Mutter mit ihrem Kind vor dem Pult des Schulmeister zeigt: Unbekannt (Umkreis/Nachfolge Adriaen van Ostade?): Schulszene, 1636, Holz, 40.5 x 53.0 cm, Verbleib unbekannt (Christie’s London, 08.07.1977, Lot 39, mit Abb.) [Abb. 158]; Unbekannt (Umkreis/Nachfolge Adriaen van Ostade?): Schulszene, 1667 (auf dem Schrank links bezeichnet: „Ostade … 67“), 37.0 x 53.0 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby’s London, 31.10.2006, Lot 93) [Abb. 159]. Allerdings sind die Bilder von so zweifelhafter Qualität, dass die Vermutung, auch Adriaen van Ostade habe sich mit dem Thema „Elternbesuch“ auseinandergesetzt, nicht durch authentische Beispiele gestützt werden kann. 909

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Die trotz dieser erzählerischen Gleichförmigkeit festzustellende Entwicklung von van Ostades Darstellungen findet ihren Endpunkt in der kleinen Radierung, die zwei sich ehemals ausschließende Aspekte zusammenbringt: einfache Menschen und Fleiß respektive Disziplin. Es ist denkbar und meines Erachtens auch wahrscheinlich, dass sich zu dieser Zeit auch die Haltung zum intellektuellen Potential dieser Menschen geändert hatte, konkret an Texten oder anderen Quellen nachweisbar ist das aber nicht. Ohnehin gibt es kritische Stimmen, wie sie im späten 16. Jahrhundert über die Vergeblichkeit bäurischer Bildungsbemühungen spotten, im 17. Jahrhundert nicht mehr. So lassen das Fehlen solcher Äußerungen und die Tatsache, dass der Ausbau des Schulwesens und die Verbesserung des Unterrichts für alle Bewohner der Niederlande weiter vorangetrieben wurden, vermuten, dass es zumindest in den geistigen Eliten nicht mehr en vogue war, sich über die Fähigkeiten untergeordneter Schichten lustig zu machen. Dafür spricht auch, dass – wie im Folgenden noch zu sehen sein wird – es die mittelmäßigen Beispiele sind, die die althergebrachten Klischees vom bildungsrestistenten Bauerntölpel weiterhin „ausschlachten“. Das bedeutet aber nicht, dass die schulische Erziehung von Menschen einfacher Herkunft vom wohlhabenden Bürgertum nun mit anderen Augen gesehen worden wäre. Vielmehr ist wohl, wie vorangehend erläutert, davon auszugehen, dass das gebildete Publikum sich weniger für diese Zusammenhänge interessierte. Die Szenen entstehen zudem zu einer Zeit, in der die naturnahe und zugleich einem gewissen moralischen Niveau angemessene Darstellung für Beschreibungen des Alltagslebens so wichtig wird, dass mögliche allegorische Bedeutungsebenen in diesen Arbeiten nahezu ausgeblendet werden. Die Bilder – etwa die Interieurs de Hoochs oder auch die fleißigen Schüler van Ostades – sind, was sie zu sein scheinen: exemplarische Darstellungen tugendhafter Ordnung oder braver Gelehrsamkeit. Dass auch hierbei mit Stereotypen gearbeitet wurde, liegt auf der Hand. Inhaltlich komplexere Konstrukte dagegen finden sich, dies wird in Kapitel VIII gezeigt werden, wieder in den Bildern von Jan Steen.915 Zunächst aber soll ein Blick auf einige vor allem von van Ostade, aber auch von Molenaer inspirierte Schulszenen nachvollziehbar machen, welche Aspekte der Haarlemer Unterrichtsdarstellungen von den Zeitgenossen als nachahmenswert empfunden wurden. Es überrascht nicht, dass nicht die späten, friedlich-idyllischen Schulbilder, sondern die frühen, derb-chaotischen Szenen, am häufigsten aufgegriffen und variiert werden. VI.4

Schulszenen von Zeitgenossen oder Nachahmern der Gebrüder Ostade

Wie einleitend konstatiert, lassen stilistische und besonders motivische Übereinstimmungen mancher Schuldarstellungen mit frühen Arbeiten vor allem Adriaens vermuten, dass diese Bilder bereits gleichzeitig mit oder nicht lange nach diesen Werken entstanden sind. Die wenigsten der von Molenaer oder van Ostade beeinflussten Arbeiten können einem bestimmten Künstler zugeschrieben werden, und viele sind künstlerisch mäßige, wenig einfallsreiche Wiederholungen der von ihnen geprägten Motive. Ein solches Beispiel sind die Bilder Bartholomeus Molenaers (um 1618– 1650), einem Bruder Jan Molenaers, der sich vor allem bei der räumlichen Verortung seiner Schulklassen an den frühen Darstellungen seines Bruders orientiert.916 Die Gruppierung der zusammengesunken hockenden Kinder mit kugeligen Köpfen unter weißen Kopftüchern oder pfannkuchenartigen Hüten dagegen geht auf van Ostade zurück. Die stereotype Wiederholung dieses nur wenig variierten Darstellungsmusters scheint recht erfolgreich gewesen zu sein – motivisch und inhaltlich sind die Bilder aber ausgesprochen wenig bemerkenswert [Abb. 160].917 Aus diesem Grund werden nur die ikonographisch besonders interessanten Beispiele vergleichsweise ausführlich beschrieben, auch wenn auf eine genauere Einordnung mangels Informationen zu Künstler und Entstehungskontext vielfach verzichtet werden muss.

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Philadelphia/Berlin/London 1984, S. LX. Weller 1992, S. 179, S. 330–332. 917 Eines der qualitätvolleren Beispiele des Malers kam am 18.05.2004 bei Sotheby’s Amsterdam unter den Hammer: Bartholomeus Molenaer: Schulszene, um 1640 (?), Leinwand, 46.4 x 59.4 cm, Lot 111. 916

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VI.4.1 Die Federzeichnung einer Schulszene (Leipzig) Eine lebhafte Skizze [Abb. 161]918 zeigt deutliche stilistische Übereinstimmungen mit Zeichnungen Adriaens und vor allem Isacks, allerdings ist der Duktus weniger sicher, die Strichführung fahrig. Eng an den Schulszenen der Brüder sind auch Personal und Mobiliar der Szene orientiert: Die Schüler sind plumpe, fast deformiert wirkende Gestalten mit Hüten. Im Vordergrund wenden zwei Repoussoirfiguren dem Betrachter den Rücken zu. Die linke liest, die rechte schreibt. Der riesenhaft wirkende Schulmeister sitzt rechts am Pult und spitzt seine Feder – in fast derselben Haltung wie der Kollege auf dem Gemälde der Hammer Collection oder der Lehrer des Blattes in Pariser Privatbesitz [Abb. 126 und 131]. Doch sein Gesichtsausdruck ist weniger bekümmert, er wirkt eher gelassen. Unter gesenkten Augenlidern fixiert er mit vorgeschobenem Kinn die Feder in seinen erhobenen Händen. Hinter ihm erhebt sich der nicht näher zu klassifizierende Schrank, der auch auf der Weimarer Zeichnung zu sehen ist, nur ist er hier höher oder steht hochkant. Einer der Schüler öffnet an der rechten Seite eine Tür und schaut hinein. Der Raum wirkt – ähnlich wie bei manchen Beispielen van Ostades – im Verhältnis zu den dargestellten Figuren überdimensioniert, an der rechten Wand ist eine große verschlossene Holztür zu sehen. Die Zeichnung ist jedoch weniger detailliert ausgeführt als die Bilder der Brüder in der Abrams Collection, in Paris und in Weimar [Abb. 131–133]. Nicht nur sind auf dem Blatt weniger Kinder differenziert dargestellt, auch auf die genauere Schilderung von Details wie Dachbalken, Boden oder Wandverkleidung wurde kein Wert gelegt. Ausgesprochen bemerkenswert aber sind die riesenhaft an der Wand aufragenden Schatten zweier sich prügelnder Schüler, die sich aus dem ebenfalls nur schattenhaft angelegten Schülerhaufen im Hintergrund erheben. Es ist wohl überflüssig zu erwähnen, dass die Schlägerei beim Lehrer keine erkennbare Reaktion hervorruft. Hier scheint Molenaer vorbildhaft gewesen zu sein [etwa Abb. 117 oder 118]. Die Gestalten sind mit dem Pinsel, ganz ohne Binnenzeichnung ausgeführt. Der offenbar stärkere der beiden hebt drohend die Faust. Sein Umriss füllt einen beträchtlichen Teil der Wand aus und verleiht der Szene eine dramatische Stimmung, die in Kontrast zu dem offensichtlich ruhigen Vordergrund steht. Die Zeichnungen der Brüder wirken zwar aufgrund des unruhigen Duktus’ lebhaft, zum Teil regelrecht nervös und arbeiten auch stark mit Licht und Schatten, so dass der Stil zum Teil im Kontrast zu der Ereignislosigkeit der Bilder steht. Die regelrecht bedrohliche Atmosphäre, die den Hintergrund des Leipziger Blattes dominiert, ist aber für die Schulszenen der Haarlemer Tradition einzigartig, denn auch Molenaers turbulente Szenen betonen stets weniger den dramatischen als den komischen Aspekt kindlicher Aggression. Da die Zeichnung Parallelen zu einem Gemälde Jan Steens [Abb. 221] aufweist, ist es denkbar, dass sie von der Hand des möglichen Ostade-Schülers stammt. Hier wie dort schaut der von dem Chaos um ihn unbeeindruckte Mann, dessen Pädagogenhaupt von einer hohen Mütze mit schlaffer Spitze gekrönt ist, mit einem Blick entlang seines krummen Nasenrückens auf den Kiel in seinen Händen. Ähnlich sind auch die kämpfenden Schüler im Hintergrund. Da der Zeichenstil Steens sich nur schwer vom Duktus Brouwers, Ostades und Dusarts unterscheiden lässt,919 kann seine Urheberschaft allerdings nicht bestätigt werden.920

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Unbekannt (Umkreis/Nachfolge Adriaen van Ostade): Schulszene, um 1630–1640 (?), Feder- und Pinselzeichnung in Braun, 20.6 x 28.7 cm, Museum der bildenden Künste Leipzig, Inv.-Nr. NI. 8409; Leipzig 1837, S. 12, Nr. 82: als Adriaen van Ostade, in einer 1929 vorgenommenen handschriftlichen Überarbeitung des Bandes in der Bibliothek des MdbK Isack zugeschrieben; Leipzig 1998, S. 422 als „Niederländisch, 17. Jh.“ 919 So bei van Regteren Altena 1943, S. 98. Die dort auf S. 98, 100 und 104 abgebildeten Zeichnungen Steens weisen aber vergleichbar starke Licht-Schatten-Kontraste auf. Besonders auf S. 100 f. beschreibt der Verfasser die auch für dieses Blatt charakteristische Nachlässigkeit in der Ausführung als typisch für Steens Zeichenstil. 920 Die bei Walsh 1996, S. 14, unter Abb. 9 f. abgebildeten Blätter stammen aus Steens reifer Zeit und haben aufgrund deutlicher stilistischer Unterschiede entsprechend hierfür keine Aussagekraft.

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VI.4.2 Ein Tondo in Philadelphia und verwandte Darstellungen Ein Rundbild im Philadelphia Museum of Art [Abb. 162]921 wird in der Forschung einem Nachfolger Adriaen Brouwers zugeschrieben. Mit dem Tondo in Mainz [Abb. 124] verbindet es nicht nur sein Format. Vergleichbar sind zudem die zwergenhaft gedrungenen Gestalten, ihre schlichte Kleidung und nicht zuletzt die friedliche Stimmung im Schulzimmer. Allerdings ist die Darstellung im Vergleich zu dem 1634 entstandenen Bild klarer konturiert, so dass von der für die frühen Arbeiten van Ostades typischen Dämmerstimmung nichts zu spüren ist. Der Tondo eröffnet einen ausschnitthaften Blick in den Raum bzw. auf dessen mittig durch eine Tür durchbrochene Rückwand. Anders als bei van Ostade ist keine Ecke zu sehen und auch das Motiv der Tür ist eher für Molenaer typisch [Abb. 110 und 121]. Ähnlich wie dort treten zwei weitere Gestalten ein, von der Statur her könnten es – wie bei Molenaers Kasseler Szene – Eltern sein, die ihr Kind zur Schule bringen. Vermutlich sind es aber eher ältere Schüler, von denen einige im Hintergrund sitzen. Durch die Tür sind allerdings, und das wiederum erinnert wieder an van Ostades spätere Szenen [Abb. 143, 148], ein Haus und Bäume zu erkennen. Links, am Rand der Szene, sitzt eine große, bucklige Lehrerin an einem für sie viel zu kleinen Pult – ein Spottmotiv, das auf Isacks Zeichnung [Abb. 133] und einigen im Verlauf noch zu besprechenden Bildern verwendet wird [Abb. 185 und 186]. Sie trägt ein Kopftuch, in der Linken hält sie einen großen Stock. Mit der rechten Hand deutet sie auf die Aufzeichnungen eines Schülers, der mit drei weiteren Kindern vor dem Pult steht. Trotz ihrer mächtigen Gestalt und ihren groben Gesichtszügen, die von einer riesigen Nase dominiert werden, macht die Lehrerin keinen unfreundlichen Eindruck. Ihre gebückte Haltung hinter dem ihr gerade bis zu den Knien reichenden Pult erinnert stark an Lehrerfiguren Isack van Ostades, etwa den Schulmeister der Weimarer Zeichnung und ganz besonders an den ebenso grobschlächtig wie geduldig wirkenden Lehrer des Blattes in der Abrams Collection [Abb. 132 und 133]. Entsprechend scheinen die Knirpse, die gerade von ihr geprüft werden, nicht verängstigt. Wie sie, sind auch die anderen Kinder im Raum kleine, plump wirkende Wesen mit runden Köpfen. Sie sitzen auf langen Bänken, die längs auf das Pult hin ausgerichtet sind. Besonders die beiden Gestalten im unmittelbaren Vordergrund, die mit dem Rücken zum Betrachter hocken, erinnern durch ihre rundliche Figur und ihre einfache Kleidung mit Hut, gegürtetem Hemd und Hosen auch an Bauern Bruegels. Es ist diese Gruppe, die – teils um einen weiteren Jungen ergänzt – als Repoussoirmotiv typisch für nahezu alle Schulszenen der Hals-Schule ist. Die Decke des Raumes ist, wie bei Schulzimmern Molenaers [Abb. 110] und Ostades [Abb. 131, 132, 143 und 145], von quer zur Längsrichtung des Raumes verlaufenden Dielen gebildet. Auf der Höhe der Tür hängt ein präpariertes Reptil von der Decke, wie es auch in dem Zahnarztzimmer im Hintergrund des Dou-Triptychons [Abb. 71] zu sehen ist. Häufig sind solche Utensilien in Darstellungen von Alchemisten-Labors, wo sie auf die dubiosen Rezepturen der Möchtegern-Wissenschaftler verweisen.922 Was genau es jedoch hier bedeutet, ist schwer zu ergründen. Dass der Klassenraum ebenfalls als eine Art Praxis oder als ein Labor zu verstehen ist, in dem die Kinder den pädagogischen Versuchen der mit einem stümperhaften Quacksalber gleichgesetzten Lehrkraft ausgeliefert sind, scheint mir eine zu moderne Deutung – zumal auf diesem Bild keine durch ein Fehlverhalten des Lehrers hervorgerufenen Ungezogenheiten oder Streiche auszumachen sind. Andererseits entsteht aber auch nicht der Eindruck konzentrierten Lernens: Einige Kinder lesen, andere unterhalten sich. Die Krüge im Vordergrund, vor allem der neben dem Pult der Lehrerin, gemahnen den Beobachter an die Folgen solcher Unaufmerksamkeit: Das Fass als Zeichen für Trunksucht evoziert die Vorstellung des davon hervorgerufenen unmoralischen Verhaltens. Die anderen Gefäße stehen, wie schon in anderem Zusammenhang erläutert, wohl bildhaft für das „unfertige“ Wesen der Kinder. Der Stoff oder Inhalt, mit dem ihre noch „leeren“ Köpfe angefüllt werden, entscheidet die Richtung ihres Lebenswegs. Und da offenbar der Inhalt des Fasses – also Alkohol – die Krüge füllt, ist der moralische Gehalt des vermittelten Lehrstoffs von fraglicher Qualität. Diese Hin921

Unbekannt (Haarlemer Malerschule): Schulszene mit buckliger Lehrerin, um 1630–1640, Holz, Dm. 26.7 cm, Philadelphia Museum of Art – John G. Johnson Collection, Inv.-Nr. 1694 (http://www.philamuseum.org/collections/permanent/103605.html?mulR=21063|1, Aufruf 15.03.2015); Knuttel 1962, S. 32 f., Abb. 6; Bode 1924, S. 36 f. (Datierung um 1624); Durantini 1983, S. 131, Abb. 65 (dort irrig 1694 datiert); Philadelphia 1994, S. 38. 922 Clippel 2007, S. 32 f.

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weise sind jedoch vergleichsweise dezent formuliert bzw. platziert, so dass die negative Deutung des Dargestellten vielleicht nicht nur für den heutigen Betrachter nicht (mehr) auf der Hand liegt. Dass die Szene so beschaulich wirkt, ist auch in der von Vertikalen und Horizontalen bestimmten Komposition begründet. Und doch gibt es bei genauerem Hinsehen Unstimmigkeiten, die ihre Anlage unausgewogen wirken lassen. Dadurch, dass die Kinder im Hintergrund sehr viel kleiner sind als die beiden Rückenfiguren im Vordergrund, fluchtet der Raum sehr stark nach hinten, die hohe Decke verstärkt diese Unverhältnismäßigkeit. Diese Ungereimtheiten sind wohl nicht beabsichtigt, sondern ergeben sich eher aufgrund einer nicht gerade virtuos ausgeführten Nachahmung der Vorbilder. Es gibt zwei weitere Bilder, die zu dem Tondo in stilistischem und motivischem Zusammenhang stehen. Eines davon wurde 2008 bei Sotheby’s versteigert [Abb. 163],923 im Auktionskatalog wird das Bild dem Schöpfer des Tondos in Philadelphia zugeschrieben und dieser als Nachfolger Brouwers eingeordnet. Farbgebung und Malweise der Tafeln sind vergleichbar. Beide Szenen werden von in rötlich-braunen Farben dominiert, verschiedentlich kommt Weiß zum Einsatz und partiell auch etwas Blau bei den Kitteln einiger Kinder. Sehr ähnlich ist zudem die Art und Weise, in der Weißhöhungen auf Gewandfalten als schmale Grate nahezu reiner, pastos aufgetragener Farbe platziert sind. Eindeutig sind auch die Parallelen in Aufbau und Ausstattung der Szenen, die in ihrer Ausrichtung zueinander gespiegelt sind. Auf beiden hängt von der Dielendecke ein kleines Krokodil mit aufgerissenem Maul. Statt des Ausblicks durch die geöffnete Tür belebt ein längsrechteckiges Landschaftsgemälde die Rückwand der rechteckigen Tafel. Auf dem Hochformat ist ein in Rot gewandeter Lehrer zu sehen, dessen von einer großen Hakennase dominiertes Profil dem der Lehrerin ähnelt. Er trägt eine Mütze mit Ohrenklappen, in einem hölzernen Sessel mit gerundeter Rückenlehne sitzend, spitzt er seine Feder. Sein Pult wirkt weniger winzig als das der Kollegin (was auch an seiner eher schmächtigen Statur liegen mag), doch hat es exakt dieselbe Form mit einem Ausbruch an der zum Betrachter gerichteten Schmalseite. Anstelle des Kruges lehnt daneben der Stock, den die Lehrerin in der Hand hält. Doch auch hier ist ein Spottmotiv zu sehen, auch wenn dessen genaue Bedeutung nicht klar ist: Dort baumelt auch ein Schuh, in dem ein zusammengerolltes Papier steckt. Als zusätzliches Bestrafungsutensil hängt eine Reisigrute von dem Wandbord hinter dem Stuhl des Lehrers. In seiner Klasse sind etwas weniger Schüler, auch wirken diese nicht ganz so gnomenhaft wie auf dem Bild in Philadelphia. Vor allem die beiden Jungen auf der Bank im unmittelbaren Bildvordergrund sind vergleichsweise hoch gewachsen. Einer von ihnen dreht sich zum Betrachter um, zugleich zeigt ein blonder Bub am Pult zu den Schülern auf der Bank, wodurch das Motiv an Jan Molenaers Kasseler Schulszene [Abb. 110] erinnert. Vermutlich will er den in seine Tätigkeit versunkenen Schulmeister auf die Ursache für den zerrissenen Ärmel des rechten Jungen aufmerksam machen, dessen Wams an der Schulter farbig gemusterten hellen Stoff durchblitzen lässt. Auch die anderen beiden neben ihm haben den Mund geöffnet, als redeten sie aufgeregt auf den Alten ein. Einige der anderen Kinder sind ebenfalls mit bewegter Mimik und Gestik dargestellt, so dass der Eindruck einer lebhaft-lauten Klasse entsteht. Der Lehrer aber lässt sich davon keineswegs stören und steht so ganz in der stoischen Tradition der Haarlemer Schulmeister. Ein weiteres mit diesen beiden Bildern [Abb. 162, 163] stilistisch vergleichbares Werk [Abb. 164]924 zeigt ebenfalls eine Lehrerin mit langem Stock vor einer Schar rundlicher Schüler. Aufgrund des hochrechteckigen Formats wirkt es wie ein Pendant zu dem Beispiel im Kunsthandel [Abb. 163], auch wenn dieser Zusammenhang aufgrund der fehlenden Maßangaben nicht sicher rekonstruierbar ist. Zu dem Rundbild bestehen Parallelen in der pointierten Setzung von Glanzlichtern und der Betonung von Falten durch pastos aufgetragene Partien heller Farbe. Letzteres findet sich auch auf dem Bild im Kunsthandel [Abb. 163]. Dieses Charakteristikum haben die Szenen mit einer 923

Unbekannt (Haarlemer Malerschule): Schulszene mit seine Feder spitzendem Lehrer, um 1630–1640, Holz, 24.6 x 21.4 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby’s Amsterdam, Auktion 1051, 07.05.2008, Lot 22). Im Katalogtext wird auf eine vorbildhafte Zeichnung Adriaen van Ostades in einer Berliner Sammlung Rothmann verwiesen, die ausfindig zu machen mir nicht gelungen ist. Die in diesem Kontext ebenfalls angeführte Komposition in der Sammlung van Berg [Abb. 165] hat weder stilistisch noch motivisch zu den hier beschriebenen Bildern einen engeren Bezug: Unbekannt (Umkreis/Nachfolge Adriaen Brouwer?): Schulszene mit Lehrerin, Mitte 17. Jh. (?), Technik, Maße und Verbleib unbekannt (1947 van Berg Collection New York); van Berg 1947, S. 26 f., mit Abb., als Bild Adriaen Brouwers. 924 Unbekannt (Haarlemer Malerschule): Schulszene mit Lehrerin, um 1630–1640, Maße, Technik sowie Verbleib unbekannt (1950 in der Slg. Cremers, Den Haag); RKD BD/556 – ONS Genre 1: volksleven/Pieter de Bloot 2.

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noch ausführlich zu besprechenden Tafel [Abb. 192] gemein – deren geradezu dramatisches Geschehen diesen behäbigen Szenerien völlig entgegengesetzt ist. Ganz ähnlich wie auf diesem Bild ist aber die Kleidung der zuletzt beschriebenen Lehrerin [Abb. 164], insbesondere der schüsselförmige Hut über dem Kopftuch und die helle Schürze zum dunklen Rock – wie sie auch die geschlechtlich schwer klassifizierbare Lehrkraft von Adriaens Bild [Abb. 124] trägt. Das Gemälde [Abb. 192] zeigt ebenfalls das verhältnismäßig seltene Detail der Türöffnung im Hintergrund, das in diesem Zusammenhang nur noch bei Molenaer [Abb. 110, 121] und der ebenfalls noch zu besprechenden Tobenden Schulklasse Pieter de Bloots [Abb. 200] zu sehen ist. Auch de Bloots rundgesichtige, stupsnasige Kindergesichter sind gut mit den Physiognomien der Schüler auf den hier erörterten Bildern vergleichbar. Deutlich sind für alle drei Tafeln [Abb. 162–164] die Anknüpfungspunkte zu den Schuldarstellungen der Gebrüder van Ostade, insbesondere hinsichtlich der Kleidung und Charakterisierung der ungehobelt bzw. gleichgültig wirkenden Lehrer und der kugeligen Kinderfiguren. Auch motivische Details finden sich wieder, so die Bretterblende neben dem Lehrerpult oder die Rückenfiguren auf der Bank im Vordergrund. Anders als bei van Ostade ist der Aufbau der Szenen, insbesondere die im Wesentlichen entlang von zwei bildparallel aufgestellten Bänken gruppierten Schüler, die typisch für Molenaer sind. Ein weiterer Unterschied liegt in der Tatsache, dass die hinsichtlich der Personage vorbildhaften frühen Szenen der Brüder in wie Ställe oder Scheunen wirkenden Interieurs stattfinden, die hier beschriebenen Darstellungen dagegen in einfachen, allerdings nicht durch Heu oder einen offenen Dachstuhl landwirtschaftlich anmutenden Räumen.925 Besonders die Positionierung des Mobiliars wiederum verweist auf Schulszenen, die Frans Hals Sohn Harmen zugeschrieben werden [Abb. 175–178]. Hiervon wird in Kapitel VI.4.6 die Rede sein. VI.4.3 Eine mögliche Kopie nach Isack van Ostade Ein Beispiel [Abb. 167]926 zeigt auf den ersten Blick verschiedene Anknüpfungspunkte zu den Schulszenen, die eine Art Zwischenstadium der Entwicklung von den chaotischen Dorfschulen zu den Unterrichtsszenen in einfachem, aber ordentlichem Umfeld markieren [etwa Abb. 138 und 143]. Das Bild ist schwer lesbar 1641 oder 1644 datiert und trägt die Signatur Isack van Ostades, dessen Autorschaft für ein solches Werk des Übergangs ja gut denkbar wäre. Es gibt allerdings einige Punkte, die diese Zuschreibung zweifelhaft erscheinen lassen. Der Maler kleidet den Lehrer in einen präsentabel wirkenden dunklen Gelehrtenmantel, ein Hemd mit Spitzenkragen sowie ein dunkles Barett, und stattet sein Schulzimmer mit einer intakten Holzverkleidung an Wänden und Decke und einem aufwändig verglasten Fenster unter einem Rundbogen auf der rechten Seite aus. Vergleichbare architektonische Veränderungen lassen sich erst bei der 1656 entstandenen Schulszene Adriaen van Ostades [Abb. 143] feststellen. Wie auf diesem Gemälde wirken der Raum und die teils arg zerlumpten Schüler nicht weniger unordentlich als die im vorangegangenen Jahrzehnt entstandenen Schulzimmer der Brüder, doch ist offensichtlich in beiden Fällen keine Bauernschule gemeint – es sei denn, der Lehrer sollte hier als deplatzierter Gelehrter den Spott des Betrachters auf sich ziehen. Noch plakativer als bei Isacks Warschauer Schulszene assistiert ihm nämlich eine kleine Eule, die auf einer Stange neben seinem Sessel thront. Seine Kleidung erinnert an Lehrerfiguren Gerrit Dous, die aber erst ab 1645 – also nach der auf diesem Bild angebrachten Datierung – entstehen. Es gibt einen weiteren Bezug zu den Szenen des Leideners: Etwa mittig ist ein Junge zu sehen, der sich mit gezücktem Hut, den Bücherkasten 925

Welche Art von Räumen der Begriff „scheunenartig“ oder „landwirtschaftlich“ beschreibt, verdeutlich ein weiteres Beispiel aus dem Haarlemer Umkreis [Abb. 166], das als Hochformat kompositorische und in der Ausführung auch deutliche stilistische Parallelen zu dem Gemälde in der Hammer Collection [Abb. 126] aufweist. Der Dachstuhl erweckt einen geradezu labyrinthischen Eindruck und lässt vermuten, dass der Künstler – wie Adriaen van Ostade in seinen späteren Arbeiten – anhand der naturnahen Wiedergabe von Holz, Heu, Staub und schummrigem Licht seine malerischen Qualitäten unter Beweis stellen wollte. Dadurch verliert die Darstellung des Unterrichts nahezu völlig an Bedeutung: Unbekannt (Umkreis/Nachfolge Adriaen oder Isack van Ostade): Schulszene, um 1650 (?), Holz, 25.0 x 23.5 cm, Verbleib unbekannt (laut Bilddokumentation des RKD in der von mir nicht ausfindig zu machenden Sammlung Moreno de la Peńa); Hofstede de Groot 1910, Bd. III, S. 510, Nr. 166. 926 Unbekannt (Nachahmer Adriaen bzw. Isack van Ostades): Schulszene, 1641 oder 1644, Holz, 43.0 x 54.0 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby’s New York, 01.06.1990, Lot 36); Hofstede de Groot 1910, Bd. III, S. 509, Nr. 164 (auch wenn die Maße etwas abweichen); Schatborn 1986, S. 87–89, Abb. 15 (dort mit Datierung „1641“).

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unter dem Arm, zu verabschieden scheint. Es ist im Grunde derselbe Schüler, wie er auch auf zwei Abendschulen Dous [Abb. 75 und 76] erscheint. Diese jedoch sind erst um 1660 bis 1665 gemalt worden und kommen folglich als Vorbilder nur in Betracht, wenn das in der Manier Ostades gemalte Bild später entstanden ist. Schon dies ist ein Indiz dafür, dass die Datierung und somit wohl auch die Signatur des Bildes falsch sind. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass Dou Bilder der Haarlemer Brüder kannte und sich davon hat inspirieren lassen, wahrscheinlicher ist aber – wie beispielsweise schon im Zusammenhang mit Adriaen van Ostades Schulmeister mit drei Schülern [Abb. 149 und 150] erläutert – dass letzterer sich an dem renommierten Feinmaler orientiert hat. Von der Gestalt des Schulmeisters abgesehen ist es eine typische Ostade-Komposition: Das Pult mit dem Lehrer bildet in einer Ecke des Raumes den höchsten Punkt, um den sich eine pyramidal aufgebaute Schar von stehenden und hockenden Schülern gruppiert. Diese tragen Hüte und Kopftücher, die meisten von ihnen lesen, aber keiner spottet, lacht oder verhält sich sonstwie ungebührlich. Nur ein Schüler links der Mitte hebt mit ausholender Geste eine runde Flasche zum Mund. Möglicherweise trinkt er Alkoholisches, was ihn zweifelsfrei als Taugenichts entlarven würde. Da der Rest der Kinder sich aber brav verhält, geht das Detail nahezu in der Menge der unauffälligen Schüler unter. Unübersehbar ist jedoch ein etwa mittig auf dem Boden sitzender Junge, der sich an seiner Hose oder seinem Strumpf zu schaffen macht. Ähnliche Szenen sind auf den Schuldarstellungen Jan Molenaers zu sehen [Abb. 108 und 112] – und wie dort ist ihre Bedeutung rätselhaft. Während das Tun des Jungen auf Molenaers Darstellungen bei den umstehenden Kindern meist Aufsehen erregt, nimmt hier niemand davon Notiz. Hat der Maler das Detail übernommen, ohne den Zusammenhang zu verstehen? Erkannte der Betrachter den Sinn auch so? Oder bedeutet die Geste nichts weiter, sondern zeigt lediglich einen sich ungezwungen verhaltenden Schüler? Im Hintergrund rechts findet sich ein weiteres auf Molenaer oder van Ostade zurückgehendes Motiv: der Junge auf der Leiter. Da er hier aber scheinbar nichts Verbotenes tut, sondern wohl im Auftrag des Lehrers etwas aus dem Schrank neben dem Pult holt, geht der Witz der Szene verloren, den Isack in einer früheren Darstellung [Abb. 133 und 137], anders als Adriaen, aber ebenso wie Molenaer, auf die Spitze treibt. Vor allem die Kinder um den Lehrer haben wenig mit den Schülern auf Adriaen oder Isack van Ostades Gemälden der fraglichen Zeit gemein, ihre Figuren wirken schlanker und natürlicher. Es hat sich eine von Isack ausgeführte Zeichnung erhalten [Abb. 168],927 an der zu sehen ist, dass dieser die Schülerfiguren wohl selbst so konzipiert hat – so dass anzunehmen ist, dass es ein von ihm gemaltes Bild gegeben hat, aus dem diese Figuren übernommen wurden. Es handelt sich dabei um den schon erwähnten, in der vorderen Bildmitte auf dem Boden sitzenden Jungen, den links von ihm auf eine Stufe gestützt Schreibenden und einen stehenden Knaben, der eine Vorstufe des sich vom Lehrer abwendenden Schülers darstellt. Auf dem Gemälde wendet er nur den Kopf zurück, während sein Oberkörper schon in Schrittrichtung nach vorne gedreht ist. Der Oberkörper des Schülers auf der Zeichnung dagegen ist zum imaginären Lehrer zurückgewandt. In dieser Hinsicht ist er dem Knaben auf Dous Gemälde [Abb. 75 und 76] ähnlicher. Sein ausgestelltes rechtes Bein unterscheidet ihn wiederum von dieser Figur. Auch mit dem von Adrian skizzierten Schüler [Abb. 147] hat er lediglich die typische Kleidung gemein. Die Gruppe am Tisch im Hintergrund links dagegen, wo sich gedrungene Gestalten mit tief ins Gesicht gezogenen Hüten um einen Tisch versammelt haben, könnte ganz schematisch von Schulszenen Adriaen oder Isack van Ostades [etwa Abb. 124 oder 131] übernommen worden sein. Tatsächlich vollzieht Adriaen die Entwicklung zu einer naturnahen Wiedergabe von Körperlichkeit wohl erst einige Jahre später als sein jüngerer Bruder, der bereits zu Beginn der 1640er Jahre natürlich wirkende Figuren malt [Abb. 169]928, etwa in der 1656 datierten Darstellung [Abb. 143]. Doch es gibt weitere Hinweise, die daran zweifeln lassen, das Isack der Maler des Bildes ist: Sind beispielsweise die Gesichtszüge der Schulmeister auf den anderen Schulszenen [etwa Abb. 133 und 137] fast karikaturhaft grob, wirkt die Miene dieses knopfäugigen Lehrers geradezu puppenhaft 927

Isack van Ostade: Studienblatt für Schuljungen, um bzw. kurz nach 1641 (?), schwarze Kreide mit Weißhöhungen auf blauem Papier, 12.7 x 13.9 cm, Rijksprentenkabinet, Amsterdam, Inv.-Nr. 1981:327 (Album mit Figurenstudien II., fol. 86); Schatborn 1986, S. 87 f., Abb. 14. 928 Isack van Ostade: Interieur mit spielenden Kindern, 1641, Holz, 44.8 x 64.5 cm, Verbleib unbekannt (Hampel Kunstauktionen München, 08.12.2006, Lot 306); Köln 1993, S. 199–201, mit Abb.

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harmlos. Die Kleidung der Schüler ist auffällig auf ärmlich „getrimmt“, bei den beiden vorne sitzenden Knaben sind durch die bestoßenen Schuhe die Zehen zu sehen, und viel Mühe wurde auf die ausgefransten Kleidersäume des blonden Jungen am Pult verwendet. Auch wenn beide Brüder durchaus Wert auf die malerisch sorgfältige Beschreibung von Altersspuren, Beschädigungen oder Unrat legen – zum Vergleich sei erneut auf Isacks Interieur mit spielenden Kindern [Abb. 169] verwiesen – sind diese Details augenscheinlich wenig überzeugende, weil übertrieben wirkende Zugaben eines anderen Künstlers. Ähnlich misslungen ist die grelle Beleuchtung der Holzdecke links, die wie angestrahlt wirkt, ohne dass eine entsprechend starke Lichtquelle erkennbar wäre. An diesem Beispiel [Abb. 169] ist auch zu sehen, dass die Farbgebung bei Isacks Werken dieser Zeit [siehe zudem Abb. 127] eher monochrom in hellen Braun- und Rottönen gehalten ist, wohingegen dieses Bild bunter ist – ein Charakteristikum, das es wiederum mit Gemälden Jan Molenaers [etwa Abb. 110 und 113] verbindet. Zwar finden sich auch beim Interieur mit spielenden Kindern im Vordergrund stark farbige Töne, doch beschränkt sich die Palette auf Blau, Grün, Rot und ein helles Gelb, während der Nachahmer verschiedene Töne dieser Farben und fast schon gleißende Höhungen einsetzt. Er konzentriert sich bei der Ausführung des Bildes zudem auf den Vordergrund, während er dem in recht flüchtigen und groben Pinselstrichen dunkler Farbtöne geschilderten Hintergrund kaum Aufmerksamkeit und schon gar keine malerische Sorgfalt widmet. Beim Interieur Isacks dagegen [Abb. 169] ist auch die im Schatten liegende Rückwand des Raumes sorgfältig gemalt. Das Bild ist meines Erachtens eine spätere Arbeit, für die Motive von Adriaen und Isack van Ostades, aber auch Jan Molenaers und Gerrit Dous Schulszenen – dazu sei noch auf den von der Decke hängenden Käfig hingewiesen, der bei den Ostade-Brüdern in diesem Kontext nie auftaucht – verwendet wurden. Möglicherweise hat der Künstler sich nach einer in den 1640er Jahren entstandenen, unbekannten Unterrichtsdarstellung Isack van Ostades gerichtet. Dieses Bild, das deuten die vorbereitenden Figurenskizzen [Abb. 168] und der motivisch komplexe Entwurf an, hätte Auskunft darüber geben können, ob es nicht doch der früh verstorbene Isack war, der seine Schulszenen als erster in sich atmosphärisch an der bürgerlichen Welt orientierenden Räumen hat stattfinden lassen. VI.4.4 Ein Nachfolger Jan Molenaers mit Anleihen bei van Ostade Unter den Nachahmer-Arbeiten steht ein Beispiel [Abb. 170]929 dem eben beschriebenen durch die mit Weißhöhungen betonte Modellierung der Figuren im Vordergrund nahe. Die Komposition ist deutlich von Jan Molenaer inspiriert [besonders Abb. 117],930 zugleich sind motivische Anleihen bei van Ostade festzustellen. Die Szene ist im Auktionskatalog Hendrik de Valk (1674–1709/1719) zugeschrieben, der Vergleich mit einem anderen de Valk zugewiesenen Werk [Abb. 242], das in Kapitel VIII.3 besprochen wird, lässt diese Zuweisung wenig glaubhaft erscheinen. Da die Parallelen zu Molenaer überwiegen und die Szene zudem, anders als de Valks Bilder und die meisten anderen gegen Ende des 17. Jahrhunderts gemalten Darstellungen, relativ gekonnt gestaltet und originell inszeniert ist, scheint mir eine Entstehung um die Mitte des 17. Jahrhunderts gut denkbar. Wären nicht die stilistischen Unterschiede und die Tatsache, dass die Figuren weniger stämmig sind, als es für Molenaer typisch ist, könnte man das Bild für eines seiner Werke halten. In dem großen und hohen Schulraum ist das Treiben der ungezogenen Schüler in allen Facetten ausgebreitet: Die Kinder quatschen miteinander, sie scherzen, schreien, zanken und schlagen sich, nur wenige konzentrieren sich auf die Bücher. Der Lehrer blickt von links auf das Tohuwabohu vor seinem Pult. Mit einer wenig energisch wirkenden Handbewegung fordert er einen Schüler auf, ihm etwas zu bringen. Die rechte Hand mit der plak hat er auf seinen Oberschenkel gestützt – auch das eine wenig offensive Haltung. Man ahnt, dass er so weitere Schelmentaten kaum unterbinden wird. Es gibt im Hintergrund auch Gruppen offenbar älterer Schüler, die sich ruhig verhalten. Manche von ihnen wirken wie Erwachsene: So etwa der dunkel gekleidete Mann, der sich rechts im Hintergrund zum Betrachter wendet, ebenso die neben ihm sitzenden Figuren. Sind das Männer und Frauen, die die Dienste des Schulmeisters in Anspruch nehmen? Das war nicht unüblich, darge929

Unbekannt (Nachfolge Jan Molenaer?): Ungebärdige Schulklasse, um 1650 (?), Leinwand, 71.1 x 101.0 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby’s New York, 10.10.1991, Lot 107). 930 Vgl. dazu hier Kap. VI.1.

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stellt wird es jedoch – sieht man einmal von Holbeins Werbe-Schild für den Baseler Schulmeister ab [Abb. 8] – nicht. Was ist also gemeint? Angesichts der großen Fässer im Vordergrund links und rechts entsteht der Eindruck, die Schule werde in einer Taverne abgehalten, die Erwachsenen könnten also Zecher sein. Dazu passt, dass in der Bildmitte ein Schüler mit einem Saugrohr aus einem Krug trinkt, der am Gürtel eines anderen befestigt ist. Eine ähnliche Form des Mundraubs zeigt Molenaer in seiner Stockholmer Schuldarstellung [Abb. 117]. Auch bei dem Ostade-Molenaer-Pasticcio [Abb. 167] ist das Thema Trinken präsent: Dort hebt ein breit gebauter Bursche mit ausholender Geste ein bauchiges Gefäß zum Mund. In beiden Fällen geht es weniger um das Klischee des versoffenen Schulmeisters, als darum, das verkommen-ärmliche Milieu als für intellektuelle Bestrebungen in jeder Hinsicht ungeeignet zu charakterisieren. Und nicht zuletzt wissen wir aus den Quellen, dass so mancher Schulmeister versuchte, sein Auskommen mit dem gleichzeitigen – und damit ist tatsächlich gemeint: während des Unterrichts und im selben Raum – Betrieb einer Schänke aufzubessern.931 Die Figurenkonstellation zweier Schüler auf einer Bank, von denen der eine sich an den Habseligkeiten des anderen zu schaffen macht, taucht auch in Schulszenen Adriaen van Ostades auf [Abb. 137]. Von wem nun dieser Künstler das Motiv übernommen hat, ist nicht zu entscheiden. Andere seiner Figuren sind deutlicher von Gestalten auf Unterrichtsdarstellungen van Ostades inspiriert als von den Figuren Molenaers, etwa die beiden rundgesichtigen, dem Zuschauer zugewandten Kinder vor dem Lehrerpult. Ein breitbeinig rechts der Bildmitte im Vordergrund sitzender Junge, der von dem Blatt in seinen Händen aufblickt und nach links schaut, ist das spiegelverkehrte Ebenbild eines Buben auf Adriaens 1634 datiertem Tondo [Abb. 124], wo er im Vordergrund rechts zu sehen ist. Dort trägt der Lehrer – wie auch bei Molenaer – ebenfalls eine weiße Haube unter dem Hut. Vage Reminiszenzen an Bilder Ostades sind auch die Bretterblende neben dem Pult des Lehrers, die bei Molenaer nur einmal vorkommt [Abb. 119] und dort deutlich weniger schäbig aussieht. Möglicherweise – denkt man an das Käuzchen auf dem Warschauer Bild [Abb. 137] – ist auch der Affe, der auf der Stuhllehne des Lehrers sitzt, von Ostade inspiriert. Und nicht zuletzt findet sich auch der Junge auf bzw. in diesem Fall offenbar an der Leiter: Etwas rechts der Mitte erkennt man im Hintergrund ein fröhliches, offenbar den Betrachter anblickendes Gesicht. Die Leiter selbst ist zwar nicht zu erkennen, jedoch deuten die erhobenen Hände des Jungen an, dass er diese ergriffen hat und im Begriff ist, hinaufzuklettern Das ausladende Gebälk wiederum lässt an Molenaer denken, und manche der Figuren an Verelst, etwa der langhaarige, hoch gewachsene Junge, der sich rechts mit anderen Schülern prügelt. Durch seinen Mittelscheitel und die weich fließende Kleidung erinnert er an die ähnlich schlanken Schüler auf dem Bild in der Sammlung Kremer [Abb. 85]. Nicht ohne Weiteres einzuordnen ist die junge Frau links im Vordergrund, die ein Buch im Schoß hält. Ihren Finger hat sie auf die Zeilen gelegt, anstatt zu lesen schaut sie jedoch den Betrachter an. Die Frau des Lehrers wird das nicht sein, und für eine Schülerin ist sie zu alt. Dass vor allem ihre Kleidung, aber auch ihre Gesichtszüge an Figuren des Flamen David Teniers d. J. erinnern,932 ist eine stilistische Kuriosität, die ein weiteres Mal zeigt, wie vielfältig die Einflüsse dieses bislang namenlosen Künstlers sind, der die wichtigsten Motive der Haarlemer Schulszenen in einer für einen Epigonen ungewöhnlich gekonnt gemalten Darstellung vereint. VI.4.5 Eine Schulszene des Ostade-Schülers Cornelis Bega Nur eine dieser Nachfolger-Arbeiten [Abb. 171]933 ist relativ sicher einem Künstler zuzuordnen. Cornelis Bega (1631/1632–1664) wird von Houbraken als Adriaen van Ostades „eerste en beste Leerling“ bezeichnet.934 Im Gegensatz zu den vorangehend beschriebenen Bildern sind bei diesem 931

Put 1990, S. 137 zitiert aus Antwerpener Richtlinien der Jahre 1701–1756, denen offenbar entsprechende Vorfälle vorausgegangen waren. 932 So z. B. David Teniers d. J.: Der König trinkt, 1634–1640, Leinwand, 58.0 x 70.0 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid. Die rechts der Mitte sitzende Frau trägt ebenfalls Rock, Mieder und Schürze sowie ein helles Häubchen. 933 Cornelis Bega: Schulszene, um bzw. kurz nach 1650, Mischtechnik, 17.2 x 27.8 cm, Maida and George Abrams Collection, Boston; Amsterdam/Wien/New York/Boston/Cambridge 1991/1992, Nr. 90, mit Abb. Zur Biographie des Künstlers: van Thiel-Strohmann 2006, S. 100–102; zu den Zeichnungen: Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 64. 934 Houbraken 1718, Bd. I, S. 349.

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Blatt – von der von Hell-Dunkel-Effekten dominierten zeichnerischen Auffassung und der Lokalisierung in einem vage heruntergekommen wirkenden Raum abgesehen – kaum Bezüge zu den Arbeiten des Lehrers zu erkennen. Die starken Licht-Schatten-Kontraste stellen das Blatt in die Nähe von Adriaens Arbeit in Pariser Privatbesitz [Abb. 131] und der vergleichbar eigenständigen Leipziger Zeichnung [Abb. 161], die vermutlich ebenfalls eine Schülerarbeit ist. Da Bega seit etwa 1650 in der Werkstatt Ostades tätig war, ist die Szene wohl um diese Zeit oder nicht viel später gezeichnet worden. Das längsrechteckige Format breitet den weitläufigen Raum mit fast 30 Schülern regelrecht vor dem Betrachter aus. Es sind durchweg größere – und auch groß gewachsene – Jungen, die sich an einem langen Tisch oder auf dem Boden kauernd über ihre Aufgaben beugen oder mit anderem beschäftigt sind – was genau sie tun, ist im Einzelfall nicht zu erkennen. Einige Gestalten vorne links scheinen zu würfeln. Nur zwei Schüler halten Papier oder ein Buch in den Händen, einige unterhalten sich oder necken einander, etwa die beiden Burschen vorne rechts. Der Lehrer thront als schemenhaft-unbewegte Gestalt in einem Lehnstuhl rechts im Hintergrund. Vor ihm stehen ein großer Junge und ein kleineres Kind, der ausgestreckte Arm des Großen deutet auf eine Gruppe ganz rechts im Hintergrund. Da diese Schüler allerdings sämtlich mit gebeugten Köpfen dasitzen, bleibt unklar, worauf der Lehrer aufmerksam gemacht werden soll. Die Geste aber ist offensichtlich von Darstellungen Molenaers [Abb. 110, 113, 117] angeregt. Die Szene erscheint im Gegenlicht. Durch zwei verhältnismäßig große Fenster in der Rückwand fällt das Licht hell in den Raum und erzeugt ein lebhaftes Licht-Schatten-Spiel. Die Stege der kaputt wirkenden Bleiverglasung sind uneinheitlich gearbeitet, links bilden sie Rechtecke, rechts Rhomben. Links hebt sich eine aus groben Brettern gezimmerte Tür hell von der dunkel lavierten Wand ab. Hinter dem Stuhl des Lehrers ist der Y-förmige Stützbalken der frühen Schulszenen Molenaers und Ostades noch angedeutet. In der Art, wie die Schüler die Köpfe zusammenstecken, ähneln sie den rauchenden, trinkenden und spielenden Nichtsnutzen zeitgenössischer Tavernendarstellungen. Während Bega selbst auch zahlreiche solcher Szenen geschaffen hat [etwa Abb. 172],935 ist keine weitere Unterrichtsdarstellung von seiner Hand überliefert. Trotzdem liegt es nahe, dass die Skizze ein Gemälde vorbereitete,936 denn dass die Zeichnung zum Verkauf bestimmt war, ist aufgrund ihrer flüchtigen Ausführung eher unwahrscheinlich.937 Trotz der zeichnerischen Frische, die diese und andere Skizzen auszeichnet, haben wohl weder Bega noch seine Kollegen reale Schulräume auf dem Papier festgehalten, um sie später malerisch umzusetzen – und das nicht nur, weil der zum Teil in Aggression umschlagende Trubel sich so in Wirklichkeit kaum zugetragen haben wird. Vor allem die häufige Wiederverwendung oft nur wenig variierter Einzelszenen beweist, dass die Szenen mehr oder weniger sorgfältig respektive originell konstruiert wurden. Wie die in großer Zahl existierenden Nachahmungen der Schulbilder Jan Molenaers und Adriaen van Ostades zeigen, für die eine gewisse Bedeutungsoffenheit bei teils deutlich minderer malerischer Qualität und ikonographischer Originalität bezeichnend sind [etwa Abb. 125a, 129, 130, 158 oder 160], war die Nachfrage nach den ärmlich-chaotischen Darstellungen hoch. Da, wie etwa der englische Reisende Peter Mundy 1649 staunt, in den Niederlanden selbst Fleischer, Bäcker und 935

Pieter Cornelisz. Bega: Männer und Wirtin in einer Schänke, um 1642–1664, Radierung, 17.5 x 13.3 cm, Rijksprentenkabinet Amsterdam, Inv.-Nr. RP-P-1898-A-19670 (http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.37909 mit weiteren Angaben und Literatur, Aufruf 21.03.2015). 936 Ein solches Werk Begas, allerdings eine laut Beschreibung ganz andere Komposition, wurde laut Amsterdam/Wien/New York/Boston/Cambridge 1991/1992, S. 198, Anm. 4, im Jahr 1922 (23./24. März) in der Brüsseler Galerie der Gebrüder Le Roy verkauft. Scott 1984, S. 348, führt das Bild unter Nr. 175 mit den Maßen 57.0 x 79.0 cm als falsche Zuschreibung an Bega. Sie vermerkt in der Darstellung untersetzter Figuren in einem bäuerlichen Innenraum sehr vage oder sogar beliebig anmutende Parallelen zu Bruegels Esel in der Schule, deren Plausibilität in Ermangelung einer Abbildung nicht überprüft werden kann. 937 Eine Kopie des 19. Jahrhunderts gibt angeblich ein weiteres Werk Begas wieder: Unbekannt (Nachahmer Cornelis Begas?): Schulszene, 19. Jh., Holz, 23.0 x 30.5 cm, signiert „Bega“ u. r., Szépmüvészeti Múzeum, Budapest, Inv.-Nr. 9989; Budapest 2000, S. 51, mit Abb. Allerdings sind die gedrungenen Figuren kaum mit den hochgewachsenen Schülern der Zeichnung zu vereinbaren, so dass die Tafel eher vage in den Haarlemer Umkreis einzuordnen ist. Entsprechend findet sich eine authentischer wirkende Fassung der Darstellung [Abb. 173] in der Dokumentation des RKD als Werk Isack van Ostades: Schulszene, vor 1641 (?), Holz, 31.0 x 41.0 cm, Verbleib unbekannt (Neumeister München, 26./27.06.1984, Lot 735).

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Bauern ihre Häuser (gar ihre Läden und Ställe!) mit Kunst zu schmücken pflegten,938 waren preiswerte Wiederholungen der hochklassigen Vorbilder natürlich gefragt. Qualitätsunterschiede erklären sich demnach auch aus dem Bedürfnis der Künstler, ökonomisch zu arbeiten und Kunst für nahezu jedermann anzubieten.939 Im Folgenden werden einige weitere dieser künstlerisch nicht erstklassigen, aber zumindest teils im Detail ikonographisch interessanten Werke vorgestellt. VI.4.6 An Harmen Hals zugeschriebene Schulszenen Obwohl Frans Hals für die ersten Genredarstellungen mit Kindern als autonomen Protagonisten eine zentrale Rolle spielt, sind von ihm selbst keine Schuldarstellungen bekannt. In dem 1640 aufgestellten Inventar der Sammlung von Peter Paul Rubens befand sich zwar offenbar auch eine von Hals gemalte bzw. diesem zugewiesene Schulszene.940 Es ist aber gut möglich, dass damit kein Werk von Frans und auch nicht, wie Muller vermutet, eines von dessen Bruder Dirck gemeint ist, sondern eine Arbeit von Harmen Hals (1611–1669), Frans’ ältestem Sohn und Schüler.941 Harmen sind möglicherweise zumindest zwei der sehr wahrscheinlich im Umkreis der Hals-Schule entstandenen Bilder zum Themenbereich Unterricht zuzuschreiben [Abb. 175 und 176]. Dabei muss jedoch betont werden, dass diese Zuschreibung in Ermangelung von sicher dem Künstler zuzuweisenden Bildern kaum als gesichert angesehen werden kann. Es gibt einige vermutlich von Harmen gemalte Tafeln in der Art von Frans Hals, die einfache Zeitgenossen beim Trinken oder Musizieren zeigen.942 Diese Darstellungen stehen aber in keiner erkennbaren stilistischen oder motivischen Verbindung zu den hier besprochenen Szenen. Ein mit den Unterrichtsdarstellungen [Abb. 175, 176 und 177] vergleichbares Bild dagegen ist die Darstellung Zwei Männer am offenen Fenster [Abb. 174]943 – allerdings ist auch diese Arbeit Harmen nur zugeschrieben. Ähnlich sind die Gestaltung des Innenraums und Details wie beispielsweise die Kleidung der Dargestellten, der Fußwärmer oder der hölzerne Fensterrahmen sowie die von rötlich-braunen Tönen dominierte Farbgebung. Trotz der offenen Zuschreibungsfrage sollen die Bilder besprochen werden, denn es sind motivisch eigenständige Kompositionen, die einige Übereinstimmungen zu den Schulbildern der anderen Hals-Schüler erkennen lassen. Eine der Szenen zeigt eine handarbeitende Frau, die einige Jungen und Mädchen beaufsichtigt [Abb. 175].944 In dem häuslich wirkenden Interieur sind die im Verhältnis zu der Frau und dem neben ihr stehenden Mann sehr kleinen Kinder nicht gleich als Schüler zu identifizieren, keines von ihnen scheint zu lesen oder zu schreiben. Doch beim genauen Hinsehen erkennt man, dass der Junge links im Vordergrund einen Bücherkasten packt. Ein weiterer Knabe neben dem Kamin an der hinteren Wand hält ein Blatt in den Händen, rechts von ihm hängt zudem ein weiterer Bücherkasten. Bis auf ein Mädchen ganz vorne, das wie die Frau mit Handarbeit beschäftigt ist, scheinen die Kinder keiner weiteren Tätigkeit nachzugehen. Sie sitzen auf zu ihrer Körpergröße passenden, an den Maßstäben des Raumes gemessen allerdings winzig wirkenden Bänken. Die monochrome, von rötlich-gelben Brauntönen dominierte Farbwirkung des mit recht groben Pinselstrichen ausgeführten Bildes ist typisch für Haarlem. In ähnlich hellen Brauntönen ist zum Beispiel van Ostades 1641 datierte Schulszene [Abb. 138] gehalten. Dargestellt ist wohl eine der als bijscholen bezeichneten, von Frauen betriebenen Bewahrschulen [vgl. auch Abb. 7]. Sie ist in einem längsrechteckigen Raum untergebracht, an dessen Rückwand 938

Mundy 1649/1924, Bd. IV, S. 70; zitiert bei: Fock 2006/2007, S. 63. Haarlem/Worcester 1993, S. 87. 940 Unter Nr. 314 ist dort „Vne Escole, de Hals. [/] A Schoole, by Stagi.“ verzeichnet. Vgl. dazu Höhne 1960, S. 24; Muller 1989, S. 144; Antwerpen 2004, S. 333, Nr. 314, zur Entstehung des Inventars S. 11 f. 941 Zur Biographie Harmens vgl. van Thiel-Strohmann 2006, S. 184 f. 942 Etwa: Harmen Hals (?): Mandolinenspieler, Holz, 48.0 x 38.0 cm, Verbleib unbekannt (Dorotheum Wien, 07.10.1998, Lot 7), RKD-Nr. 49062. 943 Harmen Hals (?): Zwei Männer am offenen Fenster, um 1650 (?), Holz, 37.0 x 26.3 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby’s London, 31.10.2002, Lot 51), RKD-Nr. 105407. Das Bild ist nur unvollständig monogrammiert. 944 Harmen Hals (?): Die Bewahrschule, um 1640–1650 (?), Holz, 34.9 x 41.5 cm, Verbleib unbekannt (Christie’s London, 31.03.1989, Lot 118). 939

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zwischen zwei schmalen, hohen Fenstern ein Kamin zu sehen ist. Nach der Bauweise zu urteilen ist es ein Stadthaus. Von seiner Ausstattung ist wenig zu sehen, so dass es karg und ärmlich wirkt. Rechts im Vordergrund steht ein dreibeiniger Hocker, darauf eine Sanduhr. Auf dem Boden liegen zwei Schuhe, die jedoch kein Paar bilden,945 sowie ein Teller. Zu erwähnen ist außerdem ein unverhältnismäßig klein wirkender Fußwärmer unten links, der möglicherweise etwas mit den Späßen der Kinder zu tun hat. Während die beiden Erwachsenen eine normale – die Frau fast schon eine hoch gewachsene – Statur haben, sind die Kinder, wohl auch bedingt durch ihre hockende Haltung und ihre im Verhältnis zum Raum geringe Größe, gut mit den zwergenhaften Schülern auf den Bildern Isack und Adriaen van Ostades zu vergleichen. Sie haben runde, etwas zu groß wirkende Köpfe, die Jungen tragen verschiedene Hüte, die Mädchen Kopftücher. Und – und das ist die engste Parallele zu den Schulbildern der Gebrüder van Ostade – die beiden Kinder im Vordergrund amüsieren sich über etwas, das Außenstehenden verborgen bleibt. Unklar bleibt auch, was genau der hinter der handarbeitenden Frau stehende Mann tut. Fegt er den Boden? Falls ja, lachen die Kinder möglicherweise über diese einem Mann nicht angemessene Tätigkeit, die ihn als Pantoffelhelden bloßstellt. Sein eher zufriedener Gesichtsausdruck bestätigt diese Vermutung allerdings nicht, so dass die Deutung der Darstellung als Spottbild – dazu sei nur kurz an die karikaturhafte, ebenfalls von einem Paar geführte Allemode School [Abb. 40] erinnert – nicht sicher nachweisbar ist. Dazu kommt, dass die Bedeutung der Lächerlichkeit als Bildinhalt zu der Zeit, in der diese Szene wohl entstanden ist, bereits in den Hintergrund zu treten beginnt. Eine zweite, ähnlich angelegte Komposition [Abb. 176]946 weist im Prinzip dieselben Charakteristika auf wie die Bewahrschule, doch wirken die Körper der Dargestellten natürlicher. In diesem Fall befinden sich die Kinder in der Obhut eines Mannes. In einem beschürzten Kittel aus dunklem Stoff, mit bucklig wirkendem Rücken, hockt er an einem schmalen Pult und spitzt seine Feder. Von den vor ihm – aufgrund des Größenunterschiedes könnte man fast schon sagen: unter ihm – sitzenden Kindern nimmt er keine Notiz. Es sind vier Mädchen und ein Junge, das Gesicht eines fünften Kindes ist zwischen den beiden Mädchen ganz links nur zu erahnen. Was sie machen, ist nicht zu sehen, wahrscheinlich spielen sie oder treiben – das spitzbübische Lächeln des pausbackigen Mädchens rechts lässt das vermuten – irgendeinen Schabernack. Nur der Junge, der dieselbe flache Mütze trägt wie der Lehrer und mit dem Rücken zum Betrachter sitzt, liest. Anders als bei der Bewahrschule setzt Hals neben dem üblichen Rotbraun und Weiß vor allem bei der Kleidung der Kinder einige Farbakzente in Rot und Grün. Bis auf die Fenster, die hier fehlen, sind auf dem Bild nahezu dieselben Requisiten zu sehen wie auf dem eben beschriebenen [Abb. 175]: Ein Schuh liegt herum, ebenso ein Teller am vorderen Bildrand. Da sind der dreibeinige Hocker mit der Sanduhr rechts neben dem Lehrer und der Kamin, auf dessen Sims eine dürre Reisigrute liegt. Diese ist mit einem Seil am Kamin befestigt und mag eher zum Fegen von Asche dienen als zur Disziplinierung der niedlich und harmlos wirkenden Knirpse. Die kleinen Schülerbänke sind vorne links angeordnet. Ganz vorne hat jemand sein Federmäppchen liegen gelassen, daneben lehnt einer der Reifen, mit denen Kinder zu der Zeit gern spielten. Weitere Details sind das über dem Kaminsims an die Wand geheftete Blatt Papier, dessen Darstellung jedoch auf der Abbildung nicht zu erkennen ist. Zwischen zweien der Schüler steht ein zur Warmhalteplatte für einen Krug umfunktionierter Fußwärmer. Neben der Sanduhr liegt ein helles Tonpfeifchen, mit dem der sichtlich freudlose Mann möglicherweise ab und zu etwas Entspannung sucht.947 Auch die Cister, die rechts an der Wand hängt, mag diesem Zweck dienen – obschon das Instrument nur noch schemenhaft zu erkennen ist, als habe Hals es zu übermalen versucht. 945

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Pieter de Bloots überforderter Schulmeister [Abb. 200] ebenfalls zwei verschiedene Schuhe trägt. Hier wie dort muss die möglicherweise sinnbildliche Bedeutung dieses Details offen bleiben, denn das am ehesten passende Emblem vom „Wanderer mit ungleichen Schuhen“ (Reusner 1591, Nr. 23) illustriert die Notwendigkeit, das rechte Maß zu kennen, anhand unterschiedlicher Schuhgrößen. Vgl. Henkel/Schöne 1978, Sp. 984. Vgl. auch hier Kapitel VII.2. 946 Harmen Hals (?): Schulszene mit seine Feder schärfendem Schulmeister, um 1640–1660 (?), Holz, 33.3 x 27.7 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby's Amsterdam, 08.05.2001, Lot 132), RKD-Nr. 108706. 947 Denkbar ist auch, dass die Anspielung an den flüchtigen Charakter des so entstehenden Rauchs als Vanitas-Motiv zu deuten ist. Vgl. z. B. das Emblem Evanescet bei Visscher 1614, Teil I, S. 24, Nr. XXIV. So mag die Mahnung daran erinnern, dass mühevoll errungene Weisheit kurzlebigen Sinnesfreuden vorzuziehen ist – oder auch, dass die Bemühungen des Lehrers Zeitverschwendung sind, da seine Bildungsanstrengungen bei diesen Kindern doch fruchtlos bleiben werden.

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Auch wenn die Tätigkeit des Mannes suggeriert, dass man bei ihm – anders als bei dem eben beschriebenen Paar, das die Kinder lediglich zu beaufsichtigen scheint – etwas lernen kann, bleibt die Qualität des Unterrichts fragwürdig. Beide Bilder zeigen vermutlich eines der eingangs beschriebenen privaten Angebote, die in großer Zahl von nicht im Mindesten zum Lehren oder Erziehen befähigten oder gar motivierten Leuten betrieben wurden, um ihr mageres Einkommen aufzubessern. Wie den frühen Adriaen van Ostade interessiert diesen Künstler offenbar der Kontrast zwischen der mühevollen und wenig ertragreichen Tätigkeit dieser Menschen und der unbeschwerten Fröhlichkeit und wohl auch Frechheit der Kinder, gegen die anzukämpfen diese „Lehrkräfte“ offenbar schon aufgegeben haben. Dass diese Lethargie zu verurteilen ist, weil die Kinder nicht energisch genug zur Ordnung gerufen werden, erschließt sich anhand der Bilder, die auf heutige Beobachter seltsam melancholisch wirken, kaum. Vor dem Hintergrund zeitgenössischer Klagen über die Nachlässigkeit solcher Schuldiener und den eindeutigeren Bildbeispielen [etwa Abb. 124 oder 161] liegt eine solche Deutung aber nahe. Ein drittes Bild [Abb. 177],948 das stilistisch zu den beiden anderen passt, wird konkreter: Es zeigt einen hohen und schmalen Raum, in dem etwa mittig das Pult des Lehrers steht. Der vor der ähnlich brauntonigen Wand kaum erkennbare Mann hat den Kopf in die aufgestützte Linke gelegt und wendet sich müde zu einem rechts von ihm sitzenden Schüler um. Dieser, vom durch das Fenster hinter ihm einfallenden Licht hell beleuchtet, scheint mit gesenktem Kopf zu lernen. Neben ihm sitzt ein Mädchen in schwarzem Kleid, mit hellem Häubchen unter einem schwarzen Barett, und schaut den Betrachter verschmitzt an. Der Hund, der den Kopf in ihren Schoß gelegt hat, lässt an ter Borchs etwa gleichzeitig entstandenen Hundeflöher [Abb. 17] denken. Ein drittes, im Vergleich zu den anderen unverhältnismäßig kleines Kind steht am Pult und schaut zum Lehrer auf, der aber keine Notiz von ihm nimmt. Dieselbe Rückenfigur mit rotem Barett, wie sie links auf der Darstellung des Federspitzenden Schulmeisters [Abb. 176] zu sehen ist, sitzt rechts im Vordergrund. Der linke Ärmel des Jungen ist zerrissen und steigert so den trotz der fröhlichen Miene des Mädchens vorherrschenden Eindruck von Trostlosigkeit. Die melancholische, resigniert wirkende Haltung des Lehrers zeigt, wie wenig er für die Tätigkeit des Unterrichtens geeignet ist – und so sind die Szenen wohl alle entsprechend zu deuten, auch wenn die negativen Anspielungen in den zurückhaltend wirkenden Szenen wie bei Adriaen van Ostade eher unterschwellig vermittelt werden. Es gibt ein weiteres Bild, das aufgrund des Monogramms mit Harmen Hals in Verbindung gebracht werden kann [Abb. 178],949 auch wenn die Komposition mit dem halbrunden oberen Abschluss sich von den vorangehend beschriebenen Bildern unterscheidet und auch die Figuren ungelenker wirken. Der Blick fällt ebenfalls in einen hohen Raum, von dessen Decke eine erloschene Lampe hängt. Durch die obere Öffnung einer Tür links Wand fällt Licht in den Raum. Im Hintergrund ist noch ein Fenster zu sehen, davor lehnt eine Leiter. Der ursprünglich am oberen Ende gerundete Rahmen hat das Hochformat wohl besser zur Geltung gebracht, so wirkt der obere, leere Bereich des Bildes überproportioniert. Der bärtige, hoch gewachsene Lehrer sitzt links am Pult, mit dem Zeigestock in der Rechten hört er einen Schüler ab, der mit gesenktem Kopf aus einem Buch vorliest. Ein Junge rechts schaut den Betrachter lachend an. Es ist diese Figur, die besonders an die eben besprochenen Szenen [vor allem an Abb. 175] erinnert, da dort ähnlich unverschämt grinsende Schüler zu sehen sind. Der Gegenpart des hämisch grimassierenden Knaben ist ein sittsam wirkendes Mädchen links, das uns über die Schulter zurückblickend scheinbar mahnend anschaut. Eine ikonographische Besonderheit sind die Schüler im Hintergrund, die sich an einem Kamin wärmen.950 Ihnen fehlt ebenfalls der zum Unterricht nötige Ernst, zumindest bei dem Jungen, dessen Gesicht dem Betrachter zugewandt ist, ist ein Lächeln auszumachen. 948

Harmen Hals (?): Schulszene, um 1640–1660 (?), Technik/Maße unbekannt, Musée Jeanne d’Aboville, La Fère (als Werk van Brekelenkams). 949 Harmen Hals (?): Schulszene, 2. Hälfte 17. Jh., Leinwand, 84.0 x 67.0 cm, Kunstsammlung der Universität Stockholm – J. A. Berg Collection, Inv.-Nr. 43; Stockholm 1978, S. 123, Kat.-Nr. 43, mit Abb.; Abb. zu Lot 27 im Auktionskatalog Nr. 30 der Turiner Kunsthandlung Caretto, 1989. 950 Hofstede de Groot 1910, Bd. III, S. 510, Nr. 167, beschreibt ein ähnliches Motiv auf einem Isack van Ostade zugeschriebenen Bild: Hier wärmen sich Schüler mit ihrem Lehrer im Freien an einem nächtlichen Feuer. Isack van Ostade (?): Schüler am Feuer vor einem Bauernhaus, vor 1649, Holz, 28.0 x 25.0 cm, Verbleib unbekannt (Versteigerung Paris, 22.03.1845, Lot 29). Auch auf einem weiteren, wohl im Umkreis der Haarlemer Brüder entstandenen Bild ist ein Schüler an einem großen Kamin zu sehen – dort steht aber nur ein Schüler, und das Feuer ist kaum zu sehen, so dass das Motiv weniger prominent ist. Unbekannt (Nachfolge/Umkreis Adriaen oder Isack van Ostade): Schulszene, Mitte/2. Hälfte 17. Jh. (?), Holz, 31.0 x 44.0 cm, Privatbesitz Warschau [Abb. 179]; Hofstede de Groot 1910, Bd. III, S. 260, Nr. 385.

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Auch der Bub im Vordergrund rechts hält die Hände an ein Stövchen. Die Kälte hat sicher in vielen Schulen das Lernen und Lehren erschwert.951 Vermutlich bedeutet das Wärmen am offenen, die Gesichter der Kinder beleuchtenden Feuer unter einer erloschenen Lampe aber auch, dass die törichten Kinder mehr um ihr leibliches Wohlergehen denn um ihr geistiges Streben bemüht sind. Falls das zutrifft, ist diese Bequemheit sicher die Schuld des unfähigen Lehrers, über den die frechen Schüler – wie auf den Bildern van Ostades – spotten. VI.4.7 An Egbert van Heemskerck d. Ä. zugeschriebene Schulszenen Dieselbe Unbestimmtheit charakterisiert auch manche der Szenen, die mit dem in Haarlem wohl bei Pieter de Grebber ausgebildeten Maler Egbert van Heemskerck d. Ä. (1634/1635–1704) sowie mit dessen auf denselben Namen getauftem Sohn (womöglich um 1666/1686–1744 (?))952 in Verbindung gebracht werden können. Bei anderen Beispielen wiederum, vermutlich Arbeiten des Jüngeren, ist der Betrachter über die in diesen Schulräumen herrschende Liederlichkeit schnell im Bilde. Auch wenn manche dieser Werke mit den Initialen Heemskercks versehen sind, müssen sie sämtlich als Zuschreibungen eingestuft werden, da die Authentizität der Bezeichnungen im Einzelnen nicht zu klären ist. Zudem scheint van Heemskerck d. J. nach dem Tod seines Vaters eigene Arbeiten mit der Signatur des renommierten Seniors verkauft zu haben.953 Diese Unsicherheiten erschweren auch die Datierung, weswegen die Bilder zeitlich nur sehr vage eingeordnet werden können. Die hier konstruierte Abfolge beruht auf der Vermutung, dass die ikonographisch wenig eigenständigen Beispiele [wie Abb. 180] vermutlich zu Anfang der Tätigkeit des älteren van Heemskerck um die Mitte des Jahrhunderts entstanden sind, die individueller gestalteten Darstellungen [Abb. 188 bis 190] dagegen später. Bei diesen Bildern lassen die veränderte, weniger gedrungene Figurenauffassung und der Kleidungsstil eine Datierung ins späte 17. respektive das frühe 18. Jahrhundert vermuten. Diese Annahme wird von der Jahresangabe „1678“ auf dem diese Veränderungen am deutlichsten zeigenden Gemälde [Abb. 190] bestätigt. Der Einfluss des Klassizisten de Grebber954 ist bei den Darstellungen praktisch nicht spürbar, sehr deutlich jedoch sind Bezüge zu den Haarlemer Unterrichtsbildern. Da die vermeintlich frühen Beispiele fast ausschließlich mit gängigem Vokabular arbeiten und kaum motivische Neuerungen bieten, soll nur eine dieser Szenen [Abb. 180]955 kurz beschrieben werden. Ihr Aufbau ist mit Darstellungen Adriaen van Ostades [Abb. 138 und 143] vergleichbar. Anders als dort gibt es an der Rückwand des Raumes einen Kamin, wo sich Schüler wie auf der Schulszene im Universitätsmuseum Stockholm [Abb. 178] die Hände wärmen. Während bei diesem Bild das Grinsen der Kinder den gegen den Lehrer gerichteten Spott zumindest erahnen lässt, scheinen Heemskercks Schüler brav und ohne Hintergedanken zu lernen. Zwar steht unmittelbar beim Pult rechts ein lachender Bub, dessen über die Augen gerutschter Hut die seit Bruegel tradierten Konnotationen von geistiger Blindheit andeuten mag. Der geduldig agierende, seriös wirkende Lehrer und die sich weitgehend sittsam verhaltenden Kinder neutralisieren diesen Hinweis jedoch gewissermaßen. Aufgrund ihrer Eigenschaft als Pendants bemerkenswert sind zwei Bilder [Abb. 183 und 184],956 die in ihrer Beschränkung auf die Szene am Pult den positiven Unterrichtsdarstellungen nahe ste951

De Booy 1977, nennt auf S. 262 z. B. zwei Dorfschulen, in denen die Kinder für Licht und Feuer sorgen mussten. Die Zuschreibung richtet sich in Ermangelung aktueller Publikationen – sofern nicht anders angegeben – nach der Einordnung des RKD. Zu van Heemskerck d. Ä. siehe auch: Raines 1987, S. 119 ff., bes. S. 121 und S. 127 zu Parallelen zwischen Arbeiten von Vater und Sohn; van Thiel-Strohmann 2006, S. 195 f. 953 Raines 1987, S. 121. Die Methode scheint er auch bei Zeichnungen angewandt zu haben: Welcker 1938, S. 22 ff. 954 Zu dessen Vita vgl. van Thiel-Strohmann 2006, S. 168–172. 955 Egbert van Heemskerck d. Ä. (?): Schulszene, Mitte 17. Jh. (?), Holz, 29.8 x 35.5 cm, Slg. Tennant, Innes House, Elgin. In der Charakterisierung der Figuren eigenständiger wirken zwei weitere Bilder, die jedoch aufgrund der unzureichenden Abbildungsvorlagen hier nicht näher besprochen werden können: Egbert van Heemskerck d. Ä. (?): Schulszene, 2. Hälfte 17. Jh., Eichenholz, 37.5 x 31.8 cm, Verbleib unbekannt (Bonhams, London-Knightsbridge, 03.07.1997, Lot 44: J. J. Horemans d. J. zugeschrieben mit einem irreführenden Verweis auf ein Vorbild Horemans d. Ä. in der Kunsthalle Wien, einem Ausstellungshaus für zeitgenössische Kunst), RKD-Nr. 33601 [Abb. 181]; Egbert van Heemskerck d. Ä. (?): Schulszene, 1676, Eichenholz, 48.0 x 40.5 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby’s London, 01.11.1933, Lot 28) [Abb. 182]. 956 Egbert van Heemskerck d. Ä. (?): Lehrerin bzw. Lehrer mit Kindern am Pult, 2. Hälfte 17. Jh., Holz, je 25.8 x 20.7 cm, Verbleib unbekannt (Christie’s Amsterdam, 14.05.2002, Lot 23), RKD-Nr. 107374 bzw. 107373. 952

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hen. Die Figuren dagegen sind deutlich an frühen Arbeiten Molenaers und van Ostades orientiert. Anders als dort jedoch wirken Lehrer und Schüler nicht nur bäuerlich-schlicht, sie sind auch grob gemalt, so dass den Bildern der spezielle, ambivalente Charme der kunstvoll gemalten Darstellungen der Haarlemer fehlt. Doch scheinen auch solche Arbeiten von sehr bodenständiger Qualität so gefragt gewesen zu sein, dass es sich für den Maler lohnte, zwei zusammengehörige Kompositionen anzufertigen. Recht originell sind dagegen zwei andere der van Heemskerck zugeschriebenen Darstellungen [Abb. 185957 und 186958], bei denen sich der Lehrer hinter ein für ihn viel zu kleines, grob gezimmertes Pult klemmen muss. Sein seitlich daneben ausgestrecktes Bein verdeutlicht die Eingezwängtheit des mürrisch auf die beiden vor ihm stehenden Kinder blickenden Mannes. Das kleinwüchsige Schülerpaar vor dem Tisch des einen Bildes [Abb. 185] wirkt aufgrund der gesenkten, für die kleinen Körper zu großen Köpfe gleichermaßen demütig und einfältig. Das obligatorische Bücherregal hinter dem Lehrer ist für sie gänzlich außer Reichweite – offenbar aber auch gar nicht interessant. Die Schülerschar im Hintergrund gemahnt vage an die Ansammlungen von in ihrer rundlichen Gedrungenheit kugelig wirkenden Schülern in den frühen Dorfschulen der Gebrüder van Ostade. Es scheint sich um im wahrsten Sinne des Wortes kleingeistige Menschen zu handeln, deren Streben nicht auf Höheres gerichtet ist, sondern auf das ohne Anstrengung Erreichbare. Der Lehrer macht trotz seiner Größe und der gezückten plak keinen bedrohlichen, sondern einen lächerlichen Eindruck.959 Abgesehen von der Verzerrung des Größenverhältnisses zwischen Lehrer und Pult bzw. Schülern, wirkt die Szene atmosphärisch ruhig, so dass die Einordnung als karikaturhafter Kommentar zur Situation der ärmlichen (Dorf-)Schulen – wie bei dem Tondo in Philadelphia [Abb. 162], wo ein ähnliches Missverhältnis zwischen der Größe der Lehrkraft und der Höhe des Pultes herrscht – nicht ganz leicht fällt, obschon sie sicher so gemeint ist. Eindeutiger ist die zweite Szene [Abb. 186], bei der das grobe Mobiliar schärfer mit dem Spitzenkragen und den weißen Manschetten des Lehrers kontrastiert. Seine rote Mütze mit Ohrenklappen setzt nicht nur einen Farbakzent in der in einheitlichem Rotbraun gehaltenen Szenerie des fensterlosen Raumes, sie verweist möglicherweise auch auf die in zahlreichen Erasmus-Porträts [etwa Abb. 144] kolportierte Kopfbedeckung des berühmten Gelehrten. Beabsichtigt oder nicht – der Kontrast zwischen einem Pädagogen mit humanistischem Bildungsanspruch und dem Anspruch dieser Schule könnte nicht größer sein. Nach ihrer untersetzten, an den Figuren van Ostades orientierten Statur und dem tumben Gesichtsausdruck zu urteilen, gehören diese Protagonisten zu einem intellektuell minderbemittelten Menschenschlag. Auch das winzige Pult könnte der Maler beispielsweise von der das Warschauer Gemälde vorbereitenden Zeichnung Isack van Ostades [Abb. 133] oder dem Tondo in Philadelphia [Abb. 162] gekannt haben. Das in Uppsala versteigerte Bild [Abb. 186] enthält mit dem Bretterraumteiler zur Rechten des Lehrers und der Bank mit zwei Schülern im Vordergrund links auch weitere motivische Verbindungen zum Umkreis beziehungsweise der Nachfolge von Molenaer und van Ostade. Neu ist allerdings die Idee, einen der offensichtlich aufmüpfigen Schüler ans Pult zu ketten. Diese Praxis kann anhand der Quellen nicht nachgewiesen werden.960 Unwillkürlich fühlt man sich an die in Kapitel II.6 erwähnten literarischen Exempla erinnert: Dort drohen den jungen Delinquenten Gefängnisstrafen und sogar der Tod. Die in den Texten geschilderte Entwicklung, die anhand der drastischen Folgen von Ungehorsam die unbedingte Notwendigkeit von Strenge und Disziplin verdeutlicht, kann in den Bildern nicht dargestellt werden. So ist der Künstler darauf angewiesen, dass seine Inszenierung weitergedacht wird. Dass aber van Heemskerck wirklich an diese pädagogischen Moritaten anspielt, ist unwahrscheinlich. Zwar büßt der im Vordergrund am Boden sitzende Junge für ein wie auch immer geartetes Vergehen, er ist aber festgesetzt, kann also zumindest für den Moment keine weiteren Untaten begehen. Vielmehr präsentiert diese verschärfte Art der Dar957

Egbert van Heemskerck d. Ä. (?): Schulszene (Lehrer hinter zu kleinem Pult), 2. Hälfte 17. Jh., Holz, 20.1 x 17.2 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby’s Amsterdam, 11.11.2008, Lot 99); Durantini 1983, S. 137, Abb. 69 (dort noch Jan Molenaer zugeschrieben), RKD-Nr. 31176. 958 Egbert van Heemskerck d. Ä. (Kopie nach?): Schulszene (Lehrer hinter zu kleinem Pult), 2. Hälfte 17. Jh., Holz, 23.0 x 31.0 cm, Verbleib unbekannt (Auktionskammare Uppsala, 25.05.2003, Lot 44). 959 Anders: Durantini 1983, S. 136. 960 Laut Pomes 108, S. 72, wurde diese Art der Strafe bei dem Schüler einer Armenschule in Enkhuisen angewandt. Allerdings stammt die Quelle erst aus dem Jahr 1757, zudem sagt der Verfasser nicht, ob der Junge ebenfalls am Pult festgesetzt wurde.

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stellung die Bildung grober Tölpel als aufgezwungene Knechtschaft und verbildlicht so – Jahrzehnte nach Jan Molenaer und Adriaen van Ostade muss man tatsächlich sagen: immer noch – die Wirkungslosigkeit dieser Bildungsbemühungen. Das Motiv der Gefangennahme erscheint noch auf einigen Egbert van Heemskerck zugeschriebenen Schulszenen [Abb. 187, 188, 189, 190].961 In allen Fällen befindet sich das (hier normal dimensionierte) Pult des Lehrers rechts im Bild, der Sträfling hockt immer an dessen linker Seite, also unmittelbar vor dem Betrachter. Der Rest der Klasse befindet sich im gegenüberliegenden Bereich des stets einfach eingerichteten Raumes. Im Hintergrund ist jeweils ein Fenster zu erkennen. Die Kompositionen unterscheiden sich allerdings in den Details voneinander, der ausführende Künstler war folglich um eine gewisse Variation bemüht. Auf einer der Szenen [Abb. 187]962 – erstaunlicherweise ist es die mit den am eindeutigsten als ungeschlacht und dumm charakterisierten Protagonisten – zeigt die Strafe auf den ersten Blick Wirkung: Der Junge am Pult scheint in ein Buch vertieft. Das Gemälde weist stilistische und kompositorische Übereinstimmungen mit dem vermutlich in den 1650er Jahren von Jan Molenaer gemalten Bild [Abb. 121] auf:963 Beide Werke sind in gedeckten Rotbrauntönen gehalten, die Figuren wirken stämmig und kompakt. Die Gemälde sind in hochrechteckigem Format angelegt, der Lehrer sitzt jeweils rechts an einem einfachen Pult. Im Hintergrund zeichnet sich bei Molenaer eine helle Türöffnung ab, bei dem vermeintlichen van Heemskerck ist es ein das düstere Interieur ebenfalls kaum erhellendes Fenster. Die anderen Beispiele [Abb. 188 bis 190] sind Querformate mit größerem Bildausschnitt. Dort befindet sich der Arbeitsplatz des Lehrers unter einem aus Holz gezimmerten Überbau, dessen Funktion nicht klar ist. Vielleicht birgt er einen Teil des oberen Stockwerks oder – wie der auf einem der Beispiele [Abb. 190] aus der Öffnung heraushängende Stoffzipfel andeuten könnte – die wenig komfortable Schlafstatt des Schulmeisters. Auf allen Bildern hält der angekettete Knabe (bezeichnenderweise ist es immer ein Junge) ein Buch oder ein Blatt Papier, seine Aufmerksamkeit richtet sich allerdings meist nicht darauf. In einer der Szenen [Abb. 188]964 ist der Schulmeister weniger träge, er erhebt die plak gegen einen ängstlich zurückweichenden Knaben. Ein anderer schleicht mit schmerzverzerrtem Gesicht davon. Ein kleines Mädchen vor dem Pult zeigt mit beiden Händen auf den angeketteten Jungen. Der Rest der Klasse wirkt in Mimik und Gestik ebenso unruhig wie auf den anderen Szenen. Viele der Kinder schauen irgendwie erwartungsvoll zum Lehrer, einige lachen. Dass von diesem Mann außer Schlägen nicht viel zu erwarten ist, verdeutlicht seine offensichtliche Unfähigkeit, die Kinder von Streichen und Spott abzuhalten. Auf einem weiteren Bild [Abb. 189]965 bleibt der Lehrer gelassen, aber auch das ist natürlich nicht die richtige Strategie: In dunklen Mantel und Spitzenkragen gekleidet, konzentriert er sich auf einen Knaben, der rechts neben ihm am Pult steht. Werden seine Bemühungen zumindest in diesem Fall Früchte tragen? Eher nicht: Der festgesetzte Schüler schaut frustriert zu einem Kameraden hoch, der vor dem Pult steht und ihm hinter einem vorgehaltenen Buch – und somit für den Lehrer unsichtbar – schadenfroh die Zunge herausstreckt. Auch der Rest der Klasse amüsiert sich größtenteils über diese Frechheit. Ein Hinweis auf die mangelnde pädagogische Eignung des Lehrers sind die Krücke bzw. der Stock, der neben seinem Platz an der Wand lehnt. Wie oben erörtert, wurden im Rahmen der Bildungsoffensive in Ermangelung fähiger Lehrkräfte nicht selten Menschen in 961

Ein fünftes Bild der Reihe ist wohl von einem Nachahmer gemalt worden, der den Witz nicht verstanden und den Schüler am einem der tragbaren Tafelkästen festgekettet hat. Unbekannt (Nachahmer Egbert van Heemskercks d. Ä.?): Schulszene, spätes 17. Jh. (?), 44.0 x 52.7 cm, Technik und Verbleib unbekannt (Sotheby’s London, 08.11.1978, Lot 13) [Abb. 191]. 962 Egbert van Heemskerck d. Ä. (?): Schulszene mit an das Pult gekettetem Schüler, 2. Hälfte 17. Jh., Holz, 28.5 x 24.5 cm, Verbleib unbekannt (Dorotheum Wien, 11.06.2003, Lot 98), RKD-Nr. 61409. 963 Möglicherweise rührt daher auch die durch Durantini 1983, S. 137, Abb. 69, vorgenommene Zuschreibung einer wohl von Heemskerck d. Ä. gemalten Unterrichtsdarstellung [Abb. 185] an Jan Molenaer. Zu allgemeinen Parallelen zwischen Molenaer und Heemskerck siehe auch: Rosenberg/Slive/ter Kuile 1966, S. 108; Raines 1987, S. 120 f., der vermutet, Heemskerck sei bei Molenaer in die Lehre gegangen. 964 Egbert van Heemskerck d.Ä. (?): Schulszene mit an das Pult gekettetem Schüler, 2. Hälfte 17. Jh., Holz, 41.5 x 54.5 cm, Verbleib unbekannt (Phillips London 15.04.1997, Lot 111 (als Werk des Juniors), RKD-Nr. 8040. 965 Egbert van Heemskerck d.Ä. (spätes Werk) oder Egbert van Heemskerck d. J. (frühes Werk): Schulszene mit an das Pult gekettetem Schüler, spätes 17. Jh., Holz, 40.6 x 49.5 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby's New York, 06.10.1995, Lot 19, als Werk des Juniors), RKD-Nr. 6193.

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den Schuldienst berufen, die aufgrund körperlicher Gebrechen zu keiner anderen Arbeit in der Lage waren und die unter Umständen für das Unterrichten keinerlei Begabung hatten. Es liegt nahe, dass die Gehhilfe auf dieses Phänomen anspielt, denn aus Altersgründen scheint der Mann nicht darauf angewiesen zu sein. Ein weiterer Verweis auf seine Unfähigkeit mag die hinter ihm hängende Feldflasche sein, in der er vermutlich kein harmloses Getränk aufbewahrt. Auf einem dritten Beispiel dieser Reihe [Abb. 190]966 ist der Lehrer agiler, er ist aufgesprungen und droht mit der plak in Richtung zweier Buben, die links in handgreiflichen Streit geraten sind. Entsprechend sind die Blicke der anderen Schüler auf sie gerichtet, an Lernen ist nicht zu denken – ein Zustand, der auch für diese Schulklasse wahrscheinlich Alltag ist. Ein in diesem Zusammenhang neues Motiv ist vorne links zu sehen. Ein in auffällig helle Farben gekleidetes Mädchen hilft einem kleineren Kind aufs Töpfchen. Diese Szene findet sich auch auf wohl im späten 17. Jahrhundert entstandenen Unterrichtsbildern aus dem Umkreis Jan Steens [Abb. 234 und 237], unter anderem bei der von einer Frau geführten Bewahrschule [Abb. 7].967 Macht sich Heemskerck also über den Lehrer lustig, weil dieser sich um solche „Frauensachen“ kümmern muss? Oder ist das Motiv eher allgemein als derb-amüsantes Detail gemeint? Diese Späße finden auf den anderen beiden Bildern, wo vorwitzige Buben Urin in die Flasche des Lehrers füllen oder der Pisspott sehr zur Freude der Schüler umgeworfen wird, ihre konsequente Vollendung [Abb. 234 und 236]. Bemerkenswert ist, dass die zum Teil gleichzeitig mit van Ostades späten, idyllisch wirkenden Darstellungen geschaffenen Werke die Hinwendung zum friedlichen Ideal nicht verfolgen. Im Gegenteil: Basierend auf dem eigentlich überkommenen Klischee des unbelehrbaren Bauerntölpels inszenieren sie ihre überspitzt zotigen Szenen in einem ärmlichen Milieu. Auch dafür gab es also weiterhin einen Markt. Vor allem die Art der Strafe unterscheidet diese Szenen von den meisten anderen Haarlemer Unterrichtsbildern, in denen ein derart drakonisches Vorgehen praktisch nicht vorkommt. An diesen Eigenheiten lässt sich nachvollziehen, was den für seine drastischen Sozialsatiren berühmten William Hogarth (1697–1764) an dieser Art von Darstellungen interessiert oder abgestoßen968 bzw. ihn in den Augen der Zeitgenossen mit der als ordinär empfundenen „dutch manner“ in Verbindung gebracht haben könnte.969 Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass auch aus England Klagen über das Treiben verwahrloster Jugendlicher überliefert sind, ist gut vorstellbar, dass Vater und Sohn dort ein Klima vorfanden, das den Erfolg ihrer Arbeiten begünstigte.970 Ein besonderer Schwerpunkt liegt zudem auf der Boshaftigkeit mancher Schüler, deren Schadenfreude über das Leid ihres Klassenkameraden nicht zu übersehen ist. Solche Momente der Gemeinheit finden sich häufig bei Jan Molenaer, wo ebenfalls mit dem Finger auf andere gedeutet oder lachend über Mitschüler gespottet wird. Und auch die körperliche Züchtigung ist bei Molenaer – anders als bei Ostade – fast immer Thema. Insgesamt aber gibt es nur vergleichsweise wenige Schulbilder, die die in den Texten häufig diskutierte physische Bestrafung in den Mittelpunkt stellen. Einige dieser Darstellungen, die tatsächlich von einem besonderen künstlerischen Reiz sind, sollen im folgenden Kapitel vorgestellt werden.

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Egbert van Heemskerck d.Ä. (?): Schulszene mit an das Pult gekettetem Schüler, 1678, Leinwand, 63.4 x 76.2 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby’s London, 30.10.1991, Lot 63). 967 Vgl. dazu hier Kapitel VIII.7 und VIII.8. 968 Raines 1978, bes. S. 127 ff.; Paulson 1991, Bd. I, S. 25. 969 Krysmanski 1996, bes. S. 338; Krysmanski 2010, S. 131 ff., 281 ff. 970 Krysmanski 2010, S. 15 ff., bes. Anm. 44 auf S. 16 bzw. S. 134 zur englischen Mittelklasse als Käufer solcher derben Arbeiten.

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VII. BRUTALITÄT STATT BILDUNG Zur Strafe geschlagen zu werden ist für jedes Kind durch den Schmerz und das Erleben von Gewalt, gegen die es nichts ausrichten kann, eine existentielle Erfahrung. Auch wenn die körperliche Züchtigung in den Schulen des 16. und 17. Jahrhunderts üblich war, hat man selten das Gefühl, die Angst und der Schrecken, den die Schüler in diesen Moment spüren, sei authentisch wiedergegeben. Ihre Reaktion ist entweder übertrieben [etwa Abb. 117] oder stark zurückgenommen [Abb. 145]. Das liegt natürlich zum Einen daran, dass die überzeugende Darstellung der kindlichen Gefühlswelt für Werke, deren Intention die Verbildlichung bestimmter sozialer Normen ist, kein entscheidender Aspekt sein kann. Das Augenmerk liegt zwar auf der Sanktion eines Fehltritts, betont wird aber entweder die verfehlte Wirkung der Schläge, mit denen ein unfähiger Lehrer gegen renitente Schüler ohnehin nichts ausrichtet, oder eben die Berechtigung der Bestrafung und – etwa durch die Gegenwart weiterer, folgsamer Kinder – ihre präventive Signalwirkung. Eindeutig zeigt letzteres aber erst Jan Steen [Abb. 213]. Dabei sind Sinn und Unsinn körperlicher Züchtigung in der Zeit durchaus Gegenstand von Diskussionen. Eltern war das Recht, ihre Kinder innerhalb bestimmter Grenzen körperlich zu maßregeln, gesetzlich zugestanden. In den von Dekker untersuchten Tagebüchern holländischer Bürger ist allerdings kaum von derartigen Strafmaßnahmen die Rede – möglicherweise, weil sie üblich waren. Dass es zwischen Erziehungsberechtigten und zu Erziehenden nicht selten gewalttätig zugegangen ist, deuten verschiedene Quellen an. Immerhin thematisieren an die 40 Sinnsprüche die erzieherische Notwendigkeit von Schlägen.971 Zeitgenössische Texte betonen zugleich, dass man Kinder nicht blutig schlagen solle und auch, dass zu feste Schläge auf den Kopf schädlich seien. Weiterhin sollte die Bestrafung nicht aus Wut erfolgen, sondern mit Vernunft eingesetzt werden. Genau das Gegenteil ist auf den im Folgenden beschriebenen Bildern der Fall. In der Schule kamen Prügel offenbar weitaus häufiger zum Einsatz als zu Hause. 1682 wurde eine Regelung erlassen, die es Schulmeistern verbot, Schüler körperlich zu bestrafen. Stattdessen sollten sie die Kinder nachsitzen lassen oder vor der Klasse und den Eltern bloßstellen.972 Schon Erasmus war der Ansicht, dass Angst die Lernbereitschaft der Kinder erheblich einschränke, und die Pädagogen des späteren 16. Jahrhunderts schließen sich dem an.973 Andere wiederum fordern mehr Härte. Ein zu Dordrecht erlassenes Gesetz schützte Lehrer vor Eltern, die die Misshandlungen ihrer Kinder ahnden wollten.974 Solche Einmischungen wurden von allen Schulmeistern missbilligt. Sie beklagten, wiederum mit Verweis auf die zitierten Bibelstellen, dass die Kinder durch elterliche Nachsicht verzogen würden, sie seien verdorben und unwillig. So sei es unmöglich, ihnen Zucht und Ordnung beizubringen – was die Eltern einerseits von den Lehrern erwarteten, andererseits jedoch ablehnten, wenn dies mit der unvermeidlichen Strenge geschah.975 Auch ausländische Beobachter bemängeln, die holländischen Kinder seien verzogen und müssten härter bestraft werden.976 Offenbar war die Straffälligkeit unter Kindern oder Jugendlichen, die in den in Kapitel II.6 angeführten Theaterstücken thematisiert wird, tatsächlich sehr hoch. Besonders schwere Fälle wurden in Erziehungsheime eingewiesen. Veryard schildert in einer längeren Passage die in Amsterdamer Heimen angewandten Erziehungsmethoden, die von Arbeitseinsätzen bis zu schierer Folter reichen. Scheinbar gaben Menschen aller Schichten ihre Kinder in die Obhut dieser Anstalten.977 Es ist schwer vorstellbar, dass Kinder, die – wie es zum Beispiel die Bilder Gerrit Dous zeigen – 971

Dekker 2000, S. 85 f. De Booy 1980, S. 30 f.; de Booy 1981, S. 434 f.; Philadelphia/Berlin/London 1984, S. 318; Dekker 2000, S. 87. 973 Durantini 1983, S. 125; Erasmus 1524, S. 102, bezeichnet die Schulen als Folterkammer (martelkamer), auch führt er auf den folgenden Seiten anhand zahlreicher (auch antiker oder biblischer) Beispiele aus, dass er negativen Druck für kein geeignetes pädagogisches Mittel hält. Vgl. Sperna Weiland 1992, S. 145 f., Anm. 311. 974 De Booy 1977, S. 32; de Booy 1981, S. 435. 975 Beispielsweise Valcooch 1597, Regel 1508 ff.; de Planque 1926, S. 221, S. 20 ff., zitiert de Planque einige weitere Textstellen, die den Unmut der Lehrer über die Erwartungshaltung der Eltern illustrieren. 976 Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 212; Dekker 2000, S. 6 f. Brickmann 1984, S. 385 f., meint allerdings, die Kommentare der Nicht-Niederländer, seien diese nun positiv oder negativ, thematisierten durchweg die große Freiheit der Niederländer in allen Lebensbereichen. Wahrscheinlich sind auch die Bemerkungen zum Benehmen der Kinder und Jugendlichen vor diesem Hintergrund entsprechend zu relativieren. 977 Veryard 1701, S. 2; Durantini 1983, S. 74, 76 f., zu Erziehungsheimen S. 73. 972

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von klein auf von Eltern, Ammen und Hauslehrern umsorgt werden, gegen diese Fürsorge derart rebellieren, dass sie in Straflagern enden. Schließlich wird auf den Arbeiten Dous, die ja den Schwerpunkt auf die positiven Folgen physischer Maßregelung legen, durch die erhobene plak lediglich mit Strafe gedroht. Woran das liegt, ist nur zu vermuten. Sicher war es nicht nur fehlendes Interesse an kindlichen Emotionen. Wahrscheinlich steht die plak sinnbildhaft für die Strenge des Lehrers, so dass ihr Vorhandensein weniger die unmittelbare Gefahr von Schlägen bedeutet, sondern schlicht symbolisch zu verstehen ist. Und nicht zuletzt war die Darstellung verschreckter und weinender Kinder für den Künstler eine Herausforderung, die zu meistern auch Könner wie Dou nicht ohne Weiteres vermocht hätten, ganz zu schweigen von der Dramatik solcher Szenen, die in den in gemäßigtem Ton formulierten Bildern des Leideners fehl am Platz gewesen wäre. Drastische Emotionen dagegen zeigt nur der „Pöbel“: Es sind die ungehobelten Protagonisten van Ostades und vor allem Molenaers, die sich in heftigem Gelächter und Geschrei ergehen. Und da das wichtigste Bildmittel dieser Künstler die Karikatur ist, finden sich auch dort keine überzeugenden Schilderungen der kindlichen Pein. Erst auf manchen von Jan Steens Schulszenen sehen wir subtilere Nuancen von Furcht.978 Nur wenige Künstler beschäftigen sich mit den Emotionen, die das als willkürlich und somit wohl besonders bedrohlich empfundene Ausüben von Gewalt auf eine Gruppe von erregten Kindern oder Jugendlichen frei setzen kann. Sicher ist es auch der neuzeitliche Blick, der – angeregt durch Berichterstattungen über von ihren Lehrern kaum zu bändigende Hauptschüler oder Bluttaten frustrierter Jugendlicher – extreme Szenen erwartet. Dass aber auch im 16. und 17. Jahrhundert Heranwachsende gegen Autorität oder eben gegen deren Fehlen aufbegehrten, zeigen die Berichte über die Aufmüpfigkeit und Zügellosigkeit der niederländischen Jugend. Und auch in den belehrenden Theaterstücken Macropedius’ oder Schonaeus’ fand das sensationslüsterne Publikum Nahrung für seine Vorstellung von der bedrohlichen Verdorbenheit der Jugend. In den bildlichen Darstellungen dagegen klingt dieses Potential selten an. Ein Beispiel ist die Allemode School [Abb. 40], in der die Kinder geradezu die Herrschaft über das Geschehen ergriffen haben. Aus dem 17. Jahrhundert sind lediglich zwei Szenen überliefert, in denen ein Lehrer die Kontrolle über seine Schüler verliert und diese völlig außer Rand und Band geraten. VII.1

Eine Tobende Schulklasse aus dem Umkreis Adriaen Brouwers

Eine dieser Darstellungen erinnert motivisch und stilistisch stark an Arbeiten Adriaen Brouwers [Abb. 192].979 Von Brouwer selbst ist kein Schulbild überliefert, obschon offenbar Darstellungen dieses Sujets von seiner Hand in Inventaren aufgelistet sind.980 Unklar ist auch, ob er Künstler ausgebildet hat, die sich dann des Themas angenommen haben. Das ist zwar gut denkbar, da das Œuvre von Nachfolgern wie David Ryckaert III. (1612–1661) und David Teniers d. J. (1610–1690) im Prinzip auf dasselbe Repertoire von Themen zurückgreift wie die Bilder van Ostades, von dem ja eine ganze Reihe Schulbilder erhalten sind. Bislang sind jedoch, bis auf die Affenschule Teniers [Abb. 205], die noch erläutert werden wird, keine Unterrichtsszenen dieser Meister bekannt. Typisch für Brouwer ist besonders die lebhafte Schilderung niederer Affekte, die sich in den derben Gesichtern der Protagonisten spiegeln, glasierte Tonkrüge mit effektvollen Glanzlichtern im Vordergrund, die darunter liegende Farbschicht sichtbar machende trockene Pinselstriche in anderen Partien.981 Brouwer erweist sich jedoch durch die fein abgestimmte Verwendung von deckenden Partien und darauf angebrachten Schichten trockener Farbe, die den Untergrund durchschimmern lassen, als der im Vergleich zum Künstler des Berliner Bildes geübtere Maler. Bode beschreibt die Farbigkeit im Gegensatz zu Brouwers Rommelpotspielerin982: „[…] während diese fast farblos ge978

Vgl. dazu besonders Kapitel VIII.3 und VIII.6. Unbekannt (Umkreis Adriaen Brouwer): Tobende Schulklasse, um 1625–1630 (?), Eichenholz, 31.0 x 31.0 cm, Staatliche Museen zu Berlin – Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 1900; Bode 1924, S. 31, 33 f., Abb. 9; Höhne 1960, S. 22–24, Taf. 2; Knuttel 1962, S. 32 f., Abb. 10; Durantini 1983, S. 132, Abb. 66, zur Datierung in die 1620er Jahre: S. 136; Berlin 1996, S. 24, S. 278, Nr./Abb. 908. 980 Berlin 1986, S. 19, ohne konkreten Nachweis. 981 Von Sonneburg 1986, S. 106 ff., bes. S. 109 zu Höhungen durch Glanzlichter, Detailaufnahme Taf. 22. 982 Bode 1924, S. 29 (Berliner Kunsthandel), Abb. 8, Beschreibung des Kolorits S. 34. Da es mir nicht möglich war, das Gemälde ausfindig zu machen, verzichte ich auf die Abbildung der schwarz-weißen Reproduktion. 979

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halten ist, ist die Schule [Abb. 192] bereits ein kleines Meisterwerk in koloristischer Wirkung durch reiche, jubelnde Farbenstimmung, den hellen, heiteren Ton.“ Er empfindet die „Zusammenstellung und -stimmung“ als „ganz charakteristisch für die frühe Zeit des Künstlers [...].“ Wirklich vergleichbare Arbeiten Brouwers sind mir aber nicht bekannt. Die um 1632/1633 entstandenen Raufenden Bauern [Abb. 123], von denen schon kurz die Rede war, zeigen zwar gleichfalls einen Kampf, Format, Farbigkeit und Komposition unterscheiden sich jedoch: Die Maße und der Bildausschnitt sind geringer, die Farben eher gedeckt und die handgreifliche Auseinandersetzung der beiden Trinker wirkt im Vergleich zur Schulszene harmlos. Zudem ist die große Anzahl von Personen auf dem Berliner Bild für kein anderes Bild Brouwers bezeugt.983 Es ist also wahrscheinlich das Werk eines Malers aus Brouwers Umfeld, möglicherweise eines seiner Schüler oder eines Kollegen aus dem Kreis um Frans Hals.984 Die Szene spielt sich in einem düsteren Raum ab, dessen weitere Ausstattung nicht zu erkennen ist. Lediglich ein helles Rechteck im Hintergrund bezeichnet die Türöffnung. Die Klasse ist von den Bänken aufgesprungen, die Menge tobt: Vorne links ist die Lehrerin eines Jungen habhaft geworden und versohlt dem auf dem Boden liegenden Buben schreiend den bloßen Hintern. In der Haltung der Figuren ähnlich, allerdings spiegelverkehrt ausgerichtet, ist eine Figurengruppe auf einem Holzschnitt aus dem Jahr 1592 [Abb. 194]:985 Während der Lehrer eine Rute benutzt, schlägt die Frau auf dem Gemälde mit der bloßen Hand zu, wodurch die irrationale Brutalität ihres Tuns noch gesteigert ist. Doch auch die frühe Darstellung zeigt grausame Details: Dort drückt ein anderer Schüler dem Gepeinigten die Hand auf den Rücken, so dass der sich gegen die Hiebe des Lehrers nicht wehren kann. Der Junge auf dem Gemälde dagegen versucht mit geballter Faust, die Frau abzuwehren. Fast sieht es aus, als würde er zurückschlagen. Aus Angst hat er die Kontrolle über seinen Darm verloren, der hellrot-flüssige Kot ergießt sich auf drei Blätter, die unter dem Jungen liegen. Auf dem obersten ist mit viel gutem Willen ein Kopf zu erkennen – ob dies aber wirklich eine Spottzeichnung der Lehrerin ist,986 muss auch nach Inaugenscheinnahme des Originals offen bleiben. Daneben liegen das Schreibzeug des Schülers und womöglich die Rute. Die Lehrerin trägt, wie viele ihrer Schüler, einen Hut – ein deutlicher Hinweis auf ihre Beschränktheit. Dass die Kinder auf den Bildern der Zeit oft eine Mütze aufhaben, führt de Booy auf die niedrigen Temperaturen in den Schulen zurück.987 Meines Erachtens ist damit jedoch – wenn nicht das Tragen von Kopfbedeckungen einfach üblich oder aus praktischen Gründen ratsam war – in Anlehnung an Bruegel respektive an das in dem Zusammenhang zitierte Sprichwort genauso wie bei den Schulszenen van Ostades, schlicht die geistige Inkompetenz der Kinder und auch des Lehrpersonals gemeint. Die restlichen Schüler halten zwar zum Teil Blätter in den Händen, ihre uneingeschränkte Aufmerksamkeit gilt aber dem unwürdigen Spektakel, das sie offenbar regelrecht euphorisiert. Ein im Vordergrund auf einer Bank sitzender Junge versteckt sein hämisches Grinsen nur unzureichend mit dem Blatt in seiner Hand. Ein anderer rechts von ihm zeigt ganz offen auf die Bestrafung. Roh und dumpf sind die wenig kindlichen Physiognomien,988 die schadenfroh grimassierenden Mienen unterscheiden sich kaum von dem wütend verzerrten Gesicht der Lehrerin. Für einen Moment sicher vor ihrer auf den einen Schüler gerichteten Willkür, entlädt sich die Aggression der Klasse in unwürdigem Hohn. Nur ein Mädchen am rechten Rand der Szene senkt den Kopf und wendet den Blick ab. Die Szene erscheint uns heute als Plädoyer gegen Gewaltanwendung im Unterricht, macht sie doch deutlich, wie wenig sich Kinder durch Schläge zu tugendhaftem Verhalten erziehen lassen. 983

Scholz, o. J., S. 134, Nr. 59, Abb. 63, bildet zwar eine mit „ABrouwer pinx.“ bezeichnete Unterrichtsdarstellung ab [Abb. 193], vermerkt aber zugleich, dass ein Vorbild Brouwers dazu unbekannt sei: Jan van Somer (nach Brouwer?): Schulmeister mit zwei Schülern, 1655–1700, Mezzotinto, 25.1 x 19.9 cm, Rijksprentenkabinet Amsterdam, Inv.-Nr. RP-P1909-144 (http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.46337 mit weiteren Angaben und Literatur, Aufruf 21.03.2015). Da die an Unterrichtsbilder Dous oder van Brekelenkams erinnernde Bildidee und die Charakterisierung der Figuren für Brouwer untypisch sind, soll der Hinweis an dieser Stelle genügen. 984 Höhne 1960, S. 24, vermutet, das Bild sei von Brouwer in Haarlem unter dem Einfluss von Hals gemalt worden. 985 Unbekannt (Monogrammist AE): Schulszene mit strafendem Lehrer, 1592, Holzschnitt, Maße unbekannt; ohne Nachweis abgebildet bei Alt 1960, Bd. I, S. 351; Schiffler/Winkeler 2011, S. 67, Abb. 54. 986 Durantini 1983, S. 133. 987 De Booy 1981, S. 433. 988 Tatsächlich sind die Kinder auch relativ groß. Dass es sich aber, wie Gruschka 2005, S. 25, meint „um Erwachsene handelt, die wohl eine Prügelei in der Dorfschule aufführen“, ist unglaubhaft.

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Ob die Zeitgenossen die Darstellung so verstanden haben, ist fraglich. Möglicherweise ist ihnen aber nicht entgangen, dass die Tür im Hintergrund nicht zur Erkenntnis führt, wie das beispielsweise auf dem Relief della Robbias der Fall ist [Abb. 66],989 sondern die rettende Flucht bedeutet. Und auch hier zeigt sich, wie schon in der Affenschule Pieter van der Borchts [Abb. 29 und 30], dass unmäßiges Strafen keine Disziplin bringt, sondern nur noch mehr Lärm und Unrat im Schulzimmer.990 Der Akt des Schlagens wirkt angesichts der Tatsache, dass er auf den Bildern dieses Themas – von der satirisch- oder informativ-plakativen Druckgrafik einmal abgesehen – selten zu sehen ist, besonders brutal. Laut Knuttel ist das Bild dem Maler des Tondos im Philadelphia Museum of Art [Abb. 162] zuzuschreiben.991 Diese Beobachtung ist angesichts stilistischer, aber mehr noch angesichts motivischer Unterschiede kaum nachvollziehbar. Für das Berliner Bild [Abb. 192] wurden deutlich mehr Farben verwendet, wenn auch dort eine gewisse Tonigkeit den Hintergrund für Blau-, Grün- und Rottöne bildet. Der die Szenerie umgebende Raum spielt praktisch keine Rolle, wohingegen bei dem Rundbild die Ausstattung des Schulzimmers ausführlich beschrieben wird. Auch die Gesichter der Kinder und der Lehrerin unterscheiden sich: Die Frau wirkt harmloser, sogar gütig, die Kinder sind mit ihren runden Gesichtern und knubbeligen Nasen fast schon niedlich. Nicht so die Berliner Schüler: Ihre groben, spitznasigen Mienen lassen sie durchweg unsympathisch und roh erscheinen. Der Furcht erregende Anblick der Lehrerin komplettiert das schulische Gruselkabinett. Es gibt ein Bild aus dem Umkreis des jungen Adriaen van Ostade, das eine ähnlich brutale Lehrerin zeigt [Abb. 195].992 In ihrem Stuhl am linken Bildrand sitzend, versohlt sie einem über ihre Knie gelegten Kind den nackten Podex. Die Frauenfiguren sind gut vergleichbar, denn beide tragen einen schirmartigen Hut sowie ein langes Kleid mit Schürze. Und beide haben den Mund wie zu einem Wutschrei geöffnet. Details dieser Szene finden sich auf den Bildern der Brüder van Ostade wieder: Die umgefallene Bank im Vordergrund ist ähnlich auf dem 1641 entstandenen Gemälde im Louvre [Abb. 138] zu sehen,993 das im Aufbau ebenfalls verwandt ist. Die Leiter, die einer der Schüler hinaufklettert, wird unter anderem auch auf Adriaens Pariser Zeichnung [Abb. 131] und Isacks Warschauer Gemälde [Abb. 137] als belebendes Motiv verwendet. Allerdings führt sie bei dem Berliner Bild [Abb. 195] anstatt in die Freiheit ins Leere und ergibt entsprechend wenig Sinn. Dieses Detail spricht neben der grob wirkenden Malweise gegen eine Autorschaft van Ostades. Jedoch – und das ist neu – zeigt der Junge auf der Leiter auf die Prügelszene unter ihm. Der unbekannte Künstler setzt also nicht nur wahllos bekannte Motive nebeneinander, er verknüpft sie immerhin inhaltlich. Trotz der Parallelen ist die Komposition der Berliner Bilder [Abb. 192 und 195] völlig unterschiedlich: Bei dem Beispiel des Ostade-Umkreises bleibt der Rest der Klasse ruhig und nimmt, bis auf den Jungen auf der Leiter und zwei Schüler direkt neben der Bestrafungsszene, kaum Notiz vom Leid ihres Mitschülers. Vielmehr hocken sie – wie es für die anderen Schulszenen der Brüder typisch ist – auf Bänken, wobei ihr Tun im Einzelnen nicht erkennbar ist. Das Bild in der Gemäldegalerie dagegen ist in seiner Darstellung kollektiver Raserei viel eindrucksvoller. Unterstrichen wird dies noch von einer lebhaften Farbigkeit, wogegen die andere Tafel vergleichsweise eintönig in blassen Rot- und Brauntönen gehalten ist. Lediglich etwas Blau und Weiß bei der Kleidung der Kinder belebt die Szene. Die Gesichter sind flüchtig gemalt, die Züge wirken entpersonalisiert. Auch wenn das qualitätvollere Bild der Gemäldegalerie [Abb. 192] nicht von Adriaen Brouwer gemalt wurde, liegt ihm eine ähnliche Geisteshaltung zugrunde, wie sie Arbeiten Brouwers erkennen lassen. Die „Kritik menschlicher Triebhaftigkeit, die Blendung des Geistes durch Gemütsbewegun989

Durantini 1983, S. 99, S. 101: Der von ihr zitierte Text zum Emblem der Grammatica in Mathias Holzwarts Emblematum Tyrocinia (Strassburg 1581, neu aufgelegt in Nicolas Reusners Aureolorum Emblematum, Straßburg 1591; vgl. dazu: Henkel/Schöne 1978, S. L) „Alln Kunsten ich auffsperz die Thür […]“, macht es wahrscheinlich, dass diese Konnotation gängig war. Allerdings ist es mir nicht gelungen, das Zitat nachzuweisen, da mir beide Publikationen nicht zugänglich waren. Zu Holzwart siehe auch: Bagley 1994, S. 325. 990 Durantini 1983, S. 147. 991 Knuttel 1962, S. 32 ff. 992 Unbekannt (Umkreis Adriaen van Ostade): Schulszene, um 1630–1640 (?), Holz, 24.4 x 25.2 cm, Schloss Oranienburg, Berlin, Inv.-Nr. GK I 1424; Berlin 1964, S. 130 f. mit Abb., dort Anthonie Victoryns zugeschrieben. Zu Victoryns, der wohl im Umkreis oder als Nachfolger Adriaens van Ostade tätig war, vgl. Freise 1910, S. 324–330, bes. S. 324 u. 329, Taf. 69, Abb. 3 (mit „Victoryns“ signierte Schulszene aus Kopenhagener Privatbesitz). 993 Berlin 1964, S. 130.

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gen“994 wird mit Verve dargestellt, um beim Betrachter größtmögliche Abscheu hervorzurufen. Für Brouwer untypisch sind die Physiognomien der Dargestellten, die Knuttel treffend als „vogelartig“995 charakterisiert. Brouwers Protagonisten haben fleischigere, knollig wirkende Züge, oft Pausbacken und rundliche Gesichter. Gut erkennbar ist dies bei den an einer Rauferei [Abb. 196]996 beteiligten Männern. An diesem Bild ist auch zu sehen, wie die Figuren Brouwers selbst in einem so affektbestimmten Moment isoliert bleiben. Ihre Bewegungen sind statisch, wie eingefroren, während der kollektive Gewaltausbruch des Berliner Bildes [Abb. 192] unmittelbar und überzeugend wirkt. Auch der Aufbau der Szene wäre für Brouwer ungewöhnlich, denn seine Bilder sind niemals so gedrängt voll. Zudem spricht die zurückhaltende Beschreibung des Raumes, die sich auf ein dunkles Repoussoir im Vordergrund, die im Dunkel verschwimmende Rückwand, die als helles Rechteck auszumachende Tür und eine Dachstrebe in der rechten oberen Ecke beschränkt, gegen die Autorschaft Brouwers. Bei seinen mehrfigurigen Szenen ist der Raum meist heller und damit deutlicher definiert – sei das nun durch Möbel, einen Kamin oder vergleichsweise naturalistisch geschilderte Böden, Wände und Deckenbalken. Mit der Tobenden Schulklasse stilistisch und kompositorisch eher in Zusammenhang zu bringen ist ein wohl ebenfalls im Brouwer-Umkreis entstandenes Gemälde der Berliner Gemäldegalerie, die Wurstküche [Abb. 197].997 Vor allem die nach draußen führende Tür im Hintergrund und die Gesichter der Dargestellten erinnern an das Berliner Schulbild. Räumlich ähnlich gestaltet ist auch die Komposition eines unbekannten Meisters aus der Sammlung Kerssenbrock [Abb. 198].998 Der Blick fällt dabei in die Ecke eines Raumes, die aber perspektivisch unstimmig wirkt, weil die Tür in der linken Wand (durch die die Nachhut einzufallen scheint) direkt an die rechte Wand anschließt. Auch die gedrängte Positionierung der Körper im Kampf ist mit dem Getümmel der Schule gut zu vergleichen. Auf beiden Bildern gibt es im rechten Vordergrund eine niedrige Sitzbank, und auch die Physiognomien der wütend schreienden Kämpfer sind ähnlich. Da das Bild zur Zeit nicht lokalisiert werden kann, sind Farbgebung und Malweise nicht überprüfbar, zumindest aber sind die rasche Pinselführung und der partiell pastose, aber auch skizzenhaft-trocken wirkende Farbauftrag dem Anschein nach gut vergleichbar. Das Motiv des Sich-Einkotens ist ganz ähnlich bei einer Prügelszene [Abb. 199]999 aus dem Jahr 1566 zu sehen. Dort ist in der linken vorderen Ecke ein Mann zu Boden gegangen, seine Hosen hängen in den Kniekehlen, der Kot breitet sich pfützenartig auf dem Boden aus. Neben ihm steht ein Krug, wahrscheinlich eine Ursache seines Unglücks. Über ihm kniet (s)eine Frau, schlägt auf ihn ein und reißt ihm die Haare aus, während ein Hund zähnefletschend an ihrem Rock zerrt. Der Rest der Szene ist nicht minder turbulent, weitere Paare prügeln sich oder vergnügen sich mit Trinken, Glücksspiel und Unzucht. Die Übernahme des Motivs macht noch einmal deutlich, wie die Schule als ursprünglich positiv konnotierter Bildgegenstand in Verbindung mit Darstellungsmustern, die für die Illustration von lasterhaften Orten gängig waren, dazu dienen konnten, unziemliches Verhalten plakativ anzuprangern. VII.2

Pieter de Bloots Tobende Schulklasse

Thematisch und kompositionell lässt sich die Berliner Schulszene [Abb. 192] gut mit einer Tobenden Schulklasse vergleichen, die der Rotterdamer Künstler Pieter de Bloot (1601–1658) gemalt hat [Abb. 200].1000 Die Familie de Bloots emigrierte um die Jahrhundertwende aus Antwerpen nach 994

Raupp 1987, S. 240. Knuttel 1962, S. 32: „bird-beak“. 996 Adriaen Brouwer: Rauferei, Mitte 1630er Jahre (?), 30.7 x 25.7 cm, Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Alte Pinakothek, München, Inv.-Nr. 861; München 2009, S. 66 f., mit Abb. auf S. 67. 997 Unbekannt (Brouwer-Umkreis): Wurstküche, um 1625–1630 (?), Eichenholz, 42.5 x 30.5 cm, Staatliche Museen zu Berlin – Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 60/3; Renger 1984, S. 259, Abb. 6; Berlin 1996, S. 24, S. 278, Nr./Abb. 907. 998 Knuttel 1962, S. 33, Abb. 9: Technik, Maße und Verbleib unbekannt. 999 Unbekannt: Rauferei in einer Schänke, 1566, kolorierter Kupferstich, 24.6 x 38.8 cm; de Meyer 1970, S. 96, S. 108, Abb. 98. 1000 Pieter de Bloot: Tobende Schulklasse, um 1635–1640, Eichenholz, 20.0 x 27.6 cm, Landesmuseum Mainz, Inv.Nr. 162; Durantini 1983, S. 152 f., Abb. 75; Mainz 1997, S. 60 ff., mit Abb. 995

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Rotterdam. Über seine Lehrjahre ist nichts überliefert, vermutlich hat er die meiste Zeit über in der südholländischen Metropole gelebt und gearbeitet. Sein thematisch weit gefächertes Œuvre umfasst vornehmlich Genrebilder wie Bauerninterieurs und Dorffeste, die Anklänge an die Arbeiten etwas jüngerer Rotterdamer Künstler, etwa Herman und Cornelis Saftlevens, Francois Ryckhals’ und Hendrick M. Sorghs zeigen,1001 laut Beck jedoch auch ‚flämischen‘ Einfluß von Adr. Brouwer oder David Teniers.“1002 Auch in de Bloots Schulszene geht es tumultartig zu: Der geckenhaft und zugleich heruntergekommen gekleidete junge Schulmeister kämpft mit dem Besen – einer Weiberwaffe! – eine regelrechte Schlacht gegen die tobenden Kinder.1003 Er steht in Abwehrhaltung links, die aufgehetzte Klasse nimmt die andere Seite ein, wodurch der Eindruck entsteht, die Schüler könnten den schmächtigen Mann ohne Weiteres in die Ecke drängen. Die Atmosphäre ist aber kaum bedrohlich, eher belustigend. Im Blick des Mädchens, das zu Füßen des Lehrers lachend zu diesem hoch schaut, spiegelt sich die von de Bloot kalkulierte Reaktion des Betrachters. Und doch ist die physische Gewalt präsent: Die Kinder, deren Mienen zwischen Angst und Belustigung zu changieren scheinen, haben zwei Bänke ergriffen – offenbar, um sie gegen den Lehrer zu richten oder um sich damit vor ihm zu schützen. Dabei wird ein Mitschüler (von dem allerdings nur die Beine zu sehen sind) heruntergeworfen. Links im Vordergrund liegt als die Signatur de Bloots tragendes Repoussoirmotiv eine weitere Bank. Das hohe Pult steht verlassen im Hintergrund links, auf der Rückenlehne des zugehörigen Stuhls ist genau wie bei Bruegel [Abb. 34] ein Krug zu sehen, in dem ein Griffel zu stecken scheint. Vor dem Möbel sitzen noch vier Schüler über Büchern. Der Rest der Klasse, immerhin dreizehn Kinder, ist auf den Beinen oder liegt, im Getümmel niedergestreckt, auf dem Boden. Der junge Schulmeister wird nicht nur durch sein in Folge des Autoritätsverlusts hysterisches Verhalten lächerlich gemacht, sondern auch durch seine Kleidung: Zu einer am rechten Knie geflickten grünen Hose, die etwa auf der Mitte der Unterschenkel ausfranst, trägt er zwei verschiedene Schuhe, links einen Pantoffel, rechts einen geschnürten Halbschuh.1004 Sein blaues Wams ist an den Ellbogen zerschlissen, das weiße Hemd hängt heraus. Gekrönt wird seine erbärmliche Erscheinung durch ein gelbes Mützchen mit Ohrklappen. Dass er seinen Federkiel als neckischen Kopfputz einsetzt und nicht als Schreibinstrument, ist ebenfalls bezeichnend. Zwei der Schüler ahmen diesen Schmuck nach, ein dritter beim Pult hat sich mit dem in Anlehnung an Bruegel bei den Lehrern der Gebrüder van Ostade so beliebten Pritschholz „modisch“ davon abgesetzt. Die Rettung naht in Gestalt eines scheinbar amüsierten bärtigen Mannes, der im Hintergrund durch die Tür tritt. Wahrscheinlich handelt es sich um den alten Schulmeister, der durch den jüngeren Nachfolger vertreten oder ersetzt wurde.1005 Sein Erscheinen deutet an, dass die Ordnung bald wieder hergestellt sein wird. Dann stehen die Bänke wieder in Reih und Glied, in den nun auf dem Boden liegenden Büchern wird gelesen, und der Besen dient nicht mehr als Waffe, sondern dazu, die Scherben neben dem Fußwärmer wegzufegen. Für die Züchtigung der Schüler wird dann wieder das hinter dem überforderten Nachwuchslehrer liegende Reisig verwendet. Sofern diese Lesart korrekt ist, ist die Autorität des alten Lehrers ein Aspekt, der sonst in keiner der kritischen Darstellungen zum Tragen kommt. Bei den positiv gewichteten Szenen bedeutet ein hohes Alter natürlich Weisheit und Würde [etwa Abb. 55, 56 oder 101], in den chaotischen Bildern, etwa denen Molenaers [Abb. 110 und 113], ist es aber als Grund für die fehlende Durchsetzungskraft des Lehrers anzusehen, und entsprechend als eine der Ursachen für die Verwahrlosung der Schüler. Die fehlende Reife junger Lehrer jedoch wird meines Wissens in keinem Fall – sei das nun Text oder Bild – so explizit thematisiert. 1001

Zu de Bloots Vita siehe: Haverkorn van Rijsewijk 1891, S. 62 ff.; Rotterdam 1994b, S. 272. Beck 1991, S. 42 ff., abgebildet sind gemäß der inhaltlichen Gewichtung des Buches nur Landschaftsgemälde. 1003 Das Bild weist tatsächlich einige Merkmale auf, die für niederländische Schlachtenbilder der 1630er und 1640er Jahre typisch sind, etwa die auffällige Gruppe als „Hingucker“ im Vordergrund, die kompakte, bildparallele Anordnung der Kämpfenden, diagonale Gliederungslinien bzw. Bewegungsrichtungen, im Vordergrund verstreut liegende Gegenstände sowie die farbliche Absetzung von Vorder- und Hintergrund. Für diese Hinweise danke ich meinem Kommilitonen Dr. Timo Trümper. Einen knappen Überblick über die Gefechtsdarstellungen der Zeit bietet: Maarseveen 1997, bes. S. 105 ff.; Maarseveen 1998, S. 106–133. 1004 Wie schon im Zusammenhang einer Harmen Hals zugeschriebenen Szene [Abb. 175] in Kapitel VI.4.6 erläutert, ist die genaue Bedeutung dieses vermutlich sinnbildlich gemeinten Details nicht zu entschlüsseln. Es ist aber sicher nicht verfehlt, den Lapsus als komisches Attribut einer überforderten Witzfigur zu verstehen. 1002

1005

Dass Schulmeister jüngere Gehilfen hatten, war üblich: de Booy 1981, S. 433.

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Obschon nicht nachgewiesen werden kann, dass die Künstler sich kannten, fällt die Verwandtschaft der Mainzer Schulszene mit der in Innsbruck bewahrten Schuldarstellung Jan Molenaers [Abb. 113] auf. Letztere ist wahrscheinlich ebenfalls zu Beginn der 1630er Jahre entstanden, und auch dort scheint es nicht mehr lange zu dauern, bis die tobenden Kinder das Regiment übernehmen. Vergleichbar sind auch die auffälligen Farbtöne im Vordergrund, während der Hintergrund von in eher flüchtiger Malweise aufgetragenen Braunschattierungen bestimmt ist – wenn auch de Bloots Farben im Ton etwas gedeckter sind. Anders als bei Molenaer hat die Unfähigkeit des Lehrers wie auf dem Bild in der Berliner Gemäldegalerie [Abb. 192] den totalen Kontrollverlust zur Folge. Während das Mainzer Bild durch die munteren Mienen der Dargestellten und die lebhafte Farbigkeit im Vordergrund die beklagenswerte Situation in der Klasse trotzdem zu verharmlosen scheint, bleibt dem Betrachter des Berliner Bildes das Lachen im Halse stecken. Da der Raum nicht definiert ist und die Darstellung sich ganz auf die düstere, gewalttätig rohe Atmosphäre konzentriert, bestehen vage Parallelen zu Unterweltszenen als Orte des Schreckens, der entfesselten Gewalt. Die prügelnde Lehrerin ist nichts anderes als eine Verkörperung des Zorns.1006 Denn auch wenn der Junge nicht unschuldig ist, ist ihre Reaktion, vor allem durch die Auswirkungen auf den Rest der Schüler, als unverhältnismäßig dargestellt. Schließlich werden aus übertriebener Wut des Lehrers verabreichte Prügel auch in zahlreichen Texten missbilligend kommentiert – unter anderem von Erasmus, der sich über die erbärmlichen Lehrer lustig macht, die ihre Wut unbeherrscht an den Schülern auslassen.1007 Die geradezu exzessiv geschilderten Gewaltausbrüche unterscheiden diese Szenen von den anderen Unterrichtsdarstellungen des 17. Jahrhunderts. Vor allem das Berliner Bild erinnert jedoch unmittelbar an einen zu seiner Entstehungszeit möglicherweise gängigen Witz: Nachdem der Lehrer einem zu spät zum Unterricht erschienenen Jungen den bloßen Hintern versohlt hat, weigert sich dieser, seine Hosen wieder hochzuziehen. Seine Begründung: Bei Hinrichtungen behalte der Henker schließlich auch die Kleidung des Opfers.1008 Einige Parallelen bestehen zudem, wie schon angedeutet, zu zeitgenössischen Theaterstücken, die in Handlung und Humor ebenfalls sehr derb, geradezu grausam sind. Die Protagonisten sind junge Leute, deren Verhalten in einer zu nachlässigen Erziehung, also im Fehlverhalten ihrer Eltern begründet ist. Sie verbreiten lügend, rauchend, saufend und stehlend Angst und Schrecken – kurz: sie benehmen sich asozial, während die Eltern als gleichgültig oder zu milde charakterisiert werden. Als letzte Konsequenz landen die jugendlichen Delinquenten in Erziehungsheimen oder werden gar in die Kolonien verschickt.1009 Laut Durantini vermitteln diese kluchten keine moralische oder soziale Botschaft, weil weder die Gründe für das Missverhalten angesprochen noch Wege aus der Krise eröffnet werden. Es gibt kein glückliches Ende, die Störenfriede werden aus der Gesellschaft entfernt, eine läuternde Korrektur ihres Verhaltens scheint nicht möglich.1010 Abgesehen davon, dass es – wie in Kapitel II.6 geschildert – sehr wohl Geschichten mit gutem Ausgang gibt, liegt die „Moral von der Geschicht’“ auch bei den böse endenden Exempeln in dem Schluss, dass das Verhalten wider die Norm unausweichlich ins Unglück führt und die einzige Möglichkeit, dies zu verhindern, ein tugendhaftes Leben ist. Und zwar so tugendhaft, dass es erst gar nicht zu solchen im Grunde nicht wieder gut zu machenden Fehltritten kommt. Die außer Rand und Band geratenen Schüler entsprechen den aus den gesellschaftlichen Normen ausbrechenden Nichtsnutzen der Volksstücke. De Bloots Gemälde ist so gesehen ein Beispiel mit „gutem Ende“, denn dort naht der erfahrene Schulmeister, um die Rangen zur Raison zu bringen. Die Charakterisierung des unreifen Kollegen und die im Vordergrund verstreuten Gegenstände verdeutlichen den Grund für das Durcheinander und zugleich Möglichkeiten zur Wiederherstellung der Ordnung. Die Berliner Szene dagegen ist weniger komplex. In der diffusen Düsternis ist gerade noch der Auslöser des Furors zu erahnen. Dass der Unterricht weitergehen wird, nachdem die Wut der Lehrerin verraucht ist, ist kaum vorstellbar. Denn dass in dieser Klasse ohne Mobiliar und Un1006

Im Übrigen ein Thema, das im Œuvre Brouwers sehr häufig behandelt wird. Berlin 1986, S. 43. Erasmus 1560, fol. 76 v.: „na haer goetduncken wreedicheyt bedrijuen“. 1008 Dekker/Roodenburg 1991, S. 85, Nr. 474; auch wiedergegeben bei: Dekker 2001, S. 116. 1009 Z. B. Het moederlik gezag. Aus: Bedrogen Lichtmis, geruimt door J. de Mol. Amsterdam 1671. Abgedruckt in: Moerkerken 1898, S. 481–487, besonders Vers 185 ff., S. 487; Benthem 1698, S. 8; Durantini 1983, S. 74. 1010 Durantini 1983, S. 76 f., 189, weitere Stücke nennt sie auf S. 322, Anm. 140; anders: Moerkerken 1898, S. 5 f. 1007

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terrichtsmaterial Lernen unmöglich ist, liegt auf der Hand. Das Gemälde demonstriert die Auswirkungen entfesselten Zorns, vor dem in den Quellen gewarnt wird. Für die mit den allenthalben präsenten Ratschlägen zur rechten Lebensführung vertrauten Zeitgenossen waren die Ursachen für das Tohuwabohu immer erkennbar, so dass sie aus den Schilderungen ohne Weiteres eindeutige Schlüsse hinsichtlich der Bedeutung sozial akzeptierter Verhaltensweisen ziehen konnten – auch wenn diese im Bild nicht explizit gezeigt sind. Der Erziehungswissenschaftler Andreas Gruschka kommt in seiner „Entdeckungsreise durch die Bildwelten Jan Steens“ zu dem Schluss, die Eltern hätten es befürwortet, dass die Kinder sich dem „tyrannisch auf Ruhe und Ordnung ausgerichteten Regiment eines Schulmeisters“ widersetzten.1011 Abgesehen davon, dass diese doch sehr lockere Autoritätsvorstellung angesichts der zahlreichen Zucht und Ordnung lobenden Bildern und Texte mehr als liberal erscheint, nennt Gruschka keinerlei Quellen, die eine solche Deutung stützen. Undenkbar, dass die Eltern eine „Distanz gegenüber der Erziehungsfunktion der Anstalt“1012 empfunden hätten – zumindest, wenn diese angemessen geführt wurde. Dass sich Kinder gegen Autorität richten, ist für den Menschen des 17. Jahrhunderts nichts anderes als eine Folge der falschen Erziehung, ob nun durch die Eltern oder durch den Lehrer. In der Bibel heißt es: „Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn, sondern erzieht sie in der Zucht und Weisung des Herrn.“1013 Ohne diese Grundpfeiler des Unterrichts gerät die soziale Ordnung aus dem von Gott gewollten Gefüge und es herrschen Chaos und Zerstörung. VII.3

Eine Brüsseler Bestrafungsszene

Es gibt eine weitere Schulszene, bei der die Prügelstrafe im Vordergrund steht [Abb. 201].1014 Allerdings reagiert das Umfeld im Unterschied zu den eben erörterten Bildern weniger drastisch. Ihr Maler war wohl in Brüssel tätig. Ob es sich dabei, wie die Signatur vermuten lässt, tatsächlich um Gillis van Tilborgh (um 1615/1635 – um 1675/1681) handelt,1015 muss offen bleiben, denn es ist mir nicht gelungen, in Tilborghs wenig erforschtem Œuvre konkrete motivische oder kompositorische Vor- oder mit der Szene vergleichbare Bilder zu finden. So ist es auch gut denkbar, dass ihr Urheber ein anderer Künstler aus Tilborghs Umfeld ist, dessen Identität zwar bislang nicht festgestellt werden konnte, der aber wie Tilborgh selbst deutliche Einflüsse David Teniers’ d. J. (1610–1690) und des ebenfalls in Brüssel tätigen Joos van Craesbeeck (um 1605/1606 – um 1660) 1016 zeigt.1017 Karolien de Clippel bezeichnet den stilistisch ganz gut fassbaren Maler, der auch die Signaturen Teniers und van Craesbeecks verwendete, als „Pseudo-Van Craesbeeck“.1018 Auf dem 1651 datierten Gemälde hat ein alter, weißbärtiger Lehrer einen Jungen am Ohr gepackt, zugleich erhebt er die Rute, um dem Knaben die Flausen auszutreiben. Das Ganze findet in einem gewölbeartigen Raum statt, der sich von den üblichen Schulstuben unterscheidet: Das Fenster links ist sehr hoch platziert und unverglast. Die unverputzte Rückwand des Schulzimmers ist von zwei rundbogigen Öffnungen durchbrochen, durch die weitere Schüler zu erkennen sind. Der Großteil der Jungen sitzt vorne links an für ihre Größe recht kleinen Tischen. Drei von ihnen 1011

Gruschka 2005, S. 13 f. Gruschka 2005, S. 14. 1013 Epheser 6,4. 1014 Gillis van Tilborgh (?): Schulszene mit strafendem Schulmeister, 1651, Holz, 37.0 x 45.2 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby’s London, 17.12.1998, Lot 330), RKD-Nr. 57283. 1015 Legrand 1963, S. 160–167. 1016 Zu Craesbeeck siehe auch: Raupp 1996, S. 86–93, Kat.-Nr. 19 und 21, Kurzbiographie auf S. 86. Diese Bilder haben allerdings mit dem hier besprochenen nichts gemein. 1017 De Clippel schreibt diesem bislang namenlosen Meister eine ikonographisch nicht weiter bedeutsame Schulszene zu [Abb. 202], die farblich und kompositorisch sowie in der Figurenbildung bis zu einem Grad mit der 1651 datierten [Abb. 201] vergleichbar ist: Unbekannt (Umkreis Joos van Craesbeeck/Gillis van Tilborgh): Schulszene, um 1650 (?), Holz, 31.4 x 46.0 cm, Aberdeen Art Gallery & Museums Collections, Inv.-Nr. ABDAG003353 (dort als Werk Joos van Craesbeecks). De Clippel, Bd. I, S. 315, Nr. D57. Eine Variante des Bildes [Abb. 203] in Aberdeen ist in den Unterlagen des RKD nachweisbar: Unbekannt (Umkreis Joos van Craesbeeck/Gillis van Tilborgh): Schulszene, um 1650 (?), Eichenholz, 30.0 x 46.0 cm, Verbleib unbekannt (Tajan Paris, 24.06.2004, Lot 25), RKD-Nr. 18089. 1018 De Clippel 2006, Bd. I, S. 181, Bd. II., S. 401, Anm. 1. 1012

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blicken verstohlen zu der Bestrafungsszene, die anderen vier beschäftigen sich, wohl abgeschreckt bzw. angesp*rnt, mit ihren Aufgaben. Die Strafe zeigt also Wirkung – und das ist ungewöhnlich für ein Bild, das diese so dezidiert darstellt: Schließlich hat auch hier der Schulmeister den Platz an seinem wohl außerhalb des Bildfeldes liegenden Pult verlassen, er ist im wahrsten Sinne des Wortes aufgebracht. Mit Gewalt reißt er den Kopf des Jungen herum, während dieser ängstlich greinend zu ihm aufschaut und mit beiden Händen versucht, sich dem Griff des Mannes zu entziehen. Ein Junge hinter den beiden neigt nachdenklich den Kopf, es scheint, als schaue er den Betrachter an. Sicher ist sein Blick eine Aufforderung, das Gesehene zu bedenken. Ein wichtiges, in diesem Zusammenhang einzigartiges Detail findet sich an dem Wandpfeiler zwischen den beiden Bögen: Dort ist ein Andachtsbild mit Kerzenhalter angebracht. Der darin steckende Kerzenrest ist in diesem Fall wohl nicht auf die intellektuellen Kapazitäten, sondern eher auf die Gottesfurcht der Dargestellten zu beziehen. Auf dem kleinen Bildchen scheint – ähnlich wie bei zwei weiteren Beispielen aus dem Süden [Abb. 243 und 244], von denen in Kapitel IX noch die Rede sein wird – eine Halbfigur der Maria mit dem Jesuskind dargestellt zu sein.1019 Ist die sanfte Mutter des Heilands das positive Gegenbild zu dem prügelnden Lehrer, so wie ihr Sohn ein Vorbild für die Schüler ist? Oder geht es eher allgemein um die fromme Tugend, die den Knaben durch den Lehrer eingebläut wird? Bei den anderen Szenen sind die Sujets der die Wände des Raumes zierenden Graphiken – von der Eule bei van Brekelenkam [Abb. 91] abgesehen – nicht als unmittelbaren Kommentar zur Darstellung zu identifizieren [etwa Abb. 95, 150, 163 oder 180]. In diesem Fall ist das anders, und sicher ist es kein Zufall, dass auf einem im katholischen Landesteil entstandenen Bild ein entsprechendes Motiv zum Einsatz kommt. Was das aber konkret für den Inhalt der Darstellung bedeutet, muss offen bleiben. Eines allerdings steht fest: Es ist dies das einzige Bild unter den von mir untersuchten, in dem die explizit dargestellte, vergleichsweise harte Strafe auch auf den Rest der Klasse den gewünschten Eindruck zu machen scheint, in diesem Sinne eine positive Auswirkung hat und demnach offenbar nicht negativ gemeint ist. Ähnlich ist das zwar auch an der im Anschluss zu besprechenden Affenschule David Teniers’ d. J. [Abb. 205] zu sehen, deren betont farbenfrohe, geradezu niedliche Inszenierung lässt die ehemals so zentrale Intention der Schulszenen, eine didaktisch eindeutige Botschaft zu vermitteln, jedoch ganz in den Hintergrund treten. Auch weitere mit Tilborgh in Verbindung zu bringende Bilder [Abb. 202–204] sind in dieser Hinsicht weniger eindeutig. Während zwei der Gemälde mit der Prügelszene farblich und stilistisch verwandt scheinen, setzt sich ein drittes Beispiel [Abb. 204]1020 auch im Format deutlich davon ab. Der Lehrer wie auch die meisten Kinder tragen dunkle, distinguiert wirkende Kleidung, die auf den ersten Blick den Anschein einer Anstalt für Sprösslinge aus gutem Hause erweckt. Der Raum selbst macht allerdings einen schäbigen Eindruck, der Putz ist fleckig, die Tische und Stühle sind für die meist hoch gewachsenen Schüler zu klein. Hinten rechts tritt eine ältere Frau mit einer Rute herein. Ist es diese Andeutung von Strafe, die die Schüler so beflissen arbeiten lässt? Oder würden sie das sowieso tun, weil sie gut erzogen sind? Ein ähnliches Motiv findet sich auf der Schulszene in Aberdeen [Abb. 202], dort hält die Frau jedoch ein ganzes Bündel Reisig. Sollen daraus Ruten gebunden werden? Zwar hat man auch dort nicht den Eindruck, dass das notwendig wäre, aber in diesem Kontext etwa eine Magd bei ihren täglichen Verrichtungen zu zeigen, macht wenig Sinn. Folglich spielt das Detail wohl auf die Möglichkeit der körperlichen Strafe an. Im Gegensatz zu der 1651 datierten Szene [Abb. 201] wirken diese Gemälde, von denen vor allem das großformatige [Abb. 204] malerisch anspruchsvoll ist, unentschieden. Dem Betrachter bieten sie weder spannungsvolle Momente noch unterhaltsame Späße, eine pointiert didaktische Aussage lässt sich kaum ausmachen. Doch anders als bei van Ostade, dessen mildere Betrachtungsweise ein Indiz für die Anpassung an den dezentere Darstellungen bevorzugenden Geschmack seiner Kunden ist, ist eine positive Sichtweise auf den Unterricht bei diesen Bildern nicht festzustellen: Der zusammengesunken sitzende Lehrer [Abb. 202 und 203] ist, obschon redlich bemüht, keine Respektsperson. Dem repräsentabler gekleideten Kollegen [Abb. 204] mag man mehr zu1019

Dass sich solche Bilder, wie in Kapitel II.2 für eine Darstellung Jesus’ in der Londoner Schule St. Pauls beschrieben, auf ein in unmittelbarer Nähe angebrachtes Lehrgedicht bezogen hat, ist denkbar, aber hier nicht zu sehen. Es gibt allerdings auch andere flämische Genreszenen, auf denen religiöse Bilder im Bild eine symbolische Funktion haben: Raupp 1996, S. 135, Anm. 10. 1020 Gillis van Tilborgh (?): Schulszene, wohl 2. Hälfte 17. Jahrhundert, Holz, 71.3 x 104.2 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby’s New York, Auktion N08163, 26.01.2006, Lot 157), RKD-Nr. 66358.

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trauen, doch der bewusst verfallen gestaltete Klassenraum konterkariert diesen Eindruck, so dass sich auch hier Zweifel an der Qualität der Einrichtung einstellen. Die anderen mit der Bestrafungsszene [Abb. 201] inhaltlich vergleichbaren Bilder sind, wie eben angedeutet, nicht nur in ihrer Gestaltung, sondern auch hinsichtlich ihrer weniger ernsthaften Aussage völlig anderer Art: Es sind Tiersatiren, darunter auch ein Beispiel von der Hand von Gillis van Tilborghs ebenfalls eine Zeitlang in Brüssel tätigem Lehrmeister David Teniers d. J. VII.4

Eine Affenschule David Teniers’ d. J. (1610–1690)

In einer Affenschule [Abb. 205]1021 des Flamen schauen die braven Schüler der geradezu demonstrativen Züchtigung eines Artgenossen zu. Teniers, der vor allem für seine von Adriaen Brouwer übernommenen Motive wie Schänken-, Soldaten- oder Bauernszenen ins Bunte, Gefällige umdeutenden Darstellungen geschätzt wurde, schuf eine Reihe von Bildern, in denen Affen die Hauptrolle spielen, unter anderem auch eine ebenfalls im Prado bewahrte Serie mit einem Affenmaler und einem Affenbildhauer, einer Taverne mit feiernden Affen, einer Affengesellschaft sowie einem Affenbankett, die alle in derselben Zeit wie die Affenschule entstanden sein müssen.1022 Da diese allerdings, anders als die anderen Täfelchen, auf Kupfer gemalt ist, gehört sie nicht zu der Reihe. Die Bestrafung spielt sich in einer von ansonsten offenbar wohlerzogenen, gut gekleideten Affen besuchten Schule ab. Alle Augen sind auf die Szene in der Mitte gerichtet: Der Delinquent hat sich gebückt, der Lehrer lüftet seinen Rock hoch und wird die Rute gleich auf den entblößten Hintern heruntersausen lassen. Daneben kniet einer der Schulkameraden und fleht um Gnade für den bedauernswerten Freund. Vielleicht fürchtet er aber auch, dass ihm dieselbe Tortur bevorsteht. Das Motiv ist der Affenschule Pieter van der Borchts [Abb. 29 und 30] entliehen. Der Schulmeister dort trägt allerdings einen tabaard mit Spitzenkragen sowie eine spitze Mütze, wohingegen der Lehrer auf Teniers’ Bild denselben gegürteten Kittel trägt wie seine Schüler. Zudem hat er den Arm mit der Rute, anders als die Figur auf der Graphik, erhoben. Die Schüler sitzen an zwei Tischen, einmal links von der Szene am Bildrand, und in einem zweiten Raum im Hintergrund. Hinter dem Lehrer steht rechts das Pult, das von einem grünen Tuch mit Fransen bedeckt ist. Darauf befinden sich eine Uhr, ein Tintenfass mit Papier und ein aufgeschlagenes Buch. Eine rote Mütze mit Pelzbesatz hängt über dem schwarzen, mit Beschlägen und einem roten Sitzkissen versehenen Stuhl. An der Wand neben dem Pult sind ein Zeigestock, die plak, eine Brille und ein Federmäppchen befestigt, auf dem Wandregal darüber stehen gläserne Behältnisse und Bücher. Ein ebensolches Regal ist zudem an der Rückwand des hinteren Raumes angebracht, dessen Eingang durch einen großen Bogen markiert wird. An dem Bord hängen einige Hüte, die die Schüler abgelegt haben. Zwei der Tiere im Vordergrund tragen ein rotes, mit blauen Federn geschmücktes Barett, ähnliche Kopfbedeckungen hängen über der Gruppe an der Wand. Laut Klinge ist dies eine Reverenz an Bruegels Esel in der Schule.1023 Das ist aber wenig plausibel: Einerseits, weil es sich dabei um einen mit einer einzelnen Pfauenfeder versehenen breitkrempigen Hut handelt, der ganz anders aussieht, andererseits, weil die Affen auf anderen Bildern Teniers ebenfalls solche Kopfbedeckungen tragen. Meines Erachtens dienen sie – wie die bunten Farben ihrer Kleidung und die mit Liebe zum Detail geschilderten Unterrichtsutensilien – eher dazu, die Manieriertheit der possierlichen Tiere zu betonen und damit den reizvollen und zugleich verspielten Charakter der Szenen zu steigern. Die Kreaturen sind bemüht, sich wie die ihnen durch Intellekt und Kultur überlegenen Menschen zu benehmen, indem sie sich wie diese kleiden, Bücher lesen (oder zumindest halten) und Lernunwil1021

David Teniers: Affenschule, 1660er Jahre, Kupfer, 25.0 x 34.0 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid, Inv.Nr. P01805; Madrid 1975, Bd. I, S. 402, Kat.-Nr. 1808, Bd. II, Taf. 269, Abb. 1809; Durantini 1983, S. 333, Anm. 144; Antwerpen 1991, S. 268 f., Nr. 92, mit Abb.; Díaz Padrón 1995, Bd. II, S. 1392 f., Kat.-Nr. 1808, mit Abb. 1022 Die fünf auf Holz gemalten Bilder bildeten trotz abweichender Maße – der Maler misst 24.0 x 32.0 cm, der Bildhauer 23.0 x 32.0 cm, Taverne und Affengesellschaft 21.0 x 30.0 cm, das Bankett 25.0 x 34.0 cm – nach Angaben der Kuratorin Dr. Teresa Posada Kubissa auch ursprünglich eine Serie. Madrid 1975, Bd. I, S. 401 ff. Kat.-Nr. 1805 ff., Bd. II, Taf. 268 ff., Abb. 1805 ff.; Díaz Padrón 1995, Bd. II, S. 1386 ff., Kat.-Nr. 1805 ff., Abb. 1805 ff.; Madrid 1975, Bd. I, S. 402, Kat.-Nr. 1808, Bd. II, Taf. 269, Abb. 1809; Durantini 1983, S. 333, Anm. 144; Antwerpen 1991, S. 268 f., Nr. 92, mit Abb.; Díaz Padrón 1995, Bd. II, S. 1392 f., Kat.-Nr. 1808, mit Abb. 1023 Antwerpen 1991, S. 268 f.

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lige züchtigen. Dass sie aber doch nur Affen bleiben, zeigt sich unter anderem an der Haltung mancher Tiere, die mit angezogenen Pfoten auf den Bänken hocken. Eines dieser menschlichen Vorbilder ist links auf einem an die Wand gehefteten Papier zu sehen. Solche Graphiken, vielfach die Halbfigur eines Mannes, finden sich häufig in Teniers’ Interieurs.1024 Manchmal ist die Datierung des Gemäldes auf dem Blatt angebracht, aber meist scheint die Zeichnung im weitesten Sinne dekorative Zwecke zu haben oder auf die Fingerfertigkeit des Künstlers zu verweisen.1025 Es ist aber gut denkbar, dass die Darstellung hier als Anspielung auf die im Gemälde karikierte Nachahmung der dargestellten Spezies zu verstehen ist.1026 Vielleicht ging es Teniers aber doch in erster Linie darum, den Raum möglichst authentisch, so wie seine von Menschen bewohnten Räume wirken zu lassen. Trotz der Parallelen zu den Spottbildern des 16. Jahrhunderts lassen die fröhliche Farbigkeit und das niedliche Äußere der Tiere den ästhetischen Reiz der Szene, das fein gemalte, putzig wirkende „So tun, als ob“ der Tiere als unterhaltsamen Spaß gegenüber der satirischen Kritik an der Vermessenheit als Untugend, die für die früheren Affenszenen noch bestimmend ist, überwiegen. Insofern fügt sich auch diese Darstellung in die Tendenz der Zeit, die Inhalte ehemals moralisierender Darstellungen weniger drastisch zu formulieren. VII.5 Eine Schulszene mit Affen, Esel und Katze Es gibt eine weitere Tier-Schule des 17. Jahrhunderts, die die Signatur „D. Teniers“ trägt [Abb. 206],1027 auch wenn sie offensichtlich nicht von ihm gemalt worden ist. Doch wie im Falle von Teniers’ Affenschule findet man auch zu diesem Bild weitere Darstellungen von Tieren mit praktisch identischen Maßen,1028 die, nach ihrer skizzenhaften Malweise mit hellen Höhungen zu urteilen, von demselben Künstler stammen. Die Szenen sind sämtlich von dunklen Farben dominiert, die Konturen der Dargestellten und Teile der Ausstattung sind verhältnismäßig sparsam mit zeichnerisch wirkendem Duktus in hellen Farben hervorgehoben. Entsprechend sieht man weniger von dem Raum als bei der ausführlichen Schilderung Teniers’, der auch den Hintergrund in eher hellen Tönen gestaltet und im Vordergrund großzügiger mit Farbe arbeitet. Denkbar ist, dass die irreführende Signatur von dem weniger namhaften Urheber angebracht wurde, um das Stück aufzuwerten, oder von einem Händler, der das Bild aus Gewinnstreben dem berühmten Flamen zuwies. Inzwischen werden Darstellungen dieser Art in der Dokumentation des RKD Egbert van Heemskerck d. J. zugewiesen,1029 – was in Ermangelung sicher identifizierbarer Beispiele nicht beweisbar ist. Dafür spricht jedoch, dass der neben dem Pult sitzende Affe wie manche Kinder auf Bildern van Heemskercks [Abb. 186 bis 190] angekettet ist. Mehr als dort geht es hier um die körperliche Züchtigung der Affenschüler, von denen zumindest die männlichen in kurzen gelben oder roten Kitteln mit weißen Kragen ganz ähnlich gekleidet sind wie die Tiere auf dem Bild im Prado [Abb. 205]. Esel und Katze stehen als Lehrer nebeneinander, er hat die Rechte mit der plak zum Schlag erhoben, sie droht mit einer Rute. Auch auf die Kleidung der beiden Lehrkräfte wurde einige Sorgfalt verwendet: Er trägt einen grünen Kittel und eine riesige Brille, sie ein grünes Wams mit weißem Kragen, einen roten Rock und ein weißes Kopftuch. 1024

Etwa David Teniers: Zechstube, 1643, Holz, 55.9 x 73.6 cm, Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Alte Pinakothek, München, Inv.-Nr. 441; Karlsruhe 2006, S. 156 f., Kat.-Nr. 32, mit Abb. Weitere Beispiele dort abgebildet auf S. 46, Nr. 10, S. 50, Nr. 17, S. 113 ff., Kat.-Nr. 11 f., S. 304, Kat.-Nr. 99; Beispiele mit Datierung: Antwerpen 1991, S. 114 f., Kat.-Nr. 33, S. 154 f., Kat.-Nr. 49, S. 238 f., Kat.-Nr. 82, jeweils mit Abb. 1025 Vermutlich sind das eigene Arbeiten, z. B. die Halbfigur eines Mannes, wohl Ende der 1640er Jahre, Graphit, 19.7 x 15.7 cm, Nationalmuseum Stockholm, Inv.-Nr. 2118/1863; Klinge 1997, S. 157 ff., S. 248 f., Kat.-Nr./Abb. 40 1026 Eine weitere Affenszene, auf der ein solches Blatt zu sehen ist, sind die Affen in der Küche, um 1645 (?), Leinwand, 30.0 x 50.0 cm, Eremitage, St. Petersburg, Inv.-Nr. 568; Antwerpen 1991, S. 132 f., Kat.-Nr. 40, mit Abb. 1027 Egbert van Heemskerck d. J. (?): Affenschule mit Esel und Katze als Lehrern, um 1691–1744 (?), Eichenholz, 35.5 x 30.5 cm, Verbleib unbekannt (Bonhams London, 09.09.2003, Lot 215). 1028 Affen, die eine Katze lausen, um 1691–1744 (?), ohne Angabe der Technik, 35.6 x 30.4 cm, Verbleib unbekannt (Christie’s London, 23.10.1992, Lot 87); Affenanatomie, um 1691–1744 (?), Leinwand, 35.8 x 30.4 cm, Verbleib unbekannt (Christie’s Amsterdam, 10.11.1997, Lot 64, dort dem Umkreis Ferdinand van Kessels zugeschrieben), RKD Nr. 37799. Zu van Heemskercks Affenszenen siehe auch: Raines 1987, S. 121. 1029 Vgl. etwa auch RKD Nr. 27722, 108484, 191196; zu van Heemskerck auch hier Kapitel VI.4.7.

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Da der Esel einen schreienden Affenschüler schlagen will, der mit abwehrend erhobener linker Hand vor ihm steht, ist anzunehmen, dass der bloße Hintern, den sich die Lehrerin vornimmt, zu einem weiblichen Affenkind gehört. So sitzen im Hintergrund zwei weitere, sittsam mit weißen Kopftüchern gekleidete Affenschülerinnen auf einer Bank und blicken sich bedeutungsvoll an, die rechte hält ein aufgeschlagenes Buch vor sich. Auch der festgesetzte Affe neben dem Pult gibt als Lesender ein scheinbar positives Beispiel ab. Am linken Bildrand oben hängen eine brennende Kerze und eine unbeleuchtete Laterne. Hinter dem Lehrer ist schemenhaft ein recht großes Bild auf Papier zu erahnen, möglicherweise zeigt es eine Eule. Auf einer weiteren Fassung des Bildes sind noch einige Details auszumachen [Abb. 207],1030 etwa Würste, die am linken Bildrand von einem Mauerbogen herabhängen und ein ebenfalls bogenförmiges Fenster im Hintergrund (wo sich hinter den eben genannten noch zwei weitere Schüler zu befinden scheinen, sie sind aber nur schemenhaft zu erkennen), ebenso rechts einer der ostadeschen Raumteiler. Zwei Schüler mit einem Buch zur Rechten des Lehrers sind hier besser zu erkennen, ihre Augen leuchten gelblich. Das Bild ist zum Teil aber weniger detailgenau gemalt, so fehlt die Kerze links, das Blatt hinter dem Lehrer ist leer, und auch seine so wichtige Brille hat der Maler weggelassen. Ob es sich um Kopien eines Vorbildes handelt oder ob das eben Gemälde [Abb. 207] auf das van Heemskerck d. J. zugeschriebene Werk [Abb. 206] zurückgeht, muss offen bleiben. Entscheidend ist, dass die Bilder, mehr noch als das Gemälde Teniers’ [Abb. 205], alle Zutaten der tierischen Schulsatiren enthalten, die seit dem 16. Jahrhundert gängig waren: Angefangen mit dem animalischen Personal – der Esel dumm, die Katze verschlagen und die Affen bildungsresistent – über die Brille, die in Verbindung mit dem Esel seit der Illustration von Wimpfelings Spottschrift [Abb. 31] und Bruegels Esel in der Schule [Abb. 34] gängig war, bis zu der Anspielung auf die „Laternen ohne Licht“. Auch die Würste als Hinweis auf die Gier als Laster – man denke an die Scola Diaboli [Abb. 41] – fehlen zumindest bei dem einen Beispiel nicht. Auf dem anderen sind sie möglicherweise auf der mir vorliegenden Abbildung einfach nicht zu erkennen. Wie auch immer: Die Distanz zwischen diesen die gewaltsame Strafe geradezu verniedlichenden Bildern des späten 17. und wohl auch frühen 18. Jahrhunderts zu den früheren, drastischen Szenen [Abb. 192, 200, 201] ist offensichtlich und entspricht der für die Gesamtheit der Unterrichtsbilder beobachteten Entwicklung. Eines aber haben alle diese Bilder gemein: Sie alle zeigen eher ärmliche Schulen und sind zugleich, von der vergleichsweise maßvollen Darstellung Tilborghs [Abb. 201] abgesehen, extrem formuliert. Ein Teil thematisiert die übermäßige Brutalität des Lehrers und die chaotischen Zustände in den verwahrlosten Schulen, der andere arbeitet in der Tradition Bruegels und van der Borchts mit tierischen Protagonisten. Obschon auch die animalischen Schulmeister Schüler züchtigen, wirken die Szenen weniger brutal, eher pittoresk. Alle diese Bilder haben einen im Grunde südniederländischen Hintergrund, der für die Szenen, die nicht von flämischen Künstlern geschaffen wurden [Abb. 192 und 200] durch einen entsprechenden Einfluss gegeben ist. Auf allen anderen, vornehmlich im Norden entstehenden Arbeiten wird – wenn überhaupt – nur mit der plak auf die Hand gehauen. Bedenkt man, dass das Schulsystem der südlichen Niederlande wie in Kapitel II.4 geschildert zunächst keine das Unterrichtsangebot für alle Schichten bzw. in ländlichen Gegenden ausbauenden Reformen erfährt, überrascht dieser Schwerpunkt nicht. Wie in Kapitel IV dargelegt, kultivierte die intellektuelle Elite des 16. Jahrhunderts eine sehr kritische Haltung gegenüber den Bildungsbemühungen einfacher Menschen, deren geistiges Potential als von Natur aus beschränkt angesehen wurde. Dass auch am Ende des 17. Jahrhunderts noch Bilder entstehen, die diese Haltung so deutlich vermitteln, lässt vermuten, dass solche Ansichten im Süden noch länger verbreitet waren als in den zumindest in Bildungsdingen fortschrittlichen nördlichen Landesteilen. Allerdings ist es angesichts der statistisch kaum relevanten Anzahl solcher Darstellungen nicht möglich, diesen Zusammenhang zwischen Bildzeugnissen und der realen Schulsituation auf eine tragfähige Basis zu stellen, nicht zuletzt, da die historischen Zusammenhänge für den schulischen Bereich nur ungenügend erforscht sind. Es mag also sein, dass in diesen Darstellungen auch schlicht bestimmte künstlerische Einflüsse für eine entsprechende Disposition sorgen. 1030

Unbekannt (Egbert van Heemskerck d. J.?): Affenschule mit Esel und Katze als Lehrern, spätes 17. Jh. (?), Leinwand, 33.0 x 28.0 cm, Verbleib unbekannt (Bukowskis Stockholm, 28.–30.05.1997, Lot 362, dort als Umkreis David Teniers’), RKD-Nr. 33804.

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So beschäftigt sich Jan Steen, der Künstler, dessen Schuldarstellungen in den folgenden Kapiteln analysiert werden, in Folge seiner offensichtlich auch durch Bruegel und Brouwer geprägten künstlerischen Schulung ebenfalls mit den grausamen Seiten der Erziehung. Zugleich lenkt er den Blick des Betrachters durch seine komplexen und zum Teil sehr differenziert argumentierenden Bilder auch auf zahlreiche andere Gesichtspunkte des Themenkomplexes von Unterricht, Lehre und Kindererziehung.

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VIII. DIE UNTERRICHTSSZENEN JAN STEENS (UM 1626–1679) Steen wurde – das berichtet zumindest der Biograph Weyermann – unter anderem von Adriaen van Ostade ausgebildet, verbrachte aber als junger Mann um 1646 bis 1648 auch einige Zeit in seiner Geburtsstadt Leiden.1031 1648 wurde er als Meister der dortigen St. Lukasgilde registriert, demnach hatte er seine Lehre zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen. Im darauf folgenden Jahr heiratete er in Den Haag Jan van Goyens Tochter Margriet. Das Ehepaar lebt zunächst ebendort, bis Steen im Jahr 1654 – wohl aufgrund der Unsicherheiten des Kunstmarktes – ins Leidener Brauwesen einsteigt, worin ihm wenig Erfolg beschieden sein sollte. Ab 1658 zahlt er dann wieder Gildegebühren. Es ist anzunehmen, dass er sich in der Zeit zwischen 1654 und 1658 auf das Brauergeschäft konzentriert und erst nach seinem Scheitern wieder mehr zu malen begonnen hat.1032 In Haarlem ist Jan Steen von 1660 bis 1670 nachweisbar, danach zieht es ihn wieder nach Leiden, wo er 1679 stirbt.1033 Für die Schulbilder Steens [Abb. 211–213 sowie 219–221] ist eine Verbindung zum künstlerischen Milieu beider Städte festzustellen, wobei der Konnex nach Leiden, wie zu sehen sein wird, ein eher punktueller ist. Die Haarlemer Prägung dagegen ist für seine Darstellungen, die einen besonderen Schwerpunkt auf die Beschreibung kindlicher Emotionen legen, fundamental. Die intensive Beschäftigung mit dem Wesen von Kindern, die sich ähnlich wie bei Frans Hals, Jan Molenaer oder Judith Leyster in den zum Teil psychologisch sehr dichten Szenen Steens niederschlägt, ist eine Eigenart, die seine Arbeiten von den Bildern seines vermutlichen Lehrers van Ostade unterscheidet. Und doch weisen manche von Steens Unterrichtsbildern, die insgesamt eine recht heterogene Gruppe bilden,1034 Bezüge zu den Werken des älteren Haarlemers auf. Wer sich dabei von wem hat inspirieren lassen, wird noch zu erörtern sein. Ähnlich wie im Falle des ähnlich produktiven Adriaen van Ostade ist auch die Anzahl der von Steen gemalten Unterrichtsdarstellungen vergleichsweise groß: Hofstede de Groot verzeichnet 25 Werke,1035 von denen ich 14 identifizieren konnte. Diese stammen jedoch, wie der folgende Abschnitt zeigt, nicht alle von Steen selbst. Ganz anders als bei van Ostade allerdings, das ist ein erster Hinweis auf die besondere Meisterschaft des jüngeren Künstlers, ermöglicht der Variantenreichtum seiner Schulbilder problemlos eine unterscheidende Bezeichnung der Darstellungen. VIII.1 Schulszenen in der Tradition Adriaen van Ostades? Ist die in den Auktionskatalogen aufgrund der Signatur vorgenommene Zuschreibung korrekt, hat sich zumindest eine Schulszene Steens erhalten, die sich eng an den Darstellungen Adriaen van Ostades orientiert [Abb. 208].1036 Der Raum ist ähnlich aufgebaut wie dessen zu Beginn der 1640er Jahre entstandenes Schulinterieur im Louvre [Abb. 138], das sich durch ein Fenster auf der linken Seite von seinen früheren, düsteren Klassenräumen unterscheidet. Verwandt ist auch die magere Gestalt des Lehrers, der eine hohe spitze Mütze trägt. Die aufgrund ihrer Größe gekrümmt hinter dem schlichten Holzpult sitzende Figur ist in diesem Fall im Profil zu sehen. Ebenfalls gut vergleichbar ist die Komposition aus dem weiteren Umfeld Adriaen van Ostades [Abb. 125b], obschon die Lehrer in diesem Fall ganz unterschiedliche Typen und die Bilder im Detail verschieden sind. Der Lehrer auf dem vermeintlich von Steen signierten Bild hantiert ebenfalls 1031

Weyermann 1729, Bd. II, S. 348; Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 63 f.; Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 28; Kloek 1998, S. 15 f.; van Thiel-Strohmann 2006, S. 311. 1032 Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 28 ff. 1033 Van Thiel-Strohmann 2006, S. 312. 1034 Diese Einschätzung trifft im Grunde auf Steens gesamtes Œuvre zu. Brown 1997, S. 81; Kloek 1998, S. 84. 1035 Hofstede de Groot 1907, Bd. I, S. 70–74. Die Zählung schließt die auf S. 72 als Nr. 290b genannte, von Houbraken erwähnte „Kinderschule“ in jedem Fall aus, da Houbraken – wie sein von mir in Kapitel VIII.6 angeführtes Zitat beweist – kein bestimmtes Bild meint, sondern Steens Unterrichtsdarstellungen allgemein charakterisiert. Houbraken 1721, Bd. III, S. 18. Zu den Dimensionen von Steens Werk allgemein siehe: Kloek 1998, S. 84. 1036 Unbekannt (Umkreis/Nachfolge Jan Steen?): Schulszene, um 1648 (?), Holz, 20.3 x 24.8 cm, Verbleib unbekannt (Dorotheum Wien, 22.03.2001, Lot 18). Zu Parallelen von frühen Arbeiten Steens zu Werken Adriaen und Isaack van Ostades siehe: Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 100 ff., Kat.-Nr. 1–3; Kloek 1998, S. 33.

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mit der plak, er holt dabei aber kaum aus. Trotzdem weint der Junge vor dem Katheder, die linke Hand vorgestreckt. Vier weitere Kinder stehen dabei und schauen interessiert zu. Zwar finden sich bei Ostades Bild ähnliche Figuren, besser vergleichbar jedoch ist die Anordnung von Schülern und Lehrer auf Steens um 1665 entstandenem Strafenden Schulmeister in der National Gallery Dublin [Abb. 219]. Handelt es sich tatsächlich um ein Bild von Steens Hand, ist es wohl gegen Ende der 1640er Jahre entstanden, sicher nicht lange nach Beendigung seiner Lehrzeit um 1648. Es ist aber auch denkbar, dass ein anderer Maler, der Ostades und Steens Bilder kannte, hier versuchte, Motive beider Meister zu kombinieren. Die Figuren sind nämlich weder in der Art Ostades als rundliche Gnome wiedergegeben, noch lässt sich in den vielfach nur skizzenhaft angedeuteten, wenig individuell charakterisierten Gestalten mehr als ein zaghafter Ansatz von Steens realistischer Figurenauffassung erkennen. Zwar könnte dies auf dessen Ungeübtheit am Beginn seiner Laufbahn als Künstler zurückzuführen sein. Doch gleichen die Züge des kleinen Buben hinter dem bestraften Schüler so deutlich dem Kind, das beispielsweise auf dem Dubliner Bild [Abb. 219] gleich neben dem Lehrer steht, dass die Einordnung der Tafel als Pasticcio auch aus diesem Grund wahrscheinlicher ist als die Annahme, das Bild sei von dem jungen Jan Steen gemalt worden, der wenig kreativ an die Erfolge seines Meisters anzuknüpfen versucht. Dieser Junge respektive sein pausbäckiges Vorbild mit kurzem, lockigem Haar, taucht auf verschiedenen Arbeiten des Künstlers [so auch Abb. 220 und 221] auf. Es ist wohl einer von Steens Söhnen – eine vor allem im Zusammenhang mit Aspekte der Erziehung darstellenden Bildern natürlich reizvolle Vermutung, die im Verlauf noch diskutiert werden wird. Handelt es sich tatsächlich um dieses Kind, bedeutet das, dass das Gemälde [Abb. 208] sicher nicht von Steen gemalt wurde: Denn selbst wenn man von einem sehr frühen Werk vom Ende der 1640er bzw. aus der ersten Hälfte der 1650er Jahre ausgeht, müsste es sich um Steens ältesten Sohn, den 1651 geborenen Thaddeus, handeln, der zu der fraglichen Zeit noch gar nicht geboren oder erst im Kleinkindalter war.1037 Es gibt noch ein Beispiel, das Merkmale späterer Schulszenen Jan Steens vorwegzunehmen scheint, dessen Beurteilung aber ähnlich schwierig ist [Abb. 209].1038 Vom Aufbau her ist die Szene mit einem sicher Steen zuzuweisenden Bild [Abb. 220] vergleichbar. Doch schlägt der (recht junge) Lehrer nicht zu, vielmehr gleicht seine Haltung der eines Kollegen auf einer gleichfalls zweifelsfrei von der Hand Steens stammenden Arbeit aus Privatbesitz [Abb. 213]. Lediglich bei diesem einen Beispiel geht Steen, wie in Kapitel VIII.3 dargelegt, das Thema Unterricht vergleichsweise unkritisch an. Sollten der motivisch übereinstimmende Stich [Abb. 210] oder dessen malerisches Vorbild tatsächlich auf ein Gemälde Steens zurückgehen, würde das bedeuten, dass dieser zumindest noch eine „gemäßigte“ Schulszene geschaffen hat. Der gründlichere Blick auf die anderen Unterrichtsdarstellungen des Künstlers wird jedoch zeigen, dass auch dieses Bild [Abb. 209] sich sehr wahrscheinlich – wenn überhaupt – nur motivisch an Werken Steens orientiert, ohne dass sein Urheber auch nur im Mindesten ein vergleichbares Gespür für die geistreich-komischen Potentiale von Szenen mit didaktischem Anspruch entwickelt. Die Gesichter der Dargestellten sind schematisch und ohne jedes Gefühl für kindliche Mimik wiedergegeben. Selbst wenn es sich um zwei frühe Versuche Steens zu diesem Thema handelte – was wenig wahrscheinlich ist –, sind die beiden Darstellungen wenig interessant, so dass weitere Überlegungen dazu unterbleiben. VIII.2 Frühe Unterrichtsszenen mit eigenständiger Motivik Jan Steens vermutlich früheste Unterrichtsszenen [Abb. 211 und 212] haben nichts mit den eben vorgestellten Darstellungen gemein. Beide haben zudem im Verhältnis zu seinen anderen Schulbildern ein auffällig kleines Format und zeigen einen vergleichsweise kleinen Bildausschnitt. Sie sind, darauf deuten zumindest kompositorische Unsicherheiten hin, möglicherweise noch vor Steens „Abstecher“ ins Brauereiwesen entstanden. 1037

Westermann 1997, S. 70. Unbekannt (Umkreis/Nachfolge Jan Steen?): Der junge Schulmeister, um 1648 (?), Eichenholz, 36.0 x 27.0 cm, Slg. Treber, Bremen (Angaben des RKD) bzw. der Kupferstich Noach van der Meers II., um 1751–1822, Kupferstich, 29.8 cm x 22.8 cm, Rijksprentenkabinet Amsterdam, Inv.-Nr. RP-P-1878-A-1275 [Abb. 210]; Hofstede de Groot 1907, Bd. I, S. 74, Nr. 301; Braun 1980, S. 168 f., Nr. B-81 (als fälschlich Jan Steen zugeschrieben, Maße abweichend mit 28.5 x 37.0 cm angegeben) mit Abb.; Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 212 f.; Abb. 1. 1038

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Auf einer dieser Szenen ist ein selbstzufrieden wirkender Dicker Schulmeister [Abb. 211]1039 zu sehen, der mit der linken Hand drohend auf einen Jungen deutet, während seine Rechte mit der plak auf dem Pult ruht. Der Schüler hockt missmutig grimassierend über seiner Lektion, gleich neben dem Lehrer. Sein Kinn berührt fast die Tischplatte, er wirkt so besonders lustlos. Hinter ihm befinden sich zwei weitere Schüler. Die Geste des einen ist schwer einzuschätzen, auch der Hut, den er gerade auf- oder absetzt, hilft dabei nicht weiter. Möglicherweise wischt er sich mit der rechten Hand Tränen aus den Augen – warum er aber weint, wird nicht klar. Entweder hat er gerade den Zorn des Lehrers zu spüren bekommen, oder er fürchtet diesen. Ein dritter Schüler wendet sich mit dem Rücken zur Szene dem Fenster im Hintergrund zu, von ihm ist kaum etwas zu sehen. Er trägt einen der schüsselförmigen Hüte, wie sie für die Schüler van Ostades typisch sind. Die Tischkante schließt den Raum nach vorne ab, der feiste Lehrer wirkt vor der Wand und unter dem daran angebrachten Bücherbord wie eingeklemmt. Im Gegensatz zu seinem mächtigen Leib und dem großen Kopf sind seine Hände viel zu klein. Die Szene erscheint unausgewogen komponiert. Zwar ist der typische Moment der Prüfung dargestellt, doch fällt es – vor allem im Vergleich zu anderen Bildern Steens – schwer, eine bestimmte Botschaft auszumachen. Ist der Junge faul und der Pädagoge zu Recht böse, oder gründet der berechtigte Missmut des Kindes auf der übermäßigen Strenge des fragwürdig wirkenden Lehrers? Wie wird es seinem Mitschüler ergehen? Offenbar experimentiert Steen noch mit dem Thema. Braun vermutet aufgrund der flüchtigen Malweise, das Bild sei als vorbereitende Studie entstanden.1040 Er datiert die Szene an den Beginn der 60er Jahre des 17. Jahrhunderts und damit an den Anfang der Reihe von Steens Unterrichtsdarstellungen, was angesichts der Schwächen des Bildes plausibel ist. Auf der Suche nach dem Ursprung der Szenerie fallen die kompositorischen Parallelen zu dem Bild Gerrit Dous in Cambridge [Abb. 68] und zu dem wohl nicht lange später entstandenen Unterrichtsbild Quiringh van Brekelenkams auf [Abb. 86]. Die Anordnung der Figuren ist im Prinzip dieselbe, auch wenn die Komposition Steens spiegelverkehrt zu den anderen beiden Gemälden ausgerichtet ist. Im Detail sind die Bezüge zu Brekelenkams Darstellung etwas enger: Beide Schulmeister haben einen Federkiel hinter das Ohr geklemmt und tragen ein weißes Halstuch. 1645, im Entstehungsjahr von Dous Bild, lebte Jan Steen sehr wahrscheinlich in Leiden.1041 Es ist also gut möglich, dass er dieses Gemälde und möglicherweise auch Brekelenkams Komposition dort gesehen hat. Letzterer nämlich wird von Weyerman als einer der mittellosen Maler genannt, die Steen in seiner Schänke täglich besuchen kamen.1042 Auch wenn der Wahrheitsgehalt dieser Schilderung eher kritisch zu bewerten ist, ist auch in diesem Fall der persönliche Kontakt der Künstler zumindest denkbar. Dass Steen beide Bilder kannte, beweisen meines Erachtens die offensichtlichen Übereinstimmungen, die darüber hinaus – wie noch zu sehen sein wird – auch für weitere Unterrichtsszenen Jan Steens festzustellen sind. Inwieweit Steen im Gegensatz zu Dou und Brekelenkam an den negativen oder komischen Auswirkungen falscher Erziehung interessiert war, zeigt noch ein weiteres, durch Format und Malweise mit dem Dicken Schulmeister unmittelbar verwandtes Gemälde [Abb. 212].1043 In vergleichbarer Nahsicht bildet es eine Frau mittleren Alters ab, die mit fröhlicher Miene einem Jungen bei seinen Aufgaben hilft. Dieser hat sich mit einigem Eifer über sein Blatt gebeugt, doch schon seine unbeholfene Art, den Stift zu halten, deutet an, dass die Bemühungen der beiden nicht von Erfolg gekrönt sein werden. Dass das Gekrakel auf dem Blatt die Unbeschwertheit der Frau nicht trübt, mag an dem Inhalt des Kruges liegen, den sie in ihrer Linken hält. So ist auch die Tatsache, dass der Junge seine Schreibübungen auf einem Fass macht, nicht nur ein Indiz dafür, dass sich die Szene 1039

Jan Steen: Der dicke Schulmeister, um 1650–1660, Holz, 18.7 x 17.8 cm, ehemals Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen, Inv.-Nr. 479-1938/2 (Kriegsverlust); Hofstede de Groot 1907, Bd. I, S. 72, Nr. 293; Braun 1980, S. 104 f., Nr. 141, mit Abb. 1040 Braun 1980, S. 104 f. 1041 Möglicherweise arbeitete er in der Werkstatt Jan van Goyens. Bok 1996/1997, S. 27 f. 1042 Weyermann 1729, Bd. II, S. 353; zitiert bei Lasius 1992, S. 10. Van Brekelenkams und Steens Gemälde wurden von demselben Leidener Sammler, dem aus einer Brauerfamilie stammenden Hendrick Bugge van Ring, geschätzt, so dass der Kontakt durch ihn zustande gekommen sein könnte. Vgl. Westermann 1997, S. 64 f. 1043 Jan Steen: Die weinselige Lehrmeisterin (Frau mit Krug, einen Jungen unterweisend), um 1650–1660, Holz, 19.0 x 17.8 cm, Frits Lugt Collection – Fondation Custodia, Paris, Inv. Nr. 169; Hofstede de Groot 1907, Bd. I, S. 92, Nr. 390; Reitsma 1976, S. 253, 256, Abb. 10; Braun 1980, S. 176, Nr. B-211 (als zu Unrecht an Jan Steen zugeschriebene Zeichen- oder Schreibstunde); Paris 1983, S. 131 f., Abb. 80; Durantini 1983, S. 138, Abb. 70.

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in einer Schänke oder in ähnlich zweifelhaftem Umfeld abspielt. Dem Betrachter wird gleich klar, dass der Trunk auch im weiteren Leben des durch den leicht geöffneten Mund und das vorgeschobene Kinn wenig intelligent wirkenden Knaben eine buchstäblich grundlegende Rolle spielen wird,1044 so dass offensichtlich ist, was aus den unter diesen Umständen aufwachsenden Kindern wird. Das praktische Möbel mag Steen von seinem Lehrer van Ostade übernommen haben, der einen Quacksalber an einem so improvisierten Tisch arbeiten lässt.1045 Die Wiedergabe des Raumes ist ähnlich kursorisch wie beim Dicken Schulmeister. Hinter dem Jungen sieht man die Rückwand eines seltsam schräg positionierten Schrankes, auf dem verschiedene Gegenstände stehen – unter anderem, sinnbildlich für die fehlende geistige Erleuchtung der Dargestellten, eine erloschene Kerze. Mittig befindet sich im Hintergrund ein Bogenfenster, dessen hölzerner Laden nach innen steht. Auch seine perspektivische Darstellung wirkt unbeholfen. Die beiden Bilder [Abb. 211 und 212] sind zweifellos zur selben Zeit, vielleicht schon zwischen 1648 und 1654 entstanden – möglicherweise als Pendants. Allerdings ist Die weinselige Lehrmeisterin in ihrer Botschaft zumindest für den heutigen Beobachter eindeutiger: Der Krug hat die Ehrfurcht gebietende plak ersetzt, das Bier- oder Weinfass das Schreibpult. Die Verballhornung der Gelehrsamkeit, des Ideals der Grammatica, ist hier gewissermaßen 1:1 umgesetzt. Beim Dicken Schulmeister bleiben deren Hoheitsformeln verhältnismäßig unangetastet, nur die unförmige Gestalt des Mannes und die verzerrten Gesichter der Schüler lassen vermuten, dass der Unterricht nicht dem geforderten Standard entspricht. Die Frau unterrichtet offensichtlich nur nebenher, und anstatt Weisheit und Wissen öffnet sie Laster und Müßiggang Tür und Tor. Schließlich wusste schon Erasmus: „Noch viel einfältiger [als Kinder in die Obhut eines schlechten Lehrers zu geben] ist es, wenn manche ihre Söhne zu einem dem Trunk ergebenen Weibsbild schicken […] zudem gibt es nichts Hartherzigeres als jenes Geschlecht, wenn einmal Zorn sein Gemüt erregt hat […]“.1046 Es ist ebenfalls Erasmus, der Lehrern „Dronkemansgedrag“ vorwirft.1047 Dass ihm die Zeitgenossen Steens hierin folgten, möglicherweise sogar einen realen Grund dazu hatten, zeigen Klagen von Dorfbewohnern, die sich beschwerten, dass ihr Schulmeister eine Taverne unterhalte, gar während des Gottesdienstes Getränke ausschenke.1048 Da aber die Folgen übermäßigen Alkoholgenusses in Steens Œuvre vergleichsweise häufig thematisiert werden, ist fraglich, ob er bewusst auf diese Missstände anspielte. Der mögliche Zusammenhang ist aber ein weiteres Beispiel für das verbreitete Gemisch aus Klischee und Wahrheit, welches die Grundlage für die Unterrichtsdarstellungen bildete und das letztlich – weil der Betrachter darin alle möglichen Hinweise auf Gehörtes oder Gelesenes finden konnte – den Erfolg der Bilder wesentlich bedingte. VIII.3 Der gestrenge Schulmeister In der Wahl des auf wenige Personen fokussierten Ausschnitts steht der einige Jahre später geschaffene Gestrenge Schulmeister [Abb. 213]1049 dem Dicken Schulmeister und der Weinseligen Lehrmeisterin [Abb. 211 und 212] nahe. Zugleich setzt das Bild mit der eindringlichen Darstellung 1044

Insofern ist es nicht unwahrscheinlich, dass die bei Versteigerung des 18. und 19. Jh.s als Pendant aufgerufene Darstellung eines trunkenen Bauern (Holz, 18.6 x 18.5 cm) ursprünglich als Gegenbild gedacht war. Hofstede de Groot 1907, Bd. I, S. 188, Nr. 750; Braun 1980, S. 176, Nr. B-210 (bezweifelt, dass die Bilder zusammengehören). 1045 Adrian van Ostade: Der Quacksalber, 1648, Radierung, 14.8 x 12.2 cm; Paris 1983, S. 132; Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 69, Abb. 1. Das Fass als Tischuntersatz findet sich auf weiteren Gemälden Steens, z. B.: Der Zahnarzt, 1651, Leinwand, Koninklijk Kabinet van Schilderijen Mauritshuis, Den Haag, Inv.-Nr. 165, oder Schlägerei in einer Schänke, 1664, Leinwand, Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Alte Pinakothek, München, Inv.-Nr. 276; Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 76, Abb. 15 bzw. S. 185, Abb. 3; Den Haag 2005, S. 292 f., Kat.-Nr. 165, Abb. auf S. 293; München 2006, S. 202, mit Abb. 1046 Aus De pueris instituendis, 1529, zitiert bei Gail 1963, S. 137. 1047 Erasmus 1524, S. 102. 1048 De Planque 1926, S. 55 f.; Durantini 1983, S. 167; Boekholt/de Booy 1987, S. 70 f. 1049 Jan Steen: Der gestrenge Schulmeister, um 1665, Holz, 57.5 x 57.0 cm, Privatbesitz; Hofstede de Groot 1907, Bd. I, S. 73, Nr. 299; Braun 1980, S. 112 f., Nr. 183, mit Abb.; Durantini 1983, S. 116, 119, Abb. 57; Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 212 ff., Kat.-Nr. 35, mit Abb.

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von kindlichen Gefühlen im Angesicht der schulmeisterlichen Autorität einen ganz anderen Schwerpunkt als diese Szenen und ist damit eines der prägnantesten Beispiele für Steens außergewöhnliches Gespür für psychologisch dichte Schilderungen. Die Komposition konzentriert sich wiederum auf die Figuren ums Pult. Der in einen dunkel-violetten Gelehrtenmantel und ein messingfarbenes Untergewand mit weißem Spitzenkragen gekleidete Lehrer hat den kleinen Buben neben sich wegen seiner Leistungen offenbar derart harsch beziehungsweise handfest getadelt, dass dieser zu weinen begonnen hat. Nun muss er es erneut versuchen und wischt sich dazu die Tränen aus dem geröteten Gesicht. Obschon der Lehrer die plak einsatzbereit in der linken Hand hält, macht er einen eher geduldigen Eindruck. Er hat sich vorgebeugt und scheint dem eingeschüchtert wirkenden Kind zu erklären, was es falsch gemacht hat. Der sorgenvolle Blick eines älteren Mädchens, das ein Heft in der erhobenen Linken hält, bezieht sich wohl auf die ihr bevorstehende Prüfung. Der dunkelhaarige Schüler daneben scheint dem Abfragen dagegen unbeschwert entgegen zu sehen, er plappert fröhlich auf sie ein. Es ist nicht anzunehmen, dass er der Klassenprimus ist und deswegen nichts zu befürchten hat, vielmehr ist er nicht mit Ernst bei der Sache, was – wie der Betrachter ahnt – Folgen haben wird. Den nötigen Eifer legt ein vierter Schüler an den Tag, den Steen ganz im Vordergrund vornüber gebeugt schreibend zeigt. Die Positionierung des Knaben, dessen Gesicht fast ganz von seinem Hut verdeckt wird, verleiht der Szene ein hohes Maß an Unmittelbarkeit. Steen entwirft also fünf verschiedene Charaktere: Einen Buben, der eifrig ist, aber vielleicht noch zu klein, um alles richtig zu machen, ein Mädchen, das sich der Erwartungen des Lehrers in angemessener Weise bewusst ist, einen Knaben, der den Unterricht auf die leichte Schulter nimmt, sowie einen fleißigen Jungen, der brav arbeitet. Dazu kommt ein streng wirkender Lehrer. Diese Differenzierung unterscheidet das Bild von den meisten Schulbildern: Dort ist entweder ein Großteil der Kinder ungezogen und der Lehrer, der dies aufgrund seiner Unfähigkeit verschuldet hat, lethargisch oder übermäßig wütend – oder der Schulmeister wirkt würdig und streng, so dass alle Kinder folgsam sind. Die bei Steen spürbaren Zwischentöne sind, wenn überhaupt, nur angedeutet, entsprechende Motive werden entweder formelhaft oder übertrieben, also karikaturhaft verwendet. Hervorgerufen wird dieser ungewöhnlich intensive Eindruck von der auf die Autorität des Lehrers und die Gesichter der Kinder fokussierten Szene, während die Ausführung besonders abseits des Bildzentrums summarisch bleibt. Die Komposition ist entsprechend konzentriert: Die Gruppe von Lehrer und schniefendem Zögling ist von einem dunklen Vorhang zusammengefasst. Dahinter fällt der Blick durch eine bogenförmige Öffnung nach draußen. Die Silhouette eines Kindes, das möglicherweise gerade die Schule verlässt, zeichnet sich vor einem Haus und Bäumen ab. Mit dem Rot seiner Kopfbedeckung und dem hellen Grün der Bäume bringt Steen etwas Farbe in das überwiegend in bräunlichen Tönen gehaltene Gemälde. Auch der bläuliche Kittel des kleinen Prüflings dient diesem Zweck. Die anderen vier Kinder sind in Braun gekleidet, auch ihre Kopfbedeckungen und Haare sind in dem Ton gehalten. Der Lehrer ist farblich subtil davon abgesetzt. Weitere Farbtupfer sind sein weißer Kragen und der des Mädchens, die hellen Papiere, nicht zuletzt der rote Steinzeugkrug in der Wandnische hinter dem Lehrer. Das Rot ist dasselbe wie das an der Tür und von einem Stück Siegellack auf dem Tisch. Durch die begrenzte Farbigkeit kommen die Gesichter, auf denen die Glanzlichter des von den Gemütsbewegungen der Dargestellten lebenden Bildes liegen, besonders zur Geltung. Der gewiss sorgfältig erarbeitete Entwurf scheint schnell und sicher ausgeführt. Die einzige größere Korrektur findet sich beim Schulmeister: Der Mann hatte ursprünglich einen Buckel, der aber – wohl vom Künstler selbst – übermalt wurde.1050 Zudem trägt er eine seriös wirkende schwarze Kappe. Da diese aber auch von einem von Steen gemalten Notar [Abb. 215]1051 getragen wird, der als Sachwalter einer von finanziellen Überlegungen bestimmten Eheschließung eine eher zwielichtige Rolle spielt,1052 ist sie allein kein Zeichen von Ehrbarkeit. Der Kontext entscheidet über die Deutung der Amtstracht, von der Steen immer wieder Teile verwendet. Demnach stehen die gestreiften Ärmel des Lehrers nicht, wie es der Blick auf das Fröhliche Trio [Abb. 214] vermuten lassen würde, für 1050

Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 212. Jan Steen: Die Hochzeit von Tobias und Sara, um 1671–1673, Holz, 103.0 x 123.0 cm, Fine Arts Museum of San Francisco; Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 246, Kat.-Nr. 45, mit Abb.; de Vries 2004, S. 78, Abb. 52. 1052 Zu dieser Kritik in zeitgenössischen Quellen vgl. de Vries 2004, S. 75 ff. 1051

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dessen Narrenhaftigkeit. Schließlich kleidet Steen auch eine tugendhafte Ehefrau damit, die versucht, ihren betrunkenen Mann von der Hochzeit zu Kanaa [Abb. 216]1053 loszueisen. Der Vater der Braut Sara [Abb. 215] trägt es aber ebenfalls, zudem sitzt er in ähnlicher Haltung in einem Lehnstuhl, der dem des Lehrers gleicht – doch leuchtet sein Übergewand sehr viel greller. Versatzstücke der Steen’schen Schulmeistertracht kleiden wiederum auch den ehrwürdigen Vater des Verlorenen Sohnes,1054 dazu wie der Mann auf der Szene in Dublin [Abb. 219] eine dunkle Kappe, ein gelblicher, ärmelloser Überwurf, ein weißer Kragen. Die grauen Hosen und die schwarzen Schlappen kann man sich bei dem Dubliner Lehrer wohl dazu denken, denn diese tragen auch die anderen Schulmeister Steens [Abb. 220 und 221]. Die Art der Kleidung sagt folglich wenig über den Charakter des Lehrers aus, doch scheint mir die gedeckte Farbigkeit des Gewandes bei diesem Bild [Abb. 213] mit der gemäßigten Reaktion auf das Fehlverhalten des Schülers zu korrespondieren. Wann der Gestrenge Schulmeister [Abb. 213] gemalt wurde, kann nur vage bestimmt werden. Stilistisch und kompositorisch ist die Tafel gut mit Steens Fröhlichem Trio [Abb. 214]1055 zu vergleichen. Hier sind die Figuren ähnlich flächig und nahe beieinander im Vordergrund arrangiert. Die rasche, die verhältnismäßig trockene Farbe flott auftragende Malweise der beiden Tafeln scheint ebenfalls verwandt. Auch Teile des Kostüms der beiden Männer stimmen überein: Beide tragen ein Oberteil mit gestreiften Ärmeln. Dazu gehört ein weißer Kragen, der aber bei dem Narren größer ist und somit geckenhafter wirkt.1056 Da die Datierung des Fröhlichen Trios auch nur eine relative ist, sagt sie über die Entstehungszeit der Schulszene wenig aus. Dazu kommt, dass ein in den genannten Charakteristika ähnliches Bild in der neueren Forschung mit um 1658 sehr viel früher datiert wird, als es für den Gestrengen Schulmeister angenommen wird. Es ist die Auftragsarbeit für ein Leidener Bäckerehepaar [Abb. 217].1057 Der Knabe rechts unten ist ähnlich flüchtig gemalt wie die Randfigur auf der gegenüberliegenden Seite des Schulbildes. Sein rundes Gesicht mit vollen Wangen, großen dunklen Augen, gerahmt von lockigem Haar, lässt vermuten, dass dem Künstler hier wieder einer seiner Söhne als Modell gedient hat.1058 Die Datierung des Amsterdamer Bildes stützt ein an seiner Rückseite angebrachter Zettel, auf dem Steens Sohn erwähnt ist. Die 1738 verfasste Notiz, deren Authentizität in der Forschung nicht angezweifelt wird, besagt, dass das Bild 1658 gemalt wurde – ein Jahr nach der Hochzeit, anlässlich derer es von dem dargestellt Paar in Auftrag gegeben worden sein könnte.1059 Es müsste sich also um Thaddeus handeln, der zu dieser Zeit sechs bzw. sieben Jahre alt war – obschon er hier jünger wirkt. Denkbar, dass der Künstler seine Kinder auf manchen Bildern aus inhaltlichen Gründen jünger dargestellt hat, als sie es zum Zeitpunkt der Entstehung tatsächlich waren. Dabei mögen ihm frühere Bilder, Skizzen oder schlicht seine Erinnerung geholfen haben.1060 In der aktuellsten Publikation zu Steen ist der Gestrenge Schulmeister um 1665 datiert,1061 was auch zutreffend scheint, weil offensichtlich einige Jahre zwischen seiner Entstehung und den zuerst be1053

Jan Steen: Die Hochzeit zu Kanaa, um 1670–1672, Holz, 63.5 x 82.5 cm, National Gallery of Art, Dublin (in Dublin 1986 nicht verzeichnet, da erst 1987 erworben); Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 238 ff., Kat.-Nr. 43, mit Abb. 1054 Jan Steen: Die Heimkehr des verlorenen Sohnes, um 1668–1670, Leinwand, 119.4 x 95.2 cm, Privatbesitz; Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 225, Kat.-Nr. 39, mit Abb. 1055 Jan Steen: Fröhliche Dreisamkeit, um 1670–1672, Holz, 39.0 x 49.5 cm, Privatbesitz; Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 215, Anm. 2, S. 235 ff., Kat.-Nr. 42, mit Abb.; Bijl 1996/1996, S. 89 f., vergrößertes Detail auf S. 82. 1056 Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 237, Anm. 1. 1057 Jan Steen: Der Leidener Bäcker Arend Oostwaert und seine Frau Catharina Keyzerswaert, 1658, Holz, 37.7 x 31.5 cm, Rijksmuseum Amsterdam, Inv.-Nr. SK-A-390 (http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.5496 mit weiteren Angaben und Literatur, Aufruf 21.03.2015); Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 123 ff., Kat.-Nr. 8, mit Abb. 1058 De Vries 2007, S. 220. 1059 De Vries 2007, S. 221 f. (mit Abbildung des Zettels), S. 229 zur Datierung, Transkription auf S. 237, Anm. 19. 1060 Kloek 198, S. 25. Dasselbe Kind, das auf dem wohl 1658 entstandenen Porträt des Bäckers Oostwaert und seiner Frau [Abb. 220] ins Horn bläst, ist beispielsweise in der linken unteren Ecke der 1670–1672 datierten Hochzeit zu Kanaa [Abb. 219] zu sehen. 1061 Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 214 f., Anm. 12 zur dendrochronologischen Untersuchung: „nicht vor 1657, […] aller Wahrscheinlichkeit nach erst nach 1667.“ Nicht nachvollziehbar ist die in diesem Zusammenhang geäußerte Beobachtung, die „Hauptszene“ des später noch zu erörternden, wohl um 1670 entstandenen Edinburgher Bildes [Abb. 216] beruhe auf dieser Komposition. Was der gleichgültig zurückgelehnte Schulmeister mit schief sitzender Brille mit dem auf seinen Schüler konzentrierten Lehrer zu tun haben soll, ist nicht ersichtlich.

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schriebenen Bildern [Abb. 211 und 212] liegen. Dass aber – wie die Veröffentlichung konstatiert – der im Anschluss zu beschreibende Strafende Schulmeister [Abb. 219] früher entstanden sei, ist unwahrscheinlich. Wie die anderen Unterrichtsszenen [Abb. 220–221] hat diese einen deutlich weiteren Bildausschnitt, ist zugleich im Format größer und insgesamt farbiger gestaltet. Folglich spricht einiges dafür, dass sie nach den schlichten früheren Darstellungen [Abb. 211 und 212] und dem Gestrengen Schulmeister [Abb. 213], der mit diesen kompositorisch verwandt ist, gemalt worden ist. Dessen Komposition verweist wiederum auf die nun schon mehrfach zum Vergleich angeführten Unterrichtszenen Dous und van Brekelenkams [Abb. 68 und 86], die die Personen ebenfalls als Dreiviertelfiguren zeigen. Deutlicher als beim entgegengesetzt ausgerichteten Dicken Schulmeister [Abb. 211] sind die weiteren Parallelen zu diesen Bildern: Die Lehrer sitzen jeweils rechts am Pult, dessen Tischfläche einen großen Teil des unmittelbaren Vordergrundes einnimmt. Mit der Rechten hält jeder von ihnen eine plak. In Nischen hinter ihnen sind bestimmte Gegenstände platziert. Die vier Kinder sind in fast übereinstimmender Position um das Katheder gruppiert. Ein Motiv, das bei Brekelenkam fehlt, ist die Repoussoirfigur vorne links. Noch mehr als der dem Betrachter am nächsten stehende, im Dreiviertelprofil von hinten gemalte Junge auf Dous Gemälde erhöht bei Steen der in sich versunkene Schreiber die Unmittelbarkeit des Bildes. Dem Rezipienten der Szene wird so eher eine Rolle als unbeteiligter Beobachter ermöglicht, während der Schulmeister Dous ihn kritisch fixiert. In diesem Unterschied zeigt sich Steen letztlich als der weniger moralinsaure Meister. Er nimmt den Zuschauer nicht direkt in die Pflicht, während der strenge Blick des Magisters in Cambridge unwillkürlich ein schlechtes Gewissen hervorruft. In diesem Punkt ist die Übereinstimmung mit van Brekelenkams Gemälde in Uppsala größer, da sich der Schulmeister ebenfalls auf die Kinder konzentriert. Seine Figur ist, von Details der Kleidung und der Positionierung der linken Hand abgesehen, nahezu dieselbe. Mit ihr hält er das Pritschholz, mit dem Stift in der Rechten deutet er auf eine Passage im Buch des Schülers. Dieser wiederum steht exakt so am Pult wie sein Pendant bei Steen, wohingegen der Junge in dem Bild von Dou leicht vornüber gebeugt direkt neben dem Lehrer platziert ist. Auch die kleine Schülerin findet sich – etwas variiert – bei van Brekelenkam und bei Steen, Dou hingegen bildet nur Jungen ab. Während Steen die Wirkung der räumlichen Nähe durch den flotten Farbauftrag auch um emotionale Effekte erweitert und damit steigert, wirken die kunstvoll ausgearbeiteten Bilder Dous und van Brekelenkams trotz ihres ähnlich kleinen Bildausschnitts künstlich-distanziert. Das trifft besonders auf das Gemälde Gerrit Dous zu, das durch sein deutlich kleineres Format von rund 27 x 19 Zentimeter eher als Kunstwerk und weniger als lebensnahe Wiedergabe der Wirklichkeit wahrzunehmen ist. Der niedrige Betrachterstandpunkt von Steens Bild, wo ein Teil der Decke sichtbar ist, scheint dem eines Kindes angenähert,1062 wodurch die Unmittelbarkeit der Szene noch gesteigert ist. Die Gemälde der beiden Leidener erschließen sich durch die Analyse der emblematischen Hinweise, während Steens Szene durch ihren spontan-erzählerischen Charakter auf den Beobachter eine in erster Linie subjektiv-gefühlsbetonte Wirkung hat. Zwar verwendet auch Steen sinnbildliche Motive, sie treten aber gegenüber der lebensnahen Schilderung der kindlichen Gefühle in den Hintergrund. Die erloschene Kerze im Rücken des Lehrers etwa bedeutet dem Betrachter wohl wiederum die „Dunkelheit des Unwissenden“, für die das Kind bestraft wurde. Der Krug mag sich auf die schon erwähnten Embleme beziehen, die (noch) ungebildete Kinder mit leeren Krügen vergleichen. Bis auf den fehlenden Zinndeckel und die Größe ist es derselbe Krug wie auf Jan Steens Kasseler Bohnenfest1063 unten links. Da er dort für Alkoholgenuss steht, könnte er im Schulzimmer dasselbe bedeuten. Allerdings steckt dort eine Feder darin, die dieser Deutung zumindest einen weiteren Aspekt hinzufügt und zugleich wohl eine Reminiszenz an Bruegel ist [Abb. 34]. Es ist demnach wahrscheinlicher, dass der Krug symbolisch für das mit Wissen zu „füllende“ Kinderhirn steht, dass sein Vorhandensein betont, wie wichtig die Qualität der möglichst frühzeitigen Prägung ist.1064 Gemäß den Parallelen zu Dou und van Brekelenkam sind für Steens Gemälde natürlich auch Übereinstimmungen zu Adriaen van Ostades in der Forschung an den Beginn der 1670er Jahre datierten Schulmeister mit drei Schülern [Abb. 149 und 150] festzustellen, dessen Nähe zu den 1062

Schiffler/Winkeler 2011, S. 75. Jan Steen, Das Bohnenfest, 1668, Leinwand, 82.0 x 107.5 cm; Staatliche Museen Kassel – Gemäldegalerie Alte Meister, Inv.-Nr. GK 296; Washington/Amsterdam 1996/1997, Nr. 33, S. 206 ff., mit Abb.; Kassel 2004, S. 86 f., mit Abb. 1064 Durantini 1983, S. 120; Bagley 1994, S. 324. 1063

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beiden Leidener Schulszenen bereits ausführlich erläutert wurde. Der Lehrer, der eine ähnlich kegelförmige Kopfbedeckung trägt wie der Gestrenge Schulmeister und der Kollege auf dem verlorenen Bremer Bild [Abb. 211], wendet sich ebenfalls den Kindern zu. Diese reagieren darauf bei van Ostade – anders als bei Steen – allerdings mit uneingeschränkter Aufmerksamkeit und Disziplin, was den wesentlichen Unterschied zwischen den Bildern ausmacht. Es ist denkbar, dass van Ostade und Steen die kompositorisch und stilistisch verwandten Leidener Gemälde beide kannten und dadurch zu eigenen, sich in bestimmten Punkten gleichenden Entwürfen angeregt wurden. Ihre Bilder ähneln sich aber zugleich in Details, die sie von den Gemälden Dous und van Brekelenkams unterscheiden: Sie finden in einer ähnlich ausgestatteten Schulstube statt, mit vergleichbarem Mobiliar und bogenförmig angelegter Decke. Ist die vorangehend konstatierte Chronologie der Schulszenen van Ostades korrekt, liegt der Schluss nahe, dass sich dieser das von van Brekelenkam und/oder Dou inspirierte Gemälde Steens [Abb. 213] zum Vorbild genommen, zugleich aber die positiven Aspekte noch mehr betont hat. Indem er die von Steen im Vordergrund platzierte plak weg lässt und die Kinder ausschließlich als aufgeweckte, folgsame Schuljungen charakterisiert, kehrt er die Atmosphäre des Bildes ins Positive und nimmt der Darstellung damit die didaktische Schärfe, die bei Dou klar im Vordergrund steht und die auch bei Steen noch zu spüren ist. Dass dieser sich für den Gestrengen Schulmeister unmittelbar vom Entwurf seines Lehrers [Abb. 150] – der ja theoretisch auch deutlich vor der in Anlehnung daran ausgeführten Radierung entstanden sein könnte – hat inspirieren lassen,1065 ist natürlich nicht auszuschließen, aber wenig wahrscheinlich, da, wie schon erläutert, bestimmte Charakteristika gegen eine so frühe Datierung sprechen. Doch weist die Vorzeichnung Details auf, die sich auch auf einer früheren Szene Steens finden: Der kegelförmige Hut und das bleiverglaste Fenster im Hintergrund sind auch beim Dicken Schulmeister [Abb. 211] zu sehen, Steens wahrscheinlich frühester, wohl zwischen 1648 und 1654 gemalter Darstellung dieses Themas. Wie aber kommt es konkret zu diesen Parallelen? Da beide Künstler in den 1660er Jahren in Haarlem lebten, ist es auch unabhängig von der Frage, ob nun Steen bei van Ostade in die Lehre gegangen ist oder nicht, praktisch sicher, dass sie persönlichen Kontakt hatten. In van Ostades Besitz befanden sich zum Zeitpunkt seines Todes vier Werke Steens, die er an Cornelis Dusart vererbte. Es mag sein, dass van Ostade die Bilder zu Lebzeiten im Auftrag des Jüngeren, der zwischen 1648 und 1660 nicht in Haarlem lebte, verkaufte.1066 Offenbar fand zwischen den beiden Meistern ein künstlerischer Austausch statt. Wer hat wohl wen aufgesucht, um Rat gefragt oder Anregungen gesucht? Die Bilder van Brekelenkams und Dous hat Steen augenscheinlich während seiner Zeit in Leiden gesehen, und auch wenn sich nicht mehr rekonstruieren lässt, wie er seinem Lehrer die Bildfindungen der Leidener Meister übermittelt hat, scheint dies doch in irgendeiner Form geschehen zu sein. Oder sollte sich Ostade selbst auf den Weg in die Universitätsstadt gemacht haben? Und geschah dies dann auf Anregung des jüngeren Kollegen? Wenn man sich vor Augen hält, wie van Ostade in seinen ab der Mitte des Jahrhunderts entstehenden Darstellungen auf die Anforderungen des Marktes reagiert, liegt es nahe, dass er sich an dem jüngeren, für diese sich verändernden Käufervorlieben möglicherweise zunächst aufgeschlosseneren Steen orientiert. Wie noch zu zeigen sein wird, gibt es auch zwischen zwei weiteren Schulbildern Adriaen van Ostades und Jan Steens [Abb. 145 und 221] enge Parallelen, die für einen über die Lehrzeit Jan Steens bei Adriaen van Ostade hinaus gehenden Austausch zwischen den Künstlern sprechen, so dass diese Überlegungen dort noch einmal aufgegriffen werden. VIII.4 Steens Bestrafungsszenen – Kommentare zu Härte in der Erziehung Während die körperliche Züchtigung auf den beiden frühen, die Lehrkraft karikaturhaft verspottenden Bildern Steens eher formelhaft respektive indirekt durch den Mangel daran thematisiert ist, zeigt der Gestrenge Schulmeister einen moderaten Umgang mit dieser Art der Erziehung. Auf zwei weiteren Szenen [Abb. 219 und 220] kommt die plak dann aber umso heftiger zum Einsatz.

1065 1066

Vgl. Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 46 f., zur Zeichnung S. 59 und 120. Westermann 1997, S. 66.

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Eines der beiden Beispiele [Abb. 219]1067 ist deutlich größer und kompositorisch anspruchsvoller als die bisher besprochenen Unterrichtsbilder, es gehört zu den größten Darstellungen dieser Art. Nur Dous und Lievens Prinzenporträts [Abb. 55 und 56] und Steens Edinburgher Bild [Abb. 221] haben ein vergleichbares Format. Die Figuren um das Pult sind in dem Hochformat ganz zu sehen, zudem führt der Raum weiter in den Hintergrund. Die Wirkung auf den Betrachter ist entsprechend. Der auf der linken Seite sitzende Lehrer bestraft einen Schüler, der weinend vor ihm steht, mit einem Schlag auf die offene Handfläche. Das Kind wird gezüchtigt, weil es seine Schreibübung nicht zur Zufriedenheit des Schulmeisters ausgeführt hat. Das corpus delicti liegt zerknüllt und zerrissen auf dem Fußboden, darauf sind krakelige, mehrfach durchgestrichene Zeichen zu erkennen. Wie eine ordentliche Schreibarbeit anzufertigen ist, sieht man im Hintergrund: Dort beugt sich ein Rotschopf beflissen über ein Blatt, ein zweiter holt sich eben eine Tafel von der Wand, um es ihm gleichzutun. Weitere Kinder unterschiedlichen Alters stehen mit ihren Heften auf der anderen Seite des Pults und betrachten das grausame Schauspiel. Eine Schülerin grinst schadenfroh vor sich hin. Ihre Züge sind die des Mädchens, das die Strafe des Gestrengen Schulmeisters [Abb. 213] zu fürchten scheint, und vermutlich können wir darin Steens Tochter Eva erkennen.1068 Das Gesicht des Jungen rechts neben ihr gleicht dem weinende Buben von dem Bild in Privatbesitz, und auch der große, dunkelhaarige, ein Blatt in den Händen haltende Knabe ist auf beiden Bildern zu sehen. Auf der wohl früheren Szene steht er ganz am linken Rand. Dass die Sprösslinge des Künstlers auf dem Dubliner Bild jünger zu sein scheinen, spricht zunächst gegen eine spätere Entstehung des Bildes – allerdings ist die Beweiskraft dieser Beobachtung begrenzt, da Steen in dieser Hinsicht frei variieren konnte. Anders als beim Gestrengen Schulmeister wirkt der Lehrer ausgesprochen wütend, seine Augen sind zugekniffen, er scheint wüste Beschimpfungen auszustoßen. Bemerkenswert ist seine Kleidung: Unter einem beinahe golden schimmernden, kurzen und ärmellosen Überrock trägt er einen gefältelten Spitzenkragen und ein helles Untergewand mit blauen Streifen sowie eine enge dunkle Hose und schwarze Schlappen – ganz ähnlich wie ein ebenfalls mit der plak zuschlagender Schulmeister Molenaers [Abb. 112, 113]. Die schwarze Kappe mit Ohrenklappen rundet die auf heutige Betrachter clownesk wirkende Staffa*ge ab. Zwar gehörten solche Mützen zur typischen Kleidung von Gelehrten oder Schulmeistern,1069 insgesamt charakterisiert seine Erscheinung den impulsiv-gewalttätig agierenden Mann jedoch als lächerlichen Choleriker, als Gegenbild zu dem bedächtigen Intellektuellen. Sein Stuhl ist ein recht kostbares Möbel mit geschnitzten Verzierungen und rotem Bezug. Dieses Requisit erscheint mit leuchtendem Stoff bezogen auf einigen Werken Steens in mit wertvollem Mobiliar ausgestatteten Interieurs [z.B. Abb. 215].1070 Der Tisch dagegen ist roh gezimmert. In einem ebenfalls ungleich prachtvolleren Raum, einer weiteren Darstellung der Hochzeit von Tobias und Sara [Abb. 218],1071 findet sich eine dem Lehrer ähnliche Figur: Dort ist es wiederum der wenig seriöse Notar, der in vergleichbar schimmerndem Gewand den Ehevertrag zu Papier bringt. Das deplaziert wirkende Kostüm und der thronartige Stuhl des Lehrers erinnern zudem entfernt an die Darstellung der in kunstvoll drapierte Tücher gewandeten Grammatica nach Hendrick Goltzius vom Beginn des 17. Jahrhunderts [Abb. 21]. Die sorgfältig verzierte Lehne ihres Stuhles ist ebenso eine Hoheitsformel wie der ergebene Blick des Knaben, der mit entblößtem Haupt mit einem aufgeschlagenen Buch an sie herantritt. Dass es für die vorwitzig wirkenden Kinder auf Jan Steens Bild dagegen noch ein sehr weiter Weg zu den gelehrten Künsten ist, ist offensichtlich. 1067

Jan Steen: Der strafende Schulmeister, um 1665–1670, Leinwand, 110.5 x 80.2 cm, National Gallery of Art, Dublin, Inv.-Nr. 226; Durantini 1983, S. 120 f., Abb. 58; Philadelphia/Berlin/London 1984, S. 318 f., Kat.-Nr. 107, Taf. 83; Dublin 1986, S. 145 ff., Taf. 153; Kloek 1998, S. 46, Abb. 31. 1068 Kloek 1998, S. 45. 1069 Vgl. Schiffler/Winkeler 2011, S. 56, Abb. 44: Ein Schulmeister lehrt seine Schüler das Alphabet anhand des Baumschemas, aus Geiler von Keysersberg: Ein heylsame lere und predig, um 1490, oder das schon genannte ErasmusPorträt Hans Holbein d. J. [Abb. 144]; Willemsen 2008, S. 92 berichtet vom Fund einer vergleichbaren Mütze aus der 2. Hälfte des 16. Jh.s, die offenbar dem Lehrer einer Schule in Groningen gehört hat. 1070 Oder auch: Jan Steen: Austernmahlzeit, 1660, Leinwand, ehem. Sammlung des Earl of Lonsdale; Penrith, Askham Hall; Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 146, Abb. 1; Jan Steen: Die Geburtstagsfeier, 1664, Leinwand, Wallace Collection, London; Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 74, Abb. 10; Jan Steen: Die Zeichenstunde, um 1663–1665, Holz, 49.3 x 41.0 cm, J. Paul Getty Museum, Malibu; Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 186 ff., Kat.-Nr. 27, mit Abb.; Gruschka 2005, S. 59 ff. 1071 Jan Steen: Die Hochzeit von Tobias und Sara, um 1667–1668, Eichenholz, 131.0 x 172.0 cm, Herzog Anton Ulrich Museum, Braunschweig, Inv.-Nr. 313; Braunschweig 1983, S. 194 ff., mit Abb. auf S. 195; Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 203 ff., Kat.-Nr. 32, mit Abb. auf S. 204; de Vries 2004, S. 75, Abb. 49.

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Der farbig ausstaffierte Schulmeister hebt sich von den in Braun- und Grautönen gekleideten Kindern augenfällig ab. Der bestrafte Junge trägt einen schürzenartigen Kittel, dessen Oberteil am obersten Hemdknopf befestigt ist, um den Brustbereich des Hemdes zu schonen. Sein vom Weinen gerötetes Gesicht leuchtet regelrecht über dem weißen Kragen, die schmollend vorgeschobene Unterlippe ist mit einem hellen Glanzlicht versehen. An den Wänden des Raumes sind in fast demonstrativer Regelmäßigkeit verschiedene Gegenstände aufgehängt: eine kleine Tafel und Bücherkästen im Hintergrund, ein Krug, eine Sanduhr sowie ein vom oberen Rand des Bildes angeschnittenes Wandbord mit Büchern. Neu ist in diesem Zusammenhang die Schere, die unmittelbar hinter dem Lehrer hängt. Sie mag sich auf einen Ausdruck beziehen, den auch Benthem zur Charakterisierung der ihren Kindern gegenüber sehr nachsichtigen Holländer verwendet: „So ein Ehegatte den Tauge-Nicht züchtigen will, rufft der ander so forr. Was fanget ihr an? Ihr schändet euer eigen Gesicht und schneidet euch selbst die Nase ab.“1072 Dass es sich bei dem groben Utensil nicht um eine üblicherweise in Schreibstuben gebrauchte Schere handelt, zeigt der Vergleich mit entsprechenden Briefbord-Stilleben oder ein weiterer Blick in Erasmus’ Studierstube.1073 Eher ist es ein Gärtnergerät, wie man es etwa beim Schneiden von Trieben gebrauchen würde. Dass es aber im Kontext der Erziehung eher um das Biegen in die rechte Wuchsrichtung geht, ist schon erörtert worden. So ist das Vorhandensein der Schere auch ohne Bezug zu Benthem kaum anders zu verstehen, als dass in dieser Schule mehr Schaden als Nutzen angerichtet wird. Zugleich klingt durch das verschandelte Blatt auf dem Boden der den Zeitgenossen geläufige Vergleich zwischen einem verzogenen Kind und einem mit Schmierereien verhunzten Papier an.1074 Auf dieses Thema spielen wohl auch der Krug an der Wand und die beiden gläsernen Gefäße in der Wandnische hinter dem Lehrer an. Sie sind kaum anders zu verstehen denn als ein Hinweis auf seine Neigung zum Alkohol, die vermutlich ein Grund für seinen Jähzorn und wohl letztendlich Ursache für die schlechten Leistungen der Schüler ist. Die Bücher auf dem Wandbord enthalten folglich einen Verweis auf das Emblem Roemer Visschers [Abb. 24], das die positive Wirkung gelehrter Lektüre thematisiert. Nur bleibt der Wissensschatz für die Kinder hier – wie so oft – außer Reichweite. Eine Steigerung dieser Bestrafungsszene in wesentlich kleinerem Format befindet sich in einer englischen Sammlung [Abb. 220].1075 Der strafende Lehrer, hier sitzt er rechts, lehnt sich weiter vor und scheint dadurch kräftiger zuzuschlagen. Der gezüchtigte Junge – der Physiognomie nach zu urteilen ist es derselbe wie auf dem Dubliner Bild – weicht stärker zurück, wodurch die Szene insgesamt bewegter wirkt und die Strafe brutaler. Allerdings wird diese Wirkung durch die vergleichsweise geringe Größe des Bildes gemildert. Auch die beiden anderen Kinder Steens sind in denselben Rollen zu sehen: Der dunkelhaarige Bub beäugt neugierig das Geschehen, das Mädchen schaut aus dem Hintergrund gemein grinsend zu.1076 Die anderen beiden Jungen sind Staffa*gefiguren, deren Hüte oder abgewandte Gesichter eine Personalisierung verhindern. Nicht nur Details sind variiert – so ist im Hintergrund ein runder Türbogen zu erkennen, und der Schulmeister sitzt hinter einem der hölzernen Raumteiler, wie ihn Adriaen van Ostade gern zur Ausstattung seiner Schulszenen verwendete –, die Figur des Lehrers wirkt im Vergleich zu den Kindern und auch im Verhältnis zu seinem Pult größer und dadurch bedrohlicher. Er ist in eine dunkle Robe gekleidet, und trotz seines nachlässig gebundenen Spitzenkragens und der 1072

Benthem 1698, S. 8; Philadelphia/Berlin/London 1984, S. 319. Quinten Massys (?): Erasmus von Rotterdam in seiner Studierstube, 1517, Leinwand (von Holz übertragen), 58.4 x 46.0 cm, Palazzo Barberini, Rom, Inv.-Nr. CAL-F-004262-0000. Zu der Darstellung, die mit dem Porträt von Peter Gillis ein Freundschafts-Diptychon bildete: Silver 1984, S. 112 f., 235 ff., Nr. 58, Taf. 99; Washington/Brüssel 2006/2007, S. 116 ff., Kat.-Nr. 16, Abb. 1 auf S. 117. 1074 So zu finden bei: Teellinck 1627, S. 201 ff. 1075 Jan Steen: Der strafende Schulmeister, um 1665–1670, 40.6 x 31.7 cm, Marquess of Northampton, Castle Ashby; wohl Hofstede de Groot 1907, Bd. I, S. 74, Nr. 300; Braun 1980, S. 120 f., Nr. 248, Abb. 248. Dublin 1986, Taf. 216; Auch hierzu finden sich im Archiv des RKD zwei recht genaue Kopien (BD/560 – ONS/Genre 2: volksleven/Jan Steen, Ordner 9). 1076 Chapman 1996/1997, S. 18. Während der dunkelhaarige Schüler kleiner ist als auf der Dubliner Szene, wirkt das Mädchen älter und der bestrafte Junge hat sich im Grunde nicht verändert – auch dies ein Hinweis darauf, dass es nicht möglich ist, vom Alter der Kinder auf die Entstehungszeit des Bildes zu schließen. 1073

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verrutschten Mütze macht er einen weniger lächerlichen Eindruck als sein behäbig wirkender Dubliner Kollege. Die hinter das linke Ohr geklemmte Feder mag darauf hindeuten, dass dieser Gelehrte sich ursprünglich für höhere Aufgaben berufen fühlte – doch jetzt muss er sich mit renitenten Kindern plagen. Seine Frustration über dieses unwürdige Dasein scheint sich in der im Zentrum des Bildes erhobene plak zu entladen. Nicht nur die auffällige Kleidung der Schulmeister, die in Verbindung mit ihrer heftigen Wut irritierend wirkt, kennzeichnet die Bilder in Dublin und Castle Ashby als ironisch-kritische Kommentare zur Unfähigkeit mancher Lehrer. Verschiedene, wohl zeitgenössische Varianten der Szenen [Abb. 230–233]1077 betonen die karikaturhaften Momente der Darstellungen und liefern so Hinweise darauf, was die Käufer an den Werken besonders geschätzt haben. VIII.5 Jan Steens Schulszene in Edinburgh Auch die wohl letzte, größte und figurenreichste Schulszene Jan Steens [Abb. 221]1078 hat zahlreiche andere Künstler inspiriert – ohne dass deren Darstellungen den Genius des Bildes auch nur im Entferntesten erreichen. Das Gemälde enthält gewissermaßen die Essenz der wichtigsten Unterrichtsdarstellungen der Zeit und ist damit eine Art Zusammenfassung der pädagogisch-moralischen Vorstellungen des 16. und 17. Jahrhunderts. Damit ist es der unübertroffene Höhepunkt der ikonographischen Tradition, deren wichtigste Motive Steen aufgreift und zu einer besonders ausgeklügelten und bezugreichen Komposition zusammenfügt. VIII.5.1 Beschreibung und grundlegende Deutung Wie bei vielen der Dorfschulen Adriaen und Isack van Ostades fällt der Blick in die Ecke eines Raumes, der aber weitaus größer angelegt ist als die Schulzimmer der Brüder. Entsprechend übertrifft die Anzahl der Schüler die der anderen Unterrichtsdarstellungen Steens und auch der meisten anderen Künstler bei weitem. 27 Kinder unterschiedlichen Alters sind der Obhut des Schulmeisters und seiner Frau anvertraut. Diese sitzen gemeinsam am Pult vor der rechten Seitenwand, doch ihre Unterrichtsauffassung ist merklich verschieden: Während die Frau mit der plak in der Rechten einen kleinen Jungen unterweist, spitzt der Schulmeister zurückgelehnt und geistig offenbar abwesend seine Feder. Er bemüht sich nicht, Kinder zum Lernen anzuhalten. Entsprechend tun das auch die wenigsten von ihnen, obschon es nicht an Unterrichtsmaterial mangelt. An der rechten Wand etwa befinden sich ein Wandschrank und ein Wandbord mit Büchern und anderen Utensilien. Auffällig ist das Siegel einer Urkunde oder eines anderen offiziellen Schreibens, das vom Schrank herabhängt. Ist es die Ernennungsurkunde des Lehrers? Es ist bezeichnend für die unkonzentrierte Atmosphäre der Schule, dass sie ebenso wenig in Ehren gehalten wird wie andere, vielfach verknitterte Papiere und Bücher, die zum Teil achtlos auf dem Boden liegen gelassen worden sind. An einem langen Tisch im Hintergrund tragen zwei Raufbolde, angefeuert von anderen Schülern, ihre Zwistigkeiten aus. Dabei haben sie eine Bank umgeworfen, und dass noch mehr passieren wird, kann sich jeder ausmalen. Einer der Schüler hat sich auf den Tisch gestellt und ruft, auf die Kampfhähne zeigend, nach dem Lehrer. Dieser, mit schief auf der Nase sitzender Brille und albernem Hut eine Parodie der allegorisch-perfektionistischen Schulmeister Dous und anderer Künstler [Abb. 70/71, 74 und 82],1079 lässt sich davon nicht stören. Sein Augenglas ist eher ein Zeichen für (geistige) Kurz- denn für Weitsicht oder gar Weisheit.1080 In seiner Versunkenheit nimmt der Lehrer keine Notiz von dem Jungen hinter ihm, der feixend auf ihn zeigt. Hat er etwas aus dem offenen Wandschrank genommen und in seinem Hemd versteckt? Daneben reckt ein Schüler einer Eule 1077

Vgl. dazu auch die Aufzählung in Dublin 1986, S. 146, bzw. hier Kapitel VIII.7. Jan Steen: Schulszene, wohl 1672, Leinwand, 81.7 x 108.6 cm, National Gallery of Scotland, Edinburgh, Inv.-Nr. NG 2421; Durantini 1983, S. 155, Abb. 76; Schama 1988, S. 590, Abb. 288; Edinburgh 1992, S. 145, Kat.-Nr. 68; Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 231 ff., Kat.-Nr. 41, mit Abb.; Edinburgh 1997, S. 336, o. Nr., mit Abb. 1079 Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 233. 1080 Zu Darstellungen des 16. und 17. Jh.s, die die Brille als negatives Attribut zeigen: Durantini 1983, S. 158 f.; zum Sprichwort: Philadelphia/Berlin/London 1984, S. 319, Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 232. 1078

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eine Brille entgegen. Neben ihrer Stange hängt eine brennende Laterne, und an einer ihrer Krallen ist, wie am Hocker auf Bruegels Esel in der Schule [Abb. 34], ein völlig überflüssiges Täfelchen oder Hornbuch befestigt. Natürlich kann der Betrachter diesen mehr als deutlichen Hinweis auch auf sich beziehen, in erster Linie aber gilt er dem Lehrer,1081 dem weitere Ungebührlichkeiten entgehen: Links vom Pult liegt ein Junge fast auf seinen Aufgaben. Zwar ist er nicht eingeschlafen, doch viel scheint dazu nicht zu fehlen. Der Schüler ihm gegenüber kniet auf der Bank, anstatt darauf zu sitzen.1082 Dieses wenig sittsame Benehmen ist dem Lehrer ebenso gleichgültig wie die Tatsache, dass die beiden Kinder am anderen Ende des Tisches lachend zur Eule hoch schauen, anstatt sich auf die vor ihnen liegenden Aufzeichnungen zu konzentrieren. Auch direkt vor dem Lehrerpult, unterhalb des von der Decke hängenden Vogelbauers, ist eine Szene zu sehen, die offenbar das Eingreifen des Lehrers erfordert: Ein kleines Mädchen zieht einen größeren Jungen, der sich mit gelüftetem Hut wohl verabschieden will, am Rock. Sie blickt dabei den Beobachter an. Dass dieser alles, was dem Lehrer entgeht, genau registriert, macht die Inszenierung natürlich umso spannender.1083 Treffend ist Gruschkas Beobachtung, der Lehrer habe vor den unerziehbaren Rangen kapituliert und konzentriere sich nun auf das Spitzen der Schreibinstrumente, das ohnehin zu seinen Aufgaben gehörte, da diese viel leichter „in Form zu bringen“ seien.1084 In dieser Hinsicht ist der Schulmeister mit dem 1671 entstandenen Lehrer Gerrit Dous [Abb. 80] vergleichbar, der seiner Feder ebenfalls deutlich mehr Aufmerksamkeit widmet als seinen Schülern. Auch hier also ergibt sich ein nicht nur motivischer Berührungspunkt zwischen Dou und Steen. Näher steht Steens Lehrer allerdings dem Schulmeister des Dou-Epigonen Pieter Verelst [Abb. 85], der ebenfalls so in die Betrachtung seines Federkiels versunken ist, dass er die Faxenmacher hinter seinem Rücken nicht bemerkt. Von der Chronologie her könnte Steen dieses Spott-Motiv von Verelst kennen – in welchem Zusammenhang er es aber gesehen haben mag, ist nicht zu klären. Die Haltung des Schulmeisters ist bemerkenswerter Weise ähnlich wie die der Lehrerfigur auf der Pariser Zeichnung Adriaen van Ostades und der Federzeichnung, die wohl im Umkreis der Brüder entstanden ist [Abb. 131 und 161]. Auch hinter dem Lehrer auf dem vermutlich später entstandenen Blatt tut sich etwas, von dem er keine Notiz nimmt, auch wenn dieser Schüler sich nicht offensichtlich respektlos verhält. Dass Steen die Zeichnungen kannte, ist demnach nicht unwahrscheinlich, und es ist denkbar – wenn auch nicht nachweisbar –, dass die Leipziger Skizze von ihm selbst als Schüler van Ostades gefertigt wurde. Die Lehrer der drei anderen Schulszenen Steens [Abb. 213, 219 und 220] sehen sich ähnlich, wenn auch Details ihrer Kleidung verschieden sind. Dieser Schulmeister aber unterscheidet sich von den strengen oder wütenden Männern nicht nur durch sein Phlegma, sondern auch durch seine Physiognomie, seine Brille und das dunkle Haar. Die Kleidung stimmt am ehesten mit der des Lehrers in Castle Ashby [Abb. 220] überein, und eine ähnliche Amtstracht trägt der spöttisch blickende Notar, der den Ehevertrag zwischen Tobias und Sara [Abb. 215] aufsetzt. Dieser ist, wie der Braunschweiger Kollege [Abb. 218], zwar nicht unbedingt eine Witzfigur, aber auch kein moralisch ganz einwandfreier Charakter. Trotz des Trubels versuchen einige Kinder offenbar zu lernen. Rührend wirkt eine Gruppe vorne links: Ein größeres Mädchen ist mit einem Buch in den Händen in die Hocke gegangen und spricht mit zwei kleineren Kindern. Auf den ersten Blick scheint es, als illustriere Steen damit die übliche Praxis, nach der ältere Kinder die Mittlerrolle zwischen Lehrer und jüngeren Schülern einnahmen, indem sie diesen das bereits Erlernte nahebrachten. Da das Buch aber geschlossen ist und eines der Kinder ein Stöckchen zwischen die Seiten zu schieben scheint, ist es wahrscheinlicher, dass hier ein Spiel gespielt wird. Dabei wurden die Bilder im Buch wie eine Art Orakel benutzt, indem auf ihnen Antworten auf Fragen an die Vergangenheit und die Zukunft gesucht wurden. Dass jedoch, wie Vanhaelen vermutet, Steen damit die Rolle der Bildung als Mittel zur Zukunftsgestaltung verbildlichen will, scheint weit hergeholt.1085 Zwar ist, wie in den einleitenden Kapiteln erörtert, die Gestaltung des eigene Schicksals für die Haltung der Niederländer zum Schulunterricht 1081

Vandenbroeck 1985, S. 96; Westermann 1997, S. 209 f. Durantini 1983, S. 161. 1083 Gruschka 2005, S. 93. 1084 Gruschka 2005, S. 90. 1085 Vanhaelen 2003, S. 32. Weitere, weniger überzeugende Argumente für ihre Deutung nennt sie auf den vorangehenden Seiten. 1082

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von zentraler Bedeutung, da die schulische Ausbildung ihnen Möglichkeiten eröffnete, das Leben nach eigenen Vorstellungen zu führen. Da in zeitgenössischen Quellen aber nicht explizit die Rede von diesen in der Forschung quasi rückblickend festgestellten Chancen des sozialen Aufstiegs ist, kann man eine derart distanziert-analytische Haltung selbst bei einem gewitzten Maler wie Steen nicht ohne Weiteres voraussetzen. Und für den zeitgenössischen Betrachter gilt wohl dasselbe. Die Interpretation des Bildes als Plädoyer für Fleiß und Disziplin, den Garanten für ein erfolgreiches Leben, ist allerdings reizvoll, zumal Vanhaelen sie mit zeitgenössischer Kritik an abergläubischen Spielen wie diesem stützen kann. Zu sehr an die Macht des Schicksals zu glauben widersprach natürlich den protestantischen, von merkantilen Gesichtspunkten geprägten Vorstellungen, wie die Mitglieder einer prosperierenden Gesellschaft ihr Leben führen sollten. Dieses beispielhafte Ideal bietet, soviel sei vorweggenommen, Raffaels (1483–1520) Schule von Athen [Abb. 222a],1086 die Steen mit seiner Darstellung zitiert, um nicht zu sagen: paraphrasiert. Die mit dieser Paraphrase verbundenen Deutungsmöglichkeiten stimmen mit den von Vanhaelen vorgeschlagenen insofern überein, als sie ohne weiteres auf die gesamte Komposition zu beziehen sind, wohingegen die von ihr als Beleg angeführte Szene lediglich eine von vielen ist. Auf dem Bild finden sich zahlreiche weitere Utensilien, die typisch für den Schulalltag des 17. Jahrhunderts sind bzw. von Steen als typisch präsentiert werden. Die meisten dieser Gegenstände sind bereits beschrieben worden, so dass hier auf eine erneute Schilderung verzichtet wird. Erwähnenswert ist jedoch eine Graphik, die ein links vor dem Pult des Lehrers hockender Junge hält. Es ist ein Kinderbildnis des Prinzen Willem III., welcher nach der fast ein Vierteljahrhundert währenden Regentschaft der Patrizier 1672 zum Statthalter von Holland und Seeland ernannt worden war.1087 Der Oranier sollte die Republik siegreich aus dem kurz zuvor von England und Frankreich begonnenen Krieg führen und auch den Frieden in den Städten wieder herstellen.1088 Dass das Kind auf diese Weise als ein „Fan“ des Regenten dargestellt werden soll, ist wohl nicht ganz treffend.1089 Sehr wahrscheinlich liefert das Porträt aber einen Hinweis auf das Entstehungsjahr des Bildes, schließlich wird der Prinz im Jahr seiner Einsetzung als Hoffnungsträger in aller Munde gewesen sein. Ob sein Kinderbildnis allerdings zu dieser Zeit so berühmt war, dass jeder es identifizieren konnte, ist schwer zu sagen. Da jedoch die noch zu erläuternde zeitliche Einordnung der Szene nach kompositorischen und stilistischen Gesichtspunkten gleichfalls eine Entstehung zu Beginn der 1670er Jahre vermuten lässt, liegt eine Datierung in das Jahr 1672 nahe. Ähnliche Blätter liegen vorne links, sie zeigen mit Texten versehene Abbildungen von Tieren: einen Storch, einen Hahn und die Abbildung eines Hirsches, die mit dessen niederländischer Bezeichnung „hert“ beschriftet ist.1090 Eine Kindheitserinnerung aus der Mitte des 19. Jahrhunderts1091 vermittelt einen Eindruck davon, wie solche Bilder und die zugehörigen Verse als Lehrmaterial eingesetzt wurden1092 und inwieweit die Reime der damals weit verbreiteten, jedoch kaum erhaltenen Drucke den Kindern deutlich stärker in Erinnerung blieben als die Bleiwüste des frommen Katechismus. Auch Erasmus empfiehlt Bilder als didaktisches Material: „Fabeln und Erzählungen wird er [der Schüler] umso lieber lernen und besser behandeln, wenn […] deren Inhalt in geschmackvoller Einkleidung vorgeführt wird. Dasselbe 1086

Raffael: Die Schule von Athen, 1510/1511, Fresko, Stanza della Segnatura, Vatikan; vgl. dazu hier Kap. VIII.5.2. Eine kolorierte Holzschnittkopie dieses vermutlich von Johan van Houten gestochenen Porträts (hg. von Frederick de Wit) von Abraham van de Putte (1748–1761) ist abgebildet bei van Veen 1976, S. 129, Nr. 288. Das 1654 von Adriaen Hanneman (um 1604–1671) gemalte Ganzfigurenbildnis befindet sich im Amsterdamer Rijksmuseum (http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.8619 mit weiteren Angaben und Literatur, Aufruf 22.03.2015); Washington 1996/1997, S. 233; Frankfurt 2005, S. 204; Troost 2005, S. 28, Abb. 4. 1088 Einen Einblick in die politischen Wirren der Zeit bietet: Troost 2005, bes. S. 71 ff. Vgl. dazu auch hier Kapitel IX. 1089 So formuliert in Washington 1996/1997, S. 233. 1090 Für vergleichbare Blätter siehe: van Veen 1976, S. 104 f., z. B. Nr. 60 (Hahn) oder S. 118 f., Nr. 198 (unten links ein Hirsch). Auf S. 7 ist das Detail von Steens Gemälde abgebildet. Van Veen bildet v. a. die häufiger erhaltenen Beispiele des 18. Jh.s ab, die aber nicht selten von deutlich älteren Stöcken gedruckt wurden; vgl. dort S. 18 f. zur Entstehung der kinderprenten im letzten Viertel des 17. Jh.s, zur Wiederverwendung älterer Stöcke S. 96 f. 1091 Vanhaelen 2003, S. 26 f. (das Originalzitat auf S. 60, Anm. 1), zitiert die mir nicht zugängliche Publikation Willem Hendrick Warnsincks: Herinneringen uit mijne Kinderjaren. In: Vaderlandsche Letteroefeningen 1849/II, S. 210 f. 1092 Zur Geschichte und Nutzung solcher Graphiken vgl. van Veen 1976, S. 16 ff., S. 109 etwa zu ABC-Drucken, S. 106 f. zu Beispielen mit religiöser Thematik, beispielsweise eine Darstellung von Noahs Arche. 1087

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Verfahren wird sich gleich vorteilhaft erweisen hinsichtlich der Kenntnis der Namen der Bäume, Pflanzen und Tiere […].“1093 So ist es kein Zufall, dass unter der Bank vorne rechts als Teil eines regelrechten Bücher-Stilllebens ein Erasmus-Porträt zu erkennen ist.1094 Dass die Theorien des um den Unterricht besorgten Humanisten derart „mit Füßen getreten“ werden, ist ein ironischer Verweis, der diesen sicher amüsiert hätte – hatte er doch die Zustände an vielen Schulen mehr als einmal sarkastisch kommentiert. Wie wichtig Erasmus erzieherische Fragestellungen waren, verdeutlicht unter anderem eine Briefpassage, in der er „in den guten Sitten und der Wissenschaft die Jugend zu unterrichten“ als „besonders ehrenvolle Aufgabe“ preist.1095 Nicht zuletzt seine auszugsweise im Titel der Arbeit und in der Einleitung zitierte Äußerung zeigt, wie ernst es ihm selbst damit gewesen ist. Doch in dieser Schule haben Erasmus’ Bemühungen nicht im Mindesten gefruchtet. Tatsächlich gleicht ja nicht nur Steens Art, dem Betrachter durch vergnügliche Gegenbilder das Ideal zu suggerieren, Erasmus’ Argumentationsweise, die dem Leser im Lob der Torheit vernünftiges Verhalten durch Spottbilder vor Augen führt.1096 Wie viele andere ist auch diese Einrichtung das Zerrbild einer erfolgreichen Lehranstalt, das Bild gewordene Gegenteil von Erasmus’ pädagogischen Prinzipien. Welches statt „reineren Studien“ die Interessen dieses Schulmeisters sind, verdeutlichen der Krug, der an der Tischkante angebracht ist, und die Pfeife im Aschenbecher zu seinen Füßen.1097 Möglicherweise wird der Trank, auf den die Gemütsruhe des Lehrers wohl zurückzuführen ist, in dem Fass aufbewahrt, das dem Jungen links von ihm als Stuhl dient. Hier sei nur kurz an Steens Weinselige Lehrmeisterin [Abb. 212] erinnert, wo ein Fass die Unterlage für die Schreibarbeiten des Schülers bildet. Von besonderer Ironie ist der ebenso bequem wie lässig auf einem kleinen Bänkchen aufgestützte Fuß des Lehrers. Ganz ähnlich sitzt Frans Floris’ Grammatica [Abb. 22] – allerdings ruht deren Fuß auf den Werken großer Gelehrter! Die Sanduhr an der Wand hinter dem Pult spielt nicht nur auf den im Gegensatz zur Gelehrigkeit flüchtigen Charakter von Alkohol- und Tabakgenuss an.1098 Sie verweist möglicherweise auch auf die vergeudete Zeit der Kinder hin, die hier nichts Vernünftiges lernen. Möglicherweise sind auch die beiden leeren Vogelkäfige (einer hängt von der Decke, der andere direkt neben dem Fenster) ein Hinweis auf die mangelnde Vermittlung von Disziplin und Gelehrigkeit. Die Bedeutung des Käfigs als Sinnbild für die Sicherheit, die ein bestimmtes Verhalten bieten kann, wurde bereits kurz erläutert. Ohne Zucht und Moral werden die Kinder niemals zu angesehenen, tugendhaften Mitgliedern der Gesellschaft werden und folglich niemals den durch den Käfig symbolisierten Schutz der sozialen Gemeinschaft genießen. Sehr deutlich vor Fehlverhalten warnt das kleine Kind im unmittelbaren Vordergrund, das, von dem Treiben rundherum unbeeindruckt, in einen friedlichen Schlummer gefallen ist. Es stützt sich dabei auf einen Tafelkasten und einen zylinderartigen Hut, neben ihm liegen Reste von Rüben, mehr Gemüse befindet sich in einem Korb vor ihm. Die Anspielung auf die Sünde der Trägheit, möglicherweise auch die der Völlerei, dürfte für jeden Betrachter ersichtlich gewesen sein.1099 Gruschka erkennt in der Figur ein Zeichen für die „freundliche Relativierung des Chaos’“, und vermutet, der 1093

Zitiert bei: Schoch 1988, S. 250, und Gail 1963, S. 149 f. Diese Identifikation macht die charakteristische Mütze wahrscheinlich, wie sie auch auf Holbeins Erasmus-Porträt [Abb. 144] zu sehen ist. Es handelt sich allerdings nicht um dieses Bildnis, da der Gelehrte dort im reinen Profil dargestellt ist und der Druck ein Dreiviertelprofil zeigt. 1095 Es handelt sich um das in der Einleitung schon zitierte Schreiben an John Colet vom 29. Oktober 1511. Allen 1906, S. 477–479, Nr. 237: […] hoc munus mihi videri vel in primis honestum, bonis moribus ac literis instituere iuventutem […].“ Übersetzung nach Gail 1963, S. 6. 1096 Kloek 1998, S. 53. 1097 Genau dasselbe kleine Stillleben platziert Steen zu Füßen seines Eifrigen Liebhabers, um 1665, Holz, Verbleib unbekannt; Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 45, Abb. 8. Dass es sich jedoch in einer Schule um ein erotisch konnotiertes Motiv handelt, ist schwer vorstellbar. Dazu auch: de Jongh 1996/1997, S. 47. 1098 Daneben hängt ein Klingelbeutel, in Anspielung auf die Neben-Tätigkeit des Schulmeisters als Küster vermutlich als Hinweis auf dessen materielle Not zu verstehen, deren Auswirkungen ja bereits geschildert wurden. 1099 Die eigenständige Darstellung eines über seinen Büchern schlummernden Mannes schuf der in Gouda tätige Constantijn Verhout: Der schlafende Student, 1663, Ö/Leinwand, 38.0 x 31.0 cm, Nationalmuseum Stockholm, Inv.Nr. NM 677; Koslow 1975, S. 426, Abb. 23 auf S. 430; Amsterdam 1976b, S. 263 f., Kat.-Nr./Abb. 69, dort auch zur Deutung des Schlafenden als Sinnbild der Sünde. Auf S. 264, Anm. 14, wird auf ter Borchs Hundeflöher [Abb. 17] verwiesen, der seine Bücher ebenfalls vernachlässigt und der entsprechend ähnlich zu verstehen ist. 1094

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Schüler habe sich eine „Auszeit“ genommen.1100 Das ist in der Tat so, nur bedeutet sein ungestörter Schlaf nicht, dass der Lehrer wohlwollend Rücksicht auf die Bedürfnisse der Kinder nimmt, sondern dass er unfähig ist, die Kinder zum Lernen anzuhalten. VIII.5.2 Steens Schule als Zerrbild eines antiken Ideals Diese Figur stellt jedoch mehr dar als einen faulen Schüler. Ihre konstruiert wirkende Körperhaltung ist der Schlüssel zu einer weiteren, von Graham Smith entdeckten Interpretationsebene des Bildes.1101 Das Gemälde ist – wie schon kurz angesprochen – als ironische Paraphrase von Raffaels Schule von Athen konzipiert [Abb. 222a],1102 die dieser in den Jahren 1508 bis 1510 als Wandbild für die Bibliothek von Papst Julius II. auf dessen Geheiß geschaffen hatte.1103 Für die Deutung dieses berühmten Vorbildes, das Steen unter anderem auch in der Hochzeit von Kanaa [Abb. 216]1104 zitiert, gibt es zahlreiche Ansätze, deren Komplexität im Rahmen dieser Arbeit nicht erörtert werden kann. Für den Vergleich mit Steen soll eine knappe, den Konsens der Forschung skizzierende Zusammenfassung genügen,1105 denn es kann ohnehin nicht ohne Weiteres vorausgesetzt werden, dass der Niederländer das dem Wandbild zugrunde liegende gedankliche Konstrukt bis ins Letzte durchdrungen hat. Seine Lesart der Szene, von deren Beschreibung als groote Schole van Philosophen er etwa durch van Mander erfahren haben könnte,1106 war vermutlich folgende: Vor einer mächtigen und zugleich lichtdurchfluteten Renaissance-Architekturkulisse haben sich, zentralperspektivisch arrangiert, zahlreiche Geistesgrößen mit Schülern versammelt, um das zu tun, „was Philosophen zu tun pflegen: zu lesen, schreiben, lehren, argumentieren, demonstrieren, fragen, zuzuhören und nachzudenken.“1107 Einige von ihnen hat er sicher erkannt, sie werden auch von van Mander benannt: So stehen in der Mittelachse unter einem großen Bogen, der den Blick in einen Kuppelraum, auf weitere Bögen und den blaubewölkten Himmel freigibt, Plato (links) und Aristoteles (rechts). Die Gesichter einander zugewandt, halten beide ein sie zweifelsfrei identifizierendes Buch in der jeweils rechten Hand, Timaios und Ethika. Mit links vollführen sie beredte Gesten. Zugleich ist jedem eine Reihe von Begleitern beigegeben. Rechts unter dieser Szene lagert isoliert der Kyniker Diogenes auf den Stufen, ganz links im Vordergrund überträgt Pythagoras, umringt von Kollegen und Schülern, Formeln in ein Buch. Darüber erläutert der an seinen charakteristischen Gesichtszügen erkennbare, in Grün gekleidete Sokrates Zuhörern seine Denkbilder. Auf der äußersten rechten Seite sieht man als Rückenfigur den Astronomen Ptolemaios, der Globus in seiner Hand verweist auf die von ihm angefertigte Erdkarte – und rechts von ihm noch den den Betrachter anschauenden Künstler selbst. Andere Gestalten wiederum sind in erster Linie als Vertreter verschiedener Fach- oder Berufsgruppen einzuordnen, ihre Namen sind für die Analyse von Steens Schule nebensächlich.1108 Der schlafende Schüler ähnelt der Figur des „Denkers“, den Raffael am Fuß der Stufen links plat1100

Gruschka 2005, S. 92. Smith 1981, S. 159 f. 1102 Zur Restaurierung des Freskos in den 1990er Jahren siehe: Nesselrath 1997, S. 9 ff., zusammenfassend zu Auftrag und Ausführung, mit Detailaufnahmen einzelner Figuren, ein Blick in den Raum auf S. 188, Abb. 109. 1103 Folgende das Fresko reproduzierende Stiche könnten Steen als Vorlage gedient haben: Giorgio Ghisi (nach Raffael): Die Schule von Athen (veröffentlicht bei Hieronymus co*ck als Predigt Pauli in Athen), 1550, Radierung, 51.3 x 81.0 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. V,5.132 [Abb. 222b]; Smith 1981, S. 159 f.; Westermann 1997, S. 207 f., Abb. 107 f.; zur Rezeptionsgeschichte im 16./17. Jh.: Stuttgart 2001, S. 62 ff., 376 f., Abb. 81 auf S. 64; oder Nicolo Nelli (?) (nach Raffael): Die Schule von Athen (veröffentlicht als Predigt Pauli in Athen), 1572, Kupferstich von zwei Platten, je 49.0 x 39.8 (linke Platte) bzw. 40.8 (rechte Platte) cm, British Museum, London, Inv.-Nr. 1869,0410.2191; Stuttgart 2001, S. 377 f., Nr. F. 2.7, Abb. 81 auf S. 64. 1104 Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 231. 1105 Inhaltliche Fragen und der geistesgeschichtliche Hintergrund des Bildes werden ausführlicher u. a. in den 1997 von Marcia Hall edierten Aufsätzen diskutiert. Eine neuere Analyse der Komposition nach arithmetischen und geometrischen Prinzipien schlägt Lauenstein (1998 und 2009) vor, interessante philologische Ansätze liefert Most (1999). 1106 Van Mander 1604, fol. 118 r. 1107 Most 1999, S. 27. Auf S. 61 ff. legt er dar, inwieweit Raffael sich – unterstützt durch Aegidius von Viterbo, einem Gelehrten aus dem Umfeld des Papstes – an einer antiken literarischen Vorlage orientiert haben könnte. 1108 Hall 1997, S. 32 ff.; Most 1999, S. 12 ff., bes. S. 20–27; Brandt 2000, S. 46 ff. Weitere Identifikationen meint Keim 2005/2006, S. 3 ff., glaubhaft machen zu können. 1101

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ziert:1109 Mit in die Hand gestütztem Kopf sitzt dieser, vom Geschehen weitgehend abgewandt, an einem steinernen Podest, auf dem seine Aufzeichnungen liegen. Da seine Identifikation als Heraklit nicht sicher ist,1110 wird hier die neutrale Benennung beibehalten. Inwieweit sich hinter dem Zitat eine inhaltliche Absicht verbirgt, wird gleich noch zu erörtern sein. Die anderen von Smith beobachteten Figurenähnlichkeiten sind weniger eindeutig, aber im direkten Vergleich erkennbar: Die ihre Köpfe über einem Heft zusammensteckenden Mädchen im linken Vordergrund erinnern an die Gruppe um den knienden Pythagoras, die sich bei Raffael ebenfalls vorne links befindet.1111 Da die Körperhaltung der Männer jedoch ganz unterschiedlich ist und die Gruppe auch nicht so isoliert steht, kann nicht vorausgesetzt werden, dass jeder Betrachter die Anspielung verstanden hat. Auch die verhältnismäßig elegante Körperdrehung des großen Jungen am Pult ist nicht sicher von der manierierten Haltung des links neben dem „Denker“ stehenden Mannes in gelbem Gewand und rotem Mantel ableitbar, ebenso wenig die Rückenfigur des Mädchens in der Bildmitte, die nach Mariët Westermann von der bei Raffael rechts mit dem Rücken zum Zuschauer die Stufen hinaufsteigenden Gestalt mit langem, gelocktem Haar angeregt ist.1112 Lediglich der schräge Saum ihrer Schürze stimmt mit der Gewandführung des vermeintlichen Vorbildes überein.1113 Zu erkennen, dass der Kontrapost des im Hintergrund auf dem Tisch stehenden Jungen in Anlehnung an die Apollo-Skulptur in der Nische links im Bild oder gar als Zitat des Apoll von Belvedere1114 gemeint ist, erforderte vom Betrachter ebenfalls ein hohes Maß an Vorstellungskraft.1115 Der Knabe ist eher der darunter platzierten Figur abgeschaut, die ebenfalls mit der ausgestreckten Hand nach rechts zeigt.1116 Auch wenn der Versuch, eine derart enge Orientierung an Raffael nachzuweisen, nicht in allen Punkten überzeugt, ist die Vermutung, Steen habe den Betrachter durch die bewusste Inszenierung von Übereinstimmungen an das berühmte Vorbild erinnern wollen, schlüssig. So ist es, obschon hier keine figürliche Parallele besteht, auch reizvoll, den Schulmeister und seine Frau als Paraphrasen von Plato und Aristoteles zu verstehen, die gegensätzliche philosophische Schulen vertreten. Die Lehrkräfte verkörpern demgemäß konträre Unterrichtsauffassungen. Für die Figur der Frau hat Steen sich bei einem anderen Großen der Kunst „bedient“: Ihr Profil mit dem vor dunklem Hintergrund auffällig leuchtenden Kopftuch gleicht Michelangelos Cumaeischer Sibylle in der Sixtinischen Kapelle [Abb. 223].1117 Woher Steen die Darstellung kannte, bleibt offen, er muss sich aber auf eine dem Fresko sehr nahe stehende Reproduktion bezogen haben.1118 Woher sollte er sonst gewusst haben, dass das Tuch der Frau weiß ist? Karel van Mander erwähnt die Sibillen zwar im Schilder-Boeck und stellt zugleich einen Bezug zu Raffael her,1119 eine Beschreibung liefert er aber nicht. Welche inhaltlichen Konnotationen der Künstler durch diese Anlehnung anklingen lassen wollte, ist schwer zu sagen. Die Gleichsetzung der Lehrerin mit einer Priesterin oder Prophetin scheint zu weit zu führen, muss man doch kein Hellseher sein, um die Zukunft der lernenden und auch die der undisziplinierten Kinder vorherzusehen. Vermutlich wählte Steen eine 1109

Und zwar erst nach Vollendung des Bildes, auf den Kartons fehlt die Figur noch. Welche Umstände zu dem sorgfältig in fresco erfolgten Zusatz führten, ist noch ungeklärt: Hall 1997, S. 39 f., Abb. 20; Nesselrath 1997, S. 20 f., 29, Abb. 85–90 auf S. 100 f. 1110 Smith 1981, S. 160; Westermann 1997, S. 207; Hall 1997, S. 39. Brandt 2000, S. 63 und Keim 2005, S. 8, sehen in der Figur dagegen Demokrit. 1111 Smith 1981, S. 160; Nesselrath 1997, S. 44 f., Abb. 6–9. 1112 Für Detailaufnahmen der Figuren siehe: Nesselrath 1997, S. 50, Abb. 15, S. 75 f, Abb. 48–50 (die Gestalt auf den Stufen). 1113 An dieser Figur hat Steen vor Abschluss der Arbeit einige Änderungen vorgenommen. Man kann sie auch auf den Abbildungen mit bloßem Auge an den hinteren Rockfalten erkennen. Zudem wurde das weiße Kopftuch mit der an Bruegel und Ostade erinnernden braunen Kappe bedeckt; Washington/Amsterdam 1996/1996, S. 233. 1114 Apollo von Belvedere, Marmor, um 130–140 v. Chr., H. 2.24 m (vermutlich Kopie einer griechischen Bronze des Leochares, um 330–320 v. Chr.), Vatikanische Museen (Museo Pio Clementino), Rom, Inv.-Nr. 1015. 1115 Westermann 1997, S. 206. M. E. sind auch die anderen auf S. 207 geschilderten Figurenähnlichkeiten schwer nachvollziehbar. 1116 Nesselrath 1997, S. 88, Abb. 64. 1117 Michelangelo Buonarroti: Cumaeische Sibylle, 1510, Fresko, Cappella Sistina, Vatikan. 1118 Andere haben mit seiner Lehrerin wenig gemein, z. B.: Adamo Ghisi Scultori (nach Michelangelo): Cumaeische Sibylle, Mitte 16. Jh., Kupferstich; Irle 1997, Abb. auf S. 168. 1119 Van Mander 1604, fol. 167 v.

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ausweislich gelehrte Vertreterin des weiblichen Geschlechts als Vorbild, um die Frau im Gegensatz zum unmotivierten Lehrer als besonders klug zu charakterisieren. Dass er dabei auf eine Figur zurückgreift, die in mehrfacher Beziehung zum im Gemälde karikierten Fresko steht, ist ein weiterer verklausulierter Hinweis auf das Vorbild, dessen Entdeckung das intellektuelle Vergnügen des Publiku*ms sicher noch gesteigert hat. Und wie verhält es sich mit der zweiten, eindeutig als „Anleihe“ bei Raffael zu erkennenden Figur? Handelte es sich dabei tatsächlich um Heraklit oder Demokrit, wäre es lohnend, deren Lehren vor dem Hintergrund von Steens didaktischem Bildkonzept auf entsprechende Anknüpfungspunkte zu überprüfen. Von Heraklit zum Beispiel heißt es, er habe die meisten seiner Mitmenschen für unbelehrbar gehalten, da sie ihr Wissen nicht richtig einsetzten – gerade so, wie Brille und Licht den Uneinsichtigen nichts nützen. Er verwendet hierfür gar eine Metapher, die direkt mit dem Bild in Verbindung zu bringen ist: Den Menschen, denen die Selbsterkenntnis fehlt, „bleibt verborgen, was sie nach dem Erwachen tun, wie sie auch vergessen, was sie im Schlaf tun.“1120 Im Falle des eher naturwissenschaftlich interessierten Demokrit ist es dagegen weniger leicht, eine passende Sentenz zu finden.1121 Interessanterweise aber treten Heraklit und Demokrit in antiken Texten häufig als Gegensatzpaar auf,1122 das auch im 16. und 17. Jahrhundert Gegenstand von Druckgraphik ist: Der eine weint, der andere lacht über die Torheiten der Welt.1123 Davon ist bei Steen zwar nichts zu sehen, für die Figur des Demokrit ist im 16. Jahrhundert allerdings eine Art Gesinnungswandel festzustellen,1124 den der Künstler möglicherweise aufgreift. Der Philosoph wird zum Melancholiker stilisiert und in Bildzeugnissen, ganz so wie der „Denker“ bei Raffael, mit auf einem als Schreibunterlage genutztem Steinquader in die Hand gestütztem Kopf dargestellt.1125 Auf einem zu Steens Zeit sicher verbreiteten Blatt ist aber in seiner der des „Denkers“ sehr ähnlichen Haltung wiederum der zweifelsfrei benannte Heraklit der Schwermütige [Abb. 224],1126 was die klare Unterscheidung der Philosophen wieder in Frage stellt. Über die Frage, wen Steen mit seiner Parodie gemeint haben könnte, ob er überhaupt einen bestimmten Philosophen vor Augen hatte,1127 kann also nur spekuliert werden. Weil aber die kindliche Karikatur des Gelehrten eingeschlafen ist, ist sie vielleicht auch schlicht als Resignation angesichts verfehlter Unterrichtsmethoden deutbar. In dieser Schule werden keine Denker erzogen, und anstatt den Geist der Kinder zu schärfen, lässt der Lehrer sie die in dieser Hinsicht vielversprechendste Zeit ihres Lebens verschlafen. Die Inszenierung der Kinder als Karikaturen großer Denker zeugt auch ohne die Identifikation bestimmter Gelehrter von überaus feinsinnigem Humor, der zugleich eine moralisierende Botschaft vermittelt, indem er vor den Gefahren der Bildungsverweigerung warnt. Schließlich ist die von Steen dargestellte Eule auch ein Attribut der von Raffael als Schirmherrin der Weisheit in der rechten Hintergrundnische platzierten Athena. Und dass die Schuljungen ihre Dispute mit den Fäusten austragen, während die Philosophen sich Wortgefechte liefern, erhebt die Gegenüberstellung auf ein besonders geistvolles Niveau.1128 Spielt man das Spiel weiter, erkennt man in dem Blendbogen 1120

Bremer 1996, S. 91. Stückelberger 1996, bes. S. 129 f. 1122 Verschiede Beispiele, etwa von Senecas Lehrer Sotion und Seneca selbst, zitiert Rütten 1992, S. 13 ff. 1123 Siehe dazu etwa: Verberckmoes 1998, S. 248–250; Bildbeispiele: Giovanni Battista Fontana (zugeschrieben, nach Maarten van Heemskerck): Tempus ridendi, tempus flendi, 1555–1580, Radierung, 24.7 x 38.8 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. 1869,0410.2475; Bartsch 1818, Bd. XVI, S. 232, Nr. 51, mit Abb.; Unbekannt: Illustration des Flugblattes Mundi Typus Vanitatis, Das ist: Eygentliche Erklärung dieser eytelen und zergänglichen Welt [...], veröffentlicht um 1645 von Jan van Hilten in Amsterdam, Radierung und Kupferstich, 48.2 x 35.5 cm, British Museum, London, Inv.Nr. 1882,0812.384. 1124 Nachvollziehbar bei Rütten 1992, S. 168 ff. 1125 Etwa: Nicolaes Moeyaert: Hippokrates besucht Demokrit, 1636, Holz, 80.0 x 85.0 cm, Koninklijk Kabinet van Schilderijen Mauritshuis Den Haag, Inv.-Nr. 115; Den Haag 2005, S. 208 f., Kat.-Nr. 115, mit Abb. auf S. 209; weitere Beispiele bei: Rütten 1992, S. 188 ff., zu Moeyaert S. 195 f., Abb. 10 im Tafelteil. 1126 Crispijn de Passe d. Ä. (Werkstatt?): Hortus voluptatum – Fortuna zwischen Heraklit und Demokrit (aus einer Serie von 33 moralisierenden Szenen), 1599, Radierung/Kupferstich, 10.0 x 14.4 cm, British Museum, London, Inv.Nr. 1873,0614.74.; Hollstein 1949, Bd. XV, S. 285, Nr. 851/2. 1127 Van Mander 1604, fol. 118 r., erwähnt die Figur nicht. 1128 Smith 1981, S. 160; Westermann 1997, S. 208. Einen kurzen Überblick zu Steens vielfach ähnlich anspielungsreichen Bildwelten findet sich bei: Kloek 1998, S. 79 f. 1121

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hinter dem Pult den verzerrten, regelrecht verbauten Widerhall der machtvollen Architektur der Philosophenschule. Dadurch, dass Steen die Zentralperspektive aufgibt, bricht er die Symmetrie des von Raffael konstruierten Raumes auf und verkehrt dessen strenge Rationalität gewissermaßen ins Gegenteil.1129 VIII.5.3 Steens Komposition im zeitgenössischen Kontext Wie bekannt Raffaels Komposition im 17. Jahrhundert war, zeigt ihre Verwendung als anspielungsreicher Wandschmuck in Gemälden Pieter de Hoochs und auch Samuel van Hoogstratens.1130 In beiden Interieurs aber ist jeweils nur ein Fragment des Bildes im Hintergrund zu sehen. Dort stellen die Graphiken gemäß der christlichen Umdeutung als Predigt Pauli in Athen, die die Inschrift der Herausgeber in beiden Fällen kenntlich macht,1131 einen Gegenpol zum moralisch fragwürdigen Verhalten der Protagonisten dar. In diesen Fällen ist die Szene als Sieg der christlichen Bildung über den heidnischen Glauben zu verstehen. Im schulischen Zusammenhang jedoch legt Steen den Schwerpunkt naturgemäß auf intellektuelle Tugenden. Doch hat die Komposition den Künstler auch bei der Bildfindung für ein christliches Thema inspiriert: Die in die selbe Periode wie die Schulszene in Edinburgh datierte Hochzeit zu Kanaa [Abb. 216] lässt durch die Lokalisierung auf einer Empore unter Arkaden motivische Anleihen bei Raffael erkennen. Auch die Anordnung der Figuren zu beiden Seiten einer zur Festtafel führenden Treppe und die horizontale Reihung der Hochzeitsgäste vor der bogenförmigen Architektur sind dem Entwurf Raffaels deutlich verwandt. Auch hier variiert Steen einzelne Figuren: So ist der Trinker auf den Stufen im Vordergrund, der das Drängen seiner Gattin unwillig abwehrt, eine freie Adaption Diogenes’, der bei Raffael vorne auf der Treppe lagert. Links im Hintergrund erkennt man die Pose des sich mit ausgestrecktem Arm zur Seite wendenden Bärtigen, den Steen bei der Schule in Edinburgh zum Vorbild für die Pose des Jungen auf dem Tisch gewählt hat. Es ist ein Wirt, der mit einem Glas in der ausgestreckten Rechten einen Gast zum Bleiben bewegen will. Der Maler selbst ist im Zentrum des Bildes zu sehen, mit erhobenem Glas begrüßt er die Wandlung des Wassers zu Wein. Sein großspuriges Auftreten, dem jede Demut vor der Macht des Herrn fehlt, disqualifiziert ihn als einen der das Ergebnis des Wunders unbeschwert genießenden Gäste, die die wahre Natur, die Gnade Christi verkennen. Angemessen verhalten sich lediglich die unmittelbar neben Christus platzierten Jünger, Maria und ein Mönch.1132 Demnach ist auch in diesem Fall, wie in der gestochenen Version der Schule von Athen [Abb. 222b], eine Gegenüberstellung von Richtig und Falsch Thema des Bildes. Es ist aufschlussreich, was die Quellen zu solchen Anleihen verlauten lassen. Hoogstraten etwa rät Künstlern, „die Art der Darstellung zu übernehmen [...]. Genau wie der Dichter, der ein neues Liedchen auf eine alte Melodie schreibt.“1133 Zugleich betont er, dass bei solchen Nachahmungen ein gewisser Eigenanteil wichtig sei, um Plagiate zu vermeiden.1134 In diese Gefahr gerät der subtil vorgehende Steen nicht. Im Gegenteil: Er bietet dem geschulten Auge die Gelegenheit, wenig offensichtliche Parallelen zu dem berühmten Bild und in Folge dessen Gegensätze zu der Gelehrtenschule zu entdecken, was dem Kenner – animiert durch den Knirps mit der Brille rechts – aufgrund des verhältnismäßig hohen Kodierungsgrades ein Erfolgserlebnis besonderer Güte garantiert.1135 1129

Westermann 1997, S. 208. Samuel van Hoogstraten: Die kranke Dame, um 1670, Holz, 69.5 x 55.0 cm, Rijksmuseum Amsterdam, Inv.-Nr. SKC-152 (http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.8775 mit weiteren Angaben und Literatur, Aufruf 22.03.2015); Pieter de Hooch: Musizierende Gesellschaft, um 1663–1665, Leinwand, 81.0 x 68.3 cm, Museum der Bildenden Künste Leipzig; Amsterdam 1976b, S. 134–137, Abb. 30; zur Verwendung bei Cocxie: van Mander 1604, fol. 258 v.; Melion 1992, S. 49. 1131 Sutton 1997, S. 25, Abb. 6; Amsterdam 1997b, S. 74 f. 1132 Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 240. 1133 „Niettemin zal’t u geoorloft zijn, wanneer u eens anders wel geordent stuk te vooren komt, de vois of wijze der toonen, dat is, […] de zwier van koppeling en sprong daer uit t’ ontleenen. Even zoo wel als eenich dichter, die een nieuw liedeken op een oude stemme maekt.“ Hoogstraten 1678, S. 192 f.; die Übersetzung nach: Haak 1996, S. 66. 1134 Zur imitatio bei Hoogstraten ausführlich: Weststeijn 2009, S. 127 ff. 1135 Vgl. Westermann 1996/1997, S. 65, zur belehrend-unterhaltenden Intention von Steens Arbeiten im Allgemeinen. 1130

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Chapmans Einschätzung, die Verwendung der Vorlage für „ein einfaches Genrebild“ stelle die „hohe Kunst in Frage“, ist demnach verfehlt.1136 Nicht nur wurden Zitate berühmter Werke als Qualitätsmerkmal für jedes Bild angesehen. Wie Mariët Westermann darlegt, ist die dadurch vorgenommene „Umkehrung sozialer und bildlicher Codes“ vielmehr „ein Prinzip komischer Darstellung“.1137 „Steen nimmt die Erziehung ernst, indem er ihren moralisierenden Eifer ironisch bricht.“1138 Das heißt nicht, dass der Künstler der Moral grundsätzlich skeptisch gegenübersteht, denn dass er eine strenge Erziehung als richtig erachtet, zeigt nicht zuletzt der ganz ironiefreie Gestrenge Schulmeister [Abb. 213]. Nicht nur in seinem Detailreichtum ist das Gemälde in der schottischen Nationalgalerie [Abb. 221] einer wohl zehn Jahre früher entstandenen Schulszene Adriaen van Ostades [Abb. 145] sehr ähnlich.1139 Auch der Aufbau ist verwandt, obschon Ostades Bild ein Hochformat ist: Hier wie dort fällt der Blick auf die Seitenwand eines Raumes, vor der der Lehrer seinen Platz hat. Den Hintergrund bildet die Ecke des Zimmers, wo neben einem geöffneten Fenster parallel zur Rückwand ein langer Tisch und Bänken stehen und wo sich ein Teil der Klasse versammelt hat. Nach vorne schließt die Komposition rechts und links mit kleinen Gruppen lernender Kinder ab. Im Vordergrund etwa mittig befindet sich jeweils ein Kleinkind. Die Gemälde sind auch in der Farbgebung verwandt, beide werden von einem breiten Spektrum von gedeckten Brauntönen dominiert. Wie van Ostade verwendet Steen vor allem bei der Kleidung der Dargestellten einzelne Farbtupfer, die die Darstellung rhythmisieren und das Bildgefüge zusammenhalten. In beiden Fällen konzentrieren sich die bunten Töne auf die Personen am Pult und im rechten Vordergrund. Offensichtlich empfand Steen Komposition und Stil seines Lehrers für sein Schlüsselwerk zu diesem Thema als angemessen, was nicht zuletzt ein Beweis von van Ostades Originalität ist. Zugleich übertrifft er seinen Meister, indem er in enger stilistischer Anlehnung an dessen in erster Linie beschreibendes Bild ein virtuoses Zerrbild des jahrhundertealten Unterrichtsideals schafft, wobei er den antiken und auch den diesen aufgreifenden humanistische Vollkommenheitsbegriff von Bildung ad absurdum führt. Eine mit der Edinburgher Schule vergleichbare Komposition gibt es im Oeuvre Steens eigentlich nicht. Selten ist die Darstellung eines derart tiefen Raumes, ähnlich sind aber etwa Die Welt als Bühne1140 oder auch Der Prinzentag [Abb. 225].1141 Diese Beispiele werden in der relativen Chronologie der Gemälde Steens vor der Schule angesetzt. Vermutlich etwas später ist das wiederum viel weiträumigere Innere eines Wirtshauses [Abb. 226] entstanden.1142 Die ringförmig verlaufende Anordnung der Protagonisten hat aber wenig mit den geradezu gleichmäßig im Schulzimmer verteilten Kindern gemein. In der harmonischen Farbwirkung, die charakteristisch für Steens reife Werkphase ist, steht dem Edinburgher Gemälde die wohl ebenfalls zu Beginn der 1670er Jahre entstandene Hochzeit von Tobias und Sara in San Francisco [Abb. 215] nahe. Zwar enthält die biblische Szene mehr kostbare und fein gemusterte Stoffe und andere Details in prächtigen Farben, die das Gemälde insgesamt bunter wirken lassen, doch ist auch in diesem Fall der Zusammenklang zwischen tonig-braunen Partien und betont beleuchteten Farbfeldern im helleren Vordergrund bestimmend. Das auffällig violette Gewand des schlafenden Kindes im Vordergrund der Edinburgher Szene wird dort durch ein gleichfarbiges Kissen repräsentiert. Und mit der stolzen 1136

Chapman 1996/96, S. 17. Westermann 1996/1997, S. 61, auf S. 64 führt sie als Beispiel die Hochzeit zu Kanaa an, deren Aufbau darüber hinaus an das gleichnamige Gemälde Veroneses im Pariser Louvre (1562–1563, Leinwand, 660.0 x 990.0 cm, Inv.Nr. INV142) angelehnt ist – nicht jedoch, ohne zentrale Motive zu verändern. Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 63, Abb. 16; Paris 1992/1993, S. 312 f., zur Verbreitung des Motivs durch Stiche. 1138 Gruschka 2005, S. 9. 1139 Zur Ausbildung Steens bei van Ostade in Haarlem: Weyermann 1729, Bd. II, S. 348; Schnackenburg 1981, Bd. I, S. 63 f.; Chapman 1996/1997, S. 16; de Vries 1996/1997, S. 69, 77 f. 1140 Jan Steen: Die Welt als Bühne, um 1665, Leinwand, 68.2 x 82.0 cm, Koninklijk Kabinet van Schilderijen Mauritshuis Den Haag, Inv.-Nr. 170; Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 42, Abb. 3; Den Haag 2005, S. 294 f., Kat.-Nr. 170, mit Abb. auf S. 295. 1141 Jan Steen: Der Prinzentag, um 1660–1679, Holz, 46.0 x 62.5 cm, Rijksmuseum Amsterdam, Inv.-Nr. SK-A-384 (http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.5508 mit weiteren Angaben und Literatur, Aufruf 21.03.2015). Zum ansonsten eher flachen Aufbau von Steens Kompositionen: de Vries 1996/1997, S. 77 f. 1142 Jan Steen: Wirtshausinterieur, 1674, Leinwand, 117.0 x 160.0 cm, Musée du Louvre, Paris, Inv.-Nr. INV1863; de Vries 1996/1997, S. 80, Abb. 23. 1137

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Braut gibt es eine ähnlich zurückgelehnt stehende Rückenfigur wie auf dem Bild in Schottland. Trotz dieser teils doch eher vagen Ähnlichkeiten sind Komposition und Malweise des Bildes im Œuvre Steens singulär. Obschon dem ungeheuer produktiven Maler viele sorgfältig durchdachte und kunstvoll gemalte Darstellungen gelungen sind, gibt es nicht selten Unsicherheiten in der Figurenzeichnung und der Anlage der Szenen. Wie de Vries feststellt, ist Steens Malerei „häufig verfeinert, aber gelegentlich auch unbekümmert in den Details“, die sämtlich dem „Dienst des Inhalts“ untergeordnet sind.1143 Im Vergleich zu anderen Gemälden ist die Dorfschule jedoch frei von solchen Brüchen, ihre kompositorische und malerische Raffinesse ist im Werk Steens ohne Gleichen. Umso mehr verwundert es, dass das Bild – für Steen untypisch und für ein Werk derart herausragender Qualität erstaunlich – nicht signiert ist. Es ist nicht bekannt, für wen der Künstler ein Bild mit derartigem Anspruch gemalt hat, aber dass es einen Auftraggeber oder zumindest potentielle Käufer gegeben haben muss, mit deren Interesse Steen fest gerechnet hat, liegt angesichts des hohen konzeptionellen und auch künstlerischen Aufwandes nahe.1144 Die Spur des Bildes ist bis ins frühe 18. Jahrhundert zu dem in Den Haag lebenden Sammler Willem Lormier (1682–1758) zurück zu verfolgen, aus dessen Besitz auch die inzwischen in Dublin bewahrte Schulszene Steens stammt [Abb. 219].1145 Von diesem wiederum erwarb es Gerrit Braamcamp, von dem schon im Zusammenhang mit Gerrit Dous Triptychon in Kapitel V.3.2.1 die Rede war.1146 Auch wenn der erste Besitzer des Werkes nicht ausfindig zu machen ist, kann man anhand dessen, was über andere Käufer von Steens Werken bekannt ist, eine Art Profil erstellen: Es handelt sich um vergleichsweise wohlhabende, meist in Leiden oder Haarlem wohnende Bürger – etwa Ärzte oder Juristen – beider Glaubensrichtungen, die zum Teil hohe offizielle Ämter innehatten, verschiedene Händler oder Unternehmer und natürlich auch Künstlerkollegen.1147 Sämtlich Menschen, für deren gesellschaftliche Stellung Wissen und Bildung von zentraler Bedeutung waren. VIII.6 Zusammenfassende Deutung der Unterrichtsszenen Jan Steens Steens Darstellungen betrachten das Thema Erziehung und Unterricht aus verschiedenen Blickwinkeln: Die frühen Bilder – Die weinselige Lehrerin und Der dicke Schulmeister [Abb. 211 und 212] – spotten wenig feinsinnig und wohl noch unter dem Eindruck seiner Ausbildung in Haarlem über unfähige Pädagogen. Mit zunehmender künstlerischer Reife findet der Künstler zu einer differenzierteren, motivisch und malerisch ausgefeilten Form ironischer Beurteilung. Diese erreicht ihren inhaltlichen und kompositorischen Höhepunkt in der Edinburgher Schulszene, einem regelrechten Schaubild, das fast alles an Motiven, Charakteren und Diskussionsthemen enthält, was die Zeitgenossen in diesem Zusammenhang bewegte. Allerdings überwiegt dabei das Interesse an intellektuellen Gedankenspielen und malerischer Perfektion, so dass das Bild emotional weniger eindringlich wirkt als die früheren Beispiele. Ein vor allem mit Blick auf die kindlichen Gefühle im Wechselbad zwischen Lob und Tadel außergewöhnlich einfühlsames Gemälde dagegen ist der Gestrenge Schulmeister [Abb. 213]. Dieses Beispiel ist die einzige ausgewogen argumentierende Schulszene Steens, während die anderen Bilder – wie die Arbeiten der meisten anderen Künstler – extreme Gefühlszustände oder Verhaltensweisen von Lehrern und Schülern vorführen. Wie herausgearbeitet, entstehen diese Szenen in einer Zeit, in der die körperliche Züchtigung kontrovers diskutiert wurde. Trotzdem wurde die Notwendigkeit der erzieherischen Einflussnahme 1143

De Vries 1996/1997, S. 81. Vgl. dazu Westermann 1997, bes. S. 62 f., zu bestimmten Sammlern, in deren Inventaren Bilder Steens verzeichnet sind, S. 64 f., zur Auftragsfrage im Falle des Edinburgher Bildes S. 209. Auf S. 71 f. nennt sie die Preise, die für anspruchsvolle Bilder dieser Art veranschlagt wurden – etwa zwischen 100 und 200 Gulden, während kleinere Genreszenen deutlich geringere Summen erzielten. 1145 Hofstede de Groot 1907, Bd. I, S. 70 f., Nr. 285; Bille 1961, Bd. I, S. 112, 229 zu Lormier bes. S. 109–114; eine vergleichsweise detaillierte Übersicht über die Sammlung Lormiers bietet zudem: Korthals Altes 2000/2001, S. 251 ff., zum Erwerb des Dubliner Bildes im Jahr 1743 aus der Sammlung eines gewissen Isaak Hoogenbergh in Amsterdam S. 265, Anm. 56. 1146 Bille 1961, Bd. I, S. 81, Abb. 211 im Tafelteil, Bd. II, S. 51, Nr. 211; zur weiteren Provenienz: Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 231. 1147 Westermann 1997, bes. S. 67 f. 1144

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als grundlegende Maßnahme gesellschaftlicher Prägung nie angezweifelt. Embleme, die eine ihr Junges leckende Bärenmutter darstellen, verbildlichen die Ansicht, dass noch Kinder durch strenges erzieherisches Einwirken zu tugendhaften Menschen geformt werden müssen.1148 Maßgeblich sei, so der Tenor der meisten Autoren, die richtige Mischung aus Zucht und Zuneigung – doch diese Mischung zeigt Steen ausschließlich beim Gestrengen Schulmeister [Abb. 213], die anderen Szenen thematisieren gerade die von den Zeitgenossen abgelehnten Extreme, sei das nun übermäßige Wut oder Gleichgültigkeit. Zugleich aber legt das Bild den Schwerpunkt auf die Emotionen der vom Lehrer gelobten oder bestraften Kinder als unmittelbare Folge der Erziehung. Auch dies unterscheidet die Szene von Darstellungen anderer Künstler und auch von den Werken Steens [Abb. 219–221], die in dieser Hinsicht deutlich distanzierter sind. Natürlich gibt es weitere Bilder, auf denen bestrafte Schüler weinen oder Angst vor der Strafe zeigen, vor allem die Schulszenen von Jan Molenaer [etwa Abb. 110 oder 117] spielen gewissermaßen auf der Klaviatur kindlicher Gefühle. Auf Steens Gemälde aber meint man einen Jungen zu sehen, der sich nach einer ernsten Ermahnung bemüht. Diese positive Wirkung von Zucht ist, von einem nicht ganz eindeutigen Beispiel [Abb. 201] abgesehen, bei keiner der anderen Darstellungen zu erkennen. Dort wird entweder mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg gedroht oder geschlagen. Dass aber die pädagogische Einwirkung einen fördernden Effekt auf Schüler hat, ist nie direkt zu sehen, im Gegenteil: Bei Molenaer führen sich die gezüchtigten Jungen derart theatralisch auf, dass man sich fast vorstellen kann, dass der Lehrer ihr Getue mit weiteren Strafen ahndet. Auch wenn der Katholik Steen sich in seinen Bildern nicht auf das calvinistische Ideal zur Erlangung der Erlösung bezogen haben mag, waren seine Ansichten zu Disziplin wohl ähnlich.1149 Offenbar ist der strenge, aber geduldige Lehrer als Autorität dargestellt, die erzieherische Maßnahmen stellvertretend für die Eltern vornimmt. Es ist also zumindest bei diesem Beispiel nicht so, dass Steen nichts unternimmt, den „schlechten Ruf“ des Lehrpersonals „zu korrigieren“.1150 Stattdessen scheint es, als wolle er eine Reflexion über das Für und Wider bzw. ein Nachdenken über die Form der Bestrafung provozieren. Und man hat den Eindruck, als ergreife er auf sensible Weise die Partei von Erasmus, Cats und anderen Pädagogen, die den ausgewogenen Einsatz von Strenge und Lob fordern. Auch mit Blick auf Steens andere Bilder erstaunt dieser ernste Ansatz. Nahezu alle seine Darstellungen menschlicher Verfehlungen enthalten scherzhafte Anspielungen, gewissermaßen als süße Hülle um die bittere Moralpille.1151 Und ist es nicht das verschwörerische Augenzwinkern eines Dargestellten, bieten die Bilder sinnliche Reize, sei es die Kostbarkeit der Ausstattung und/oder die Schönheit einer Frau.1152 Hier ist das alles nicht der Fall. Steen hat sogar durch die Übermalung des Buckels, der den Gestrengen Schulmeister als Krüppel und somit als Person von fragwürdigem Charakter stigmatisiert hätte, getilgt und damit einen das Verständnis vereinfachenden Anhaltspunkt entfernt. Durantini betont, dass Steens Humor den Inhalt seiner Bilder „klarer“ macht.1153 Was aber bedeutet dann der das eindeutige Verständnis beeinträchtigende Verzicht auf Ironie und Scherze? Die Unmittelbarkeit der Darstellung, die kindliche Emotionen in für Steen ungewohnt subtiler Differenzierung schildert, erschwert die objektive Analyse. Dies ist bei den für ihn typischen theatralischen Szenen, deren vielfach übertrieben agierende Protagonisten und die große Zahl an emblematisch deutbaren Utensilien dem Betrachter kaum eine andere Möglichkeit lassen, als ihre Botschaft zweifelsfrei zu verstehen, sehr viel leichter. Das nahezu vollständige Fehlen schmückenden Beiwerks in der Schilderung dieser kleinen Begebenheit hingegen verringert die für die Analyse nötige Distanz.1154 Offenbar hat sich Steen die ernsthaften Unterrichtsszenen Gerrit Dous [etwa Abb. 68] für dieses Bild nicht nur kompositorisch, sondern auch inhaltlich zum Vorbild genommen. Warum er 1148

Stoett 1923, Nr. 179; Durantini 1983, S. 120 ff., Abb. 60–62 (Bären-Embleme mit Schulszenen); Bagley 1994, S. 332 ff. Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 212. 1150 So in Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 212. 1151 Zur Herleitung dieses Vergleichs siehe Raupp 1983, S. 416. 1152 So z. B. die Frau bei der Toilette, 1663, Holz, 64.7 x 53.0 cm, Sammlung Ihrer Majestät Königin Elizabeth II.; Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 160 ff., Kat.-Nr. 19, mit Abb. 1153 Durantini 1983, S. 77. 1154 Vgl. dazu die Beurteilung de Jonghs 1996/1997, S. 39 f. bzw. seine Kritik an der Überinterpretation der „schlichteren“ Bilder, etwa das Bildnis des Delfter Bürgers und seiner Tochter, 1655, Leinwand, 82.5 x 68.6, Privatbesitz; Washington/Amsterdam 1996/1997, Kat. Nr. 7, S. 119 ff., mit Abb.; de Jongh 1996/1997, S. 43 ff. und Westermann 1996/1997, S. 53, 56 ff. zu den theatralischen Aspekten von Steens Œuvre. 1149

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jedoch in diesem Fall, anders als Dou, auch die schmerzhaften Seiten einer maßvoll strengen Erziehung thematisiert, kann nur vermutet werden. Er führt dem Betrachter vor Augen, dass die Erziehung junger Menschen auch Härte erfordert. „Steckt Torheit im Herzen des Knaben, [/] die Rute der Zucht vertreibt sie daraus“,1155 rät das Alte Testament. Indem Steen den Moment nach der Züchtigung und damit ihren Erfolg zeigt, mildert er das dramatische Potential der Darstellung, das den Beobachter – wie beispielsweise bei der Dubliner Szene [Abb. 219] – belustigen könnte. Doch warum weicht er bei anderen Szenen von dieser vergleichsweise ernsten Schilderung ab, indem er die tragikomischen Momente der Lehrer-Schüler-Konflikte in den Vordergrund stellt? Wahrscheinlich war der kommerzielle Erfolg der drastischen, theatralisch komponierten Bilder schlicht höher.1156 Zwar mögen sich Zeitgenossen die Mahnung, gegenüber jungen Menschen keine übermäßige Gewalt anzuwenden, zu Herzen genommen haben.1157 Von Steens Bildern erwartete man aber keine ernsthafte Lektion, sondern die unterhaltsame Schilderung menschlicher Schwächen. Diese Vermutung bestätigen auch deren Kopien [Abb. 230–236], die Thema des folgenden Kapitels sind: Die Nachahmer konzentrieren sich ausschließlich auf die übertriebenen, spaßigen Schulszenen. Entsprechend bezeichnend ist ein Kommentar Arnold Houbrakens zu Steens Arbeiten, der auf den Punkt bringt, was der Biograph als typisch für dessen Schulszenen erachtet: „Seine Kunstwerke waren […] in ihren Einfällen sehr geistreich. Sie zeigen lustige Gesellschaften in Wein- oder Bierschenken sowie Spelunken, wo man warmes Fleisch mehr streichelt als kauft, und er stellte Hunderte solcher anstößigen Handlungen des menschlichen Lebens dar oder Szenen, die einen ruhigeren Ton fordern wie beispielsweise eine Schule. Doch ein drolliger Vorfall ist immer darunter, sei es, dass Buben einander an den Haaren ziehen, oder der Schulkönig [der Lehrer] so klug dreinschaut wie ihr aller gemeinsamer Vorfahre Dionysos, übt sein Recht mit dem Pritschholz aus, während die anderen anscheinend voller Furcht sind und so bedrückt aussehen, als ob sie und ihr Pate an der Spitze eines Leichenzuges gingen [d. h.: als ob sie ihre Eltern verloren hätten].“1158 Die Szene in Privatbesitz [Abb. 213], die in dem von Houbraken geforderten „ernsten Ton“ gehalten ist, scheint ihm nicht bekannt gewesen zu sein. Bemerkenswert ist auch der Hinweis auf Dionysos, der sich etwa auf die Weinselige Lehrerin [Abb. 212] oder auch auf den Edinburgher Lehrer [Abb. 221] beziehen könnte, an dessen Pult ein Krug befestigt ist. Die Quellen lassen vermuten, dass der Künstler selbst eine verhältnismäßig fundierte Schulbildung erhalten hat. Seine Einschreibung an der Leidener Universität erfolgte zwar sehr wahrscheinlich vor allem in der Absicht, steuerliche Begünstigungen zu erlangen. Da aber eine Immatrikulation den Besuch einer Lateinschule voraussetzte, ist zumindest dies belegt.1159 Dort wird Steen mit den Grundsätzen des humanistischen Bildungsideals und den wichtigsten lateinischen Autoren in Berührung gekommen sein. Wie er jedoch den Schulalltag empfunden hat, ob er seine Lehrer achtete oder unter ihrer Inkompetenz litt, bleibt der Phantasie des Betrachters überlassen. Es ist natürlich verlockend, in der Tatsache, dass Steens Kinder ihm für Schulszenen als Modelle gedient haben, eine bestimmte Absicht zu erkennen oder die Intensität der Schilderung auf die persönliche Nähe von Maler und Modell zurückzuführen. Besonders die Szene in Privatbesitz [Abb. 213] wirkt so anrührend, dass man sich unwillkürlich die Frage stellt, inwieweit der Maler Anteil an der Erziehung seiner Kinder genommen hat. War der Unterricht Thema im Hause Steen, so dass der Maler die Berichte seiner Kinder oder die Klagen der Lehrer in den Bildern aufgriff? Oder wollte er den Kindern aufgrund ihres mangelnden Fleißes eine ironische Lektion erteilen? 1155

Sprichwörter 22,15. Zur dramatischen Inszenierung mancher Bilder Steens siehe: Chapman 1990/1991, S. 186 ff. 1157 Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 212. 1158 Houbraken 1721, Bd. III, S. 18: „Het getal zyner Konststukken is […] zeer geestig van vinding. ’t Zy dat hy vrolyke gezelschappen in Wyn- of Bierkroegen, of winkels daar men meer warm vlees betast, als koopt, en hondert diergelyke losse bedryven van ’s Menschen leven verbeelde: of zaken die een stilder beslag vereisschen, als by voorbeeld een Kinderschool; ’t was egter altyd met eenig potsig bedryf vermengt: ’t zy dat de jongens malkander in ’t haar grypen; of dat de Schoolkoning, die ’er zoo wyslyk uitziet als ooit hunner aller voorzaat Dionysius, zyn schoolrecht oeffent met de plak, terwyl anderen daar door schynen in vrees gebragt te zyn, en zoo bedrukt ’er uitzien of zy met hun dooppeet in ’t eerste paar ter begraving gingen.“ Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 95. 1159 Chapman 1996/1997, S. 16, S. 23, Anm. 42; Bok 1996/1997, S. 27, 35, Anm. 45. 1156

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Nichts davon lässt sich belegen. Vielmehr waren Steens Sprösslinge aufgrund ihrer Verfügbarkeit sicher schlicht ein willkommenes Mittel, die Mienen der Schüler lebensnah wiederzugeben.1160 Ich halte es dennoch für wahrscheinlich, dass Steen derartige Eindrücke für die Inszenierung seiner Bilder bewusst instrumentalisiert hat. Das bestätigen weitere „Legenden“ über die Eigenarten des Künstlers: So berichtet der insgesamt sehr an intimen Details aus den Viten prominenter Maler interessierte Jacob Weyermann, Steens Ehefrau sei ungehalten gewesen, weil ihr Mann sie als liederliche Person gemalt hat.1161 Steen zeigt seine Kinder in mindestens zwei Beispielen als von ihrer betrunkenen Mutter vernachlässigte und in Folge dessen aufmüpfige Rangen [Abb. 227].1162 Unabhängig davon, ob der Unmut seiner Gattin der Realität entsprach, kommt die anekdotische Färbung den Bildern zugute. Sie verleiht ihnen eine Glaubhaftigkeit, die ihren Wert in den Augen der Käufer deutlich gesteigert haben wird. Nicht umsonst erwähnt der 70 Jahre nach Entstehen auf der Rückseite eines seiner Bilder [Abb. 217] angebrachte Zettel, dass auf dem Gemälde auch einer der Söhne des Künstlers zu sehen sei. Schon Houbraken, dessen Beschreibungen Weyermann häufig aufgreift,1163 zeichnet das Bild des fröhlichen Lebemanns und charakterisiert Steens Bildthemen auf diese Weise als dem Wesen des Malers angemessen. Steens Kunst sei eben deswegen so zu bewundern, weil sein Leben und seine Arbeit eine Einheit bildeten.1164 Derartige Legenden, wie Houbraken sie auch für Adriaen Brouwer und andere Künstler nacherzählt, steigerten in den Augen der Kenner die Glaubwürdigkeit der Maler und damit die Wahrhaftigkeit ihrer unmittelbar aus dem Leben gegriffenen Szenen. Tatsächlich ist es aber so, dass nicht erst die Biographen Jan Steen zum sorglosen Genussmenschen stilisierten: Er selbst verlieh dadurch, dass er sich und seine Familie als sympathische Sünder porträtierte, den Bildern eine besondere Aura.1165 Ob es allerdings – wie Chapman suggeriert – Steens Absicht war, damit ausgerechnet die pädagogische Wirkung der Darstellungen zu steigern, sei dahingestellt.1166 Mir scheint der Schau- und Unterhaltungswert der bildlichen Moralpredigten häufig zu überwiegen. Nicht umsonst malt Steen die amüsanten Gegenbilder sittsamen Verhaltens und nicht die braven, eher faden Tugendbolde. Unter Umständen konnte er beobachten, dass seine Kinder Erlebnisse aus der Schule nachspielten [Abb. 228].1167 Natürlich ist es aber auch denkbar, dass Steen sich in diesen Szenen schlicht auf Vorbilder wie Dirck Hals1168 oder Jan Molenaer1169 bezieht, bei denen die Katze als Spielzeug und zugleich mahnendes Bildmotiv ebenfalls Verwendung findet. Im Gegensatz zu den Haarlemer Kollegen aber treibt Steen das Spiel auf die Spitze: Bedauernswertes Opfer der kindlichen Phantasie ist die Katze, der ein Mädchen – wohl Steens Tochter Eva – ein Buch unter die Nase hält. Zeigt das Tier nicht den gewünschten Lernerfolg, droht ihm die Rute. Doch dass die Katze nichts lernen wird, davon ist auszugehen, sind es doch die Hunde, deren Dressur Disziplin und leerzuchtigkeit, also christliche Gelehrsamkeit, verbildlicht. Die Katze hat im 17. Jahrhundert, anders als der treue Gefolgschaft symbolisierende Hund, eine zumeist negative Bedeutung. 1160

Chapman 1995, S. 379; Chapman 1996/1997, S. 12, auf S. 18 zählt er weitere Bilder auf, in denen Steen Familienmitglieder als Modelle nutzte. Kloek 1998, u. a. S. 11 f. und S. 25, weist nach, dass dieser damit keinesfalls immer eine bestimmte inhaltliche Aussage erreichen wollte, sondern teils wohl schlicht aus praktischen Gründen so verfuhr. 1161 De Vries 1973, S. 231 f.; Broos 1990, S. 229 f.; Chapman 1995, S. 371. 1162 Jan Steen: Der Wein ist ein Spötter, 1663–1664, Leinwand, 87.5 x 104.5 cm, Norton Simon Museum of Art, Pasadena, Inv.-Nr. M.1969.05.P [Abb. 227], oder auch Die Auswirkungen der Unmäßigkeit, um 1663–1665, Leinwand, 76.0 x 106.5 cm, The National Gallery, London, Inv.-Nr. NG6442; Chapman 1995, S. 378 f., Abb. 6 f. 1163 Siehe dazu Broos 1990, S. 46, 229 f. und v. a. den Vergleich der Texte auf S. 97–113. 1164 Z. B. Houbraken 1721, Bd. III, S. 19 f.; de Vries 1973, S. 228 ff.; Westermann 1999, S. 828. f 1165 Kloek 1998, S. 8; Franits 2004, S. 209. Chapman 1990/1991, S. 192 f., führt aus, inwiefern Steen sich als Protagonist seiner Bilder die in literarischen Texten gängige Vermittlung durch einen Charakter, etwa den Ich-Erzähler, zunutze macht. Zwar trifft das auf die Schulbilder, auf denen der Maler ja nicht zu sehen ist, nicht unmittelbar zu, trotzdem ist der Hinweis auf Steens ironische, wohl auch selbstkritische Erzählweise in diesem Kontext interessant. 1166 Chapman 1990/1991, S. 193 und 196. 1167 Jan Steen: Kinder unterrichten eine Katze, um 1663, Holz, 45.0 x 35.5 cm, Kunstmuseum Basel, Inv.-Nr. G 1958.39; Braun 1980, S. 112 f., Nr. 184, mit Abb.; Haarlem/Worcester 1993, S. 266; Chapman 1995, S. 379; Chapman 1996/1997, S. 12 ; Hamburg 2004, S. 14, Abb. 5. 1168 Dick Hals: Mädchen mit Katze, um 1630/1631, Holz, 32.6 x 27.7 cm, Sterling and Francine Clark Art Institute, Williamston, Massachusetts; Haarlem/Worcester 1993, S. 266 ff., Kat.-Nr. 25, mit Abb.; Auch für Hals wird vermutet, dass er in dem Bild seine eigenen Kinder porträtierte: Haarlem/Worcester 1993, S. 269, Anm. 269. 1169 Jan Molenaer: Kinder mit Katze, 1630er Jahre, Leinwand, 66.0 x 54.0 cm, Musée des Beaux-Arts Dünkirchen; Haarlem/Worcester 1993, S. 290 ff., Kat.-Nr. 30, mit Abb.

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Versteht man sie als Sinnbild der pueritia, der Kindheit im Alter von etwa sieben bis vierzehn Jahren,1170 ist auch dieser fruchtlose Unterricht als Parabel auf die falsche Erziehung zu deuten. Hier scheint der Schwerpunkt allerdings auf der Gegenüberstellung von sinnlosen und nützlichen Beschäftigungen zu liegen. Eine junge Frau im Hintergrund ist mit Spinnen beschäftigt, sie widmet sich einer vernünftigen, produktiven Tätigkeit. Ihr Blick bedeutet dem Betrachter, seine Zeit nicht mit derart nutzlosen Späßen zu vergeuden – die Katze wird ja doch nicht Lesen lernen. So formuliert eine zeitgenössische Wendung: „Conste is wel crachtich seer, [/] Doch natyr gaet boven leer“.1171 Dinge, die gegen die Natur sind, sind demnach auch durch Kunst nicht zu vollbringen. Diese Sichtweise steht dem aristotelischen Dreiklang, wie er in Dous Triptychon [Abb. 70/71] verbildlicht ist, natürlich bis zu einem gewissen Grad entgegen. Aber auch dabei gibt es durch die Natur bestimmte Grenzen, die es bei der Erziehung einzuhalten gilt. Das steigende Pferd auf dem Bild neben der Spinnenden mag entsprechend gelenkte Disziplin bedeuten. Es zeigt eine Fertigkeit, die die Katze niemals erlangen wird. Ihr Wesen ist zu eigen, nicht gewillt, sich einem fremden Willen zu unterwerfen.1172 Inwieweit die Familie bzw. der Haushalt im 17. Jahrhundert als Mikrokosmos, als exemplarisches Sinnbild des menschlichen Charakters verstanden wurde, ist im Verlauf deutlich geworden. Familienporträts vermitteln die hochgeschätzten Werte, indem sie zeigen, wie sehr sich die Dargestellten der herrschenden Moral verpflichtet fühlen.1173 Ähnliches verbildlichen van Ostades späte Darstellungen von Familien aus dem einfachen Milieu. Auch in Steens Œuvre gibt es viele verlotterte Haushalte, deren Mitglieder ein Leben in Saus und Braus führen und so dem Zuschauer die Verwerflichkeit ihres Tuns mahnend vor Augen führen. Dennoch scheint die Sympathie des Malers für diese fröhlichen Sünder zu überwiegen: Die von ihm dargestellten Personen wirken unbeschwert und ausgelassen, man kann sich kaum vorstellen, dass ihr lasterhaftes Leben ihr Untergang sein wird.1174 Zudem platziert er sich selbst auf diesen Bildern. Wie also kann er seinen Kindern, wie von zeitgenössischen Autoren gefordert, als gutes Vorbild gedient haben?1175 Oder war das gar nicht seine Absicht? War er mit Jacob Cats einer Meinung, der in Anspielung auf das Sprichwort „´t wil al muysen wat van katten komt“ (etwa: die Nachkommen von Katzen werden immer hinter Mäusen her sein) feststellt, dass es sinnlos ist, die menschliche Natur ändern zu wollen?1176 Dieses Sprichwort illustriert Steen, indem er sich und seine Lieben einen Wurf Kätzchen feiernd zeigt. Heißt das für seine Nachkommen dementsprechend: Ein Steen bleibt ein Steen, dem prallen Leben mit seinen Licht- und Schattenseiten eher zugewandt als dem christlichen Jenseits? Waren Steens Kinder, in bewundernder Nachahmung ihres Vaters, ebenfalls kleine Schauspieler, die Gefallen an der ironischen Selbstinszenierung fanden?1177 Fühlte sich auch seine Frau von dieser lockeren Haltung angezogen? Das alles ist Spekulation. Das Publikum aber, zu dessen Unterhaltung die Szenen inszeniert wurden, war ob derart unbeschwert präsentierter Moral zweifellos begeistert. Die Tatsache, dass ihre Protagonisten reale, vielen sogar persönlich bekannte Personen waren, hat diesen vom Künstler bewusst inszenierten zwiespältigen Reiz bestimmt noch erhöht.1178 1170

Durantini 1983, S. 34, 273; Becker 1976, S. 85; Boon/Verbeek 1964, Bd. XV, S. 189, Nr. 2; Raupp 1983, S. 414; zu den negativen Deutungen der Katze zusammenfassend: Durantini 1983, S. 268, 278 ff. 1171 Den vaeck-verdryver 1620, S. 49, Nr. 58; zitiert nach: Westermann 1997, S. 213, S. 245 f., Anm. 45; zu der Publikation allgemein siehe auch: Schmidt 1986, S. 127 ff. 1172 Beispiele bei Durantini 1983, S. 277 f.; Bedaux 2000/2001, S. 20. 1173 Chapman 1995, S. 381 ff.; Kloek 1998, S. 48. Durantini 1983, S. 129 f., benutzt den Begriff „Mikrokosmos“ entsprechend für die Schule. Zur Parallelisierung von Staat und Privatleben siehe auch den Kommentar von Franits 1985, S. 700, der als Quelle Johan van Beverwijcks Schrift Van de wtnementhyt des vrouwelicken Geslachts (Dordrecht 1639), S. 302, verweist. Zu Beverwijck siehe auch: Schaper 1988, S. 167 ff., bes. S. 204. 1174 Kloek 1998, S. 47. 1175 So warnt der Jesuit Adriaen Poirters in seiner Schrift Het masker vande wereldt afgetrocken 1646, S. 60 ff. vor „Het quaedt exempel van de Ouders“. Chapman 1995, S. 386; ähnliche Quellen bei Durantini 1983, S. 75 f. 1176 Ähnlich auch: „Van apen coomt een aep, den uyl broet niet dan ulen […]“ zum Emblem Amor, formae condimentum; Cats 1618, S. 8 f. Diverse Quellen zum im Text zitierten Sprichwort fasst Stoett 1923, Nr. 1105, zusammen. 1177 Zwei seiner Söhne übrigens, Thaddeus und Cornelis, gingen beim Vater in die Lehre und wurden ebenfalls Maler; Frankfurt 2005, S. 195. 1178 Chapman 1990/1991, S. 185 ff.; Chapman 1995, S. 371, 390, auf S. 381 konstatiert er, dass Steens Zeitgenossen seine Familie auf den Bildern wohl erkannt und die moralisierenden Bilder entsprechend verstanden haben werden. Horn 2000, Bd. I, S. 657; Franits 2004, S. 209.

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Zugleich bleibt Steen damit auf der Höhe der Zeit, indem er genau das exerziert, was Gerard de Lairesse zu Beginn des 18. Jahrhunderts empfiehlt, um die von der Elite immer weniger geschätzten Genre-Darstellungen der hoch geachteten Historienmalerei in ihrem künstlerischen Anspruch anzunähern: Der Klassizist rät Künstlern, ihre einfachen Protagonisten durch von antiken Vorbildern angeregte Affektschilderungen dem herrschenden Geschmack anzupassen – und schlägt dazu unter anderem explizit das Missgeschick eines Kindes bzw. die daraus folgende Bestrafungsszene im Haushalt eines Künstlers vor!1179 III.7

Wiederholungen und Varianten der Unterrichtsszenen Jan Steens

Die drastischeren Schulszenen Jan Steens, vor allem das Dubliner Bild [Abb. 219], fanden scheinbar so viel Anklang beim Publikum, dass sie zum Teil in mehreren, mit „Steen“ signierten Versionen überliefert sind [Abb. 230, 232, 233].1180 Es gibt allerdings auch Beispiele [Abb. 231, 234], für die definitiv auf Steen zurückgehende Vorlagen fehlen. Verschiedene Parallelen, etwa motivische Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten bei der Charakterisierung der Figuren, lassen es aber denkbar erscheinen, dass ein solches Vorbild existiert hat oder dass der ausführende Künstler mehrere Bilder Steens kannte und sich nach Bedarf „bedient“ hat. Letzteres würde dafür sprechen, dass die Epigonen aus Steens näherem (Werkstatt-?)Umfeld stammten, dass sie die Bilder unter Umständen sogar auf Geheiß des Meisters ausführten, so dass diese unter seinem Namen zu einem höheren Preis verkauft werden konnten, als ihn Bilder unbekannter Schüler oder Kollegen erzielt hätten. Anders als bei den einleitend kurz beschriebenen, nur vage mit Steen in Verbindung stehenden Werken [Abb. 208 und 209] sind die Bezüge bei den in diesem Kapitel besprochenen Beispielen deutlicher, insbesondere hinsichtlich ihrer vergleichbar drastischen Komik. Wie in anderen Fällen ist nicht auszuschließen, dass manche der als Kopien oder Variationen angesprochenen Gemälde von Steens Hand stammen – zumal dieser ja nicht nur in seiner frühen Zeit auch durchaus mittelmäßige Bilder geschaffen hat. Entscheidend ist aber in diesem Kontext, dass nahezu alle dieser Darstellungen in irgendeiner Form Kritik am Lehrer üben und somit verdeutlichen, was für die Käufer an den Bildern offenbar besonders interessant war. Die Beliebtheit der Dubliner Schulszene [Abb. 219] mag darauf zurückzuführen sein, dass dort einerseits ein lächerlicher Lehrer zu sehen ist und zugleich unmittelbare Einblicke in die geplagte Kinderseele geboten werden, wohingegen die vielfigurige Schule [Abb. 221] weniger auf kindliche „Einzelschicksale“ fokussiert ist. Zudem stellte die Nachahmung dieses Bildes aufgrund der anspruchsvollen Szenerie sicher eine erhebliche künstlerische Herausforderung dar. Weniger begabte Maler wagten sich unter Umständen häufiger an das einfacher komponierte Gemälde, da dieses leichter zu kopieren war. Entsprechend sind die meisten dieser Bilder verkürzte Fassungen der Vorlagen.1181 Eine dieser Arbeiten geht mit dem Vorbild jedoch recht frei um [Abb. 230],1182 wenn auch mit künstlerisch sehr beschränkten Mitteln. Besonders die grob wirkenden Physiognomien der Dargestellten sind von der feinsinnig-individuellen Charakterisierung Steens weit entfernt. Der Schulmeister ist in seiner Leibesfülle und der Schlichtheit seiner Kleidung eher mit dem frühen Dicken Schulmeister [Abb. 211] zu vergleichen, und die Kinder sind nicht die Steens, der Bildaufbau ist aber im Wesentlichen derselbe wie der der Dubliner Szene [Abb. 219]. Auch wenn der Lehrer seinen Stuhl zurückgeschoben zu haben scheint, um dem weinend zu Boden blickenden Jungen einen ordentlichen Schlag versetzen zu können, wirkt er durch seine dickliche Behäbigkeit 1179

Lairesse 1712, Bd. III, S. 184; Weber 2006/2007, S. 56 f. Braun 1980, S. 112, Nr. 183: drei Kopien des Gestrengen Schulmeisters [Abb. 213]; S. 114, Nr. 198: sechs z. T. freie Kopien des Strafenden Schulmeisters [Abb. 214]; S. 136, Nr. 335: zwei Kopien der Edinburgher Schulszene [Abb. 216] mit Variationen einzelner Figurengruppen. Im RKD (BD/560 – ONS/Genre 2: volksleven/Steen, Ordner 9) findet sich noch mehr Bildmaterial zu Kopien und Varianten. 1181 Eine Arbeit [Abb. 229] dagegen ist m. E. als deutlich späteres Werk zu erkennen: Unbekannt (nach Jan Steen): Die Lehrerin, Holz, 35.5 x 41.0 cm, Verbleib unbekannt (Lempertz, Köln, 05.12.1998, Lot 1134). Die Mienen der Dargestellten wiederholen zwar die Gesichter von Steens Figuren recht genau, wirken aber überaus schematisch und unbelebt. Entsprechend formuliert der Verkaufskatalog auf S. 104: „Jan Steen wurde bereits zu Lebzeiten häufig kopiert. Preisbestimmend ist hier der Grad des Vertrauens in die Eigenhändigkeit.“ 1182 Unbekannt (nach Jan Steen): Der strafende Schulmeister, wohl nach 1665–1670, Holz, 33.0 x 27.0 cm, Verbleib unbekannt (1957 in der Londoner Kunsthandlung Alfred Brod); RKD: BD/560 – ONS/Genre 2: volksleven/Jan Steen, Ordner 9. 1180

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unbeweglich. Vermutlich hat er zu oft zu dem Krug neben seiner Stuhl gegriffen, so dass seine Zielsicherheit ebenso beeinträchtigt ist wie seine pädagogischen Fähigkeiten. Dass seine Autorität in Zweifel zu ziehen ist, zeigen weitere um ihn herum platzierte Gegenstände, die auf Steens Bild fehlen: die gerahmte Darstellung eines Käuzchens über ihm – in diesem Zusammenhang ähnlich bei Brekelenkam [Abb. 91] platziert – und die von den Abendschulen Gerrit Dous bekannte, aufgrund seiner geistigen Unterbelichtung nicht brennende Laterne, die gleich daneben hängt. Ebenfalls nicht bei Steen zu sehen ist die mit einem schwarzen Schleier angetane Frau dem Betrachter direkt gegenüber neben dem Pult, die den Schulmeister energisch anzufeuern scheint. In ihrer erhobenen Rechten hält sie einen kurzen Stab, womöglich eine ins verlorene Profil gedrehte plak. Es mag die Frau des Schulmeisters sein, die ihren Gatten antreibt, hart durchzugreifen, so dass der Spott über den ebenso grobschlächtig wie unschlüssig wirkenden Schulmeister dadurch gesteigert würde, dass er als Pantoffelheld bloßgestellt wird. Dass sie die Mutter des gezüchtigten Kindes ist, ist eher unwahrscheinlich, ist doch deren Rolle – wie in Kapitel II.6 beschrieben – stets die der nachsichtigen Glucke, die ihr Kind gegen die Strafe des Schulmeisters in Schutz nimmt. In dieser Eigenschaft ist vermutlich eine ganz ähnlich gekleidete Frau auf einem Bild vergleichbarer Machart zu sehen [Abb. 231].1183 Für dieses Beispiel fehlt zwar ein Vorbild von der Hand Steens, Hofstede de Groot beschreibt allerdings zwei Werke, die – sofern sie authentisch sind – als Vorlagen in Frage kommen. Die Dokumentation des RKD vermerkt, dass der Autor dieses Bild als Arbeit Steens einordnet, das scheint aber zumindest fragwürdig, zumal er auch die beiden potentiellen Vorbilder nicht aus eigener Anschauung kennt.1184 In der insgesamt eher summarischen Ausführung steht das Bild stilistisch dem gerade beschriebenen [Abb. 230] nahe, so dass es gut denkbar ist, dass die beiden Szenen vom selben Künstler gemalt wurden. Die Frau tritt mit einem heulenden bzw. ein Tuch auf die blutende Nase1185 drückenden Kind von rechts an den Schulmeister heran. Dieser versohlt mit einiger Vehemenz einem auf seinen Knien liegenden Jungen den Hintern und nimmt entsprechend keine Notiz von den Neuankömmlingen. Besonders perfide ist, dass ein Mitschüler wie auf dem erwähnten Holzschnitt vom Ende des 16. Jahrhunderts [Abb. 194] versucht, dem Bestraften das Hemd aus der Hose zu ziehen, so dass die Rute das nackte Fleisch trifft und besonders schmerzt. Aus dem Hintergrund schauen einige Kinder mit teils neugierigen, teils feixenden oder ängstlichen Mienen zu. Zwei von ihnen sind auf den Tisch geklettert, um besser sehen zu können, was vor sich geht. Nur die beiden Mädchen scheinen Mitleid mit dem Jungen zu haben, eine von ihnen faltet die Hände wie zum Gebet für den armen Sünder. Angesichts der größtenteils hämischen Meute, die die Sensationslust von ihren Plätzen gerissen hat, ist kaum vorstellbar, dass die Beschwerde der Mutter Erfolg haben wird. Zudem ist der Krug vorne links, der sie über den Charakter des Lehrers in Kenntnis setzen könnte, hinter einem geschickt platzierten Bücherkasten vor ihren Blicken verborgen. Allerdings hängt direkt über dem Schulmeister – ähnlich wie bei dem Dubliner Gemälde [Abb. 219] – ein weiterer, der unübersehbar ist. Das pausbäckige Gesicht des kleinen Jungen an ihrer Seite erinnert mit dem dichten, leicht gelockten Haar und dem zu Boden gesenkten Blick stark an den bestraften Schüler auf dem Dubliner Bild [Abb. 219]. Das wiederum spricht gegen die Vermutung, beide Szenen [Abb. 230 und 231] seien von demselben Künstler gemalt worden – denn wieso hätte dieser auf dem sich eng an der Dubliner Szene orientierenden Gemälde die Züge einer der Hauptpersonen nicht übernehmen, genau dieses Kind dann aber für eine andere Arbeit regelrecht kopieren sollte? Die Wiedergabe der Gefühlsregungen der anderen die Bestrafung beobachtenden Kinder scheint ebenfalls von Steen inspiriert zu sein, wenn diese auch viel grober gemalt sind. Weitere Parallelen zum Strafenden Schulmeister finden sich in den Schlappen des Schulmeisters sowie in Krug und Schere, die schräg hinter ihm an der Wand hängen. Demnach sollte auch diese Szene dem Betrachter die Unsinnigkeit körperlicher Strafen vor Augen führen. Anders als Steen orientiert sich der Künstler stärker an den in Kapitel VII besprochenen Bildern, indem er die emotionalen und physi1183

Unbekannt (nach Jan Steen): Schulmeister, einem Schüler den Hintern versohlend, 2. Hälfte 17. Jh. (?), Eichenholz, 52.0 x 33.0 cm, Verbleib unbekannt (Svensk-Franska Konstgalleriet, Stockholm, 03.11.1955, Lot 61); Braun 1980, S. 168 f., Kat.-Nr. B-79, mit seitenverkehrter Abb.; RKD: BD/560 – ONS/Genre 2: volksleven/Jan Steen, Ordner 9. 1184 Hofstede de Groot 1907, Bd. I, S. 72 f., Nr. 291 oder 294a. Es handelt sich um Gemälde auf Leinwand mit den Maßen 40.0 x 30.0 (Versteigerung Terw. (?) 462, 05.06.1765, Amsterdam, Nr. 114) und 36.7 x 28.7 cm (Versteigerung P.A.J. Knijff, Antwerpen, 18.07.1785, Nr. 211). Auf letzterem sind, anders als hier, neun weitere Schüler zu sehen. 1185 So beschreibt es Hofstede de Groot – auf der mir vorliegenden Schwarz-Weiß-Kopie ist das nicht zu erkennen.

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schen Auswirkungen des schulmeisterlichen Zorns drastischer ausmalt. Auch hier scheint – wie in Abb. 192 und 200 – nicht viel zu fehlen, bis sich die Stimmung der Kinder gegen den Lehrer wendet. Die Leiter, die im Hintergrund rechts an der Wand lehnt, scheint eine Reminiszenz früherer Schulszenen zu sein. Hier hat sie aber ohne kletterndes Kind oder eine zur Flucht verführende Öffnung ihre Bedeutung als Hinweis auf die in der Schule herrschende Disziplinlosigkeit verloren. Andererseits ist nicht auszuschließen, dass der eine oder andere Beobachter sich des ursprünglichen Motivs entsinnen und auch den Nachhall dieses Witzes würdigen konnte. Andere Beispiele, etwa ein Bild im Museum Mühlhausen [Abb. 232],1186 orientieren sich motivisch und stilistisch enger an der von Steen geschaffenen Vorlage. Nur zwei Details sind verändert: Der Lehrer hat eine Feder hinters Ohr geklemmt, und der große Junge am Pult hat andere Gesichtszüge und trägt eine Art Fellmütze. Während die Feder etwa durch dasselbe Motiv beim Dicken Schulmeister oder dem Edinburgher Lehrer [Abb. 211 und 221] leicht erklärbar ist, ist die Umgestaltung des Knaben etwas rätselhaft, da die anderen Kinder ihren Vorbildern sehr ähnlich sind. Eine querformatige Variante [Abb. 233]1187 kombiniert den Strafenden Schulmeister [Abb. 219] mit zwei Figurengruppen des Edinburgher Bildes [Abb. 221], die hier rechts von der Gruppe um das Pult zu sehen sind. Im Hintergrund sieht man den Tisch mit den beiden an dessen vorderem Ende lümmelnden Jungs und im Vordergrund zwei der ursprünglich drei Mädchen, von denen Angela Vanhaelen annimmt, dass sie mit dem Buch in ihren Händen spielerisch in die Zukunft blicken.1188 Ist ihre These schon für das Vorbild kaum zu beweisen, kann sie für die Deutung der Kopie noch weniger gelten. Die Jungen am Tisch verlieren außerhalb ihres ursprünglichen Kontextes, also ohne den achtlosen Lehrer und das Fass, das der eine als Sitzmöbel benutzt, ebenfalls ihre anklagende Bedeutung und wirken eher wie brave Schüler. So bleiben der wütend zuschlagende Lehrer und die Mienen der darauf reagierenden Kinder das Hauptmotiv. Im Fall dieser beiden Szenen [Abb. 232 und 233] sind zumindest anhand der mir zugänglichen Reproduktionen für die zentrale Gruppe von Lehrer und bestraftem Schüler keine wesentlichen stilistischen Unterschiede zu dem Dubliner Bild auszumachen. Lediglich die hinzugefügten Figuren und der Hintergrund scheinen nachlässiger und weniger gekonnt gemalt. Es handelt sich also um schlichte Kopien. Zwei der von Steen inspirierten Bilder entwickeln seine Ideen wiederum auf phantasievolle Weise weiter und steigern das Geschehen der Edinburgher Szene ins Turbulent-Groteske. Eine dieser Arbeiten [Abb. 234]1189 ist 1672 datiert und könnte so die Datierung von Steens Werk bestätigen. Die Echtheit der Signatur ist fraglich, weil das vom Format her wesentlich kleinere Gemälde zugleich von deutlich minderer malerischer Qualität ist.1190 Soweit die Abbildungen erkennen lassen, steht es dem zu Beginn von Steens Schaffen entstandenen Dicken Schulmeister [Abb. 211] bzw. anderen Nachahmerwerken [Abb. 230] stilistisch näher als dem formidablen Edinburgher Bild. Trotzdem wird die späte Datierung – unter Vorbehalt – als korrekt angesehen, unter anderem, weil darauf eine Figur zu erkennen ist, die offenkundig aus dem Gemälde in Schottland übernommen wurde. Insofern ist es gut denkbar, dass es nicht viel später von einem Schüler oder einem Mitarbeiter Steens gemalt wurde. Durch den deutlichen Bezug zu dem angesehenen Meister fand die pointenreich gestaltete Szenerie sicher ebenfalls schnell einen Käufer. Obschon der Aufbau der Szene ein anderer ist, geht es um dasselbe Thema wie bei dem Edinburgher Bild. Die von ihrem Lehrer nicht richtig disziplinierte Klasse ist jedoch völlig außer Rand und Band geraten. Der dicke Mann – auch seine Leibesfülle, sein weißes Halstuch und seine zur Seite geneigte Haltung erinnern an Steens wohl früheste Darstellung dieser Art [Abb. 211] – ist an seinem Pult links im Bild eingenickt. Die sich trotz der geringen Maße des Bildes zahlreich darin 1186

Unbekannt (nach Jan Steen): Der strafende Schulmeister, wohl nach 1665–1670, Holz, 42.0 x 37.0 cm, Museum Mühlhausen (?); Hofstede de Groot 1907, Bd. I, S. 70, Nr. 284; RKD: BD/560 – ONS/Genre 2: volksleven/Jan Steen, Ordner 9. Es handelt sich möglicherweise um Mühlhausen im Elsass, denn in Thüringen befindet sich das Bild nach Angaben des dortigen Museums nicht. Das Musée des Beaux-Arts in Mulhouse ließ meine Anfrage unbeantwortet. 1187 Unbekannt (nach Jan Steen): Der strafende Schulmeister, wohl nach 1670, Verbleib unbekannt (ehemals Kunsthandlung Katz, Dieren); RKD: BD/560 – ONS/Genre 2: volksleven/Jan Steen, Ordner 9. 1188 Vanhaelen 2003, S. 32. 1189 Unbekannt (Werkstatt Jan Steen?): Schulszene mit schlafendem Lehrer, 1672, Leinwand, 39.0 x 50.0 cm, Verbleib unbekannt (Christie’s Amsterdam, 01./02.10.1981, Lot 153); Hofstede de Groot 1907, Bd. I, S. 71, Nr. 288; Braun 1980, S. 138 f., Nr. 350, mit Abb.; Durantini 1983, S. 161 f. 1190 So auch vermerkt bei Hofstede de Groot 1907, Bd. I, S. 71.

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tummelnden Schüler nutzen die Situation weidlich aus. In dem Schulzimmer ist nicht nur ein Tohuwabohu losgebrochen, wie es vergleichbar nur bei der Tobenden Schulklasse Pieter de Bloots [Abb. 200] zu sehen ist. Von irgendwoher ist auch ein Schwein in den Raum gelangt, das sich vorne rechts über das auf dem Boden herumliegende Lehrmaterial hermacht. Der Junge, der es am Schwanz packt, scheint es nicht davon abhalten zu wollen, im Gegenteil: Begeistert versucht er, seine Mitschüler auf das Tier aufmerksam zu machen. Da diese aber mit ihren eigenen Schandtaten beschäftigt sind, nimmt keiner von ihm Notiz. Die Kinder um das Pult treiben es besonders wild, und dass der Schulmeister davon nicht wach wird, unterstreicht seine Pflichtvergessenheit. Ein Kerlchen attackiert den Mann von rechts mit einem Blasrohr.1191 Ein besonders vorwitziger Junge, der dem Schulmeister gerade seine Pfeife vom Hut stiehlt, hält sich zugleich dessen Kneifer vor die Augen. Auch ohne die Präsenz von Esel oder Eule ist klar, welches Sprichwort die Geste andeutet. Ein anderer Schüler macht sich hinter der Schlafenden an einem Wandschrank zu schaffen, einem dritten Knaben hat er daraus offenbar das Tintenfass heruntergereicht. Was die Bande damit anstellen wird, kann sich der Betrachter lebhaft ausmalen. Neben dem Pult im unmittelbaren Vordergrund links schüttet ein Schüler aus einem Krug klare Flüssigkeit in ein bauchiges Gefäß, das ein kniendes Mädchen hält. Die Bezeichnung „JNKT“ deutet an, dass sich darin der Tintenvorrat des Lehrers befindet, der jetzt verdünnt wird – und man könnte annehmen, dass dies mit den Resten des Getränks gemacht wird, dessen reichlicher Genuss den tiefen Schlaf des Schulmeisters herbeigeführt hat. In einer weiteren Fassung des Bildes in Nîmes1192 ist jedoch zu sehen, dass der Streich ursprünglich eine pikante Note hatte: Der Junge setzt dort zielgenau einen Strahl Urin in das bereitgehaltene Gefäß. So, wie er den Krug hält, ist der Neigungswinkel für ein Ausgießen der Flüssigkeit tatsächlich zu gering. Entsprechend mag auch die Aufschrift eine moderne, das offensichtlich als zu derb empfundene Detail – einen in den Getränkevorrat des Lehrers pinkelnden Schüler – verdeckende Zugabe sein Die Version in Nîmes zeigt auch, dass das über einen Stuhl gebeugte kleine Kind vorne ursprünglich nicht von dem größeren Mädchen mit der Rute verhauen wurde. Vielmehr hat dieses ihm den Hintern abgeputzt und dem Lehrer den stinkenden Lappen hingehalten. Soll das eigentlich im Zusammenhang mit allegorischen Darstellungen des Geruchssinns vorkommende Motiv in diesem Kontext bedeuten, dass dem Lehrer nicht nur der für den Erkenntnisgewinn so wichtige Sehsinn fehlt, sondern dass ihm auch Gehör und Geruch abhanden gekommen sind? Schon Erasmus spottete ja in seinem Lob der Torheit, dass die Lehrer durch den von den Schülern verursachten Lärm taub würden und dass „stanck riect hen als+Amaricinum“. Man ahnt also, in welche paradiesischen Welten sich dieser Schulmeister träumt. Im Hintergrund geschehen weitere Schandtaten. Rechts hat einer der Schüler die Aufgabe des außer Gefecht gesetzten Mannes übernommen. Mit der plak droht er einem aus einem Folianten vorlesenden Buben. Dass er dessen Leistung mit der gebotenen Umsicht beurteilt, lässt schon das Grinsen der beiden bezweifeln. Hinter bzw. über ihnen steht der Knabe, dessen Figur aus dem Edinburgher Schulbild entliehen ist. Es ist der Schüler, der bei Steen im hinteren Bereich des Raumes versucht, den Lehrer auf die dort ausgebrochene Prügelei aufmerksam zu machen. Hier steht er ebenfalls auf dem Tisch, hat aber beide Arme ausgebreitet. Links hält er eine brennende Laterne, rechts ein besiegeltes Schriftstück, vermutlich die Urkunde des Lehrers, die diesen als fähigen Pädagogen ausweisen soll. Die Schilderung der Zustände in seiner Schule liefert wie die ironisch gemeinte Laterne den Gegenbeweis. Zu Füßen des höhnisch triumphierenden Jungen sind rechts schemenhaft drei kämpfende Schüler zu erkennen. Links versuchen zwei Jungen mit Stöcken zu verhindern, dass eine Frau den Raum betritt. Ihre Gestalt wie auch ihre Positionierung erinnern an die oben beschriebene Variante des Strafenden Schulmeisters [Abb. 230], wo sie den Schulmeister mit einiger Vehemenz unterstützt. Hier wehrt sie sich mit einer Krücke, derer ein Schüler habhaft zu werden versucht. Letztendlich wird durch das Chaos natürlich nicht die Ungezogenheit der Kinder angeprangert, sondern die Nachlässigkeit des Lehrers, der seinen Edinburgher Kollegen um Längen übertrifft: 1191

Möglicherweise bläst er auch – so Hofstede de Groot (der das Bild selbst gesehen hat), 1907, Bd. I, S. 71 – in eine Flöte. Dass aber selbst das den Lehrer nicht aus seinem Schlummer gerissen hat, scheint mir unwahrscheinlich. 1192 Unbekannt (nach Jan Steen): Schulszene mit schlafendem Lehrer, Holz, 40.5 x 54.0 cm, Musée d’Art, Nîmes; Hofstede de Groot 1907, Bd. I, S. 72, Nr. 289; Braun 1980, S. 138 f., Kat.-Nr. 350a, mit Abb. Wenn die Abbildung bei Braun nicht täuscht, handelt es sich um eine Arbeit mäßiger Qualität – was wiederum für die Existenz einer von Jan Steen gemalten Vorlage spricht, von der die witzig-komplexe Darstellung abgeschaut ist.

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Sein Schlummer steht nicht nur für die Vernachlässigung seiner Pflichten, sondern letztlich für die Sünde der Trägheit, die wiederum zu anderen Sünden führt.1193 Ein zweites Beispiel treibt die Ideen Steens auf etwas andere Art auf die Spitze [Abb. 235].1194 Das Bild bezieht sich zwar auf die Komposition in der schottischen Nationalgalerie, überträgt diese jedoch in ein Hochformat, so dass ein etwas kleinerer Ausschnitt zu sehen ist. Die Lehrerin sowie die meisten der Schülerfiguren fehlen oder sind durch andere ersetzt. Das Pult, an dem der Schulmeister in clownesker Aufmachung mit einer schief sitzenden Mütze mit gezackter Borte und offenem Faltenkragen im Zentrum des Bildes sitzt, steht schräg direkt vor dem Kamin. Wie das Edinburgher Pendant hält er die Feder nah vor das Gesicht, doch sitzt er nicht lässig zurückgelehnt, sondern seltsam verkrampft und ungelenk zum Betrachter hin gedreht. Ein Mädchen, das mit einem Blatt in der Hand vor ihm steht, scheint ihn auf etwas aufmerksam machen zu wollen, mit der Rechten zeigt sie in die linke vordere Ecke des Bildes. Was dort geschieht, bleibt verborgen, denn es wird von einer Art niedriger Trennwand verdeckt. Möglicherweise war auch hier – wie eine eng verwandte Darstellung vermuten lässt, die im folgenden Kapitel besprochen wird [Abb. 237] – ursprünglich ein später als unanständig empfundenes Motiv zu sehen. Der Lehrer reagiert weder auf den Hinweis des Mädchens noch auf die anderen Kinder im Raum, die alles tun, nur nicht lernen. Im Hintergrund, beim geöffneten Fenster, jagen zwei Knaben über den an der Längswand entlang gestellten Tisch. Die daran sitzenden Schüler kümmern sich angesichts dieses Aufruhrs natürlich nicht um ihre Aufgaben. Im Vordergrund links steht ein dem Zuschauer den Rücken zuwendender Junge. Mit Blick zum Pult hat er die Hände hinter dem Rücken verschränkt und den rechten Fuß auf eine niedrige Bank gestellt. Die Pose ist so auffällig, dass sie sicher etwas bedeutet – vielleicht ein Witz auf Kosten des Lehrers? Leichter zu deuten ist die Geste eines in der gegenüberliegenden Ecke auf einem Hocker sitzenden Mädchens, das sich umwendet und lächelnd den Betrachter anschaut. Er ist eingeladen, sich ebenfalls über die Figur des Lehrers lustig zu machen. Der Junge am Tisch rechts schaut von seiner Schreibarbeit auf und beobachtet schadenfroh grinsend, wie ein Knabe hinter dem Lehrer sich kichernd reckt, womöglich um diesem die Mütze vom Kopf zu stoßen. Eine so eindeutig an das Publikum gerichtete Aufforderung zum Spott, die ein Merkmal der Schulszenen Adriaen und Isack van Ostades sind, gibt es bemerkenswerterweise in Steens Unterrichtsbildern nicht. Diese plakativen Gesten können kaum kompensieren, dass dem ausführenden Künstler Steens Gespür für von den Bewegungen der Figuren lebende Inszenierungen fehlt. Die eben beschriebene Rückenfigur ist unbeholfen angelegt, die Arme und Beine sind für den Rumpf zu kurz und teils in ungelenker Verkürzung dargestellt. Der Oberkörper wirkt seltsam verbeult, der Kopf ist im Vergleich zum Körper zu klein. Ähnlich misslungen ist die Gestalt eines Mädchens vorne rechts. Da ihr Oberkörper der Drehung des Kopfes kaum folgt, wirkt dieser wie falsch auf den Rumpf gesetzt. Der Maler war zudem bemüht, durch das schräg stehende Pult und herumliegende Unterrichtsutensilien den Eindruck von Unordnung zu erwecken. Am Kamin haftet ein bekritzeltes, verknittertes Papier, dessen improvisiert wirkende Befestigung den schlampigen Charakter dieser Schule betont. Die anderen Blätter, etwa auf dem Pult, oder ein aufgeschlagenes Buch neben dem Mädchen im Vordergrund sind unbeschrieben. Möglicherweise sollen die leeren Seiten andeuten, dass hier nichts gelernt wird. In erster Linie wirken sie jedoch unnatürlich. Und da die Gegenstände geradezu gezielt dort verteilt sind, wo noch Platz war – etwa auf den leeren Flächen des Fußbodens –, wirkt das Chaos im Vergleich zu dem großen Vorbild konstruiert. Bei diesem Beispiel kann man erahnen, dass in dem von der Decke hängenden Käfig ein Vogel sitzt. Ob es aber ein Papagei ist, der vor der Nachahmung dieses liederlichen Treibens warnt, oder ob er als Hinweis auf die Sicherheit eines behüteten Lebens zu verstehen ist, dessen erschreckendes Gegenbild dargestellt wird, muss offen bleiben. Die Bedeutung der beiden zuletzt beschriebenen Szenen [Abb. 234 und 235] liegt auf der Hand: Der Lehrer ist ein alberner Nichtsnutz, dem seine Schüler auf der Nase herumtanzen. Die Ausfüh1193

Durantini 1983, S. 154. Unbekannt (Umkreis Jan Steen oder Richard Brakenburgh?): Der verspottete Schulmeister, nach 1670, Eichenholz, 74.0 x 66.0 cm, Verbleib unbekannt. Bis Anfang der 1980er Jahre befand sich das Werk als Dauerleihgabe der Slg. Beindorff in der Niedersächsischen Landesgalerie Hannover. Dem Museum ist der derzeitige Aufbewahrungsort des Gemäldes nicht bekannt. Hofstede de Groot 1907, Bd. I, S. 73, Nr. 297 (allerdings mit den Maßen 72.0 x 64.0 cm); Stuttgart 1965, S. 15 f., Kat.-Nr. 19 mit Abb. auf S. 27 (Zuschreibung an Jan Steen); Durantini 1983, S. 156, Abb. 77; Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 234, Anm. 7 (als im Umkreis Brakenburghs entstandene Arbeit nach Steen).

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rung des Themas ist leidlich geschickt, besonders die Wirkung des Bildes aus der Sammlung Beindorff [Abb. 235] vergleichsweise flach, vor allem, weil die kindlichen Protagonisten durch ihre unbeholfen modellierten, zweidimensional wirkenden Körper viel weniger natürlich wirken als die gekonnt ausgeführten Figuren Steens. Trotzdem sind diese Arbeiten unter den vermutlich zeitgenössischen Varianten die originellsten, da sie Steens Bildidee weiterdenken und wohl auf eigenständige Weise auf die Spitze treiben – wenn auch auf eine Art und Weise, die gegenüber dem subtilen Witz der komplexen Edinburgher Schulszene zum Teil platt wirkt. So zeigt das Schwein, das ebenso wie der betrunkene Schlaf und das Verrichten der Notdurft traditionell synonym für bäurisches Verhalten steht, dass sich diese Bilder wiederum an im Grunde „altmodischen“ Darstellungsmustern des 16. Jahrhunderts orientieren.1195 Die Vermutung, das Hannoveraner Bild [Abb. 235] sei im Umkreis Richard Brakenburghs entstanden, ist plausibel, da die plakative Steigerung der Steen’schen Motive für den ebenfalls bei Adriaen van Ostade ausgebildeten Brakenburgh typisch ist. VIII.8 Die Schulszenen Richard Brakenburghs Richard Brakenburgh (1650–1702), ebenfalls ein Schüler Adriaen van Ostades, war wohl eine Zeit lang in Jan Steens Werkstatt tätig.1196 Dass er die Edinburgher Szene gekannt hat, sieht man an seinem Verspotteten Schulmeister [Abb. 236]1197 auf den ersten Blick, denn der Raumausschnitt ist derselbe. Allerdings fehlen die Frau des Lehrers und der Kamin. Wie auf dem Hannoveraner Bild [Abb. 235], das möglicherweise von der Darstellung Brakenburghs inspiriert ist, ist das Pult mehr ins Zentrum und in den Vordergrund gerückt. Der Lehrer beugt sich vor und macht eine Handbewegung in Richtung der Schüler vor dem Pult, als wollte er etwas ergreifen. In der Linken hält er die plak. Die Haltung seines Oberkörpers erinnert – von der zum Betrachter gerichteten Wendung des Kopfes abgesehen – stark an Dous Schulmeister [Abb. 68], sein Blick ist aber eher mürrisch denn streng. Er ist dunkel gekleidet, der Faltkragen, die gestreiften Ärmel wie auch die dunkle Mütze sind von Figuren Steens übernommen [Abb. 213 und 219]. Wohl um seine Lächerlichkeit zu steigern, ist der Ohrenschutz der Kopfbedeckung flügelartig nach oben geklappt. Der Bezug des Stuhls ist auffällig gemustert, auch das mag eine ironisierte Hoheitsformel sein. Den Schülern ist die Ohnmacht ihres Lehrers bewusst: Ein Junge hinter ihm äfft eine belehrende Handbewegung nach und deutet mit dem tief in die Stirn geschobenen Hut an, was er von den geistigen Kapazitäten des Mannes hält. Dem so vorgeführten Schulmeister bleibt dies verborgen – nicht jedoch den anderen Schüler, die die Geste mit beifälligem Grinsen quittieren. Die Heiterkeit der Umstehenden hat aber noch einen anderen Grund: In dem Bereich vorne links, der bei der eben besprochenen Szene [Abb. 235] durch eine Sichtblende verdeckt ist, jagt ein Hund eine Katze. Dabei wird ein Topf umgestoßen, dessen Eigenschaft als Pisspott erst durch eine weitere Fassung des Bildes offenbar wird, die wohl die vollständige Szene zeigt [Abb. 237]:1198 Dort ist ganz links noch eine (im Übrigen wie die Lehrerin der Bewahrschule [Abb. 7] gekleidete) Frau zu sehen, die einem Kleinkind bei der Verrichtung seiner Notdurft hilft. Dabei lüpft sie den Rock des Kindes, das mit dem Rücken zu uns steht. Allerdings kommt dadurch nur ein Unterkleid zum Vorschein, so dass die Derbheit der Szene erheblich gemindert ist. Es ist gut denkbar, dass das Kleidungsstück wie bei anderen Beispielen [Abb. 234 oder 2381199] auf eine 1195

Vgl. Antwerpen 1987, bes. S. 88. Van Thiel-Strohmann 2006, S. 115 f. 1197 Richard Brakenburgh: Der verspottete Schulmeister, nach 1672, Leinwand, 87.6 x 119.4 cm, Collection of the Earl of Pembroke, Wilton House, Salisbury; Salisbury 1968, S. 41 f., Nr. 105, Taf. 70; Durantini 1983, S. 162 f., Abb. 82. Zur Biographie des Künstlers vgl.: van Thiel-Strohmann 2006, S. 115 f. 1198 Unbekannt (Nachahmer Richard Brakenburghs?): Der verspottete Schulmeister, Ende 17. Jh. (?), Eichenholz, 120.0 x 195.0 cm, Slg. Allers, Roermond; RKD BD/560 – ONS/Genre 2: volksleven/R. Brakenburgh – Ordner 2. Über die Entstehungszeit lässt sich anhand der im RKD katalogisierten Schwarz-Weiß-Aufnahme keine Aussage machen. Auch die Katze und der umgestoßene Topf sind kaum zu erahnen. 1199 Die Bewahrschule [Abb. 7], in deren Vordergrund ein vergleichbares Motiv gezeigt ist, wurde wohl in den 1930er Jahren „zensiert“. Im Katalog (Christie’s Amsterdam, Auktion 2760, 05.092007, Lot 52) ist sie als Arbeit des 19. Jh.s. geführt, doch fehlt ein Hinweis auf die Übermalung, die von Hofstede de Groot 1907, Bd. I, S. 71, Nr. 286, festgestellt worden war: „Echt aber von keiner Bedeutung, außerdem verputzt und geölt.“ Vgl. auch Hofstede de Groot 1907, S. 73, Nr. 298 (nicht übermalte Fassung?). Trotz der leicht abweichenden Maße handelt es sich laut Dokumentation des RKD, die beide Fassungen mit Maßen 38.0 x 31.0 cm und derselben Provenienz (Auktion Graaf Berlin, 01.04.1930, Lot 79) 1196

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spätere Übermalung zurückzuführen ist. Vermutlich wurde dieser Hinweis auf die von Erasmus als auch olfaktorisch unangenehm beschriebene Realität des Lehrerberufs bei dem Gemälde Brakenburghs aus demselben Grund durch eine Beschneidung der Leinwand getilgt. Die Kinder vor dem Pult blicken lachend zum Lehrer oder auf das Missgeschick. Unter ihnen sind – etwa die Rückenfigur, die einen Zipfel ihrer Schürze hält, oder der große Junge, der den Betrachter anschaut – Figuren, die auch auf Steens Schulpanorama [Abb. 221] zu sehen sind. Das große Mädchen, das den Lehrer durch ihre Handbewegung auf die tobenden Tiere hinweist, findet sich auch auf der Hannoveraner Szene [Abb. 235]. Die anderen Schüler sind unterschiedlich alt, ihre Gesten und Blicke sind lebhaft und fröhlich. An der Längswand im Hintergrund findet an dem langen Tisch am Fenster die für die vielfigurigen Schulbilder aus dem Umkreis Steens fast obligatorische Prügelei statt. Die Malweise scheint dort sehr summarisch, einzelne Personen sind anhand der Abbildung kaum voneinander zu unterscheiden. Vorne rechts ragt wie auf dem Edinburgher und dem Hannoveraner Bild das Ende eines Tisches in den Raum, der daran sitzende Junge dreht sich lachend zum den Lehrer nachahmenden Mitschüler um. Auf dem Boden davor sitzen zwei kleinere Kinder, vom Betrachter abgewandt beschäftigen sie sich unbeeindruckt mit dem Lernstoff. Die meisten im Raum verteilten Gegenstände sind auch auf den Schulbildern Steens zu finden: Über dem Lehrer hängen ein großer leerer Käfig und Laubzweige, ein kleinerer ist hinten am Fenster zu sehen – was sich darin befindet, ist nicht zu erkennen. Von dem sinnbildhaften Ensemble von Eule, Brille und erloschener Laterne ist bei Brakenburgh nur letztere geblieben. Sie ist direkt hinter dem Lehrer an der Wand angebracht. Das Bücherregal ist ganz an den oberen Rand der Szene gerückt. Auf dem Pult liegt ein Wust von Blättern, auch auf dem Boden und dem Tisch rechts sind weitere Papiere und Bücher verstreut. Auf der Ecke des Tisches rechts steht, die notwendige Übung anmahnend, eine Sanduhr.1200 Ihre Funktion ist auch dadurch betont, dass sie durch eine Unachtsamkeit des dort sitzenden Schülers schnell zu Boden gestoßen werden und zerbrechen könnte. Ein glänzender Krug hängt seitlich am Pult des Lehrers, er ist so noch auffälliger platziert als bei der Darstellung in Edinburgh, von der er offensichtlich ebenso abgeschaut wurde wie der Korb mit Naturalien im unmittelbaren Vordergrund. Die Szene mit Hund und Katze ist nicht nur aufgrund ihrer die unruhige Atmosphäre der Schule durch einen für die Kinder amüsanten und für das Lehrerpaar sehr unangenehmen Zwischenfall ins Chaos steigernde Eigenschaft originell. Da die beiden Tiere durch die ihnen zugeschriebenen Eigenschaften wie hündischer Gehorsam und katzenhafte Verschlagenheit symbolhaft für menschliche Wesenszüge verstanden wurden, ist ihr Kampf ein Sinnbild für den Widerstreit zwischen Gelehrigkeit und Arglist. Was für Charaktere diese Schule hervorbringen wird, liegt auf der Hand. Unter den gegen Ende des 17. Jahrhunderts entstehenden Unterrichtsdarstellungen, meist Nachahmungen bzw. Pasticcios der Szenen älterer Meister, zählen die zuletzt beschriebenen zu den gelungeneren Beispielen. Für zahlreiche andere Arbeiten ist die schematische Übernahme oder bestenfalls Kombination der einstmals innovativen Motive das augenfälligste Merkmal. In einem abschließenden Kapitel, das die Situation des ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts beleuchtet, sollen mögliche Ursachen für diese Entwicklung zumindest kurz erörtert werden.

verzeichnet, offenbar um dasselbe Bild. So urteilt auch Braun 1980, S. 168, Nr. B-78. 1200 Ripa/Pers 1644, S. 358; Miedema 1975, S. 15.

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IX. AUSBLICK: DAS 18. JAHRHUNDERT Natürlich gibt es auch im frühen 17. Jahrhundert – man denke etwa an Bartholomaeus Molenaer [Abb. 160] – zahlreiche mediokre, um nicht zu sagen: schlechte Bilder. Im ausgehenden 17. und im 18. Jahrhundert scheint Mittelmaß, zumindest im Bereich der Unterrichtsszenen, zu überwiegen. Dafür mag es eine sehr schlichte Erklärung geben: Fast scheint es, als sei zu dem Thema alles gesagt, und es ist schwer vorstellbar, wie die virtuosen Darstellungen eines Gerrit Dou oder Jan Steen in ihrer unterhaltsam-didaktischen Vielfalt, die höchste malerische Fertigkeit mit inszenatorischem Geschick vereint, auf angemessene Weise rezipiert, gar übertroffen werden sollten. Die Ursachen sind natürlich komplexer, und möglicherweise würden gründlichere Recherchen, als sie in diesem Rahmen getätigt werden konnten, diese Einschätzung zumindest in Teilen widerlegen. Es ist auch nicht meine Absicht, diese Tendenzen vor dem Hintergrund der in der Forschung lange gängigen Ansichten vom „Niedergang“ der niederländischen Malkunst im 18. Jahrhundert sehen zu wollen. So konstatiert noch Bob Haak in seinem 1984 erstmals veröffentlichten Überblickswerk zum „Goldenen Zeitalter der holländischen Malerei“, dass „in der holländischen Kunst während der siebziger und achtziger Jahre eine ganz deutliche Stagnation zu beobachten“ sei, dass „die neue Generation in kaum einer Hinsicht innovativ“ gewesen sei und keinesfalls „die Qualität ihrer Vorgänger“ erreicht habe.1201 Obschon diese These einer differenzierten Prüfung nicht in allen Fällen standhält,1202 ist das weitgehende Fehlen von gekonnt gemalten, phantasievollpointierten Schilderungen schulischer Missstände oder erzieherischer Ideale in den Jahren nach 1670 eine Tatsache. Sie damit zu erklären, dass der vormals so lebhaft geführten Bildungsdiskussion durch den weitgehend abgeschlossenen Ausbau des Schulsystems die Grundlage entzogen worden sei, greift zu kurz – denn wie erläutert, kann von einem allerorten gleichermaßen gut funktionierenden Bildungswesen auch im 18. Jahrhundert nicht die Rede sein.1203 Tatsächlich wurde dieses von der historischen Bildungsforschung, ähnlich wie in der Kunstgeschichte, lange als Phase des „Verfalls“ angesehen.1204 Dass auch das so nicht stimmt, zeigt etwa die Studie de Booys, die für die Provinz Utrecht im 18. Jahrhundert eine deutliche Verbesserung der Unterrichtsituation nachweist.1205 Es ist aber gut denkbar, dass Bildungsfragen zum Ende des „Goldenen Zeitalters“ und in der ersten Hälfte des folgenden Jahrhunderts schlicht nicht mehr die aktuelle Brisanz hatten, die infolge der Reformen um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert die Diskussion über das Unterrichtswesen befeuert und dadurch die Produktion entsprechender Darstellungen belebt hatte. Woran auch immer das gelegen haben mag: Eine verstärkte öffentliche Auseinandersetzung mit diesen Themen ist erst wieder um die Mitte des 18. Jahrhunderts auszumachen,1206 als etwa die Haarlemer Hollandsche Maatschappij van Wetenschappen der Kindererziehung zwei Preisfragen widmet und die ausgezeichneten Antworten publiziert. 1779 wiederum sucht die Zeeuwsch Genootschap voor Wetenschappen auf diesem Weg die zum Wohle der Nation nötigen Verbesserungen des Schulunterrichts zu eruieren, und offenbar sind einige der eingereichten Vorschläge nicht nur veröffentlicht, sondern auch umgesetzt worden.1207 Natürlich haben in dieser Hinsicht auch das Erscheinen von Rousseaus Bildungsroman Emile ou de l’éducation im Jahr 1762 sowie die 1753 publizierte niederländische Ausgabe von John Lockes 1201

Haak 1996, S. 499. Siehe dazu zuletzt: Mai 2006/2007, S. VIII f.; Gaehtgens 2006, S. 220; Korthals Altes 2006, S. 68 f. 1203 Vgl. dazu v. a. Boekholt/de Booy 1987, S. 119 ff. 1204 Boekholt/de Booy 1987, S. 80; Frijhoff 1983, S. 3 f.; Los 2005, S. 15 f. Natürlich bemängeln schon zeitgenössische Beobachter die Qualität erzieherischer Maßnahmen, vgl. z. B. Los 2005, S. 48, 79, 85, 264 ff. Dabei ist aber schwer zu beurteilen, in welchen Fällen das Lamento über den Verfall von Bildung und Moral mehr ist als ein rhetorischer „Aufhänger“, der die eigenen Ideen zur Verbesserung dieser Missstände umso zwingender scheinen lässt. 1205 De Booy 1977, S. 113 ff. 1206 Natürlich war die Diskussion in der Zwischenzeit nicht völlig zum Erliegen gekommen, sie wurde aber eher zwischen Pädagogen, Philosophen und anderen Theoretikern geführt: Boekholt/de Booy 1987, S. 81; Los 2005, S. 63 ff. 1207 De Booy 1977, S. 118 f.; Boekholt/de Booy 1987, S. 83; Los 2005, bes. S. 229 ff., 253 ff. Zum Wirken der 1784 gegründeten Maatschappij tot Nut van ’t Algemeen, die sich für die Verbesserung des Volksunterrichts einsetzte, siehe: De Booy 1977, S. 121 ff.; Boekholt/de Booy 1987, S. 95 ff.; Los 2005, S. 319 ff. 1202

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Some Thoughts concerning education (1693) eine wichtige Rolle gespielt.1208 Den Einfluss der Aufklärung auf das Erziehungswesen der Niederlande näher zu erörtern würde zwar zu weit führen. Dass aber in den meisten dieser Schriften das Kind als eigenes Wesen – und eben nicht als kleiner Erwachsener – gesehen wird,1209 ist inzwischen geradezu ein Gemeinplatz. So könnte die „Entdeckung“ des autonomen kindlichen Charakters eine der Ursachen dafür sein, dass das Interesse an den typischen Szenen des Kinderlebens zurückging, eben weil deren moralischdidaktische Bedeutung für die Welt der Erwachsenen nicht mehr so überzeugend vermittelt werden konnte wie noch im 17. Jahrhundert. Symptomatisch ist etwa der Vergleich zwischen den – hier verkürzt wiedergegebenen – pädagogischen Ansichten von Jacob Cats und John Locke.1210 Während ersterer in seinem Kinderspel (1618 bzw. 1625)1211 dem Leser noch durch die Schilderung kindlichen bzw. kindischen Verhaltens den Spiegel vorhält, legt Locke den Schwerpunkt auf die dem individuellen Charakter des Zöglings angemessene Erziehung als Schlüssel zu dessen sittlich richtiger Entwicklung.1212 Doch können diese Veränderungen erst für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts geltend gemacht werden, in den Jahrzehnten davor sind noch kaum Auswirkungen dieser „moderneren“ Ansichten zu spüren. Festzuhalten bleibt also, dass – obschon die historische Wirklichkeit von Bildung und Erziehung einer der wichtigsten Gründe für die Beliebtheit des Themas in den vorangegangenen Dekaden ist –, der Umkehrschluss, dass nämlich ein Zusammenhang zwischen der Stagnation der künstlerischen Auseinandersetzung mit Bildungsfragen im späten 17. und beginnenden 18. Jahrhundert mit der schulischen oder allgemein erzieherischen Realität besteht, nicht ohne Weiteres möglich ist. Auf der Suche nach Gründen muss sich der Blick demnach auf andere Bereiche richten. Die im Folgenden zu schildernden möglichen Ursachen für diese Entwicklung allerdings widersprechen nicht der Vermutung, dass sie zumindest in Teilen in dem vergleichsweise geringen allgemeinen Interesse an Erziehungsfragen begründet ist. Eine dieser Ursachen sind veränderte geschmackliche Vorlieben und eine nachlassende Kaufkraft des Publiku*ms infolge der politischen Entwicklungen nach 1672. In diesem Jahr erklärten England und Frankreich sowie der Erzbischof und Kurfürst Köln und der Bischof von Münster den sich auf der Höhe ihrer wirtschaftlichen und militärischen Macht befindenden Niederlanden den Krieg. Gleichzeitige innenpolitische Auseinandersetzungen trugen neben den letztendlich bis 1674 andauernden Turbulenzen zur nachhaltigen, sich bis ins 18. Jahrhundert fortsetzenden Destabilisierung der gesellschaftlichen und ökonomischen Verhältnisse bei.1213 Es ist gut vorstellbar, dass die Menschen beim Bilderkauf infolgedessen eher auf Bewährtes setzten. Die höchsten Preise erzielten Künstler, deren Szenen virtuos ausgeführt waren und auch im decorum dem Bedürfnis nach Raffinement und Eleganz entsprachen, etwa Gerrit Dou, Gerard de Lairesse und die drei Generationen van Mieris.1214 Diese Veränderung deutet sich schon früher an: Wie vor allem am Beispiel Adriaen van Ostades zu sehen ist, hatten die Zeitgenossen bereits um 1660 immer weniger Freude an den Späßen vorwitziger Schüler und dem Hohn über die Machenschaften der als unfähig karikierten Lehrer. Entsprechend konzentrieren sich die Darstellungen des ausgehenden 17. bzw. frühen 18. Jahrhunderts wieder mehr auf die Verbildlichung des hehren Ideals.1215 1208

Die erste niederländische Fassung von Lockes Text war bereits 1698 in Rotterdam erschienen. De Booy 1977, S. 117 f. Zur Rezeption von Locke und Rousseau in den Niederlanden siehe auch: Los 2005, bes. S. 44 ff. bzw. S. 86 ff. Dabei scheint es kaum eine Rolle gespielt zu haben, dass Locke seinen Text ursprünglich für Sprösslinge des Adels bzw. des gehobenen Bürgertums geschrieben hat: Los 2005, S. 58. Inwieweit etwa die prämierten Antworten auf die Preisfragen mit den Gedanken Lockes und Rousseaus übereinstimmen, erörtern Pomes 1908, S. 41 ff. (die Inhalte einiger späterer Texte zur Erziehung sind auf S. 49 ff. wiedergegeben) bzw. Los 2005, u. a. S. 243, 245 f., 250, 254 ff. 1209 Los 2005, S. 55 f., 91. 1210 Skizziert bei Los 2005, S. 35 ff. 1211 Cats 1618, S. 106–111. Einen Teil der 1625 in Cats Houwelick erschienenen überarbeiteten Fassung zitiert Los 2005, S. 35 f. Vgl. auch: Manning 2004, S. 143 f. 1212 Los 2005, S. 51, Anm. 40. 1213 Zu diesen Ereignissen und den Folgen vgl.: Israel 1995, S. 802 ff.; Troost 2005, S. 71 ff.; North 2006/2007, S. 89 ff. 1214 Korthals Altes 2006, S. 68. 1215 Zu de Lairesses auch theoretisch untermauerten Bestrebungen, „Szenen des gehobenen bürgerlichen Alltags in einer exemplarischen und gesellschaftlich verantwortungsvollen Weise“ zu inszenieren und „Genremalerei als erzieherisches, staatstragendes […] Exemplum“ zu etablieren, siehe: Gaehtgens 2006, S. 219 f. (Zitat S. 220). Antwerpen 1987, S. 108 ff., zeichnet nach, wie sich die etwa in der Mitte des 17. Jahrhunderts einsetzende Romantisierung des Bauernbildes im 18. Jahrhundert fortsetzt.

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Ein solches Beispiel ist Arent de Gelders (1645–1727) vermutlich um 1700 entstandene Darstellung Homer diktiert seine Verse [Abb. 239].1216 Die Komposition geht zudem wohl auf eine Anfang der 1660er Jahre entstandene, nur fragmentarisch erhaltene Darstellung von de Gelders Lehrer Rembrandt zurück [Abb. 240 und 241],1217 die der Jüngere während seiner Lehrzeit gesehen haben mag.1218 Dieses Bild ist – trotz motivischer und möglicher inhaltlicher Bezüge zu einigen Leidener Unterrichtsbildern [Abb. 55–58, 62]1219 – im entsprechenden Kontext aus verschiedenen Gründen nicht besprochen worden: Zum Einen ist die ursprüngliche Darstellung, obschon ihr Aufbau anhand der Vorzeichnung1220 und mit Hilfe von de Gelders Bild vermutlich ganz gut rekonstruiert werden kann, verloren, und es kann letztlich nur spekuliert werden, ob Rembrandt neben Homer ebenfalls Schüler dargestellt hat. Bei der zweiten Person auf der Skizze könnte es sich auch um einen jungen Schreiber handeln. Zudem steht auch bei einer Rekonstruktion, die dem antiken Dichter einen oder mehrere Schüler beigibt, weniger der Unterricht, sondern die geradezu mystisch inszenierte Person Homers im Vordergrund. Das ist auch bei de Gelders Gemälde der Fall: Der Poet, gekleidet in ein dunkles Gewand mit Pelzbesatz, ergänzt durch eine exotisch wirkende Kopfbedeckung, sitzt rechts in einem mächtigen Stuhl mit ausladend geschwungener Rückenlehne. Auf einen groben Stock gestützt, den Blick aus den leeren Augenhöhlen visionär ins Leere gerichtet, deklamiert er seine Verse, die vier zu seiner rechten Seite über ihre Hefte gebeugte Schüler eifrig mitschreiben. Diese haben allerdings eher die Funktion einer Beigabe, ihre Köpfe sind gesenkt, die Gesichter kann man kaum erkennen. Entscheidend ist die Geistesgröße des Dichters, dessen Geste die Weisheit verbildlicht, die er an seine Schüler weitergibt. Von der Ausrichtung abgesehen, ist das Bild motivisch mit den rund 80 Jahre früher entstandenen Unterrichtsszenen Jacques de Gheyns gut vergleichbar: Ein erhaben wirkender alter Lehrer gestikuliert in Richtung weniger, ihm lauschender Schüler. Ein Leidener Motiv, gemalt in der Manier Rembrandts – nichts Neues also.1221 Ein Indiz für die Vorliebe für traditionelle Darstellungen ist auch die Tatsache, dass zumindest in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Schnitt mehr Werke „alter“ Meister erworben werden, während die Arbeiten zeitgenössischer Künstler nicht so hoch im Kurs standen.1222 Das scheint allerdings weniger an der schon damals von Beobachtern bemängelten minderen Qualität der Bilder gelegen zu haben,1223 sondern hatte eher quantitative Gründe. Die reiche Produktion des vorangegangenen Zeitalters führte dazu, dass diese Bilder vergleichsweise günstig waren. Die wirtschaftlich unsichere Lage nach 1672 bewirkte zudem, dass weniger Menschen sich Kunst leisten konnten und die Nachfrage entsprechend vom Geschmack einer kleineren, finanziell weiterhin

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Aert de Gelder: Der blinde Homer, um 1700/1710, Öl/Leinwand, 102.0 x 127.5 cm, Museum of Fine Arts, Boston, Inv.-Nr. 39.45; Frankfurt 1993, S. 196 f., Kat.-Nr. 31; Dordrecht/Köln 1999, S. 216 ff., mit Abb. 1217 Rembrandt Harmensz. van Rijn: Homer, 1663 vollendet, Leinwand, 107.0 x 81.1 cm, Koninklijk Kabinet van Schilderijen Mauritshuis Den Haag, Inv.-Nr. 584 (Dordrecht/Köln 1999, S. 216, Abb. auf S. 218; Den Haag 2005, S. 258 ff., mit Abb. auf S. 259), bzw. die Rückschlüsse auf die Original-Komposition zulassende Feder- und Pinselzeichnung in Braun mit Weiß, 1663 oder früher, 14.8 x 17.0 cm, Nationalmuseum Stockholm, Inv.-Nr. NMH 1677/1875. Dordrecht/Köln 1999, Abb. auf S. 219. Eine mögliche Rekonstruktion von Rembrandts Gemälde und dessen Entstehung diskutiert: Giltaij 1999, bes. S. 66 ff., mit Abb. 17 f. auf S. 68 (Gemäldefragment) und S. 69 (Skizze). 1218 Giltaij 1999, S. 74 ff., das Bild de Gelders als Abb. 19 auf S. 75. 1219 Eine besondere inhaltliche Nähe ergibt sich zu Jan Lievens 1631 datiertem Prinzenporträt [Abb. 55], das ebenfalls auf das antike Gelehrten- und Unterrichtsideal anspielt. Dass Rembrandt das Werk kannte, liegt nahe, da er sehr wahrscheinlich das von Gerrit Dou fertig gestellte Pendant [Abb. 56] zu Lievens’ Gemälde begonnen hat. So zuletzt: Washington/Milwaukee/Amsterdam 2008/2009, S. 138. Zum Themenkreis Homer – Aristoteles – Alexander bei Rembrandt allgemein siehe: Giltaij 1999, S. 76 ff.; New York 2007, Bd. II, S. 629, 635 ff. 1220 Giltaij 1999, S. 71. 1221 Allerdings nimmt de Gelder in diesem Kontext eine gewisse Sonderstellung ein, da er aufgrund seiner finanziellen Unabhängigkeit nicht auf den Verkauf von Bildern angewiesen war und entsprechend keine Rücksicht auf zeitgenössische Moden nehmen musste. Hecht 2006/2007, S. 24 f.; zur Vita de Gelders: Schoon 1999 S. 11 ff., zu seinen monetären Verhältnissen S. 14. 1222 De Vries 1999, S. 35 f.; Korthals Altes 2006, S. 69 ff. 1223 So z. B. bei Houbraken 1719, Bd. II, S. 132 ff. (Cornelis 1998, S. 151), van Gool 1750–1751 (de Vries 1990, S. 87 ff.), oder Weyermann 1769, Bd. IV, S. 395 (zitiert bei Korthals Altes 2006, S. 77, Anm. 10). Siehe dazu allgemein auch: de Vries 1987, bes. S. 346 f.; de Vries 1999, S. 29 ff.

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solventen Gruppe reicher Kunstliebhaber bestimmt wurde.1224 Und gerade diese Käuferschicht hatte sich schon im 17. Jahrhundert mehr von Gemälden repräsentativen Charakters begeistern lassen als von dem meist wenig erbaulichen Treiben frecher oder fleißiger Schüler. Nicht umsonst ist die Anzahl der vergleichsweise kleinen und eher schlichten Bildchen in der Art Adriaen van Ostades [etwa Abb. 162–167] im Unterschied zu Meistern wie de Gheyn oder Dou, deren Unterrichtsszenen vergleichsweise wenige Nachahmer fanden, so hoch: Diese relativ günstigen Arbeiten konnten sich im 17. Jahrhundert auch weniger begüterte Menschen leisten, und sie konnten das mit dem eigenen bis zu einem gewissen Grad übereinstimmende Milieu dieser Szenen sicher eher würdigen als im wahrsten Sinne des Wortes „abgehobene“, von antiken Helden oder Gottheiten bevölkerte Phantasiewelten. Zwar war die wirtschaftliche Lage des Landes im 18. Jahrhundert nicht durchweg desaströs, doch gerade die Geschäftszweige der einfacheren Leute waren stark betroffen,1225 so dass diese als Käufer von Kunst immer weniger in Frage kamen. Die Geschmacksbildung der weiterhin kaufkräftigen Eliten dagegen wurde durch die an den Höfen der europäischen Herrscher beliebte, stärker an der klassischen Antike orientierte italienische und die französische Kunst beeinflusst, der die neue Generation geschäftstüchtiger Künstler wie Jan van Mieris (1660–1690) und Adriaen van der Werff (1659–1722) nacheiferten, um neue Absatzmöglichkeiten für ihre Arbeiten zu schaffen.1226 Vor allem der französische „Gout“ scheint die „bessere“ Gesellschaft der Niederlande beeindruckt zu haben. Offenbar bestärkte gerade die Tatsache, dass die Nation im Süden als Konkurrent oder gar Feind empfunden wurde, das Bedürfnis, sich mit den dortigen Moden auseinanderzusetzen.1227 Beschleunigt wurden solche Vorgänge durch die Bestrebungen klassizistisch geprägter Kunstliebhaber wie Jan de Bisschop oder der aus Lüttich stammende Gerard de Lairesse, die sich durch eine theoretisch fundierte Kanonisierung und Akademisierung um eine stärkere internationale Wahrnehmung der zum Teil geradezu als provinziell empfundenen Kunst der nördlichen Provinzen bemühten.1228 Ein diese eklektizistischen Tendenzen verstärkender Faktor mag das Prinzip der Nachahmung gewesen sein, das vor allem durch die Vermittlung Samuel van Hoogstratens, wie im Zusammenhang mit Jan Steens Paraphrase der Schule von Athen [Abb. 221] kurz angesprochen, in der Kunsttheorie der Zeit eine nicht unbedeutende Rolle spielte.1229 Hoogstratens 1678 veröffentlichte Überlegungen bezogen sich zwar vor allem auf Allegorien und Historien, allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass auch andere Künstler seine „Nachahmungslehre“1230 – nicht unbedingt bewusst, sondern vielleicht eher reflexhaft, als intuitive Reaktion auf eine Zeitströmung – als Legitimation der im Grunde schon immer gängigen Methode verstanden haben, sich bei der Komposition ihrer Szenen an renommierten Vorbildern zu orientieren. Die Vorliebe der Sammler für die Meister des „Goldenen Zeitalters“ führte sicher mit dazu, dass diese Rückgriffe immer häufiger wurden. Besonders gut zu sehen ist dies am Beispiel von Jans Bruder Willem van Mieris (1662–1747), der als Leidener sozusagen prädestiniert war, klassizistisch verbrämte Versionen der Werke seines berühmten Vaters und des noch berühmteren Gerrit Dou zu schaffen.1231 Diese Art der Nachahmung wurde, sofern sie entsprechend geschickt gemacht war, 1224

Israel 1995, S. 881 ff.; Franits 2004, S. 220 ff.; Aono 2006, S. 226; Hecht 2006/2007, S. 14. Welche Auswirkungen die „vererging van de tijden“ auf die Künstler hatte, wurde schon im 18. Jh. thematisiert. Wouters 1992, S. 188, zitiert dazu die Äußerung des Sekretärs der Antwerpener St. Lukasgilde aus dem Jahr 1738. Auch North 2006/2007, S. 91 ff., führt aus, dass die Zeitgenossen die vor allem den Mittelstand treffenden ökonomischen Veränderungen als negativ wahrnahmen – was zweifellos auch Einfluss auf Kunstkäufe hatte. Schon van Gool 1750, Bd. I, S. 414 und 423, beschwert sich über die in mageren Zeiten geizigen Sammler (zitiert bei de Vries 1990, S. 91). 1225 North 2006/2007, S. 95 f. 1226 Hecht, S. 17 f.; Weber 2006, S. 52 ff. 1227 Gaehtgens 2006, S. 206 ff., S. 213 f. erörtert sie den im Rahmen der politischen Differenzen geführten propagandistischen „Krieg der Bilder“, der „zu einer Auseinandersetzung mit der französischen Kultur herausforderte“ und in dem sich „das Bewusstsein für neue, ‚geadelte‘ Darstellungsformen bekannter Bildmuster“ zeigt (Zitat S. 214). Van Gool 1750, Bd. I, S. 69, spricht von „hedendaegsche Fransche Modens“. Vgl. de Vries 1990, S. 91. 1228 Mai 2006/2007, S. 37 ff.; Weber 2006/2007, S. 54. Einen interessanten Einblick in die geschmacklichen Vorlieben der Käufer in der 1. Hälfte des 18. Jh.s bietet auch: Korthals Altes 2000/2001, bes. S. 268 ff. bzw. 283 ff. 1229 Czech 2006, S. 106 ff.; Weststeijn 2009, S. 127 ff. 1230 Czech 2006, S. 108. 1231 Aono 2006, S. 227 ff. Eine etwas differenziertere Form des Eklektizismus praktizierte der stilistisch und motivisch deutlich wendigere Eglon van der Neer (um 1635/1636–1703). Vgl. Schavemaker 2006, S. 247 ff.

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sicher nicht als plumpes Kopieren verstanden, sondern eher als ehrenvolle Reverenz an den ruhmreichen Vorgänger. Aber letztendlich blieben die meisten dieser Bilder trotz mancher Variation und Anpassung an den Zeitgeschmack, etwa im Kolorit oder der antikischen Figurenbildung, nichts anderes als „Aufgüsse“ der großen Vorbilder. Der komplexe allegorische Überbau der Darstellungen tritt merklich in den Hintergrund. Für die Schul- und Unterrichtsbilder ist das an den im vorangehenden Kapitel beschriebenen Adaptionen des von Jan Steen in der Tradition Adriaen van Ostades inszenierten und durch andere Künstler weiterentwickelten Themas des Verspotteten Schulmeisters besonders gut zu sehen. Drei weitere, sich nur minimal voneinander unterscheidende Varianten dieser Szenen [Abb. 242]1232 sind möglicherweise Hendrick de Valk (1674–1709/1719) zuzuschreiben. Valks Schaffenszeit wird in den Jahren zwischen 1689 und 1709 (oder 1719) angesetzt, er war Schüler Richard Brakenburghs und ab 1693 Mitglied der Haarlemer Künstlergilde. Ist die Zuschreibung korrekt – was zwar plausibel ist, aber ohne weitere dokumentarische Grundlage nicht als sicher angesehen werden kann –, sind die beiden Arbeiten um die Jahrhundertwende bzw. im ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts entstanden. Die Ausrichtung des Schulzimmers ist eine andere als bei den meisten Vorbildern, der Lehrer sitzt links. Hinter ihm öffnet sich ein großes Fenster, ein weiteres befindet sich an der gegenüberliegenden Wand. Von letzterem ist auf den bei Christie’s und Sotheby’s angebotenen Bildern mehr zu sehen, was den einzigen nennenswerten kompositorischen Unterschied zwischen den Bildern darstellt. Zwei parallel zum Vordergrund ausgerichtete lange Tische dominieren jeweils den Raum und lassen die Einrichtung vergleichsweise organisiert wirken. Der Schulmeister sitzt mit grimmigem Gesichtsausdruck, die plak einsatzbereit in der rechten Hand, scheinbar wachsam vorgebeugt an seinem Pult. Seine Brille auf der Nase soll ihm wohl helfen, Streiche und Ungezogenheiten der Schülerschaft zu erkennen. Doch damit ist es nicht weit her. Dass er den grimassierenden Bengel hinter ihm nicht bemerkt, ist noch nachvollziehbar. Doch auch direkt vor ihm benehmen sich Schüler ungebührlich, ohne dass der Mann eingreift. Auf dem vorderen Tisch sitzt ein Kind auf der Tischplatte, die Bank benutzt es als Fußschemel. Ein anderes ist gerade dabei, ebenfalls hinaufzuklettern. Im Hintergrund prügeln sich Kinder, in diesem Fall allerdings im Sitzen. Die Komposition wirkt im Vergleich zu den Bildern Steens und auch Brakenburghs statisch, die Figuren hölzern. Die den Lehrer verspottenden Kinder haben puppenartig-starre Gesichter, von der variantenreichen Mimik der früheren Szenen ist nichts mehr zu spüren. Beispielhaft für diese wenig inspirierte Vorgehensweise sind auch manche Werke des Antwerpeners Jan Josef Horemans d. Ä. (1682–1759), die sich ebenfalls retrospektiv an der Genremalerei des 17. Jahrhunderts orientieren.1233 Eine seiner wohl frühen Schulszenen [Abb. 243]1234 erinnert kompositorisch am ehesten an die Schulzimmer Egbert van Heemskercks [Abb. 187–190], auch wenn ein Kontakt zu dem Haarlemer nicht nachweisbar ist. Wie bei Heemskerck steht das Pult des Lehrers rechts, die Holzverkleidung, die sich bei van Heemskerck vor allem auf den Bereich hinter dem Lehrer beschränkt, ist hier auf den ganzen Raum ausgedehnt – wodurch dieser recht dunkel wirkt, denn es gibt kein Fenster. Gegenüber vom Lehrer ist zwar ein Türrahmen zu erkennen, dadurch fällt jedoch kaum Licht. Die Öffnung wäre kaum als solche erkennbar, würde sie nicht von einem offensichtlich vor dem Schulmeister flüchtenden Jungen im Laufschritt angestrebt. Der Schüler, in einen auffällig blauen Rock gekleidet, blickt den Betrachter grinsend an. Aber worüber lacht er? Schließlich ist der Lehrer – von dem rot leuchtenden Hut mit Fellbesatz, den auch Gerrit Dous Florentiner Schulmeister [Abb. 75] trägt, einmal abgesehen – angemessen gekleidet, auch wirkt er weder übermäßig streng noch nachlässig. Auch der eine Rute erhebende Schüler neben dem Pult, offenbar der Adlatus des Schulmeisters, wirkt wenig bedrohlich. 1232

Hendrick de Valk (?):Der verspottete Schulmeister, 1690er Jahre (?), Eichenholz, 56.8 x 67.0 cm, Verbleib unbekannt (Christie’s London, 02.11.2005, Lot 34), RKD-Nr. 196880 [Abb. 242]/Der verspottete Schulmeister, 1690er Jahre (?), Leinwand, 42.0 x 54.0 cm, Verbleib unbekannt (Neumeister München, 27.06.2001, Lot 617a)/Der verspottete Schulmeister, 1690er Jahre (?), Eichenholz, 51.5 x 63.0 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby’s Amsterdam, 10.11.1998, Lot 4), RKD-Nr. 55439 (Durantini 1983, S. 164, Abb. 83). 1233 Zur Vita siehe Wouter 1992, S. 193 ff.; Raupp 1996, S. 128. 1234 Jan Josef Horemans d. Ä. (?): Schulszene, um 1700 (?), Leinwand, 50.0 x 59.0 cm, Verbleib unbekannt (Hampel Kunstauktionen München, 04.12.2009, Lot 336).

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Die Geste des Lehrers deutet ein „Komm zurück!“ an, auf das der Knabe nicht reagiert. Der Mann hat also die Kontrolle verloren – doch anders als in früheren Darstellungen spiegelt sich dieser Autoritätsverlust im Benehmen der anderen, ebenfalls ordentlich gekleideten Kinder kaum wider, denn ihre Aufmerksamkeit richtet sich weiterhin auf den Lehrer, sie bleiben ruhig, auch wenn ihre Blicke und zeigenden Gesten eine gewisse Aufregung erkennen lassen. Auch die im Vordergrund verstreuten Papiere, wohl die Utensilien des flüchtenden Schülers, erwecken kaum den Eindruck von allumfassendem Chaos, der auf anderen Bilder andeutet, dass der Lehrer nicht in der Lage oder auch nicht willens ist, für Disziplin und Ordnung zu sorgen. Zu der vergleichsweise ruhig wirkenden Atmosphäre trägt auch die tonige Farbgebung bei, von der sich nur der blaue Rock, der rote Hut des Lehrers und einige weiße Krägen und Blätter sowie die Gesichter der Dargestellten abheben. Und wie bei Tilborgh [Abb. 201] hängt auch in diesem Klassenzimmer – in diesem Fall über der Tür und entsprechend für den Betrachter nicht so leicht erkennbar – eine Madonnendarstellung. Man hat den Eindruck, als habe Horemans eine komisch-turbulente Szene schaffen, zugleich aber vermeiden wollen, das decorum konsequent als verkommen und die Protagonisten eindeutig als lächerlich zu charakterisieren – eben weil diese Art der Darstellung aus der Mode gekommen war.1235 Ganz ähnlich ist es bei einer weiteren Schulszene zu beobachten [Abb. 244],1236 auf der der Lehrer zwar offensichtlich beschäftigt ist, die quirlig wirkenden Kinder unter Kontrolle zu halten, das Ambiente dieser Schule wirkt aber freundlich und – durch die von einer Kerze beleuchtete Madonnenstatuette mit Blumenschmuck über der Tür – sogar angemessen fromm. Wie bei anderen Künstlern der Zeit, deren Szenen [etwa Abb. 204] ähnlich unstimmig oder unentschieden wirken, erfreute der Betrachter sich vermutlich in erster Linie an dem insgesamt fröhlich wirkenden Treiben in der fast schon liebevoll ausgestatteten Schulstube. Wenn man sich vor Augen hält, was für Inszenierungen Gerard de Lairesse Malern von Alltagsszenen empfiehlt, damit ihre Werke in der Darstellung der Affekte „die gleichen Weihen wie die nach antikem Vorbild geschulte Historienmalerei“1237 empfangen, ahnt man, warum die derbspaßhaften Bilder Pieter de Bloots oder Jan Steens im 18. Jahrhundert kaum gleichwertige Nachfolge finden: Darstellungen von Mädchen beim Kaffeekränzchen oder das Missgeschick eines Kindes, das aus Versehen neu erworbene Gipsabgüsse seines Vaters zerstört hat und nun bei der Mutter Schutz vor dem Zorn des Alten sucht,1238 wirken im Vergleich zu den teils regelrecht dramatischen Schulszenen des vergangenen Jahrhunderts entweder harmlos oder stark konstruiert. Um solche Begebenheiten in psychologisch dichte Darstellungen wie etwa Molenaers Kasseler Gemälde [Abb. 110], die Berliner Prügelszene [Abb. 192] oder Steens Gestrengen Schulmeister [Abb. 213] zu übersetzen, bedarf es zudem künstlerischer Raffinesse, wie sie im 18. Jahrhundert nur noch selten zu finden ist. Bei Horemans späteren Schulszenen, die von denen seines Sohnes (1714–1792)1239 [Abb. 2451240] aufgrund der Zusammenarbeit in den Jahren ab etwa 1740 bis 1759 kaum zu unterscheiden sind,1241 handelt es sich um gefällige Arbeiten, in denen die Schüler sich meist friedlich verhal1235

Diese Unentschiedenheit ist auch bei zwei anderen um 1710–1730 entstandenen Werken Horemans d. Ä. in der Sammlung SØR Rusche festzustellen: Der Besuch des Pilgers, Leinwand, 48.0 x 58.5 cm bzw. Fröhliche Gesellschaft im Wirtshaus, Leinwand, 50.5 x 60.0 cm; Raupp 1996, S. 128 ff., Kat.-Nr. 30 und 31, jeweils mit Abb. Auf letzterem ist an der Wand ebenfalls eine religiöse Darstellung zu sehen, die hier – wie auch bei dem in Kapitel VII.3 besprochenen Bild Gillis van Tilborghs [Abb. 201] – ebenfalls im Kontrast zum Benehmen der Dargestellten steht. 1236 Jan Josef Horemans d. Ä. (?): Schulszene, nach 1740 (?), Eichenholz, 49.6 x 57.2 cm, Verbleib unbekannt (Christie’s New York, Auktion 1776, 06.04.2006, Lot 316), RKD-Nr. 188969. 1237 Weber 2006/2007, S. 56. 1238 De Lairesse 1712, Bd. III, S. 183 f.; die Ausgabe von 1740 zitiert bei: Weber 2006/2007, S. 56 f. 1239 Zur Vita siehe Raupp 1996, S. 136. 1240 Jan Josef Horemans d. J. (?): Der Schulmeister bekommt Eier von seinen Schülern, nach 1740 (?), Holz, 37.0 x 30.5 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby’s Amsterdam, 14.11.1995, Lot 69), RKD-Nr. 6710. 1241 So gleicht z. B. der Aufbau des eben beschriebenen Bildes [Abb. 244] bzw. der Raum, in dem die Szene stattfindet einer in Raupp 1996, S. 136–139 (mit Abb. auf S. 137) dem jüngeren Horemans zugeschriebenen Arbeit: Jan Josef Horemans d. J.: Der Arzt als Teufel, 1752, Öl/Leinwand, 49.6 x 58.0 cm, Sammlung SØR Rusche. Die Malweise der Schulszene jedoch scheint feiner, die Farbtöne sind deutlich heller und wirken pastellartig. Vgl. auch: Wouter 1992, S. 202 ff. Zwar ergibt sich laut Raupp 1996, S. 182, Anm. 2, eine Unterscheidungsmöglichkeit durch die firnisbedingt dunkleren Töne der Arbeiten des Älteren. Dieses Kriterium dürfte aber für die Periode der Zusammenarbeit nicht anwendbar sein, da davon auszugehen ist, dass beide dieselben Farben benutzten.

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ten.1242 Die durch ironische Exempla belehrende, amüsante Konzeption der Darstellungen ist zugunsten einer braven Beschreibung aufgegeben worden. Sicher hat auch die Aufklärung, die das eigentümliche Wesen des Kindes in den Mittelpunkt der Erziehung stellt, dazu beigetragen, dass die Ansichten zu Bildung und Unterricht deutlich weniger polarisierend formuliert wurden als noch im 17. Jahrhundert. Die Formulierung der oben erwähnten Preisfrage der Niederländischen Gesellschaft der Wissenschaften aus dem Jahr 1763 macht deutlich, in welchem Maße der Schwerpunkt der Diskussion auf dem persönlichen Glück des Kindes liegt,1243 wohingegen die in den früheren didaktischen Texten stets präsente Zucht und Gottesfurcht in den Hintergrund getreten sind.

1242

Jan Josef Horemans d. Ä. (?): Lehrer mit sechs Schülern, 1. Hälfte 18. Jh., Feder und Pinsel in Tusche, Rötel, 36.5 x 28.0 cm, Verbleib unbekannt (Phillips London, 04.12.1996, Lot 486), RKD-Nr. 31592. Jan Josef Horemans d. J. (?): Lehrerin mit sechs Schülern und Lehrer mit sechs Schülern, nach 1740 (?), Eichenholz, je 38.0 x 31.5 cm, Verbleib unbekannt (Dorotheum Wien, 19.06.1979, Lot 66 und 65), RKD-Nr. 12501 und 12770. Die Szene mit dem Lehrer ist die gemalte Umsetzung der in der Dokumentation des RKD dem Vater zugeschriebenen Zeichnung (RKD-Nr. 31592). 1243 „Hoe moet men het Verstand en het Hart van het Kind bestieren, om het […] een nuttig en gelukkig mensch te doen worden?“; Frijhoff 1983, S. 13.

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X. RESÜMEE Tatsächlich also steht, wie im vorangegangenen Kapitel zusammenfassend herausgearbeitet, die ikonographische Entwicklung der Unterrichtsdarstellungen mit der Entwicklung des niederländischen Schulsystems nur indirekt in Zusammenhang. Natürlich bewirkte der Ausbau des Schulwesens, dass die Diskussion über das Thema von einer immer größeren Öffentlichkeit in den verschiedensten Medien geführt wurde, so dass auch die Nachfrage nach bildlichen Darstellungen wuchs. Viel mehr als die Form des Unterrichts oder die vermittelten Inhalte, die zumeist nur schmückendes oder die Aussage des Bildes schwerpunktmäßig gewichtendes Beiwerk sind, interessierten Künstler und Publikum jedoch das Wesen des Kindes und die Frage, wie dieses am besten zu erziehen sei. Der Betrachter sollte folglich mehr in diesen Bildern sehen als den Schullalltag. Er sollte erkennen, warum es dort so zugeht, und zugleich beurteilen können, ob das Gezeigte lobenswert oder abzulehnen ist. Letztlich sind es ganz allgemein die verschiedensten Erziehungsformen, die in den bildlichen Darstellungen demonstriert und diskutiert werden. Gerrit Dous Triptychon Natur, Unterweisung, Übung ist hierfür ein überzeugendes Beispiel, aber auch die zahlreichen Bilder, in denen die Bereiche private und schulische Erziehung ineinandergreifen. Die Schule bildet im Grunde – wie die häusliche Umgebung in anderen Fällen – nur den Rahmen, der je nach Bedarf gestaltet werden konnte. So „renoviert“ Adriaen van Ostade seine zunächst verlotterten Dorfschulen, als der Publiku*msgeschmack nach gefälligeren Bildern verlangt, und Quiringh van Brekelenkam scheint mit dem „Wanderschulmeister“ sogar eine Unterrichtsart zu erfinden, die in den zeitgenössischen Quellen nicht nachgewiesen werden kann. Jan Miense Molenaer lässt eine herausgeputzte Patrizierfamilie in den anarchischen Trubel einer öffentlichen Schule marschieren, obwohl Leute dieses Standes ihren Kindern exklusiven Privatunterricht erteilen ließen. Wie wenig sich die Künstler an der Realität orientierten, beweisen auch die aufgezeigten motivischen Parallelen zwischen Darstellungen ganz unterschiedlichen Inhalts. Ging es um neue Bildideen, war also nicht das Geschehen in den realen Schulstuben die wichtigste Inspirationsquelle, vielmehr waren das die Arbeiten von Kollegen. Überzeugend und lebensnah sind die meisten der Darstellungen allerdings, wenn es darum geht, die im Mittelpunkt stehenden Schüler zu charakterisieren. So sehr die Unmittelbarkeit der Einblicke in die kindliche Lebenswelt des 17. Jahrhunderts den modernen Betrachter faszinieren mag, so sehr er sich an den niedlichen Gestalten, ihren harmlosen Späßen oder ihrem ernsthaften Fleiß erfreut, so sehr ihn ihre Furcht im Angesicht strenger Erziehungsmethoden berühren mag: Diese emotionale Betrachtungsweise wird den Bildern nicht gerecht. Das Vorhandensein eines Kindes bedeutet in den Darstellungen des 16. und 17. Jahrhunderts immer in erster Linie einen Kommentar zum Wesen des Erwachsenen – und das gilt für Unterrichtsszenen, in denen Erwachsene Kinder gewissermaßen zum geistigen und moralischen Ebenbild erziehen, natürlich ganz besonders. Das Kind ist, selbst als alleiniger Bildgegenstand, nicht das eigentliche Thema, auch wenn seine Eigenarten häufig mit außergewöhnlichem Einfühlungsvermögen liebevoll nachempfunden sind. Vielmehr geht es, wie die Untersuchung gezeigt hat, um von den Erwachsenen ausgeübte, korrekte bzw. falsche Erziehungsformen, die im Verhalten der Kinder gespiegelt sind. Gemäß dem Sprichwort: De gelerde sone is en ere, de ungelerde ein schande den olderen [sic]1244, lässt sich die Pflichterfüllung der Eltern am Verhalten ihrer Kinder messen. Nur eine sorgfältige Erziehung garantierte in wechselvollen Zeiten das Aufwachsen anständiger Erwachsener und damit eine funktionierende Gesellschaft – und dies wird durch die unterschiedlichsten Darstellungen ein ums andere Mal thematisiert. Wie andere Genreszenen sind die Bilder eine Art Echo auf die sich verändernden religiösen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten im Land. Die Darstellungen geben – ähnlich wie Predigten oder moralisierende Texte – Antworten auf die in Folge dieser Umwälzungen und der daraus entstehenden Unsicherheiten aufgeworfenen Fragen, welcher Glaube, welches soziale Verhalten gottgefällig und sittlich korrekt sei. Für die exemplarische Darlegung dieser Themenkomplexe bietet das Kinderleben natürlich besondere Anknüpfungspunkte. Auf der symbolischen 1244

Durantini 1983, S. 47. Dieser und ähnliche Sinnsprüche finden sich in großer Zahl bei: Singer 1998, Bd. VII, S. 17 f. (der hier zitierte als Nr. 94 auf S. 18).

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Ebene konnte die Züchtigung ungezogener Kinder als Parallele zur Bestrafung des sündigen Menschen durch Gott verstanden werden, der Schulraum als „Mikrokosmos“, in dem sich die Ereignisse der Welt im Kleinen spiegeln.1245 Die Kluft zwischen Theorie und Wirklichkeit von Unterricht und Erziehung war, wie die Quellen zeigen, vor allem im 16. und beginnenden 17. Jahrhundert im Einzelnen noch groß. Dass die folgsamen Patrizierkinder, die sich in gut ausgestatteten Studierzimmern um einen gütigen Gelehrten versammeln, ein Idealbild sind, steht außer Frage. Die ungebärdigen Flegel, die ihrem unfähigen Lehrer auf der Nase herumtanzen, bilden dazu den ebenfalls überzeichneten Gegenpart. Sicher hat es beide Extreme gegeben, doch die Realität lag im 17. Jahrhundert, als es vielerorts bereits ein gut funktionierendes Unterrichtswesen gab, meist irgendwo dazwischen. Die didaktisch zugespitzten Darstellungen versinnbildlichen die Pole „richtig – tugendhaft – Erfolg versprechend“ und „falsch – verdorben – fruchtlos“, zwischen denen sich der Unterricht in Wirklichkeit abgespielt hat. Lyckle de Vries vergleicht die Genrestücke treffend mit heutigen Fernsehserien:1246 Auch darin wird aus realen Motiven eine bestimmte, die „Botschaft“ der Sendungen vermittelnde Wirklichkeit gestaltet, die – obschon die für die bildlichen Darstellungen so wichtige moralisch-belehrende Komponente im Grunde keine Rolle mehr spielt – als Kommentar zur Lebensrealität der Zuschauer verstanden werden kann.1247 Bildet die Serie, wie beispielsweise die „Lindenstraße“, ein Milieu ab, das mit der Lebenswelt des Publiku*ms viel gemein zu haben scheint, kann das Geschehen – wie bei den positiven Unterrichtsdarstellungen – ihr Verhalten bestätigen, wogegen satirische Sendungen wie „Stromberg“ ähnlich wie die die Schulsituation karikierenden Bilder den Zuschauern ermöglichen, sich amüsiert davon abzusetzen, aber das Gezeigte auch kritisch zu reflektieren. Nicht nur im deutschen Fernsehen, das auch zahlreiche vor allem amerikanische Produktionen zeigt, sind – die auch bei uns gängige Bezeichnung „Sitcom“ deutet es an – letztere eindeutig in der Überzahl. Es liegt nahe, dass bei diesen Formaten der Unterhaltungswert im Vordergrund steht und die komischen Sendungen entsprechend besonders beliebt sind. Wie ist das bei den Schulbildern? 128 der besprochenen Werke sind niederländische Unterrichtsdarstellungen des 16. und 17. Jahrhunderts im eigentlichen Sinne, das heißt, sie zeigen mindestens ein Kind und einen dieses unterweisenden Erwachsenen.1248 46 davon stellen eine positiv zu bewertende und entsprechend vergleichsweise neutral beschriebene Situation dar, 72 dagegen eine chaotische Schule, über die der Betrachter schmunzeln kann, die ihn aber auch zum Nachdenken bringen soll.1249 Das deutet darauf hin, dass die Niederländer ebenfalls in erster Linie den Unterhaltungscharakter der Bilder goutierten, was unter anderem am Beispiel Jan Steens gut nachvollziehbar ist. Obschon natürlich auch die satirischen Darstellungen belehrend gemeint sind, argumentieren sie weniger ausgewogen als die das Ideal abbildenden Szenen, sondern überzeichnen die Lage meist auf eine Art und Weise, die auch heute noch Spaß macht. Es liegt nahe, dass es vor allem Stereotypen von ländlich-ärmlichen Schulen sind, welche die idealen Unterrichtsformen karikieren. Die historische Realität allerdings sieht anders aus, da die Notwendigkeit der Schulung von Waisen, von Kindern armer Leute und der Landbevölkerung im späten 16. und während des 17. Jahrhunderts allgemein befürwortet und weitgehend realisiert wurde. So nimmt sich die Kunst die sicher auch ökonomisch motivierte Freiheit, das zu der Zeit ernsthaft diskutierte Politikum Bildung und Erziehung um des populären Amüsem*nts willen zu verzerren oder auf die Spitze zu treiben. Während es den qualitätvollen Arbeiten gelingt, das Thema scherzhaft und zugleich intellektuell anspruchsvoll zu behandeln, bewirkt die wenig gekonnte Darstellung des abschreckenden und zugleich komischen Extrems bei den zahlreichen mittelmäßigen Beispielen eine Trivialisierung der Motivik. Andreas Gruschka, dessen Thesen von einer antiautoritären Erziehungsauffassung geprägt sind, erkennt in den Szenen, in denen die Lehrer dem ungezogenen Treiben ihrer Schüler machtlos oder sogar gleichgültig gegenüberstehen, das pädagogische „Prinzip der Selbstregulation“, das seiner Ansicht nach „gar nicht so erfolglos zu wirken“ scheint. Diesen Erfolg misst er an der „Mehrheit der an den Aufgaben sitzenden bzw. friedlich miteinander umgehenden Kinder“ in der Kasseler Schulszene Jan Molenaers [Abb. 110]. Lernende Kinder sind auf diesem Bild allerdings ledig1245

Durantini 1983, S. 129 f.; Raupp 1996, S. 15. De Vries 2006, S. 138. 1247 Holzer 1999, bes. S. 34. 1248 Nicht oder kaum veränderte Versionen eines Bildes [etwa Abb. 58, 62 oder 207] wurden hierbei nicht gezählt. 1249 Zehn der Bilder sind hinsichtlich dieser Frage nicht eindeutig zu klassifizieren, etwa Abb. 81 oder 138. 1246

230

lich in der Mädchenklasse im Hintergrund erkennbar – und das auch nur mit viel gutem Willen, da von den Schülerinnen nur die Köpfe zu sehen sind. Der „friedliche“ Umgang im Vordergrund beschränkt sich auf Spielen und Schwatzen, gearbeitet wird nicht.1250 Selbst wenn die Zeitgenossen die Schule, wie Gruschka meint, tatsächlich als „Soziallabor“1251 empfunden hätten und die Maler wirklich beschreiben, was dort geschieht, tun sie das nicht in erster Linie aus Freude am Erzählen, auch sind die Bilder nicht primär als Kritik an der Qualität des Unterrichts formuliert, etwa in der Art, dass in so düsteren Räumen kein erfolgreiches Lernen möglich sei. Zwar beinhalten die Schilderungen häufig eine wertende Beurteilung bestimmter sozialer Zustände, Geisteshaltungen oder menschlicher Verfehlungen allgemein, diese richten sich aber nicht gegen die Schule als Ort der Wissensvermittlung. Was deren Zustand für die Güte der vermittelten Erziehung beziehungsweise für die Kinder und somit für die Gesellschaft bedeutete, erschloss sich dem Betrachter aufgrund seines anerzogenen Wissens über Bildung und Moral. Auch wenn es verlockend sein mag, Gruschkas Gedanken zu folgen und den ja auch in anderen Punkten als – vom heutigen Standpunkt aus – fortschrittlich geltenden Niederländern eine autoritätskritische, liberale Haltung zuzubilligen, kann die Analyse der Bilder nicht auf Sympathie für bestimmte Geisteshaltungen beruhen. Es ist vielmehr geboten, sich an schriftliche Überlieferungen zu halten, auch wenn diese nicht immer repräsentativ sind. Die pädagogischen Texte der Zeit deuten das Verhalten der „wilden Kinder“ nicht als „gesunden Widerstand, den jede nachwachsende Generation gegen eine Behandlung zeigen wird, die nicht ihren Bedürfnissen entspricht.“1252 Diese Bedürfnisse wurden nicht von sozialen Individuen bestimmt, sondern von Kirche und Staat. Vermittelt wurden sie durch Predigten, Erbauungsliteratur und didaktisches Bildmaterial – Quellen, die aufgrund ihrer Präsenz im Bewusstsein der Zeitgenossen für die Analyse der Bilder unverzichtbar sind. Es ist undenkbar, dass von diesen Vorstellungen geprägte Eltern die Notwendigkeit der Vermittlung von Disziplin und Moral durch die Schule in Frage gestellt hätten. Dass über die Methoden der Vermittlung sehr wohl gestritten wurde, ist klar geworden. Das übergeordnete Ziel jedoch, Zucht und Ordnung, stand niemals zur Diskussion. Auf vielen der idealen Bilder, etwa den Unterrichtsdarstellungen Jacques de Gheyns II., wird Strafe überhaupt nicht thematisiert, und auch auf den Arbeiten seines ebenfalls in Leiden tätigen Kollegen Gerrit Dou ist die plak eher ein Symbol für die bei der Kindererziehung nötige Strenge, als dass sie tatsächlich zum Einsatz käme. In den von Zeitgenossen mit Ferkelkoben verglichenen Dorfschulen dagegen wird die körperliche Zucht entweder nicht angewendet, weil der Lehrer unfähig ist, oder sie kommt – aus eben diesem Grund – so exzessiv zum Einsatz, dass man es mit der Angst zu tun bekommt. Dennoch ist Gruschkas Folgerung nicht falsch: „Die Holländer ironisierten eine Institution, deren Notwendigkeit und Sinn sie propagierten.“1253 Die ironische Distanz besteht jedoch nicht gegenüber der Institution Schule, sondern zu den von den Künstlern inszenierten inkompetenten Lehrern und minderbemittelten Schülern in verlotterten Klassenräumen – unabhängig davon, ob es sie in dieser Form wirklich gab. Die Bilder illustrieren keine Zweifel an der Notwendigkeit des Unterrichts, sie kritisieren vielmehr die falsche Form von Erziehung, die keine Grundlage für ein gutes Gemeinwesen bildet. Da es sich um Fiktion handelt, konnte über das Ärgernis gelacht und gespottet werden. Die Botschaft: „So nicht!“ wurde jedoch allgemein verstanden und gutgeheißen. Nach und nach aber lösen sich die Darstellungen von dieser didaktischen Funktion. Pieter Bruegels motivische Initialzündung, Der Esel in der Schule, ist noch regelrecht überladen mit Verweisen, Mahnungen und Witzen zu inadäquaten Bildungsbemühungen. Diese von Bruegel geprägten Motive sind, das zeigen unter anderem die um respektive im Jahr 1634 entstandenen Schuldarstellungen Jan Molenaers, Adriaen van Ostades und Pieter de Bloots, auch Jahrzehnte später noch gängig. Nach der Mitte des 17. Jahrhunderts jedoch nimmt der komplexe Bedeutungsgehalt der Szenen ab. Gerard ter Borchs Hundeflöher oder Adriaen van Ostades nach 1656 entstandene Unterrichtsszenen legen den Schwerpunkt auf den atmosphärischen Gehalt ihrer beruhigt wirkenden Darstellungen. Anhand der außergewöhnlich langen und fruchtbaren Schaffenszeit Adriaen van Ostades lässt sich zudem nachvollziehen, wie sich das Personal der Schulszenen vor dem Hintergrund dieser Entwick1250

Gruschka 2005, S. 20. Gruschka 2005, S. 25. 1252 Gruschka 2005, S. 25. 1253 Gruschka 2005, S. 58. 1251

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lung verändert: Die verwachsenen Bauernlümmel werden zu aufrechten Kindern, denen man ihre einfache Herkunft zwar noch ansieht – die veränderte Atmosphäre macht aber klar, dass diese Herkunft nicht mehr gleichbedeutend ist mit vorprogrammiertem (schulischem) Versagen. Bei Quiringh van Brekelenkam lässt sich etwa zur selben Zeit eine gewissermaßen gegenläufige Wendung feststellen. Nach mit den entsprechenden Darstellungen Gerrit Dous vergleichbaren, im Umfeld des wohlhabenden Bürgertums lokalisierten Szenen spezialisiert er sich auf Darstellungen des ländlichen Milieus. Indem sie jeweils die schulischen Bestrebungen schlichter, aber rechtschaffener Menschen zeigen, sind die Arbeiten van Ostades und van Brekelenkams inhaltlich vergleichbar: Bildlich gesprochen führen sie, analog zu Erasmus, ihre Protagonisten „uit de modder der onwetendheid“. Ernstzunehmende Nachfolger allerdings finden diese vergleichsweise wenigen Beispiele nicht, und so ist die modern anmutende Haltung gegenüber den „Bildungschancen“ der ärmeren Schichten sicher nicht auf einen Sinneswandel der wohlhandenden und gebildeten Käuferschaft zurückzuführen, sondern auf deren zeitgemäß veränderten Geschmack. Insgesamt sind es, auch das ist klar geworden, häufig marktstrategische Gesichtspunkte, nach denen die Künstler sich für bestimmte Darstellungsweisen des Themas entscheiden. Neben diesen Unterschieden zwischen den frühen Szenen und den Darstellungen der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts sowie den Alleinstellungsmerkmalen, anhand derer die Künstler ihre Arbeiten von denen der Konkurrenz absetzen, lassen sich auch regionale Differenzen feststellen: Nach Pieter Bruegels Esel in der Schule gibt es nur noch vereinzelt wirklich interessante Schuldarstellungen aus den südlichen Niederlanden. Dazu gehören die Allemode School oder die Affenschulen Pieter van der Borchts und David Teniers’, die deutlich von Brouwer geprägte Bestrafungsszene aus Haarlem sowie ein Beispiel Gillis van Tilborghs [Abb. 201]. Auch die Tobende Schulklasse des zwar im Norden tätigen, aber flämisch beeinflussten Pieter de Bloot könnte man dazu zählen, und nicht zuletzt die teils ebenfalls sehr turbulenten Beispiele Jan Molenaers, der in dieser Hinsicht ebenfalls Brouwer zum Vorbild hatte. Entsprechend ist zu konstatieren, dass der initiative Einfluss von Künstlern aus dem Süden auf die Entwicklung des Bildgegenstandes in der Kunst der nördlichen Niederlande maßgebend war, ohne dass das Thema in der zeitgenössischen Bildproduktion des Südens im 17. Jahrhundert eine bedeutende Rolle spielte. Was die Beispiele mit flämischem Hintergrund – von dem vergleichsweise maßvollen Werk Tilborghs abgesehen – vereint, ist einerseits, dass alle Bilder stark übertrieben, geradezu karikaturhaft sind: Bei Bruegel, van der Borcht und Teniers sind die Protagonisten Tiere, die anderen Beispiele zeigen massive Gewaltanwendung durch den Lehrer und zumindest in drei Fällen totales Chaos. Wobei auch auf den von Tiersatiren inspirierten Bildern der Lehrer einen Schüler übers Knie legt, nur geht es dabei weniger brutal zu. Bei allen anderen Beispielen aus dem Norden wird meist, wenn überhaupt, nur mit dem Pritschholz auf die Hand geschlagen. Angesichts der Tatsache, dass das Schulsystem der Süd-Provinzen zunächst bei weitem nicht so gut ausgebaut war und die Kirche auch im 17. Jahrhundert noch eine wesentlich stärkere Rolle bei der Unterrichtsgestaltung spielte, deren Schwerpunkte also weiterhin auf der Glaubens- und weniger auf der Wissensvermittlung lagen,1254 ist das bemerkenswert. Wie herausgearbeitet wurde, pflegte die geistige Elite des 16. Jahrhunderts eine eben elitäre Haltung gegenüber den Möglichkeiten des Schulunterrichts, insbesondere mit Blick auf die einfachen Gesellschaftsschichten, deren intellektuelles Potential im besten Falle als limitiert angesehen wurde. Die Fortführung der aus dieser Haltung entstandenen Bildtradition deutet darauf hin, dass sich diese Ansicht im Süden deutlich länger gehalten hat als im vergleichsweise „aufgeklärten“ Norden, auch wenn nicht zuletzt die vergleichsweise geringe Anzahl der Beispiele in dieser Frage kein definitives Urteil zulässt. Fest steht allerdings, dass der Spott über vermeintlich unterbelichtete, niedere Gesellschaftsschichten die ikonographische Entwicklung der im Norden entstehenden Bilder tatsächlich mehr geprägt hat als die historische Realität – schließlich ging der Ausbau des Schulsystems, zu dem nach und nach die Menschen aller sozialen Milieus Zugang erhielten, trotz aller Schwierigkeiten in den Niederlanden schneller vonstatten als in anderen Ländern. Davon geben nicht nur die offensichtlich von Pieter Bruegel beeinflussten Bilder der Haarlemer Schule Zeugnis, sondern auch die Szenen Jan Steens, die ohne die durch Jan Molenaer vermittelte, indirekte Wirkung von Bruegel und Brouwer nicht denkbar sind. 1254

So sind für viele dieser Bilder im Schulraum angebrachte religiöse Darstellungen typisch [Abb. 201, 243, 244], die zumeist im Kontrast zum wenig frommen Betragen der Schüler stehen.

232

Unter quantitativen Gesichtspunkten fallen diese Darstellungen allerdings nur wenig ins Gewicht. Denn tatsächlich führt der Weg von dem an Verweisen, Warnungen und Witzen reichen Esel in der Schule letztendlich zu den mehr und mehr gleichförmigen – um nicht zu sagen: gleichgültigen – Wiederholungen der immer gleichen Motivcollagen. Wie gesehen ist für viele Schuldarstellungen des späten 17. Jahrhunderts nicht nur die schon bei van Ostade spürbare inhaltliche Unbestimmtheit charakteristisch, sondern nicht selten auch ein deutlich geringerer künstlerischer Anspruch: Dabei gehen Meister wie Egbert van Heemskerck oder Richard Brakenburgh noch vergleichsweise geschickt vor: Sie übernehmen und kombinieren die verschiedensten Motive der Darstellungen verlotterter Schulen aus vergangenen Jahrzehnten, vor allem von Arbeiten Jan Molenaers und Adriaen van Ostades. Das eine oder andere Detail, etwa der ans Pult gekettete Missetäter van Heemskercks oder Brakenburghs umgeworfener Pisspott, mag neu und witzig sein. Letztendlich aber bieten die meisten der Beispiele kaum mehr als einen Aufguss bekannter Inhalte. Zugleich fehlt ihnen die Eindringlichkeit, die Prägnanz der Darstellungen von Künstlern wie Jan Steen, dem es gelingt, auf der Basis traditioneller Bildmuster eigenständige Ideen in Szene zu setzen. Die weniger virtuosen Künstler schlachten im Grunde weiter das Stereotyp der Dummheit niederer sozialer Schichten aus, für das offensichtlich immer noch eine gewisse Nachfrage bestand, auch wenn sich die Vorlieben der gesellschaftlich besser gestellten Kunstkäufer anders entwickelten. Beim einfacheren Publikum waren die derben Späße über diejenigen, die in der sozialen Ordnung unter ihnen standen, immer noch gefragt. Vom Gros der inhaltlich immer weniger relevanten Szenen heben sich die Unterrichtsdarstellungen Jan Steens als später Höhe- und letztendlich auch Schlusspunkt ab. Vor diesem Hintergrund sind die von Mariët Westermann herausgearbeiteten Parallelen zwischen den Künstlerpersönlichkeiten Jan Steen und Pieter Bruegel besonders interessant: Den Kennern waren die Gemeinsamkeiten zwischen dem vor allem für seine lebhaften Bauernbilder geschätzten „Pier den Drol“ und dem sich bewusst „possenhaft“ inszenierenden Jan Steen wohlvertraut.1255 So wusste man beispielsweise durch Karel van Mander, dass Bruegel sich unter das Landvolk mischte, um die bäuerlichen Eigenarten besonders authentisch wiedergeben zu können.1256 Steen geht einen Schritt weiter und macht sich und seine Familie zu Hauptdarstellern seiner Bilder. Er überträgt Bruegels didaktische Späße aus der bäuerlichen in die städtische Sphäre und sichert so die Modernität seiner Werke. Doch auch wenn das Personal sich geändert hat, die Botschaft der Schulbilder ist dieselbe geblieben: Nur das richtige Lernen führt zum rechtschaffenen Leben. Entsprechend setzt Steen mit seinem Hauptwerk einem Landsmann ein Denkmal, der sich um die Bildung der Niederländer wie kein anderer verdient gemacht hat und dessen Ansichten schon für Bruegels Bild zentral waren. Steens ironische, deswegen jedoch nicht weniger respektvolle Ehrbezeugung gegenüber dem Wirken des Pädagogen Erasmus von Rotterdam schlägt so gewissermaßen einen Bogen von den Anfängen der Entwicklung des niederländischen Schulwesens, als die Notwendigkeit von Bildung durch die intellektuelle Elite diskutiert und durch Graphiken des 16. Jahrhunderts für ein breiteres Publikum zugänglich formuliert wurde, ins 17. Jahrhundert, als das Thema Erziehung praktisch in aller Munde war. Und so ist Steens Auffassung auf den ersten Blick im Gegensatz zu der Bruegels nicht elitär, sondern vielmehr spaßhaft-selbstkritisch. Den nicht weniger intellektuellen Kern des Werkes jedoch enthüllt derjenige, der das für die Erkenntnis notwendige Wissen hat. Wie sein großer Vorgänger setzt Steen mit dem Edinburgher Schulpanorama mehr als 100 Jahre nach dem damals inhaltlich hochaktuellen Esel in der Schule gewissermaßen erneut die Synthese all dessen ins Bild, was seine Zeitgenossen in Sachen Bildung und Erziehung interessierte, verärgerte oder amüsierte, und schafft damit sozusagen ein Bruegel-Update.1257 Doch anders als Bruegel, dessen Stich der motivische Startschuss für unzählige Schulszenen des 17. Jahrhunderts war, bringen die Umstände es mit sich, dass Steens Bild tatsächlich einen fulminanten Schlussstrich unter das „Goldene Zeitalter“ der Darstellungen von Schule und Unterricht setzt. 1255

Westermann 1999, S. 827 ff.; zur Benennung Bruegels: van Mander 1604, fol. 233 r.; zu „potsig“ Steen: Houbraken 1721, Bd. III, S. 12. 1256 Van Mander 1604, fol. 233 r.; Westermann 1999, S. 831 f. 1257 Westermann 1999, S. 834: „By updating Bruegel and van Mander, Steen and Houbraken virtually replicated the making of Bruegels own comic identity.“

233

XI.

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

235

1.

Leonhard Beck: Wie der jung weißkunig die siben freyen kunst in kurzer zeit lernet, 1515, Holzschnitt, Kap. 20 des Weißkunig Bildnachweis: Musper 1956, Bd. I, Taf. 20

2.

Cornelis Dusart: Lesender Mann, um 1690–1700, aquarellierte Kreidezeichnung, 27.1 x 19.0 cm, Rijksprentenkabinet Amsterdam, Inv.-Nr. RP-T-1881-A-103 Bildnachweis: Rijksmuseum Amsterdam

3.

Cornelis Dusart: Mann mit Schreibzeug, um 1685–1690, Mezzotinto, 25.0 x 18.1 cm, Rijksprentenkabinet Amsterdam, Inv.-Nr. RP-P-BI-7367 Bildnachweis: Rijksmuseum Amsterdam

4.

Hans Holbein d. J. (?): Schulszene, Holzschnitt zu Luthers Schreiben An die Radherren aller stedte deutsches lands [...], 1524, erschienen bei Wolfgang Stürmer in Erfurt Bildnachweis: Schiffler/Winkeler 2011, S. 63, Abb. 50

5.

Lucas Cranach d. Ä.: Die Heilige Sippe, um 1509/1510, Holzschnitt, 22.5 x 32.4 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. 1895,0122.248 Bildnachweis: © Trustees of the British Museum

6.

Jan van Scorel (zugeschrieben): Bildnis eines Schülers, 1531, Holz, 46.5 x 35.0 cm, Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam, Inv.-Nr. 1797 Bildnachweis: Schiffler/Winkeler 2011, S. 76, Abb. 65

7.

Unbekannt (nach Jan Steen): Bewahrschule (nicht retuschierte Fassung, vgl. Abb. 238), Ende 17. Jahrhundert (?), Holz, 38.0 x 31.0 cm, Verbleib unbekannt (Christie’s Amsterdam, Auktion 2760, 05.09.2007, Lot 52) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

8a

Hans Holbein d. J.: Schild eines Schulmeisters (Vorderseite), 1516, Holz, 55.5 x 65.5 cm, Kunstmuseum Basel, Inv.-Nr. 310 Bildnachweis: Basel 2006, Abb. S. 160

8b

Ambrosius Holbein: Schild eines Schulmeisters (Rückseite), 1516, Holz, 55.5 x 65.5 cm, Kunstmuseum Basel, Inv.-Nr. 311 Bildnachweis: Basel 2006, Abb. S. 159

9.

Dirk Jacobsz. Vellert: Schulszene, 1526, Holzschnitt, 13.3 x 22.5 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. 1857,0520.7 Bildnachweis: © Trustees of the British Museum

10.

Unbekannt (Jan Martsen d. J. oder Salomon de Bray?): Schulszene, 1. Hälfte 17. Jahrhundert, Federzeichnung, 7.1 x 10.6 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. 1895.9.15.1206 Bildnachweis: © Trustees of the British Museum

11a

Abraham Bosse: Le Maistre d’Escole, um 1635–1638, Radierung, 25.1 x 31.8 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. 1874,0711.2031 Bildnachweis: © Trustees of the British Museum

11b

Abraham Bosse: La Maistresse d’Escole, um 1635–1638, Radierung, 25.5 x 32.4 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. 1877,1013.507 Bildnachweis: © Trustees of the British Museum

12.

Jan Saenredam (nach Hendrick Goltzius): Der Morgen (aus Serie der Vier Tageszeiten), um 1598/1599, Kupferstich, 21.5 x 15.0 cm, British Museum, London, Inv.Nr. 1854,0513.171 Bildnachweis: © Trustees of the British Museum

236

13.

Gerrit Dou: Magd am Fenster, um 1655, Holz, 38.0 x 28.0 cm, Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam, Inv.-Nr. 1186 Bildnachweis: Sonntag 2003, S. 257, Taf. 1

14.

Theodor de Bry: Educatio prima bona sit, Kupferstich aus Jean-Jacques Boissards Vesuntini Emblemata, Frankfurt a. M. 1593, S. 3 Bildnachweis: Durantini 1983, S. 14, Abb. 6

15.

Erhard Schwetzer (?): Mutter mit Kindern, 1541, Holz, 161.0 x 122.0 cm, Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, Inv.-Nr. GM 1604 Bildnachweis: Nürnberg 1997, Abb. S. 477

16.

Jan Miense Molenaer: Die Verspottung der Zwerge, 1646, Leinwand, 108.0 x 129.0 cm, Van Abbemuseum, Eindhoven, Inv.-Nr. 342 Bildnachweis: Philadelphia/Berlin/London 1984, S. 265, Taf. 21

17.

Gerard ter Borch: Junge, seinen Hund flöhend, um 1655, Leinwand/Holz, 35.0 x 27.0 cm, Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Alte Pinakothek, München, Inv.-Nr. 589 Bildnachweis: München 2006, Abb. S. 47

18.

Pieter de Hooch: Mutter mit Kindern, 1668, Leinwand, 65.0 x 55.0 cm, Privatbesitz Bildnachweis: Köln 1993, Abb. S. 135

19.

Joos Lambrecht: Grammatica, 1550, Holzschnitt aus Nédérlandsche spellijnghe […] Tot onderwijs der Ionghers voor haar earste beghin, Rijksuniversiteit Gent – Centrale Bibliotheek, BIB.G.000196 Bildnachweis: Heremans/Vanderhaeghen 1882, Abb. S. 71

20a

Holzschnitt zu Hie lernt der weiß Katho seinen sun, herausgegeben von Hanns Bämler, Augsburg 1492 Bildnachweis: Schreiber/Heitz 1908, S. 26, Taf. 2

20b

Holzschnitt zu Catho cum Glossa, herausgegeben von Conrad Kacheloven, Leipzig 1494 Bildnachweis: Schreiber/Heitz 1908, S. 36, Taf. 25

20c

Holzschnitt zu Liber Faceti per Seb. Brant translatus, herausgegeben von Johann Bergmann von Olpe, Basel 1496 Bildnachweis: Schreiber/Heitz 1908, S. 50, Taf. 57

20d

Holzschnitt zu Donatus Minor, herausgegeben von Friedrich Peypus, Straßburg 1515 Bildnachweis: Schreiber/Heitz 1908, S. 56, Taf. 74

21.

Albrecht Dürer: Der Schulmeister (zu einem Flugblatt mit Versen, hg. von Hieronymus Höltzel), 1510, Holzschnitt, 12.9 x 9.8 cm, Sammlung Otto Schäfer II, Inv.-Nr. D-267 Bildnachweis: Schiffler/Winkeler 2011, S. 55, Abb. 43

22.

Cornelis Cort (nach Frans Floris): Grammatica (aus einer Serie der Sieben Freien Künste), um 1565, Kupferstich, 22.5 x 27.8 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. 1950,0520.406 Bildnachweis: © Trustees of the British Museum

23.

Cornelis Drebbel (nach Hendrick Goltzius): Grammatica (aus einer Serie der Sieben Freien Künste), spätes 16./frühes 17. Jahrhundert, Kupferstich, 12.7 x 14.7 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. 1936,0110.2 Bildnachweis: © Trustees of the British Museum

24.

Kruyt voor de wilde woeste, Holzschnitt aus Roemer Visschers Sinnepoppen, Amsterdam 1614, Teil I, S. 30, Nr. XXX Bildnachweis: Visscher 1614, Teil I, S. 30, Nr. XXX

237

25.

Sebastian Brant (Entwurf): Von einem ungelertenn lernmayster, Holzschnitt aus Petrarcas Von der Artzney bayder Glueck / des guten und widerwertigen, Augsburg 1532, Kap. XL Bildnachweis: Petrarca, 1532, Bd. II, Kap. XL

26.

Albrecht Dürer (?): Von ler der kind, Holzschnitt aus Sebastian Brants Narrenschiff, Basel 1494, Kap. VI Bildnachweis: Brant 1494, Kap. VI

27.

Randminiatur aus Reynaud de Bars Metz Pontifical, um 1300–1316, The Fitzwilliam Museum, Cambridge, MS 298, fol. 76 v. Bildnachweis: Durantini 1983, S. 140, Abb. 71

28.

Illustration eines Stundenbuches aus der Region Meuse, um 1300, British Library, London, MS Stowe 17, fol. 109 r. Bildnachweis: Willemsen 2008, S. 116, Abb. 92

29.

Pieter van der Borcht d. J.: Affenschule, 1597–1608, Radierung, 24.1 x 30.4 cm, Rijksprentenkabinet Amsterdam, Inv.-Nr. RP-P-OB-26.784 Bildnachweis: Rijksmuseum Amsterdam

30.

Unbekannt (nach Pieter van der Borcht d. J.): Affenschule, 1597 oder später, Kupferstich, 22.5 x 28.0 cm, Bibliothèque Nationale de France – Cabinet des Estampes, Paris, Inv.Nr. AA1 Bildnachweis: Mielke 2004, S. 209, Abb. 183/a II

31.

Monogrammist DS: Der Esel als Lehrer der Tiere, 10.0 x 10.0 cm, Holzschnitt aus Jakob Wimpfelings De fide concubinarum, Basel, um 1501–1505, S. 46 (nicht paginiert) Bildnachweis: Schiffler/Winkeler 2011, S. 68, Abb. 55

32.

Unbekannt: Der „Esel“ in der Schule, Holzschnitt zum Kapitel Von Gramatica un loÿca un ir lob un mißbrauch aus Rodericus Zamorensis’ Spiegel des menschlichen Lebens, Augsburg 1488, S. XXXIII Bildnachweis: Reicke 1901, S. 50, Abb. 41

33.

Pieter Bruegel d. Ä.: Der Esel in der Schule, 1556, Pinsel- und Federzeichnung, 23.2 x 30.2 cm, Staatliche Museen zu Berlin – Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. KdZ 11 641 Bildnachweis: Mielke 1996, S. 155, Abb. 32

34.

Pieter van der Heyden (nach Pieter Bruegel): Der Esel in der Schule, 1557, Kupferstich, 23.2 x 29.6 cm, Rijksprentenkabinet Amsterdam, Inv.-Nr. RP-P-1883-A-7221 Bildnachweis: Rijksmuseum Amsterdam

35.

Unbekannt (Hieronymus Bosch?): Bettler und Krüppel, 2. Hälfte 16. Jahrhundert (?), Federzeichnung in Graubraun, 28.5 x 20.8 cm, Graphische Sammlung Albertina, Wien, Inv.-Nr. 7798 Bildnachweis: de Pauw-de Veen 1979, Taf. 59, Abb. 2

36.

Unbekannt (nach Hieronymus Bosch?): Bettler und Krüppel, um 1570–1600, Kupferstich (veröffentlicht bei Hieronymus co*ck), 30.3 x 21.9 cm Bildnachweis: © Trustees of the British Museum

37.

Illustration eines Utrechter Stundenbuches, um 1460, fol. 34 v., Museum Meermanno, Den Haag, Inv.-Nr. 10 F 50 Bildnachweis: Willemsen 2008, S. 62, Abb. 28

38.

Hans Holbein d. J. (?): Prügelszene, 1515, Federzeichnung in Erasmus Lob der Torheit, Exemplar im Kunstmuseum Basel – Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. 1662.166 Bildnachweis: Willemsen 2008, S. 143, Abb. 119

238

39.

Philips Galle (nach Pieter Bruegel d. Ä.): Temperantia (aus Serie der Sieben Tugenden), 1560– 1562, Kupferstich, 22.4 x 29.6 cm, Rijksprentenkabinet Amsterdam, Inv.-Nr. RP-P-OB-7376 Bildnachweis: Rijksmuseum Amsterdam

40.

Pieter van der Borcht d. J. (nach Monogrammist WL?): Allemode School, 1559, Radierung, 31.5 x 43.1 cm, Rijksprentenkabinet Amsterdam, Inv.-Nr. RP-P-OB-26.780 Bildnachweis: Rijksmuseum Amsterdam

41.

Raphael Sadeler d. J.: Schola Christi und Schola Diaboli, Kupferstiche aus Johannes Niess’ Alphabetum Christi – Alphabetum Diaboli, München 1618 Bildnachweis: Alt 1960, Bd. I, S. 326, Abb. 2

42.

Jacques de Gheyn II.: Frau mit kleinem Jungen, ein Bilderbuch betrachtend, um 1600, Pinsel- und Federzeichnung in Braun, 13.7 x 14.5 cm, Staatliche Museen zu Berlin – Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. KdZ 2680 Bildnachweis: Berlin 2007/2008, Abb. S. 135

43.

Grammatica, 1472, kolorierte Federzeichnung, Illustration zu Hugo von Trimbergs Der Renner, Universitäts- und Landesbibliothek, Darmstadt, Hs. 2779, fol. 223 v. Bildnachweis: Willemsen 2008, S. 257, Abb. 232

44.

Adam Elsheimer: Das Reich der Minerva, um 1600–1605, Kupfer, 8.6 x 14.6 cm, The Fitzwilliam Museum, Cambridge, Inv.-Nr. 539 Bildnachweis: The Fitzwilliam Museum

45.

Gerard ter Borch: Lesestunde, um 1652, Holz, 27.0 x 25.0 cm, Musée du Louvre, Paris, Inv.-Nr. MI1006 Bildnachweis: Washington/Detroit 2004/2005, Abb. S. 89

46.

Caspar Netscher: Dame, einem Mädchen das Lesen beibringend, um 1669, 45.1 x 37.0 cm, The National Gallery, London, Inv.-Nr. NG844 Bildnachweis: Wieseman 2002, Taf. 17

47.

Jacques de Gheyn II.: Schreibender Jüngling (wohl Jacques de Gheyn III.), um 1611/1612, Kreidezeichnung, 16.5 x 14.1 cm, Slg. van Regteren Altena, Amsterdam Bildnachweis: Rotterdam 1985, Taf. 58

48.

Jacques de Gheyn II.: Bildnis eines jungen Mannes, um 1610 (?), Federzeichnung in Braun, 13.5 x 10.3 cm, The Yale University Art Gallery, New Haven, Inv.-Nr. 1961.63.79 Bildnachweis: New Haven/Sarasota/Austin 2006, S. 118, Abb. 32

49.

Jacques de Gheyn II.: Lehrer und Schüler (Joseph Justus Scaliger mit einem Schüler?), um 1600–1609 (?), Federzeichnung in Schwarz und Braun, 14.7 x 12.2 cm, Statens Museum for Kunst, Kopenhagen, ohne Inv.-Nr. Bildnachweis: van Regteren Altena 1983, Bd. III, S. 160, Abb. 312

50.

Jacques de Gheyn II.: Lehrer und Schüler (Joseph Justus Scaliger mit einem Schüler?), um 1600–1609 (?), Federzeichnung in Braun, 17.7 x 18.3 cm, Musée des Beaux-Arts et de la Céramique de Rouen, Inv.-Nr. 975.4.289 Bildnachweis: Rouen 1998, Abb. S. 32

51.

Unbekannt: Joseph Justus Scaliger, 1. Hälfte 17. Jahrhundert, Federzeichnung, 20.2 x 13.2 cm, Universiteitsbibliotheek Leiden, Scaliger Instituut Bildnachweis: Universiteitsbibliotheek Leiden, Scaliger Instituut

52.

Jacques de Gheyn II.: Bärtiger Mann, ein Buch lesend (wohl Joseph Justus Scaliger), um 1600–1609 (?), Federzeichnung in Braun, 15.5 x 15.2 cm, Musée du Louvre – Cabinet des Dessins, Paris, Inv.-Nr. 19.999 Bildnachweis: van Regteren Altena 1983, Bd. III, S. 161, Abb. 314

239

53.

Jacques de Gheyn II.: Lehrer und Schüler, um 1610–1620 (?), Federzeichnung in Braun mit schwarzer Kreide, 13.5 x 10.8 cm, Slg. P. W. L. Russell, Amsterdam Bildnachweis: van Regteren Altena 1983, Bd. III, S. 210, Abb. 432

54.

Jacques de Gheyn II.: Lehrer und Schüler, um 1610–1620 (?), Federzeichnung in Braun, 10.5 x 8.0 cm, Slg. Mrs. H. Bier, London Bildnachweis: van Regteren Altena 1983, Bd. III, S. 210, Abb. 433

55.

Jan Lievens: Karl Ludwig Prinz von der Pfalz mit seinem Lehrer Wolrad von Plessen, 1631, Leinwand, 103.5 x 96.5 cm, J. Paul Getty Museum, Malibu, Inv.-Nr. 71.PA.53 Bildnachweis: Frankfurt 1993, Abb. S. 243

56.

Gerrit Dou: Rupert Prinz von der Pfalz mit seinem Lehrer, um 1631/1632, Leinwand, 102.9 x 88.7 cm, J. Paul Getty Museum, Malibu, Inv.-Nr. 84.PA.570 Bildnachweis: Frankfurt 1993, Abb. S. 181

57.

Jacques de Gheyn II.: Lehrer mit zwei Schülern, 1620, Holz, 55.5 x 69.0 cm, Verbleib unbekannt (gesehen bei der Kunsthandlung Salomon Lilian, TEFAF 2009) Bildnachweis: Amsterdam 2009, Abb. S. 29

58.

Jacques de Gheyn II.: Lehrer mit zwei Schülern, 1620, Holz, 59.0 x 70.0 cm, Verbleib unbekannt (ehemals Slg. Adolphe Schlosz, Paris) Bildnachweis: van Regteren Altena 1983, Bd. III, S. 26, Abb. 19

59.

Jacques de Gheyn II.: Kopfstudien (Drei bärtige alte Männer und eine alte Frau), wohl vor 1620, Federzeichnung in Braun mit schwarzer Kreide, weiß gehöht, 14.6 x 9.6 cm, Teylers Museum, Haarlem, Inv.-Nr. 84 Bildnachweis: van Regteren Altena 1983, Bd. III, S. 196, Abb. 400

60.

Jacques de Gheyn II.: Kopfstudien eines Knaben, wohl vor 1620, Federzeichnung in Braun mit Weißhöhungen, 14.0 x 9.5 cm, Maida and George Abrams Collection, Boston Bildnachweis: Regteren Altena 1983, Bd. III, S. 197, Abb. 406

61.

Jacques de Gheyn II.: Studienblatt mit sechs Knabenköpfen, wohl vor 1620, Federzeichnung in Braun, 15.2 x 18.8 cm, Slg. Korthals Altes Bildnachweis: van Regteren Altena 1983, Bd. III, S. 125, Abb. 227

62.

Jacques de Gheyn III. (?): Lehrer und Schüler, nach 1620 (?), Papier und Holz, 58.0 x 69.5 cm, Manchester Art Gallery, Inv.-Nr. 1949.224 Bildnachweis: van Regteren Altena 1983, Bd. III, S. 26, Abb. 17

63.

Jacques de Gheyn II.: Studienblatt mit drei Köpfen, vor 1620 (?), Federzeichnung in Braun, 20.5 x 18.3 cm, Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam, Inv.-Nr. H. 259 Bildnachweis: van Regteren Altena 1983, Bd. III, S. 181, Abb. 359

64.

Peter Paul Rubens: Die vier Philosophen, 1611, Holz, 167.0 x 143.0 cm, Palazzo Pitti, Florenz, Inv.-Nr. CSE-S-000190-9702 Bildnachweis: Morford, 1991, Frontispiz

65a

Lucas Vorstersman d. J. (nach Peter Paul Rubens): Büste Platos, vor 1638, Kupferstich, 29.5 x 18.8 cm Bildnachweis: Herremans 2008, Abb. S. 48

65b

Lucas Vorstersman d. J. (nach Peter Paul Rubens): Büste Platos, vor 1638, Federzeichnung in Braun, 24.7 x 16.2 cm, Frits Lugt Collection – Fondation Custodia, Paris, Inv.-Nr. 5949 Bildnachweis: van der Meulen 1994/1995, Bd. III, Abb. 212 (o. S.)

240

66.

Luca della Robbia: Grammatica, 1437–1439, Marmorrelief, 81.5 x 68.5 cm, Museo dell’Opera del duomo, Florenz Bildnachweis: Willemsen 2008, S. 25, Abb. 6

67.

Willem van Vliet (zugeschrieben): Schulmeister mit drei Schülern, um 1620–1630 (?), Holz, 60.0 x 85.0 cm, Verbleib unbekannt (ehemals Slg. Dr. Katz, London) Bildnachweis: Wansink 1987, S. 7, Abb. 10

68.

Gerrit Dou: Der gestrenge Schulmeister, 1645, Holz, 27.0 x 19.4 cm, The Fitzwilliam Museum, Cambridge, Inv.-Nr. 33 Bildnachweis: Cambridge 1988/1989, S. 18, Abb. 28

69.

Rembrandt Harmensz. van Rijn: Der reuige Judas gibt die 30 Silberlinge zurück, 1629, Holz, 79.0 x 102.3 cm, Privatbesitz England Bildnachweis: Kassel/Amsterdam 2001, Abb. S. 227

70.

Willem Joseph Laquy (nach Gerrit Dou): Natur, Unterweisung, Übung, zwischen 1763 und 1771, Mitteltafel auf Leinwand 83.0 x 70.0 cm, Seitenflügel auf Holz je 80.0 x 36.0 cm, Rijksmuseum Amsterdam, Inv.-Nr. SK-A-2320-A-C Bildnachweis: Amsterdam 1976a, Abb. S. 198

71a-c Willem Joseph Laquy (nach Gerrit Dou): Natur, Unterweisung, Übung, zwischen 1763 und 1771, Mitteltafel auf Holz 83.0 x 70.0 cm, Seitenflügel auf Leinwand je 80.0 x 36.0 cm, Rijksmuseum Amsterdam, Inv.-Nr. SK-A-2320-A-C Bildnachweis: Rijksmuseum Amsterdam

72.

Gerrit Dou: Der Quacksalber, 1652, Holz, 112.0 x 83.0 cm (mit abgerundeten oberen Ecken), Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam, Inv.-Nr. St 4 Bildnachweis: Wheelock 2000/2001, S. 18, Abb. 5

73.

Hendrick Martensz. Sorgh: Seine Feder spitzender Mann (Allegorie des Sehsinns), um 1640, Holz, 16.5 x 13.0 cm, Slg. Harrach Bildnachweis: Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 234, Abb. 4

74.

Gerrit Dou: Abendschule, um 1655–1660, Holz, 25.4 x 22.9 cm, The Metropolitan Museum of Art, New York, Inv.-Nr. 40.64 Bildnachweis: New York 1995, Bd. III, S. 242, Abb. 40.64

75.

Gerrit Dou: Abendschule, um 1660–1665, Holz, 46.0 x 36.5 cm, Galleria degli Uffizi, Florenz, Inv.-Nr. P554 Bildnachweis: Raffaello Bencini/Alinari Archives, Florence (Reproduced with the permission of Ministero per i Beni e le Attività Culturali)

76.

Gerrit Dou: Abendschule, um 1660–1665, Holz, 74.0 x 64.0 cm, Rijksmuseum Amsterdam, Inv.-Nr. SK-A-87 Bildnachweis: Rijksmuseum Amsterdam

77.

’T scheelt te veel, Holzschnitt aus Roemer Visschers Sinnepoppen, Amsterdam 1614, Teil I, S. 23, Nr. XXIII Bildnachweis: Visscher 1614, Teil I, S. 23, Nr. XXIII

78.

Studio et Vigilantia, Holzschnitt aus Gabriel Rollenhagens Nucleus Emblematum, Arnheim 1611, o. S., Nr. 67 Bildnachweis: Frankfurt 1993, S. 43, Abb. 34

79.

Wenzel Hollar (nach Adam Elsheimer): Pallas (Das Reich der Minerva), 1646, Radierung, 9.2 x 14.8 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. S.7463 Bildnachweis: © Trustees of the British Museum

241

80.

Gerrit Dou: Seine Feder spitzender Schulmeister, 1671, Eiche, 26.5 x 20.4 cm, Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden, Inv.-Nr. 1709 Bildnachweis: Gemäldegalerie Alte Meister Dresden, Staatliche Kunstsammlungen Dresden (Photo: Elke Estel/Hans-Peter Klut)

81.

Domenicus van Tol: Seine Feder spitzender Schulmeister, um 1671 – vor 1676, Holz, 46.5 x 35.0 cm, Nationalmuseum Oslo, Inv.-Nr. NG.M.155 Bildnachweis: Oslo 1998, Abb. S. 278

82.

Frans van Mieris: Seine Feder spitzender Gelehrter, um 1650–1665, Eiche, 34.6 x 24.5 cm, Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden, Inv. Nr. 1748 Bildnachweis: Den Haag/Washington 2005, Abb. S. 75

83.

Gerrit Dou: Federschneider, um 1628–1632 (?), Holz, 25.5 x 20.5 cm, Verbleib unbekannt (ehemals Privatsammlung Hannover) Bildnachweis: Frankfurt 1993, S. 246, Abb. 56.1

84.

Pieter Verelst: Lehrer und lesender Schüler, 1650, Holz, 31.5 x 25.5 cm, Verbleib unbekannt (London, Sotheby’s, 07.07.1993, Lot 108) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

85.

Pieter Verelst: Schulszene mit seine Feder betrachtendem Schulmeister, um 1665–1668, Holz, 42.0 x 34.0 cm, Kremer Collection Bildnachweis: Ploeg/Runia/van Suchtelen 2002, Abb. S. 169

86.

Quiringh van Brekelenkam: Lehrer mit drei Schülern, um 1650 (?), Holz, 44.0 x 50.0 cm, Uppsala University Art Collections, Inv.-Nr. UU 772 Bildnachweis: Uppsala University Art Collections

87.

Quiringh van Brekelenkam: Seine Feder spitzender Lehrer mit einem Schüler, um 1650 (?), Leinwand, 35.0 x 30.0 cm, Verbleib unbekannt (vor 1940 in der Kunsthandlung Paech, Amsterdam) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

88.

Quiringh van Brekelenkam: Schulmeister und lesender Schüler, 1663, Holz, 23.0 x 19.0 cm, Staatliche Eremitage, St. Petersburg, Inv.-Nr. GE-6324 Bildnachweis: © Staatliche Eremitage St. Petersburg/Photo: Kirill Shapovalov

89.

Quiringh van Brekelenkam: Der Goldwäger, 1668, Holz, 46.1 x 37.1 cm, Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Alte Pinakothek, München Bildnachweis: Lasius, 1992, Taf. 6

90.

Quiringh van Brekelenkam: Schulmeister und schreibender Schüler, 1663, Holz, 28.0 x 21.5 cm, Verbleib unbekannt (ehemals Collection Baron Janssen, Brüssel) Bildnachweis: Brüssel 1923, Abb. S. 17

91.

Quiringh van Brekelenkam: Unterrichtsszene, 1660er Jahre, Holz, 37.0 x 29.0 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby’s London, 26.05.1977, Lot 2466) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

92.

Jan Steen: Das betrunkene Paar, um 1655–1665, Holz, 52.5 x 64.0 cm, Rijksmuseum Amsterdam, Inv.-Nr. SK-C-232 Bildnachweis: Rijksmuseum Amsterdam

93.

Quiringh van Brekelenkam: Unterrichtsszene, 1660, Holz, 46.3 x 37.2 cm, Verbleib unbekannt (Richard Green Gallery, London – TEFAF Maastricht 2008 und 2009) Bildnachweis: Richard Green Gallery

242

94.

Quiringh van Brekelenkam: Unterrichtsszene, 1666, Holz, 41.0 x 33.2 cm, LVRLandesMuseum, Bonn, Inv.-Nr. GK 29 Bildnachweis: LVR-LandesMuseum Bonn

95.

Quiringh van Brekelenkam: Unterrichtsszene, wohl späte 1660er Jahre, Holz, 45.5 x 35.5 cm, Verbleib unbekannt (ehemals Collection Baron Janssen, Brüssel/Mensing Amsterdam, 21.03.1950, Lot 84) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

96.

Gerrit Dou: Die Küchenmagd, um 1650, Holz, 36.0 x 27.0 cm, Musée du Louvre, Paris, Inv.Nr. 1217 Bildnachweis: bpk/RMN – Grand Palais/Hervé Lewandowski

97.

Quiringh van Brekelenkam: Frau an der Wiege, um 1655–1660, Holz, 37.5 x 39.5 cm, Privatbesitz Bildnachweis: Lasius, 1992, Taf. 36

98.

Quiringh van Brekelenkam: Interieur mit Fischer und Mann am Spinnrad, 1663, Holz, 59.0 x 46.0 cm, Rijksmuseum Amsterdam, Inv.-Nr. SK-A-60 Bildnachweis: Rijksmuseum Amsterdam

99.

Quiringh van Brekelenkam: Brot schneidende Alte mit zwei Kindern, 1658 (?), Holz, 33.1 x 41.3 cm, Frits Lugt Collection – Fondation Custodia, Paris Bildnachweis: Lasius 1992, Taf. 35

100.

Caspar Netscher: Mütterliche Hingabe, 1669, Leinwand, 44.5 x 38.0 cm, Rijksmuseum Amsterdam, Inv.-Nr. SK-A-293 Bildnachweis: Rijksmuseum Amsterdam

101.

Frans van Mieris d. Ä.: Der Unterricht des Kindes, um 1662/1663, Holz, 29.2 x 21.6 cm, Privatsammlung USA Bildnachweis: Den Haag/Washington 2005, Abb. S. 105

102.

Quiringh van Brekelenkam: Bildnis eines Schülers, um 1660, Holz, 22.0 x 18.5 cm, Verbleib unbekannt (Christie’s London, 11.04.2002, Lot 540) Bildnachweis: Auktionskatalog

103.

Rembrandt Harmensz. van Rijn: Titus am Schreibpult, 1655, Leinwand, 77.0 x 63.0 cm, Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam, Inv.-Nr. St 2 Bildnachweis: Frankfurt/Kyoto 2003, Abb. S. 163

104.

Rembrandt Harmensz. van Rijn: Titus lesend, um 1656/1657, Leinwand, 70.5 x 64.0 cm, Kunsthistorisches Museum – Gemäldegalerie, Wien, Inv.-Nr. GG_410 Bildnachweis: Frankfurt/Kyoto 2003, Abb. S. 165

105.

Rembrandt Harmensz. van Rijn: Knabenbildnis (Titus), vor 1955, Leinwand, 65 x 56 cm, Norton Simon Museum of Art, Pasadena, Inv.-Nr. F.1965.2.P Bildnachweis: The Norton Simon Foundation

106.

Unbekannt: Porträt eines Jungen mit Schreibheft, um 1600/1625, Leinwand, Verbleib unbekannt Bildnachweis: Albers 2008, S. 426, Abb. 100

107.

Jan Miense Molenaer (?): Schulszene, um 1630–1636, Holz, 33.8 x 42.7 cm, Manchester Art Gallery, Inv.-Nr. 1979.478 Bildnachweis: Manchester Art Gallery

108.

Jan Miense Molenaer: Schulszene, um 1630–1636, Holz, 42.0 x 52.0 cm, Verbleib unbekannt (Versteigerung Heininger Vevey, 29.11.–01.12.1973, Lot 277) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

243

109.

Unbekannt: Unterricht der Waisen (aus einer Serie von Waisenhausdarstellungen), 1619, Holz, 199.7 x 87.8 cm, Stedelijk Museum Alkmaar, Inv.-Nr. 20634 Bildnachweis: Alkmaar 1998, Abb. S. 239

110.

Jan Miense Molenaer: Bürgerfamilie, eine Schule besuchend, 1634, Holz, 49.0 x 87.0 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, Inv.-Nr. GK 1210 Bildnachweis: Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister

111.

Werner van den Valckert: Almosengeber beim Hausbesuch, 1625–1630, Holz, 149.0 x 151.5 cm, Amsterdam Museum, Inv.-Nr. SA 1758 Bildnachweis: Middelkoop/Reichwein/Gent, 2008, Abb. S. 87

112.

Jan Miense Molenaer: Schulszene, 1636, Holz, 50.5 x 83.0 cm, Verbleib unbekannt (Christie’s London, Auktion 7962, 14.04.2011, Lot 13) Bildnachweis: Auktionskatalog

113.

Jan Miense Molenaer: Schulszene, um 1630–1636, Holz, 35.7 x 55.4 cm, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck, Inv.-Nr. Gem 617 Bildnachweis: Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck

114.

Jan Miense Molenaer: Die Fette Küche, 1637, 181.4 x 102.5 cm, Privatsammlung Großbritannien Bildnachweis: Raleigh 2002, Abb. S. 139

115.

Jan Miense Molenaer: Die Dorfschänke, um 1659, Eichenholz, 65.0 x 68.0 cm, Staatliche Museen zu Berlin – Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 949 Bildnachweis: Raleigh 2002, Abb. S. 172

116.

Jan Miense Molenaer: In der Taverne, 1662, Leinwand, 109.0 x 162.0 cm, Museum of Fine Arts, Boston, Inv.-Nr. 07.500 Bildnachweis: Raleigh 2002, Abb. S. 174

117.

Jan Miense Molenaer: Schulszene, wohl nach 1636, Holz, 55.0 x 74.0 cm, Nationalmuseum Stockholm, Inv.-Nr. NM 680 Bildnachweis: © Nationalmuseum Stockholm

118.

Jan Miense Molenaer (?): Schulszene, wohl nach 1636, Eichenholz, 82.0 x 107.0 cm, Verbleib unbekannt (Lempertz, 12.–14.06.1980, Lot 129) Bildnachweis: Auktionskatalog

119.

Jan Miense Molenaer: Schulszene, wohl nach 1636, Holz, 36.0 x 53.0 cm, Verbleib unbekannt (Lempertz, 23.–26.11.1983, Lot 1575) Bildnachweis: Auktionskatalog

120.

Jan Miense Molenaer: Schulszene, wohl nach 1636, Holz, 31.5 x 44.0 cm, Nationalmuseum Warschau, Inv.-Nr. 129055 Bildnachweis: © Krzysztof Wilczyński/Muzeum Narodowe w Warszawie

121.

Jan Miense Molenaer: Schulszene, nach 1650 (?), Holz, 42.0 x 37.5 cm, Verbleib unbekannt (Phillips Son & Neale London, 04.07.2000, Lot 131) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

122.

Adriaen van Ostade: Wirtshausszene, um 1635, Eichenholz, 28.8 x 36.3 cm, Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Alte Pinakothek, München, Inv.-Nr. 864 Bildnachweis: München 2006, Abb. S. 141

123.

Adriaen Brouwer: Zwei raufende Männer, um 1633, Eichenholz, 15.5 x 14.2 cm, Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Alte Pinakothek, München, Inv.-Nr. 2112 Bildnachweis: München 2009, Abb. S. 61

244

124.

Adriaen van Ostade: Dorfschule, 1634, Holz, Dm. 19.5 cm, Landesmuseum Mainz, Inv.-Nr. 176 Bildnachweis: © GDKE – Landesmuseum Mainz (Ursula Rudischer)

125a Umkreis Adriaen van Ostade (?): Schulszene mit strafendem Lehrer, um 1635–1640 (?), Holz, 26.5 x 37.5 cm, Verbleib unbekannt (Kunsthandel Fred Muller, Amsterdam, 21.11.1933, Lot 45) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

125b Unbekannt (Umkreis/Nachfolge Adriaen van Ostade?): Schulszene mit strafendem Lehrer, 1635, Holz, 20.0 x 24.0 cm, Verbleib unbekannt (1972 Kunsthandel J. O. Leegenhoek, Paris) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

126.

Isack van Ostade (?): Dorfschule, um 1635–1639, Leinwand, 24.7 x 19.7 cm, Hammer Museum – Armand Hammer Collection, Los Angeles Bildnachweis: Greenville 1957, Abb. auf S. 37

127.

Isack van Ostade: Das geschlachtete Schwein, 1645, Holz, 57.0 x 50.0 cm, Palais des Beaux-Arts Lille, Inv.-Nr. P.277 Bildnachweis: bpk/RMN – Grand Palais/René-Gabriel Ojéda/Thierry Le Mage

128.

Adriaen van Ostade (?): Schulszene, 1636, Holz, 19.0 x 24.0 cm, ehemals Slg. Strauss, Wien, Verbleib unbekannt (Strauss, Wien, 22.03.1926, Lot 27) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

129.

Adriaen van Ostade: Schulszene, 1636, Holz, 23.7 x 35.1 cm, ehemals Slg. Jaffé, Berlin, Verbleib unbekannt (Christie’s Amsterdam, 06.05.1998, Lot 127) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

130.

Unbekannt (nach Adriaen oder Isack van Ostade): Schulszene, 17. Jahrhundert (?), Holz, 19.0 x 24.5 cm, Kunstsammlung der Universität Göttingen, Inv.-Nr. 63 Bildnachweis: Kunstsammlung der Universität Göttingen/Katharina Haase

131.

Adriaen van Ostade: Schulszene, nach 1636, Mischtechnik, 17.5 x 21.7 cm, Privatsammlung Paris Bildnachweis: Schnackenburg, 1981, Bd. II, Abb. 15, Taf. 9

132.

Adriaen oder Isack van Ostade: Schulszene, um 1635–1639, Mischtechnik, 18.7 x 25.2 cm, Klassik Stiftung Weimar – Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 5059 Bildnachweis: Amsterdam 1999, Abb. S. 76

133.

Isack van Ostade: Schulszene, um 1639, Mischtechnik, 16.9 x 23.6 cm, Maida and George Abrams Collection, Boston Bildnachweis: London/Paris/Cambridge 2002/2003, Abb. S. 194

134.

Adriaen Brouwer: Der eingeschlafene Wirt (Phlegmaticus), um 1633, Kupfer, 31.0 x 24.2 cm, Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Alte Pinakothek, München, Inv.-Nr. 2014 Bildnachweis: München 2009, Abb. S. 58

135.

Holzschnitt zu Petrus Hispanus Copulata, herausgegeben von Heinrich Quentell, Köln 1496 Bildnachweis: Schreiber/Heitz 1908, Taf. 49

136.

Holzschnitt zu Cato teutonice expositus, herausgegeben von Johann Otmar, Reutlingen 1491 Bildnachweis: Schreiber/Heitz 1908, Taf. 61

137.

Isack van Ostade (zugeschrieben): Schulszene, um/nach 1639, Holz, 24.0 x 31.5 cm, Privatbesitz Warschau (ehemals Nationalmuseum Warschau, Inv.-Nr. 184855) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

245

138.

Adriaen van Ostade: Schulszene, 1641, Holz, 19.7 x 20.3 cm, Musée du Louvre, Paris, Inv.-Nr. M.I. 948 Bildnachweis: bpk/RMN - Grand Palais/Stéphane Maréchalle

139.

Adriaen van Ostade: Bäuerliches Interieur, 1642, Holz, 34.0 x 44.0 cm, Musée du Louvre, Paris, Inv.-Nr. 1682 Bildnachweis: bpk/RMN - Grand Palais/Hervé Lewandowski

140.

Adriaen van Ostade: Federschneider, um 1645 (?), Eichenholz, 22.5 x 18.5 cm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv.-Nr. 246 Bildnachweis: Frankfurt 1993, S. 248, Abb. 56.2

141.

Adriaen van Ostade: Federschneider, nach 1650 (?), Eichenholz, 33.2 x 26.7 cm, Museum der Bildenden Künste Budapest, Inv.-Nr. 286 Bildnachweis: Museum der Bildenden Künste Budapest

142.

Nil penna sed usus, Holzschnitt aus Gabriel Rollenhagens Nucleus Emblematum, Arnheim 1611, o. S., Nr. 36 Bildnachweis: Rollenhagen 1611/1989, o. S., Nr. 36

143.

Adriaen van Ostade: Schulszene, 1656, Holz, 36.3 x 34.2 cm, Verbleib unbekannt (Christie’s London, 08.07.1994, Lot 83) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

144.

Hans Holbein d. J.: Erasmus von Rotterdam, um 1523, Holz, 42.0 x 33.0 cm, Musée du Louvre, Paris, Inv.-Nr. 1345 Bildnachweis: Sander 2005, S. 377, Taf. 28

145.

Adriaen van Ostade: Schulszene, 1662, Holz, 40.0 x 32.5 cm, Musée du Louvre, Paris, Inv.-Nr. 1680 Bildnachweis: bpk/RMN - Grand Palais/René-Gabriel Ojéda

146.

Adriaen van Ostade: Familie bei der Mahlzeit, 1673, Feder in Braun, Aquarell und Deckfarben, 13.8 x 21.5 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. E. 1912 Bildnachweis: © Trustees of the British Museum

147.

Adriaen van Ostade: Studie für einen Schuljungen, um 1666, 15.0 x 8.3 cm, weiß gehöhte Kohle- und Kreidezeichnung, Slg. van Regteren Altena, Amsterdam Bildnachweis: Schnackenburg 1981, Bd. II, Taf. 84, Abb. 174

148.

Adriaen van Ostade: Schulszene, 1666, Holz, 22.5 x 19.0 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby’s London, 17.12.1998, Lot 11) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

149.

Adriaen van Ostade: Schulmeister mit drei Schülern, 1671–1679, 9.1 x 8.3 cm, Radierung, Rijksprentenkabinet Amsterdam, Inv.-Nr. RP-P-1957-656 Bildnachweis: Rijksmuseum Amsterdam

150.

Adriaen van Ostade: Vorzeichnung für den Schulmeister mit drei Schülern, wohl nach 1670, Mischtechnik, 8.8 x 8.0 cm, Staatliche Museen zu Berlin – Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. KdZ 3878 Bildnachweis: Schnackenburg 1981, Bd. II, Taf. 97

151.

Adriaen van Ostade: Das Frühstück (Tischgesellschaft), um 1647–1652, Radierung, 22.0 x 26.2 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. S.1537 Bildnachweis: © Trustees of the British Museum

152.

Johannes de Visscher (nach A. van Ostade): Der haspelnde Bauer, um 1670, Radierung und Kupferstich, 29.4 x 24.0 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. 1839,0413.407 Bildnachweis: © Trustees of the British Museum

246

153.

Adriaen van Ostade: Pater Familias, 1648, Radierung, 12.7 x 9.4 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. S.1493 Bildnachweis: © Trustees of the British Museum

154.

Adriaen van Ostade: Die Familie, 1647, 17.3 x 15.5 cm, Radierung, British Museum, London, Inv.-Nr. S.1527 Bildnachweis: © Trustees of the British Museum

155.

Adriaen van Ostade: Der Familienvater, um 1645 (?), lavierte Federzeichnung, 11.5 x 8.6 cm, Verbleib unbekannt (ehemals Brod Gallery, London) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

156.

Adriaen van Ostade: Tischgebet, 1653, Radierung, 15.3 x 12.8 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. 1980,U.1691 Bildnachweis: © Trustees of the British Museum

157.

Adriaen van Ostade: Der Maler in seiner Werkstatt, 1663, Eichenholz, 38.0 x 35.5 cm, Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden, Inv.-Nr. MdK 38/1990-3 Bildnachweis: Dresden 2005, Bd. I, Abb. S. 441

158.

Unbekannt (Umkreis/Nachfolge Adriaen van Ostade?): Schulszene, 1636, Holz, 40.5 x 53.0 cm, Verbleib unbekannt (Christie’s London, 08.07.1977, Lot 39) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

159.

Unbekannt (Umkreis/Nachfolge Adriaen van Ostade?): Schulszene, 1667, 37.0 x 53.0 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby’s London, 31.10.2006, Lot 93) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

160.

Bartholomeus Molenaer: Schulszene, um 1640 (?), Leinwand, 46.4 x 59.4 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby’s Amsterdam, 18.05.2004, Lot 111) Bildnachweis: Auktionskatalog

161.

Unbekannt (Umkreis/Nachfolge Adriaen van Ostade): Schulszene, um 1630–1640 (?), Federund Pinselzeichnung in Braun, 20.6 x 28.7 cm, Museum der bildenden Künste Leipzig, Inv.Nr. NI. 8409 Bildnachweis: PUNCTUM / Bertram Kober / Copyright: Museum der bildenden Künste Leipzig

162.

Unbekannt (Haarlemer Malerschule): Schulszene mit buckliger Lehrerin, um 1630–1640, Holz, Dm. 26.7 cm, Philadelphia Museum of Art – John G. Johnson Collection, Inv.-Nr. 1694 Bildnachweis: Philadelphia Museum of Art

163.

Unbekannt (Haarlemer Malerschule): Schulszene mit seine Feder spitzendem Lehrer, um 1630–1640, Holz, 24.6 x 21.4 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby’s Amsterdam, Auktion 1051, 07.05.2008, Lot 22) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

164.

Unbekannt (Haarlemer Malerschule): Schulszene mit Lehrerin, um 1630–1640, Maße, Technik sowie Verbleib unbekannt (1950 in der Slg. Cremers, Den Haag) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

165.

Unbekannt (Umkreis/Nachfolge Adriaen Brouwer?): Schulszene mit Lehrerin, Mitte 17. Jahrhundert (?), Technik, Maße, Verbleib unbekannt (1947 van Berg Collection New York) Bildnachweis: van Berg 1947, Abb. S. 27

166.

Unbekannt (Umkreis/Nachfolge Adriaen oder Isack van Ostade): Schulszene, um 1650 (?), Holz, 25.0 x 23.5 cm, Verbleib unbekannt (laut Bilddokumentation des RKD Sammlung Moreno de la Peńa) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

247

167.

Unbekannt (Nachahmer Adriaen bzw. Isack van Ostades): Schulszene, 1641 oder 1644, Holz, 43.0 x 54.0 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby’s New York, 01.06.1990, Lot 36) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

168.

Isack van Ostade: Studienblatt für Schuljungen, um bzw. kurz nach 1641 (?), schwarze Kreide mit Weißhöhungen auf blauem Papier, 12.7 x 13.9 cm, Rijksprentenkabinet, Amsterdam, Inv.-Nr. 1981:327 (Album mit Figurenstudien II., fol. 86) Bildnachweis: Schatborn 1986, S. 88, Abb. 14

169.

Isack van Ostade: Interieur mit spielenden Kindern, 1641, Holz, 44.8 x 64.5 cm, Verbleib unbekannt (Hampel Kunstauktionen München, 08.12.2006, Lot 306) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

170.

Unbekannt (Nachfolge Jan Molenaer?): Ungebärdige Schulklasse, um 1650 (?), Leinwand, 71.1 x 101.0 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby’s New York, 10.10.1991, Lot 107) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

171.

Cornelis Bega: Schulszene, um bzw. kurz nach 1650, Mischtechnik, 17.2 x 27.8 cm, Maida and George Abrams Collection, Boston Bildnachweis: Amsterdam/Wien/New York/Boston/Cambridge 1991/1992, Abb. 90

172.

Pieter Cornelisz. Bega: Männer und Wirtin in einer Schänke, um 1642–1664, Radierung, 17.5 x 13.3 cm, Rijksprentenkabinet Amsterdam, Inv.-Nr. RP-P-1898-A-19670 Bildnachweis: Rijksmuseum Amsterdam

173.

Isack van Ostade (?): Schulszene, vor 1641 (?), Holz, 31.0 x 41.0 cm, Verbleib unbekannt (Neumeister München, 26./27.06.1984, Lot 735) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

174.

Harmen Hals (?): Zwei Männer am offenen Fenster, um 1650 (?), Holz, 37.0 x 26.3 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby’s London, 31.10.2002, Lot 51), RKD-Nr. 105407 Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

175.

Harmen Hals (?): Die Bewahrschule, um 1640–1650 (?), Holz, 34.9 x 41.5 cm, Verbleib unbekannt (Christie’s London, 31.03.1989, Lot 118) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

176.

Harmen Hals (?): Schulszene mit seine Feder schärfendem Schulmeister, um 1640–1660 (?), Holz, 33.3 x 27.7 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby’s Amsterdam, 08.05.2001, Lot 132), RKD-Nr. 108706 Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

177.

Harmen Hals (?): Schulszene, um 1640–1660 (?), Technik/Maße unbekannt, Musée Jeanne d’Aboville, La Fère Bildnachweis: bpk/RMN – Grand Palais/Bulloz

178.

Harmen Hals (?): Schulszene, 2. Hälfte 17. Jahrhundert, Leinwand, 84.0 x 67.0 cm, Kunstsammlung der Universität Stockholm – J. A. Berg Collection, Inv.-Nr. 43 Bildnachweis: J. A. Berg Collection, Stockholm University

179.

Unbekannt (Nachfolge/Umkreis Adriaen oder Isack van Ostade): Schulszene, Mitte/2. Hälfte 17. Jahrhundert (?), Holz, 31.0 x 44.0 cm, Privatbesitz Warschau Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

180.

Egbert van Heemskerck d. Ä. (?): Schulszene, Mitte 17. Jahrhundert (?), Holz, 29.8 x 35.5 cm, Slg. Tennant, Innes House, Elgin Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

248

181.

Egbert van Heemskerck d. Ä. (?): Schulszene, 2. Hälfte 17. Jahrhundert, Eichenholz, 37.5 x 31.8 cm, Verbleib unbekannt (Bonhams, London-Knightsbridge, 03.07.1997, Lot 44), RKDNr. 33601 Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

182.

Egbert van Heemskerck d. Ä. (?): Schulszene, 1676, Eichenholz, 48.0 x 40.5 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby’s London, 01.11.1933, Lot 28) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

183.

Egbert van Heemskerck d. Ä. (?): Lehrerin mit Kindern am Pult, 2. Hälfte 17. Jahrhundert, Holz, 25.8 x 20.7 cm, Verbleib unbekannt (Christie’s Amsterdam, 14.05.2002, Lot 23), RKD-Nr. 107373 Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

184.

Egbert van Heemskerck d. Ä. (?): Lehrer mit Kindern am Pult, 2. Hälfte 17. Jahrhundert, Holz, 25.8 x 20.7 cm, Verbleib unbekannt (Christie’s Amsterdam, 14.05.2002, Lot 23), RKD-Nr. 107374 Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

185.

Egbert van Heemskerck d. Ä. (?): Schulszene (Lehrer hinter zu kleinem Pult), 2. Hälfte 17. Jahrhundert, Holz, 20.1 x 17.2 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby’s Amsterdam, 11.11.2008, Lot 99) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

186.

Egbert van Heemskerck d. Ä. (Kopie nach?): Schulszene (Lehrer hinter zu kleinem Pult), 2. Hälfte 17. Jahrhundert, Holz, 23.0 x 31.0 cm, Verbleib unbekannt (Auktionskammare Uppsala, 25.05.2003, Lot 44) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

187.

Egbert van Heemskerck d. Ä. (?): Schulszene mit an das Pult gekettetem Schüler, 2. Hälfte 17. Jahrhundert, Holz, 28.5 x 24.5 cm, Verbleib unbekannt (Dorotheum Wien, 11.06.2003, Lot 98) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

188.

Egbert van Heemskerck d. Ä. (?): Schulszene mit an das Pult gekettetem Schüler, 2. Hälfte 17. Jahrhundert, Holz, 41.5 x 54.5 cm, Verbleib unbekannt (Phillips London 15.04.1997, Lot 111), RKD-Nr. 8040 Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

189.

Egbert van Heemskerck d. Ä. (spätes Werk) oder Egbert van Heemskerck d. J. (frühes Werk): Schulszene mit an das Pult gekettetem Schüler, spätes 17. Jahrhundert, Holz, 40.6 x 49.5 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby’s New York, 06.10.1995, Lot 19), RKD-Nr. 6193 Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

190.

Egbert van Heemskerck d. Ä. (?): Schulszene mit an das Pult gekettetem Schüler, 1678, Leinwand, 63.4 x 76.2 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby’s London, 30.10.1991, Lot 63) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

191.

Unbekannt (Nachahmer Egbert van Heemskercks d. Ä.?): Schulszene, spätes 17. Jahrhundert (?), 44.0 x 52.7 cm, Technik und Verbleib unbekannt (Sotheby’s London, 08.11.1978, Lot 13) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

192.

Unbekannt (Umkreis Adriaen Brouwer): Tobende Schulklasse, um 1625–1630 (?), Eichenholz, 31.0 x 31.0 cm, Staatliche Museen zu Berlin – Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 1900 Bildnachweis: Schiffler/Winkeler 2011, S. 77, Abb. 66

249

193.

Jan van Somer (nach Brouwer?): Schulmeister mit zwei Schülern, 1655–1700, Mezzotinto, 24.8 x 19.3 cm, Rijksprentenkabinet Amsterdam, Inv.-Nr. RP-P-1909-144 Bildnachweis: Rijksmuseum Amsterdam

194.

Unbekannt (Monogrammist AE): Schulszene mit strafendem Lehrer, 1592, Holzschnitt, Maße unbekannt Bildnachweis: Schiffler/Winkeler 2011, S. 67, Abb. 54

195.

Unbekannt (Umkreis Adriaen van Ostade): Schulszene, um 1630–1640 (?), Holz, 24.4 x 25.2 cm, Schloss Oranienburg, Berlin, Inv.-Nr. GK I 1424 Bildnachweis: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg

196.

Adriaen Brouwer: Rauferei, Mitte 1630er Jahre (?), 30.7 x 25.7 cm, Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Alte Pinakothek, München, Inv.-Nr. 861 Bildnachweis: München 2009, Abb. S. 67

197.

Unbekannt (Umkreis Adriaen Brouwer): Wurstküche, um 1625–1630 (?), Eichenholz, 42.5 x 30.5 cm, Staatliche Museen zu Berlin – Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 60/3 Bildnachweis: Renger 1984, S. 259, Abb. 6

198.

Unbekannt (Umkreis Adriaen Brouwer): Schlägerei, um 1625–1630 (?), Technik, Maße und Verbleib unbekannt (ehemals Sammlung Kerssenbrock) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

199.

Unbekannt: Rauferei in einer Schänke, 1566, kolorierter Kupferstich, 24.6 x 38.8 cm Bildnachweis: de Meyer 1970, S. 108, Abb. 98

200.

Pieter de Bloot: Tobende Schulklasse, um 1635–1640, Eichenholz, 20.0 x 27.6 cm, Landesmuseum Mainz, Inv.-Nr. 162 Bildnachweis: © GDKE – Landesmuseum Mainz (Ursula Rudischer)

201.

Gillis van Tilborgh (?): Schulszene mit strafendem Schulmeister, 1651, Holz, 37.0 x 45.2 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby’s London, 17.12.1998, Lot 330), RKD-Nr. 57283 Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

202.

Unbekannt (Umkreis Joos van Craesbeeck/Gillis van Tilborgh): Schulszene, um 1650 (?), Holz, 31.4 x 46.0 cm, Aberdeen Art Gallery & Museums Collections, Inv.-Nr. ABDAG003353 Bildnachweis: Aberdeen Art Gallery & Museums Collections

203.

Unbekannt (Umkreis Joos van Craesbeeck/Gillis van Tilborgh): Schulszene, um 1650 (?), Eichenholz, 30.0 x 46.0 cm, Verbleib unbekannt (Tajan Paris, 24.06.2004, Lot 25), RKD-Nr. 18089 Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

204.

Gillis van Tilborgh (?): Schulszene, wohl 2. Hälfte 17. Jahrhundert, Holz, 71.3 x 104.2 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby’s New York, Auktion N08163, 26.01.2006, Lot 157), RKD-Nr. 66358 Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

205.

David Teniers: Affenschule, 1660er Jahre, Kupfer, 25.0 x 34.0 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid, Inv.-Nr. P01805 Bildnachweis: Museo Nacional del Prado, Madrid

206.

Egbert van Heemskerck d. J. (?): Affenschule mit Esel und Katze als Lehrern, um 1691–1744 (?), Eichenholz, 35.5 x 30.5 cm, Verbleib unbekannt (Bonhams London, 09.09.2003, Lot 215) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

250

207.

Unbekannt (nach David Teniers d. J. oder Egbert van Heemskerck d. J.?): Affenschule mit Esel und Katze als Lehrern, spätes 17. Jahrhundert (?), Leinwand, 33.0 x 28.0 cm, Verbleib unbekannt (Bukowskis Stockholm, 28.–30.05.1997, Lot 362) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

208.

Unbekannt (Umkreis/Nachfolge Jan Steen?): Schulszene, um 1648 (?), Holz, 20.3 x 24.8 cm, Verbleib unbekannt (Dorotheum Wien, 22.03.2001, Lot 18) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

209.

Unbekannt (Umkreis/Nachfolge Jan Steen?): Der junge Schulmeister, um 1648 (?), Eichenholz, 36.0 x 27.0 cm, Slg. Treber, Bremen (Angaben des RKD) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

210.

Noach van der Meer II. (nach Jan Steen): Der junge Schulmeister, um 1751–1822, Kupferstich, 29.8 cm x 22.8 cm, Rijksprentenkabinet Amsterdam, Inv.-Nr. RP-P-1878-A-1275 Bildnachweis: Rijksmuseum Amsterdam

211.

Jan Steen: Der dicke Schulmeister, um 1650–1660, Holz, 18.7 x 17.8 cm, ehemals Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen, Inv.-Nr. 479-1938/2 (Kriegsverlust) Bildnachweis: Kunsthalle Bremen/Photo: Stickelmann

212.

Jan Steen: Die weinselige Lehrmeisterin (Frau mit Krug, einen Jungen unterweisend), um 1650– 1660, Holz, 19.0 x 17.8 cm, Frits Lugt Collection – Fondation Custodia, Paris, Inv. Nr. 169 Bildnachweis: Durantini 1983, S. 138, Abb. 70

213.

Jan Steen: Der gestrenge Schulmeister, um 1665, Holz, 57.5 x 57.0 cm, Privatbesitz Bildnachweis: Washington/Amsterdam, 1996/1997, Abb. S. 213

214.

Jan Steen: Fröhliche Dreisamkeit, um 1670–1672, Holz, 39.0 x 49.5 cm, Privatbesitz Bildnachweis: Washington/Amsterdam 1996/1997, Abb. S. 236

215.

Jan Steen: Die Hochzeit von Tobias und Sara, um 1671–1673, Eichenholz, 103.0 x 123.0 cm, Fine Arts Museum of San Francisco/Gift of the M.H. de Young Museum Society Bildnachweis: Fine Arts Museum of San Francisco

216.

Jan Steen: Die Hochzeit zu Kanaa, um 1670–1672, Holz, 63.5 x 82.5 cm, National Gallery of Art, Dublin Bildnachweis: Washington/Amsterdam 1996/1997, S. 239, Abb. 43

217.

Jan Steen: Der Leidener Bäcker Arend Oostwaert und seine Frau Catharina Keyzerswaert, 1658, Holz, 37.7 x 31.5 cm, Rijksmuseum Amsterdam, Inv.-Nr. SK-A-390 Bildnachweis: Rijksmuseum Amsterdam

218.

Jan Steen: Die Hochzeit von Tobias und Sara, um 1667–1668, Eichenholz, 131.0 x 172.0 cm, Herzog Anton Ulrich Museum, Braunschweig, Inv.-Nr. 313 Bildnachweis: de Vries 2004, S. 75, Abb. 49

219.

Jan Steen: Der strafende Schulmeister, um 1665–1670, Leinwand, 110.5 x 80.2 cm, National Gallery of Art, Dublin, Inv.-Nr. 226 Bildnachweis: Photo © National Gallery of Ireland

220.

Jan Steen: Der strafende Schulmeister, um 1665–1670, 40.6 x 31.7 cm, Marquess of Northampton, Castle Ashby Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

221.

Jan Steen: Schulszene, wohl 1672, Leinwand, 81.7 x 108.6 cm, National Gallery of Scotland, Edinburgh, Inv.-Nr. NG 2421 Bildnachweis: Washington/Amsterdam, 1996/1997, Abb. S. 232

251

222a Raffael: Die Schule von Athen, 1510/1511, Fresko, Stanza della Segnatura, Vatikan Bildnachweis: Nesselrath 1997, S. 188, Abb. 109

222b

Giorgio Ghisi (nach Raffael): Die Schule von Athen (veröffentlicht bei Hieronymus co*ck als Predigt Pauli in Athen), 1550, Radierung, 51.3 x 81.0 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. V,5.132 Bildnachweis: © Trustees of the British Museum

223.

Michelangelo Buonarroti: Cumaeische Sibylle, 1510, Fresko, Cappella Sistina, Vatikan Bildnachweis: de.wikipedia.org/wiki/Sibylle_von_Cumae (Aufruf 08.03.2015)

224.

Crispijn de Passe d. Ä. (Werkstatt?): Hortus voluptatum – Fortuna zwischen Heraklit und Demokrit (aus einer Serie von 33 moralisierenden Szenen), 1599, Radierung/Kupferstich, 10.0 x 14.4 cm, British Museum, London, Inv.-Nr. 1873,0614.74 Bildnachweis: © Trustees of the British Museum

225.

Jan Steen: Der Prinzentag, um 1660–1679, Holz, 46.0 x 62.5 cm, Rijksmuseum Amsterdam, Inv.-Nr. SK-A-384 Bildnachweis: Rijksmuseum Amsterdam

226.

Jan Steen: Wirtshausinterieur, 1674, Leinwand, 117.0 x 160.0 cm, Musée du Louvre, Paris, Inv.-Nr. INV1863 Bildnachweis: de Vries 1996/1997, S. 80, Abb. 23

227.

Jan Steen: Der Wein ist ein Spötter, 1663–1664, Leinwand, 87.5 x 104.5 cm, Norton Simon Museum of Art, Pasadena, Inv.-Nr. M.1969.05.P Bildnachweis: The Norton Simon Foundation

228.

Jan Steen: Kinder unterrichten eine Katze, um 1663, Holz, 45.0 x 35.5 cm, Kunstmuseum Basel, Inv.-Nr. G 1958.39 Bildnachweis: Hamburg 2004, S. 14, Abb. 5

229.

Unbekannt (nach Jan Steen): Die Lehrerin, vermutlich spätere Kopie, Holz, 35.5 x 41.0 cm, Verbleib unbekannt (Lempertz, Köln, 05.12.1998, Lot 1134) Bildnachweis: Auktionskatalog

230.

Unbekannt (nach Jan Steen): Der strafende Schulmeister, wohl nach 1665–1670, Holz, 33.0 x 27.0 cm, Verbleib unbekannt (1957 in der Londoner Kunsthandlung Alfred Brod) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

231.

Unbekannt (nach Jan Steen): Schulmeister, einem Schüler den Hintern versohlend, 2. Hälfte 17. Jahrhundert (?), Eichenholz, 52.0 x 33.0 cm, Verbleib unbekannt (Svensk-Franska Konstgalleriet, Stockholm, 03.11.1955, Lot 61) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

232.

Unbekannt (nach Jan Steen): Der strafende Schulmeister, wohl nach 1665–1670, Holz, 42.0 x 37.0 cm, Museum Mühlhausen (im Elsass?) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

233.

Unbekannt (nach Jan Steen): Der strafende Schulmeister, wohl nach 1670, Verbleib unbekannt (ehemals Kunsthandlung Katz, Dieren) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

234.

Unbekannt (Werkstatt Jan Steen?): Schulszene mit schlafendem Lehrer, 1672, Leinwand, 39.0 x 50.0 cm, Verbleib unbekannt (Christie’s Amsterdam, 01./02.10.1981, Lot 153) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

235.

Unbekannt (Umkreis Jan Steen oder Richard Brakenburgh?): Der verspottete Schulmeister, nach 1670, Eichenholz, 74.0 x 66.0 cm, Verbleib unbekannt (ehemals Dauerleihgabe der Slg. Beindorff im Landesmuseum Hannover) Bildnachweis: © Landesmuseum Hannover

252

236.

Richard Brakenburgh: Der verspottete Schulmeister, nach 1672, Leinwand, 87.6 x 119.4 cm, Collection of the Earl of Pembroke, Wilton House, Salisbury Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

237.

Unbekannt (Nachahmer Richard Brakenburghs?): Der verspottete Schulmeister, Ende 17. Jahrhundert, Eichenholz, 120.0 x 195.0 cm, Slg. Allers, Roermond Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

238.

Unbekannt (nach Jan Steen?): Bewahrschule (retuschierte Fassung, vgl. Abb. 7), Ende 17. Jahrhundert (?), Holz, 38.0 x 31.0 cm, Verbleib unbekannt (Christie’s Amsterdam), Auktion 2760, 05.09.2007, Lot 52) Bildnachweis: Auktionskatalog

239.

Aert de Gelder: Der blinde Homer, um 1700/1710, Leinwand, 102.0 x 127.5 cm, Museum of Fine Arts, Boston, Inv.-Nr. 39.45 Bildnachweis: Dordrecht/Köln 1999, Abb. S. 216

240.

Rembrandt Harmensz. van Rijn: Homer, 1663 vollendet, Leinwand, 107.0 x 81.1 cm, Mauritshuis, Den Haag, Inv.-Nr. 584 Bildnachweis: Dordrecht/Köln 1999, Abb. S. 218

241.

Rembrandt Harmensz. van Rijn: Homer, 1663 oder früher, Feder- und Pinselzeichnung in Braun mit Weiß, 14.8 x 17.0 cm, Nationalmuseum Stockholm, Inv.-Nr. NMH 1677/1875 Bildnachweis: Dordrecht/Köln 1999, Abb. S. 219

242.

Hendrick de Valk (?): Der verspottete Schulmeister, 1690er Jahre (?), Leinwand, 42.0 x 54.0 cm, Verbleib unbekannt (Neumeister München, 27.06.2001, Lot 617a) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

243.

Jan Josef Horemans d. Ä. (?): Schulszene, um 1700 (?), Leinwand, 50.0 x 59.0 cm, Verbleib unbekannt (Hampel Kunstauktionen München, 04.12.2009, Lot 336) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

244.

Jan Josef Horemans d. Ä. (?): Schulszene, nach 1740 (?), Eichenholz, 49.6 x 57.2 cm, Verbleib unbekannt (Christie’s New York, Auktion 1776, 06.04.2006, Lot 316) Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

245.

Jan Josef Horemans d. J. (?): Der Schulmeister bekommt Eier von seinen Schülern, nach 1740 (?), Holz, 37.0 x 30.5 cm, Verbleib unbekannt (Sotheby’s Amsterdam, 14.11.1995, Lot 69), RKD-Nr. 6710 Bildnachweis: Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag

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XII.

LITERATURVERZEICHNIS

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289

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292

XIII. ABBILDUNGSTEIL

293

1. Leonhard Beck: Wie der jung weißkunig die siben freyen kunst in kurzer zeit lernet, 1515

3. Cornelis Dusart: Mann mit Schreibzeug, um 1685–1690

2. Cornelis Dusart: Lesender Mann, um 1690–1700

4. Hans Holbein d. J. (?): Schulszene zu Luthers Schreiben An die Radherren aller stedte deutsches lands [...], 1524

5. Lucas Cranach d. Ä.: Die Heilige Sippe, um 1509/1510

6. Jan van Scorel (zugeschrieben): Bildnis eines Schülers, 1531

7. Unbekannt (nach Jan Steen): Bewahrschule, Ende 17. Jahrhundert (?)

8a Hans Holbein d. J.: Schild eines Schulmeisters (Vorderseite), 1516

8b Ambrosius Holbein: Schild eines Schulmeisters (Rückseite), 1516

9. Dirk Jacobsz. Vellert: Schulszene, 1526

10. Unbekannt (Jan Martsen d. J. oder Salomon de Bray?): Schulszene, 1. Hälfte 17. Jahrhundert

11a Abraham Bosse: Le Maistre d’Escole, um 1635–1638

11b Abraham Bosse: La Maistresse d’Escole, um 1635–1638

12. Jan Saenredam (nach Hendrick Goltzius): Der Morgen (aus Serie der Vier Tageszeiten), um 1598/1599

13. Gerrit Dou: Magd am Fenster, um 1655

14. Theodor de Bry: Educatio prima bona sit, aus Jean-Jacques Boissards Vesuntini Emblemata, 1593

15. Erhard Schwetzer (?): Mutter mit Kindern, 1541

16. Jan Miense Molenaer: Die Verspottung der Zwerge, 1646

17. Gerard ter Borch: Junge, seinen Hund flöhend, um 1655

18. Pieter de Hooch: Mutter mit Kindern, 1668

19. Joos Lambrecht: Grammatica, 1550

20a Holzschnitt zu Hie lernt der weiß Katho seinen sun, Augsburg 1492 20b Holzschnitt zu Catho cum Glossa, Leipzig 1494

20c Holzschnitt zu Liber Faceti per Seb. Brant translatus, Basel 1496 20d Holzschnitt zu Donatus Minor, Straßburg 1515

21. Albrecht Dürer: Der Schulmeister (zu einem Flugblatt mit Versen), 1510

22. Cornelis Cort (nach Frans Floris): Grammatica (aus Serie der Sieben Freien Künste), um 1565

24. Kruyt voor de wilde woeste, aus Roemer Visschers Sinnepoppen, Amsterdam 1614

23. Cornelis Drebbel (nach Hendrick Goltzius): Grammatica (aus Serie der Sieben Freien Künste), spätes 16./frühes 17. Jahrhundert

25. Sebastian Brant (Entwurf): Von einem ungelertenn lernmayster, aus Petrarcas Von der Artzney bayder Glueck […], Augsburg 1532

26. Albrecht Dürer (?): Von ler der kind, aus Sebastian Brants Narrenschiff, Basel 1494

27. Randminiatur aus Reynaud de Bars Metz Pontifical, um 1300–1316

28. Illustration eines Stundenbuches aus der Region Meuse, um 1300

29. Pieter van der Borcht d. J.: Affenschule, 1597–1608

30. Unbekannt (nach Pieter van der Borcht d. J.): Affenschule, 1597 oder später

31. Monogrammist DS: Der Esel als Lehrer der Tiere, aus Jakob Wimpfelings De fide concubinarum, Basel, um 1501–1505

32. Unbekannt: Der „Esel“ in der Schule, aus Rodericus Zamorensis’ Spiegel des menschlichen Lebens, Augsburg 1488

33. Pieter Bruegel d. Ä.: Der Esel in der Schule, 1556

34. Pieter van der Heyden (nach Pieter Bruegel): Der Esel in der Schule, 1557

35. Unbekannt (Hieronymus Bosch?): Bettler und Krüppel, 2. Hälfte 16. Jahrhundert (?)

36. Unbekannt (nach Hieronymus Bosch?): Bettler und Krüppel, um 1570–1600

37. Illustration eines Utrechter Stundenbuches, um 1460

38. Hans Holbein d. J. (?): Prügelszene, 1515

39. Philips Galle (nach Pieter Bruegel d. Ä.): Temperantia (aus Serie der Sieben Tugenden), 1560–1562

40. Pieter van der Borcht d. J. (nach Monogrammist WL?): Allemode School, 1559

41. Raphael Sadeler d. J.: Schola Christi und Schola Diaboli, aus Johannes Niess’ Alphabetum Christi – Alphabetum Diaboli, München 1618

43. Grammatica, aus Hugo von Trimbergs Der Renner, 1472

42. Jacques de Gheyn II.: Frau mit kleinem Jungen, ein Bilderbuch betrachtend, um 1600

44. Adam Elsheimer: Das Reich der Minerva, um 1600–1605

45. Gerard ter Borch: Lesestunde, um 1652

46. Caspar Netscher: Dame, einem Mädchen das Lesen beibringend, um 1669

47. Jacques de Gheyn II.: Schreibender Jüngling (wohl Jacques de Gheyn III.), um 1611/1612 48. Jacques de Gheyn II.: Bildnis eines jungen Mannes, um 1610 (?)

49. Jacques de Gheyn II.: Lehrer und Schüler (Joseph Justus Scaliger mit einem Schüler?), um 1600–1609 (?) 50. Jacques de Gheyn II.: Lehrer und Schüler (Joseph Justus Scaliger mit einem Schüler?), um 1600–1609 (?)

51. Unbekannt: Joseph Justus Scaliger, 1. Hälfte 17. Jahrhundert 52. Jacques de Gheyn II.: Bärtiger Mann, ein Buch lesend (wohl Joseph Justus Scaliger), um 1600–1609 (?)

53. Jacques de Gheyn II.: Lehrer und Schüler, um 1610–1620 (?)

54. Jacques de Gheyn II.: Lehrer und Schüler, um 1610– 1620 (?)

55. Jan Lievens: Karl Ludwig Prinz von der Pfalz mit seinem Lehrer Wolrad von Plessen, 1631

56. Gerrit Dou: Rupert Prinz von der Pfalz mit seinem Lehrer, um 1631/1632

57. Jacques de Gheyn II.: Lehrer mit zwei Schülern, 1620

58. Jacques de Gheyn II.: Lehrer mit zwei Schülern, 1620

59. Jacques de Gheyn II.: Kopfstudien, wohl vor 1620

60. Jacques de Gheyn II.: Kopfstudien eines Knaben, wohl vor 1620

61. Jacques de Gheyn II.: Studienblatt mit sechs Knabenköpfen, wohl vor 1620

62. Jacques de Gheyn III. (?): Lehrer und Schüler, nach 1620 (?)

63. Jacques de Gheyn II.: Studienblatt mit drei Köpfen, vor 1620 (?)

64. Peter Paul Rubens: Die vier Philosophen, 1611

65a Lucas Vorstersman d. J. (nach P. P. Rubens): Büste Platos, Kupferstich, vor 1638 65b Lucas Vorstersman d. J. (nach P. P. Rubens): Büste Platos, Federzeichnung, vor 1638

66. Luca della Robbia: Grammatica, 1437–1439

67. Willem van Vliet (zugeschrieben): Schulmeister mit drei Schülern, um 1620–1630 (?)

68. Gerrit Dou: Der gestrenge Schulmeister, 1645

69. Rembrandt Harmensz. van Rijn: Der reuige Judas gibt die 30 Silberlinge zurück, 1629

70. Willem Joseph Laquy (nach Gerrit Dou): Natur, Unterweisung, Übung, zwischen 1763 und 1771

71a Willem Joseph Laquy (nach Gerrit Dou): Unterweisung, zwischen 1763 und 1771

71b Willem Joseph Laquy (nach Gerrit Dou): Natur, zwischen 1763 und 1771

72. Gerrit Dou: Der Quacksalber, 1652

71c Willem Joseph Laquy (nach Gerrit Dou): Übung, zwischen 1763 und 1771

73. Hendrick Martensz. Sorgh: Seine Feder spitzender Mann (Allegorie des Sehsinns), um 1640

74. Gerrit Dou: Abendschule, um 1655–1660

75. Gerrit Dou: Abendschule, um 1660–1665

76. Gerrit Dou: Abendschule, um 1660–1665

77. ’T scheelt te veel, aus Roemer Visschers Sinnepoppen, Amsterdam 1614

78. Studio et Vigilantia, aus Gabriel Rollenhagens Nucleus Emblematum, Arnheim 1611

79. Wenzel Hollar (nach Adam Elsheimer): Pallas (Das Reich der Minerva), 1646

80. Gerrit Dou: Seine Feder spitzender Schulmeister, 1671

81. Domenicus van Tol: Seine Feder spitzender Schulmeister, um 1671 – vor 1676

83. Gerrit Dou: Federschneider, um 1628–1632 (?) 82. Frans van Mieris: Seine Feder spitzender Gelehrter, um 1650–1665

84. Pieter Verelst: Lehrer und lesender Schüler, 1650

85. Pieter Verelst: Schulszene mit seine Feder betrachtendem Schulmeister, um 1665–1668

86. Quiringh van Brekelenkam: Lehrer mit drei Schülern, um 1650 (?)

87. Quiringh van Brekelenkam: Seine Feder spitzender Lehrer mit Schüler, um 1650 (?)

88. Quiringh van Brekelenkam: Schulmeister und lesender Schüler, 1663

89. Quiringh van Brekelenkam: Der Goldwäger, 1668

90. Quiringh van Brekelenkam: Schulmeister und schreibender Schüler, 1663

91. Quiringh van Brekelenkam: Unterrichtsszene, 1660er Jahre

92. Jan Steen: Das betrunkene Paar, um 1655–1665

93. Quiringh van Brekelenkam: Unterrichtsszene, 1660

94. Quiringh van Brekelenkam: Unterrichtsszene, 1666

95. Quiringh van Brekelenkam: Unterrichtsszene, wohl späte 1660er Jahre

96. Gerrit Dou: Die Küchenmagd, um 1650

97. Quiringh van Brekelenkam: Frau an der Wiege, um 1655–1660

98. Quiringh van Brekelenkam: Interieur mit Fischer und Mann am Spinnrad, 1663

99. Quiringh van Brekelenkam: Brot schneidende Alte mit zwei Kindern, 1658 (?)

100. Caspar Netscher: Mütterliche Hingabe, 1669

101. Frans van Mieris d. Ä.: Der Unterricht des Kindes, um 1662/1663

102. Quiringh van Brekelenkam: Bildnis eines Schülers, um 1660

103. Rembrandt Harmensz. van Rijn: Titus am Schreibpult, 1655

104. Rembrandt Harmensz. van Rijn: Titus lesend, um 1656/1657

106. Unbekannt: Porträt eines Jungen mit einem Schreibheft, um 1600/1625

105. Rembrandt Harmensz. van Rijn: Knabenbildnis (Titus), vor 1955

107. Jan Miense Molenaer (?): Schulszene, um 1630–1636

108. Jan Miense Molenaer: Schulszene, um 1630–1636

109. Unbekannt: Unterricht der Waisen (aus einer Serie von Waisenhausdarstellungen), 1619

110. Jan Miense Molenaer: Bürgerfamilie, eine Schule besuchend, 1634

111. Werner van den Valckert: Almosengeber beim Hausbesuch, 1625–1630

112. Jan Miense Molenaer: Schulszene, 1636

113. Jan Miense Molenaer: Schulszene, um 1630–1636

114. Jan Miense Molenaer: Die Fette Küche, 1637

115. Jan Miense Molenaer: Die Dorfschänke, um 1659

116. Jan Miense Molenaer: In der Taverne, 1662

117. Jan Miense Molenaer: Schulszene, wohl nach 1636

118. Jan Miense Molenaer (?): Schulszene, wohl nach 1636

119. Jan Miense Molenaer: Schulszene, wohl nach 1636

120. Jan Miense Molenaer: Schulszene, wohl nach 1636

121. Jan Miense Molenaer: Schulszene, nach 1650 (?)

122. Adriaen van Ostade: Wirtshausszene, um 1635

124. Adriaen van Ostade: Dorfschule, 1634

123. Adriaen Brouwer: Zwei raufende Männer, um 1633

125a Umkreis Adriaen van Ostade (?): Schulszene mit strafendem Lehrer, um 1635–1640 (?) 125b Unbekannt (Umkreis/Nachfolge Adriaen van Ostade?): Schulszene mit strafendem Lehrer, 1635

126. Isack van Ostade (?): Dorfschule, um 1635–1639

127. Isack van Ostade: Das geschlachtete Schwein, 1645

128. Adriaen van Ostade (?): Schulszene, 1636

129. Adriaen van Ostade: Schulszene, 1636

130. Unbekannt (nach Adriaen oder Isack van Ostade): Schulszene, 17. Jahrhundert (?)

131. Adriaen van Ostade: Schulszene, nach 1636

132. Adriaen oder Isack van Ostade: Schulszene, um 1635–1639

133. Isack van Ostade: Schulszene, um 1639

134. Adriaen Brouwer: Der eingeschlafene Wirt (Phlegmaticus), um 1633

135. Holzschnitt zu Petrus Hispanus Copulata, herausgegeben von Heinrich Quentell, Köln 1496 136. Holzschnitt zu Cato teutonice expositus, herausgegeben von Johann Otmar, Reutlingen 1491

137. Isack van Ostade (zugeschrieben): Schulszene, um/nach 1639

138. Adriaen van Ostade: Schulszene, 1641

139. Adriaen van Ostade: Bäuerliches Interieur, 1642

140. Adriaen van Ostade: Federschneider, um 1645 (?)

141. Adriaen van Ostade: Federschneider, nach 1650 (?)

142. Nil penna sed usus, aus Gabriel Rollenhagens Nucleus Emblematum, Arnheim 1611

143. Adriaen van Ostade: Schulszene, 1656

144. Hans Holbein d. J.: Erasmus von Rotterdam, um 1523

145. Adriaen van Ostade: Schulszene, 1662

146. Adriaen van Ostade: Familie bei der Mahlzeit, 1673

147. Adriaen van Ostade: Studie für einen Schuljungen, um 1666

148. Adriaen van Ostade: Schulszene, 1666

149. Adriaen van Ostade: Schulmeister mit drei Schülern, 1671–1679

150. Adriaen van Ostade: Vorzeichnung für den Schulmeister mit drei Schülern, wohl nach 1670

151. Adriaen van Ostade: Das Frühstück (Tischgesellschaft), um 1647–1652

152. Johannes de Visscher (nach A. van Ostade): Der haspelnde Bauer, um 1670

153. Adriaen van Ostade: Pater Familias, 1648

154. Adriaen van Ostade: Die Familie, 1647

155. Adriaen van Ostade: Der Familienvater, um 1645 (?)

156. Adriaen van Ostade: Tischgebet, 1653

157. Adriaen van Ostade: Der Maler in seiner Werkstatt, 1663

158. Unbekannt (Umkreis/Nachfolge Adriaen van Ostade?): Schulszene, 1636

159. Unbekannt (Umkreis/Nachfolge Adriaen van Ostade?): Schulszene, 1667

160. Bartholomeus Molenaer: Schulszene, um 1640 (?)

161. Unbekannt (Umkreis/Nachfolge Adriaen van Ostade): Schulszene, um 1630–1640 (?)

162. Unbekannt (Haarlemer Malerschule): Schulszene mit buckliger Lehrerin, um 1630–1640

163. Unbekannt (Haarlemer Malerschule): Schulszene mit seine Feder spitzendem Lehrer, um 1630–1640

165. Unbekannt (Umkreis/Nachfolge Adriaen Brouwer?): Schulszene mit Lehrerin, Mitte 17. Jahrhundert (?) 164. Unbekannt (Haarlemer Malerschule): Schulszene mit Lehrerin, um 1630–1640

166. Unbekannt (Umkreis/Nachfolge Adriaen oder Isack van Ostade): Schulszene, um 1650 (?)

167. Unbekannt (Nachahmer Adriaen bzw. Isack van Ostades): Schulszene, 1641 oder 1644

168. Isack van Ostade: Studienblatt für Schuljungen, um bzw. kurz nach 1641 (?)

169. Isack van Ostade: Interieur mit spielenden Kindern, 1641

170. Unbekannt (Nachfolge Jan Molenaer?): Ungebärdige Schulklasse, um 1650 (?)

171. Cornelis Bega: Schulszene, um bzw. kurz nach 1650

172. Pieter Cornelisz. Bega: Männer und Wirtin in einer Schänke, um 1642–1664

173. Isack van Ostade (?): Schulszene, vor 1641 (?)

174. Harmen Hals (?): Zwei Männer am offenen Fenster, um 1650 (?)

175. Harmen Hals (?): Die Bewahrschule, um 1640–1650 (?)

176. Harmen Hals (?): Schulszene mit seine Feder schärfendem Schulmeister, um 1640–1660 (?)

177. Harmen Hals (?): Schulszene, um 1640–1660 (?)

178. Harmen Hals (?): Schulszene, 2. Hälfte 17. Jahrhundert

179. Unbekannt (Nachfolge/Umkreis Adriaen oder Isack van Ostade): Schulszene, Mitte/2. Hälfte 17. Jahrhundert (?)

180. Egbert van Heemskerck d. Ä. (?): Schulszene, Mitte 17. Jahrhundert (?)

181. Egbert van Heemskerck d. Ä. (?): Schulszene, 2. Hälfte 17. Jahrhundert

182. Egbert van Heemskerck d. Ä. (?): Schulszene, 1676

183. Egbert van Heemskerck d. Ä. (?): Lehrerin mit Kindern am Pult, 2. Hälfte 17. Jahrhundert 184. Egbert van Heemskerck d. Ä. (?): Lehrer mit Kindern am Pult, 2. Hälfte 17. Jahrhundert

185. Egbert van Heemskerck d. Ä. (?): Schulszene (Lehrer hinter zu kleinem Pult), 2. Hälfte 17. Jahrhundert

186. Egbert van Heemskerck d. Ä. (Kopie nach?): Schulszene (Lehrer hinter zu kleinem Pult), 2. Hälfte 17. Jahrhundert

187. Egbert van Heemskerck d. Ä. (?): Schulszene mit ans Pult gekettetem Schüler, 2. Hälfte 17. Jahrhundert

188. Egbert van Heemskerck d. Ä. (?): Schulszene mit ans Pult gekettetem Schüler, 2. Hälfte 17. Jahrhundert

189. Egbert van Heemskerck d. Ä. (spätes Werk) oder Egbert van Heemskerck d. J. (frühes Werk): Schulszene mit ans Pult gekettetem Schüler, spätes 17. Jahrhundert

190. Egbert van Heemskerck d. Ä. (?): Schulszene mit ans Pult gekettetem Schüler, 1678

191. Unbekannt (Nachahmer Egbert van Heemskercks d. Ä.?): Schulszene, spätes 17. Jahrhundert (?)

192. Unbekannt (Umkreis Adriaen Brouwer): Tobende Schulklasse, um 1625–1630 (?)

193. Jan van Somer (nach Brouwer?): Schulmeister mit zwei Schülern, 1655–1700

194. Unbekannt (Monogrammist AE): Schulszene mit strafendem Lehrer, 1592

195. Unbekannt (Umkreis Adriaen van Ostade): Schulszene, um 1630–1640 (?)

196. Adriaen Brouwer: Rauferei, Mitte 1630er Jahre (?)

197. Unbekannt (Umkreis Adriaen Brouwer): Wurstküche, um 1625–1630 (?)

199. Unbekannt: Rauferei in einer Schänke, 1566

198. Unbekannt (Umkreis Adriaen Brouwer): Schlägerei, um 1625–1630 (?)

200. Pieter de Bloot: Tobende Schulklasse, um 1635–1640

201. Gillis van Tilborgh (?): Schulszene mit strafendem Schulmeister, 1651

202. Unbekannt (Umkreis Joos van Craesbeeck/Gillis van Tilborgh): Schulszene, um 1650 (?)

203. Unbekannt (Umkreis Joos van Craesbeeck/Gillis van Tilborgh): Schulszene, um 1650 (?)

204. Gillis van Tilborgh (?): Schulszene, wohl 2. Hälfte 17. Jahrhundert

205. David Teniers: Affenschule, 1660er Jahre

206. Egbert van Heemskerck d. J. (?): Affenschule mit Esel und Katze als Lehrern, um 1691–1744 (?) 207. Unbekannt (nach David Teniers d. J. oder Egbert van Heemskerck d. J.?): Affenschule mit Esel und Katze als Lehrern, spätes 17. Jahrhundert (?)

208. Unbekannt (Umkreis/Nachfolge Jan Steen?): Schulszene, um 1648 (?)

209. Unbekannt (Umkreis/Nachfolge Jan Steen?): Der junge Schulmeister, um 1648 (?)

210. Noach van der Meer II. (nach Jan Steen): Der junge Schulmeister, um 1751–1822

211. Jan Steen: Der dicke Schulmeister, um 1650–1660

213. Jan Steen: Der gestrenge Schulmeister, um 1665

212. Jan Steen: Die weinselige Lehrmeisterin, um 1650–1660

214. Jan Steen: Fröhliche Dreisamkeit, um 1670–1672

215. Jan Steen: Die Hochzeit von Tobias und Sara, um 1671–1673

216. Jan Steen: Die Hochzeit zu Kanaa, um 1670–1672

217. Jan Steen: Der Leidener Bäcker Arend Oostwaert und seine Frau Catharina Keyzerswaert, 1658

218. Jan Steen: Die Hochzeit von Tobias und Sara, um 1667–1668

219. Jan Steen: Der strafende Schulmeister, um 1665–1670

220. Jan Steen: Der strafende Schulmeister, um 1665–1670

221. Jan Steen: Schulszene, wohl 1672

222a Raffael: Die Schule von Athen, 1510/1511

222b Giorgio Ghisi (nach Raffael): Die Schule von Athen (veröffentlicht bei Hieronymus co*ck als Predigt Pauli in Athen), 1550

223. Michelangelo Buonarroti: Cumaeische Sibylle, 1510

224. Crispijn de Passe d. Ä. (Werkstatt?): Hortus voluptatum – Fortuna zwischen Heraklit und Demokrit (aus Serie von 33 moralisierenden Szenen), 1599

225. Jan Steen: Der Prinzentag, um 1660–1679

226. Jan Steen: Wirtshausinterieur, 1674

227. Jan Steen: Der Wein ist ein Spötter, 1663–1664

228. Jan Steen: Kinder unterrichten eine Katze, um 1663

229. Unbekannt (nach Jan Steen): Die Lehrerin (vermutlich spätere Kopie)

230. Unbekannt (nach Jan Steen): Der strafende Schulmeister, wohl nach 1665–1670

231. Unbekannt (nach Jan Steen): Schulmeister, einem Schüler den Hintern versohlend, 2. Hälfte 17. Jahrhundert (?)

232. Unbekannt (nach Jan Steen): Der strafende Schulmeister, wohl nach 1665–1670

233. Unbekannt (nach Jan Steen): Der strafende Schulmeister, wohl nach 1670

234. Unbekannt (Werkstatt Jan Steen?): Schulszene mit schlafendem Lehrer, 1672

235. Unbekannt (Umkreis Jan Steen oder Richard Brakenburgh?): Der verspottete Schulmeister, nach 1670

236. Richard Brakenburgh: Der verspottete Schulmeister, nach 1672

237. Unbekannt (Nachahmer Richard Brakenburghs?): Der verspottete Schulmeister, Ende 17. Jahrhundert (?)

238. Unbekannt (nach Jan Steen?): Bewahrschule (retuschierte Fassung, vgl. Abb. 7), Ende 17. Jahrhundert (?)

239. Aert de Gelder: Der blinde Homer, um 1700/1710

240. Rembrandt Harmensz. van Rijn: Homer, 1663 vollendet

241. Rembrandt Harmensz. van Rijn: Homer, 1663 oder früher

242. Hendrick de Valk (?): Der verspottete Schulmeister, 1690er Jahre (?)

243. Jan Josef Horemans d. Ä. (?): Schulszene, um 1700 (?)

244. Jan Josef Horemans d. Ä. (?): Schulszene, nach 1740 (?)

245. Jan Josef Horemans d. J. (?): Der Schulmeister bekommt Eier von seinen Schülern, nach 1740 (?)

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